Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, 1972

Einleitung

Im Frühling 1972 ging eine Warnung um die Welt. Die Menschheit, hieß es, arbeite direkt auf ihren eigenen Untergang hin. "Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität." Nur ein rasches und entschiedenes Handeln könne die gegenwärtige "Wachstumstendenz" noch ändern und einen "ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand" herbeiführen. [Dennis Meadows u.a., Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972, S.17.]

Verpackt war die apokalyptische Botschaft in ein schmales Bändchen, keine zweihundert Seiten stark und mit zahlreichen Abbildungen illustriert. Die Autorschaft lag bei einem 17-köpfigen internationalen Forscherteam um den Amerikaner Dennis Meadows, als Auftraggeber der Studie figurierte der Club of Rome. Beide, Autoren und Auftraggeber, waren weitgehend unbekannt.

Dies sollte sich mit der Publikation der "Grenzen des Wachstums" rasch ändern. Das Buch erschien im Frühling 1972 nahezu zeitgleich in zwölf Sprachen, und es gab kaum eine namhafte Zeitung, die es nicht ausführlich besprach. Die "Grenzen des Wachstums", seine Autoren und der Club of Rome waren bald in aller Munde.

Die Reaktionen fielen äußerst kontrovers aus. Das Spektrum reichte von tiefer Betroffenheit bis zu unverhohlener Ablehnung, wobei die kritischen Stimmen überwogen. Unter dem Titel "Weltuntergangs-Vision aus dem Computer" unterzog das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Bericht einer vernichtenden Begutachtung und knüpfte an Bewertungen der New York Times Book Review ("ein hohles und irreführendes Werk") und The Economist ("Hochwassermarke altmodischen Unsinns") an. Viele Ökonomen gingen mit der Studie scharf ins Gericht. So warf der Nobelpreisträger Paul A. Samuelson den Autoren vor, die Fehler von Thomas R. Malthus zu wiederholen, indem sie den Preismechanismus und die technische Innovationsfähigkeit unterbelichtet ließen. Der politischen Linken waren die Hintermänner des Berichtes suspekt. Der Club of Rome, 1968 vom italienischen Industriellen Aurelio Peccei und dem schottischen OECD-Direktor Alexander King ins Leben gerufen, um der Menschheit ihre "mißliche Lage" bewußt zu machen, war ein hochelitärer und männerdominierter Zirkel. Seine Mitglieder waren handverlesen und auf dem internationalen Parkett bestens vernetzt. Für die Linke war es daher symptomatisch, daß die politischen und sozialen Dimensionen des Wachstums von Meadows Team weitgehend ausgespart worden waren. In eine ähnliche Richtung zielten auch Kritiker aus der sogenannten Dritten Welt, die monierten, der ökologische Knappheitsdiskurs diene dazu, ihre Entwicklungschancen zu beschneiden.

Das Buch wurde trotz der schlechten Noten zu einem weltweiten Erfolg. Es wurde in 37 Sprachen übersetzt und nach Angaben des Club of Rome über zwölf Millionen Mal verkauft. Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1973 an den Club of Rome verschaffte dem Bericht im deutschen Sprachraum zusätzliches Gehör. Seine eingängigen Formulierungen und plastischen Visualisierungen blieben hängen. Die Weltmodelle, die exponentiellen und logistischen Wachstumskurven und die Gleichgewichtsszenarien gehörten bald zum bildungsbürgerlichen Grundwissen. Und selbst wer die kybernetische Wachstumsanalyse in rückgekoppelten Regelkreisen nicht nachzuvollziehen vermochte, verstand die Dynamik des Prozesses dank Meadows berühmt gewordener Metapher vom Lilienteich, der noch am neunundzwanzigsten Tag des Wachstums halbleer, am dreißigsten aber bereits vollständig überwuchert ist. "In einem Gartenteich wächst eine Lilie, die jeden Tag auf die doppelte Größe wächst. Innerhalb von dreißig Tagen kann die Lilie den ganzen Teich bedecken und alles andere Leben in dem Wasser ersticken. Aber ehe sie nicht mindestens die Hälfte der Wasseroberfläche einnimmt, erscheint ihr Wachstum nicht beängstigend; es gibt ja noch genügend Platz, und niemand denkt daran, sie zurückzuschneiden, auch nicht am 29. Tag; noch ist ja die Hälfte des Teiches frei. Aber schon am nächsten Tag ist kein Wasser mehr zu sehen." [Ebd., S. 19-21.]

