VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau, Trabant 601, 1964

Einleitung

Die Geschichte des Trabants und damit auch die seines Herstellungsbetriebs, dem VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau (AWZ), ist außerordentlich eng mit der Sozial- Wirtschafts-, und Technik-, aber auch mit der Politik- und Kulturgeschichte der DDR verbunden. Schon die Entstehungsgeschichte des Wagens verdeutlicht diese Verklammerung: Der Entschluss, einen Kleinwagen für die individuelle Motorisierung in das Produktionsprogramm des DDR-Automobilbaus aufzunehmen, ging auf die Aufstandsbewegung vom 17. Juni 1953 zurück. In expliziter Bezugnahme auf die stärker konsumorientierte Wirtschaftspolitik des "Neuen Kurses", die in Reaktion auf den Aufstand in der DDR propagiert wurde, begannen Ende 1953 in Zwickau die Entwicklungsarbeiten an einem neuen, ursprünglich schlicht "P 50" genannten Kleinwagen. Mit einiger Mühe gelang es, dessen Vorserienproduktion zum angekündigten Termin, d.h. zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution am 7. November 1957, aufzunehmen. Zu Ehren des im Oktober dieses Jahres gestarteten ersten künstlichen Erdsatelliten "Sputnik" erhielt der neue Wagen dann den klingenden Namen "Trabant". Mit der Fusionierung der verschiedenen Zwickauer Betriebsteile der ehemaligen Auto Union zum AWZ am 1. Mai 1958 fand schließlich auch der Herstellerbetrieb des Trabants zu der Organisationsform, die er bis zum Ende der DDR behalten sollte.

Bereits der erste Trabant zeigte mit seinem Zweizylinder-Zweitaktmotor und seiner Pressstoffkarosserie die typischen Merkmale dieses Pkw-Modells, die ihn später zu einer kraftfahrzeugtechnischen Kuriosität werden ließen. Der robuste Zweitaktmotor war allerdings fertigungstechnisch günstig und die Karosserie aus sogenanntem "Duroplast" ließ sich auf Basis von Baumwollabfällen sowie Phenolharzen aus heimischer Braunkohle herstellen. Damit konnte der Wagen also mit vergleichsweise geringem Aufwand und vor allem ohne teure Importe aus dem kapitalistischen Westen, insbesondere ohne die bei einer Stahlblechkarosserie notwendigen Tiefziehbleche, produziert werden.

Beim Serienanlauf des Trabant P 50 stand bereits fest, dass verschiedene seiner Komponenten der Überarbeitung bedurften. In den Jahren 1960 bis 1962 wurde der Motor leicht modifiziert und in seiner Leistung gesteigert. Der stärker motorisierte Trabant erhielt nun die Zusatzbezeichnung "P 60", ab 1963 dann – zu Ehren des V. Parteitags der SED - "P 600". Mit der Einführung einer neuen, fertigungstechnisch optimierten Duroplast-Karosserie konnte 1964 schließlich die Serie der Verbesserungen abgeschlossen werden. Der Wagen firmierte ab diesem Zeitpunkt unter der Modellbezeichnung "Trabant P 601". Schon mit Blick auf die eben erst beschafften modellspezifischen Fertigungsanlagen im AWZ lag 1964 auf der Hand, dass man nun längere Zeit an diesem Modell würde festhalten müssen. Dass daraus im Endeffekt aber mehr als 25 Jahre werden sollten, konnte Mitte der 1960er Jahre noch niemand ahnen.