Die "Grenzen des Wachstums" war nicht der erste Bericht, der darauf aufmerksam zu machen suchte, daß der menschlichen Zivilisation nicht nur durch einen atomaren Krieg, sondern auch durch friedliches, aber ungehemmtes Wirtschaften akute Gefahr drohte. Begleitet von auflagestarken Publikationen mit Titeln wie "Der Zukunftsschock", "Die Bevölkerungsbombe", "Das Selbstmordprogramm" oder "Wachstumswahn und Umweltkrise" hatte sich bereits in den Jahren zuvor unterschwellig eine apokalyptische Stimmung breit gemacht. Im Vergleich zu diesen Vorgängern konnte Meadows’ Bericht aber deutlich mehr Kapital mobilisieren: Ausgezeichnet mit dem Gütesiegel der renommiertesten Technischen Hochschule der Welt, des Massachusetts Institute of Technology (MIT), verliehen ihm sein auf Jay W. Forrester zurückgehendes kybernetisches Modell und die computergestützte Verarbeitung harter Daten wissenschaftliche Beweiskraft. Hinzu kam ein gekonntes internationales Marketing durch den Club of Rome.

Verwies die Studie in ihrer technokratischen Herangehensweise noch auf die Virulenz überkommener Planungs-, Steuerungs- und Machbarkeitseuphorien, bediente sie zugleich die ökologischen Untergangsszenarien und die aufkeimenden gesellschaftlichen Neuerungsbestrebungen. Die Publikation fiel in die Zeit der gesellschaftlichen Neuorientierung Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. In der vormals konformen Gesellschaftsordnung der Wirtschaftswunderzeit taten sich tiefe Gräben auf, die Freude an den präzedenzlosen Wohlstandsgewinnen wich einem verbreiteten Unbehagen. Traditionelle Bindungen verloren rasch an Prägekraft und die sogenannten neuen sozialen Bewegungen mischten Gesellschaft und Politik auf. Die Friedens-, die Frauen-, die Umweltbewegung und die Dritte-Welt-Bewegung, um nur einige dieser untereinander nicht scharf zu trennenden gesellschaftlichen Kräfte zu nennen, unterminierten hergebrachte Erklärungsmuster und speisten den politischen Diskurs mit neuen Themen und Aktionsformen. Der Schutz der natürlichen Umwelt wurde um 1970 aber auch von den politischen Parteien und den staatlichen Behörden als Wirkungsfeld entdeckt und unter dem Begriff "Umweltschutz" popularisiert.

Das Buch "Die Grenzen des Wachstums" gehört zu den ganz seltenen Texten, denen eine globale Rezeption zuteil geworden ist. "Grenzen des Wachstums" wurden zu einem stehenden Begriff, die Publikation im Rückblick oft mit der umweltpolitischen Wende der 1970er Jahre gleichgesetzt. Diese Zuschreibung übertreibt zweifellos die historische Bedeutung des Buches, unterstreicht aber seine wesentliche Qualität als diskursiver Kristallisationspunkt in einer gesellschaftlichen Umbruchszeit. Der Bericht trug dazu bei, den in den 1950er und 1960er Jahren kaum hinterfragten Glauben an wirtschaftliches Wachstum und technischen Fortschritt nachhaltig zu erschüttern. Selbst profilierte Kritiker des Berichts mahnten, die "Grenzen des Wachstums" nicht einfach beiseite zu schieben, sondern als Warnung zu verstehen, vor dem, was vielleicht in einer anderen Art und zu einem anderen Zeitpunkt auf die Menschheit zukommen könnte. In diesem Sinne schärfte der Bericht das Bewußtsein für die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, unterminierte ironischerweise aber zugleich das Vertrauen in die Macht und Möglichkeit allgemeingültiger Rezepte. Die im Bericht geforderten Wachstumsbeschränkungen fanden wenig Anklang, nicht zuletzt, weil die Konjunktur kurz darauf weltweit einbrach, bevor politische Dämpfungsmaßnahmen ergriffen worden waren. In all ihren Unzulänglichkeiten leisteten die "Grenzen des Wachstums" einer globalen Umweltpolitik dennoch Vorschub. Die Diskussionen um das Wie und Wozu des Wachstums brachen nicht mehr ab und führten in den 1980er Jahren zur international anerkannten Leitkategorie der nachhaltigen Entwicklung.

Patrick Kupper