Sucht man nach einer Erklärung für diese jahrzehntelange weitgehende Typenkonstanz, so kommt der Entwicklung der ostdeutschen Automobilindustrie in den 1970er Jahren eine besondere Bedeutung zu. Entscheidend war dabei zunächst der neue wirtschafts- und konsumpolitische Kurs, den die DDR-Führung 1971 im Zuge des Machtwechsels von Walter Ulbricht zu Erich Honecker einschlug. In Kooperation mit der ČSSR sollten Trabant und Wartburg durch weltmarktfähige Nachfolgemodelle ersetzt werden, die außerdem in so großen Stückzahlen hätten gefertigt werden sollen, dass eine vollständige Inlandsbedarfsdeckung möglich geworden wäre. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass der normale Käufer in der DDR bereits Anfang der 1970er Jahre sieben bis zehn Jahre auf seinen Trabant warten musste. Zudem war die geplante Stückzahlsteigerung eine Voraussetzung für den Einsatz hochproduktiver Massenproduktionstechnologien, die zu einem auch im internationalen Maßstab konkurrenzfähigen Fertigungsaufwand führen sollten.

Das Modernisierungsprojekt für den DDR-Pkw-Bau wurde zunächst intensiv verfolgt, dennoch beschloss das Politbüro der SED aber Ende 1979, das Vorhaben abzubrechen. Jahre der Projektierungs- und Entwicklungsarbeit waren vergebens gewesen und Vorlaufinvestitionen in Millionenhöhe gingen verloren. Auf den ersten Blick bestätigt die Geschichte des Pkw-Programms damit eine populäre Erklärung für die unzureichende Innovativität innerhalb der DDR-Wirtschaft: Wieder einmal, so scheint es, scheiterte ein vielversprechender Innovationsversuch an der Ignoranz der Parteiführung. Im Grunde vollendete die Politbüroentscheidung aber lediglich Entwicklungen, die sich aufgrund sehr viel tieferliegender Probleme vollzogen hatten.

Zunächst ist dabei auf die sich in den 1970er Jahren dramatisch verändernden außen- und damit auch gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verweisen. Von entscheidender Bedeutung war hier der seit Ende 1973 drastisch steigende Weltmarktpreis für Erdöl. In der auf den Ölpreisanstieg folgenden Rezession wurde es angesichts ihrer schwachen Wettbewerbsposition für die DDR immer schwieriger, ihre Produkte auf westlichen Märkten abzusetzen; ihre Importe aus dem kapitalistischen Ausland verteuerten sich hingegen infolge des allgemeinen Preisanstiegs. Als mittelbare Folge der Ölpreisentwicklung vergrößerten sich daher die negativen Salden der DDR im Westhandel. Innerhalb des RGW war andererseits die Sowjetunion nicht mehr bereit, die anderen Mitgliedsländer zu den bisherigen Konditionen mit Öl zu beliefern. Sie setzte neue Preisbildungsgrundsätze durch, die zu einer enormen volkswirtschaftliche Belastung für die DDR wurden: 1980 musste diese rund zehnmal so viel für sowjetisches Öl ausgeben wie noch 1970.

Zum zentralen Problem des Pkw-Programms entwickelte sich unter diesen Bedingungen die Bereitstellung der erforderlichen neuen Produktionsanlagen. Angesichts der steigenden Verschuldung der DDR war an einen Import dieser Anlagen aus dem kapitalistischen Westen nicht zu denken. Der Maschinenbau der DDR war andererseits schon wegen seines ungeeigneten Produktionssortiments nicht in der Lage, automobilspezifische Produktionsmittel bereit zu stellen. Aufgrund der sich für die DDR zunehmend verschlechternden Terms of Trade musste zudem ein immer größerer Teil der DDR-Maschinenbauproduktion exportiert werden. 1979 standen beispielsweise nur noch 16 Prozent der in der DDR produzierten Werkzeugmaschinen für den Inlandsverbrauch zur Verfügung.

Als letzter Ausweg bot sich die Umsetzung der zentralen Vorhaben des Pkw-Programms mit Hilfe von Kompensationsgeschäften an. Westliche Firmen sollten schlüsselfertige Herstellungskomplexe liefern, wobei die Anlagen durch die Rücklieferung eines Teils der dort gefertigten Komponenten hätten refinanziert werden sollen. Der erfolgreiche Abschluss eines solchen Kompensationsvertrags gelang allerdings nur in einem einzigen Fall, nämlich im Fall des ab 1978 am Standort Zwickau-Mosel in Kooperation mit Citroen tatsächlich errichteten Gelenkwellenwerks. Für alle anderen in Aussicht genommenen Vorhaben konnten keine Kompensationspartner gefunden werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die geplante Ablösung des Trabant 601 durch ein Nachfolgemodell 1979 de facto gescheitert war. Weder konnte das AWZ mit den erforderlichen Maschinen und Anlagen beliefert werden, noch war es gelungen, die Zulieferbetriebe in der DDR zur Produktion der für den Modellwechsel erforderlichen neuen Komponenten zu bewegen. Die Reorganisation einer Zulieferkette war angesichts der schwachen direkten Beziehungen zwischen Endfertigungswerken und Zulieferern in Zentralverwaltungswirtschaften nur über schwerfällige administrative Prozesse möglich. Betriebe, die kaum vom jeweiligen Investitionsvorhaben profitieren konnten, betrachteten die an sie gestellten Entwicklungsanforderungen als Zusatzaufgabe neben dem Plan und versuchten sich daher häufig erfolgreich diesen Anforderungen zu entziehen. Das Beispiel des gescheiterten Pkw-Modellwechsels verdeutlicht damit nicht nur einige der systemimmanenten Probleme in Zentralverwaltungswirtschaften, sondern darüber hinaus auch die zunehmend aussichtslosere gesamtwirtschaftliche Situation, in der sich die DDR schon Ende der 1970er Jahre befand. Mit Rücksicht auf ihre ökonomischen Schwierigkeiten musste die DDR die geplante Modernisierung ihres Pkw-Baus aufgeben und die geplante Zusammenarbeit mit der ČSSR aufkündigen, wobei sie die daraus resultierenden diplomatische Verwerfungen billigend in Kauf nahm.

Das AWZ befand sich nach Abbruch des Modernisierungsprojekts in einer desolaten Lage. Unter dem Eindruck des vermeintlich bald zu erwartenden Modellwechsels war eine konsequente Serienbetreuung des Trabant 601 ebenso unterblieben wie relevante Investitionen in dessen Produktionstechnik. Man war also gezwungen, weiterhin ein veraltetes Modell auf weitgehend verschlissenen Anlagen zu produzieren. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in der DDR kann es kaum verwundern, dass den Zwickauer Automobilbauern auch nach 1980 die für eine durchgreifende Produktionsumstellung notwendigen Mittel nicht zugewiesen wurden. Das aufwendige aber halbherzige Modernisierungsprogramm der 1980er Jahre, das zur Ausstattung des alten Trabant-Modells mit in Lizenz produzierten VW-Viertaktmotoren führte, konnte die Probleme des Werks nicht einmal ansatzweise lösen.

Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass es dem AWZ trotz aller Probleme gelang, seinen Produktionsausstoß fast kontinuierlich zu steigern. Hatten 1970 gerade einmal gut 86.000 Trabant das Zwickauer Werk verlassen, so waren es im Rekordjahr 1988 immerhin über 145.000. Das reichte freilich weder, um auch im internationalen Vergleich mit konkurrenzfähigem Aufwand produzieren zu können, noch reichte es für eine angemessene Inlandsbedarfsdeckung mit Pkw. Die Wartezeiten bis zur Auslieferung eines Trabants erreichten daher in den 1980er Jahren Rekordlängen von 14 Jahren und mehr, die daraus und auch aus der inzwischen hoffnungslos veralteten Technik des Wagens resultierende Unzufriedenheit war beträchtlich.

Nach der sogenannten Wende erwies sich der Trabant 601 als praktisch unverkäuflich, ein Schicksal im Übrigen, dass er mit seinem äußerlich kaum von ihm zu unterscheidenden Nachfolgemodell, dem Trabant 1.1, teilte. Die Produktionsaufnahme dieses Viertakt-Trabants erfolgte noch im Mai 1990, die Einstellung seiner Produktion kaum ein Jahr später und nach nur knapp 39.500 gebauten Exemplaren am 30. April 1991. Zu diesem Zeitpunkt war der Trabant 601 bereits Geschichte: Nach über zweieinhalb Jahrzehnten und mehr als 2,8 Millionen gebauten Exemplaren war in Zwickau am 25. Juli 1990 der letzte Trabant 601 vom Band gelaufen.

Obwohl der Trabant sicherlich zu den prominentesten Industrieprodukten der ehemaligen DDR überhaupt gehört, ist der Stand der Forschung zu seiner Produktions- und Produktgeschichte, zur Kulturgeschichte des Fahrzeugs, zur gesamtwirtschaftlichen Relevanz der DDR-Automobilindustrie sowie zu deren vergleichsweise geringer Innovativität als immer noch relativ schlecht zu bezeichnen. Wie im Grunde für den gesamten Bereich der Verkehrstechnik typisch, so liegt auch für den Trabant inzwischen eine ausgesprochen vielfältige populär-nostalgische oder aber auf technische Details kaprizierte, häufig reich bebilderter "Hobby-Literatur" vor (hier nur einige Beispiele für aktuellere Veröffentlichungen: Matthias Röcke, Auto-Alltag in der DDR, Königswinter 2010; ders., Trabant – Alle Modelle, Königswinter 2011; Hans Hellbach (Hg.), Autos in der DDR, Berlin 2010; Frank Rönicke, Trabant. Legende auf Rädern, Stuttgart 2011).

Wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Darstellungen zur Geschichte des Trabants respektive zu der der ostdeutschen Automobilindustrie insgesamt sind demgegenüber selten. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang sicherlich die Arbeiten von Peter Kirchberg, die zum Teil bereits in der DDR entstanden und ausgesprochen hilfreich sind, um einen ersten Überblick über die Entwicklung insbesondere des Zwickauer Automobilbaus zu gewinnen (etwa Peter Kirchberg, Horch, Audi, DKW, IFA. 80 Jahre Geschichte der Autos aus Zwickau, Berlin (Ost) 1985; ders. und Michael Krone, Dixi, Horch, Trabant und Co, Suderburg-Hösseringen 1990 (Manuskript vor 1989 abgeschlossen)). Diese Darstellungen bleiben allerdings überwiegend stark produktorientiert, was letztlich auch für das ausgesprochen detailreiche im Jahr 2000 erschienene "Opus Magnum" von Kirchberg gilt (Peter Kirchberg, Plaste, Blech und Planwirtschaft. Die Geschichte des Automobilbaus in der DDR, Berlin 2000), an dem allerdings bei Interesse an der Geschichte des ostdeutschen Automobilbaus kein Weg vorbei führt.

Einen im Vergleich dazu knapperen Überblick über die Geschichte des DDR-Pkw-Baus vor dem Hintergrund vor allem der relevanten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bietet die 1999 erschienene Dissertation von Reinhold Bauer, der es zudem darum geht, am Beispiel des Pkw-Baus die systemimmanenten Innovationsbarrieren in Zentralverwaltungswirtschaften zu analysieren (Reinhold Bauer, Pkw-Bau in der DDR. Zur Innovationsschwäche von Zentralverwaltungswirtschaften, Frankfurt am Main u.a. 1999). Im Umfeld dieser Arbeit sind zudem einige Aufsatzveröffentlichungen zu Einzelaspekten der DDR-Kraftfahrzeuggeschichte entstanden (u.a.: Reinhold Bauer, Der "RGW-Pkw" – Geschichte eines gescheiterten Kooperationsvorhabens, in: Milos Reznik, Katja Rosenbaum (Hg.), DDR und CS(S)R 1949 –1989. Eine Beziehungsgeschichte am Anfang, München 2012, S. 165-186; ders., Die 1970er Jahre als "Sattelzeit" im ostdeutschen Automobilbau, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 2010, H. 1, S. 161-172; ders., Planmäßig heruntergewirtschaftet? Zur Geschichte des ostdeutschen Automobilbaus, in: Horch und Guck. Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur, 2009, Jg. 18, H. 3, S. 30-33).

Reinhold Bauer