Der Vertrag von Locarno, 16. Oktober 1925

Gesetz über die Verträge von Locarno und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund. Vom 28. November 1925.

Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:

A r t i k e l 1

Den Verträgen, die dem am 16. Oktober 1925 in Locarno unterzeichneten Schlußprotokoll beigefügt sind und am 1. Dezember 1925 in London unterzeichnet werden sollen, nämlich:

1. Dem Vertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien,

2. Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien,

3. Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich,

4. dem Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Polen,

5. dem Schiedsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei

wird zugestimmt.

A r t i k e l 2

Die Reichsregierung wird ermächtigt, die zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erforderlichen Schritte zu tun.

A r t i k e l 3

Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Verkündung folgenden Tag in Kraft.

Berlin, den 28. November 1925.

Der Reichspräsident

Glossarvon Hindenburg

Der Reichskanzler

GlossarDr. Luther

Der Reichsminister des Auswärtigen

GlossarDr. Stresemann

[Vertrag von Locarno]

Die Vertreter der Deutschen, Belgischen, Britischen, Französischen, Italienischen, Polnischen und Tschechoslowakischen Regierung, die vom 5. bis 16. Oktober 1925 in Locarno versammelt waren, um gemeinsam die Mittel zum Schutze ihrer Völker vor der Geißel des Krieges zu suchen und für die friedliche Regelung von Streitigkeiten jeglicher Art, die etwa zwischen einigen von ihnen entstehen könnten, zu sorgen, haben ihre Zustimmung zu den Entwürfen der sie betreffenden Verträge und Abkommen gegeben, die im Laufe der gegenwärtigen Konferenz ausgearbeitet worden sind und sich aufeinander beziehen:

Vertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien (Anlage A)

Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien (Anlage B)

Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich (Anlage C)

Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Polen (Anlage D)

Schiedsvertrag zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei (Anlage E)

Diese Urkunden, die schon jetzt "ne varietur" paraphiert werden, sollen das heutige Datum tragen. Die Vertreter der beteiligten Parteien kommen überein, am 1. Dezember d. J. in London zusammenzutreten, um in einer Sitzung die förmliche Unterzeichnung der sie betreffenden Urkunden vorzunehmen.

Der Französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten macht Mitteilung davon, daß im Anschluß an den obenerwähnten Entwürfe von Schiedsverträgen Frankreich, Polen und die Tschechoslowakei in Locarno gleichfalls Entwürfe zu Abkommen aufgestellt haben, um sich gegenseitig den Nutzen dieser Verträge zu sichern. Diese Abkommen werden regelrecht beim Völkerbund hinterlegt werden; Herr Briand hält aber schon jetzt Abschriften davon zur Verfügung der hier vertretenen Mächte.

Der Großbritannische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten schlägt vor, daß zur Beantwortung gewisser, vom Deutschen Reichskanzler und Außenminister gestellter Forderungen nach Aufklärung über den Artikel 16 der Völkerbundssatzung das im Entwurf hier gleichfalls angeschlossene Schreiben (Anlage F) gleichzeitig mit der förmlichen Unterzeichnung der obenerwähnten Urkunden an sie gerichtet wird. Dieser Vorschlag wird angenommen.

Die Vertreter der hier vertretenen Regierungen erklären ihre feste Überzeugung, daß die Inkraftsetzung dieser Verträge und Abkommen in hohem Maße dazu beitragen wird, eine moralische Entspannung zwischen den Nationen herbeizuführen, daß sie die Lösung vieler politischer und wirtschaftlicher Probleme gemäß den Interessen und Empfindungen der Völker stark erleichtern wird, und daß sie so, indem sie Frieden und Sicherheit in Europa festigt, das geeignete Mittel sein wird, in wirksamer Weise die im Artikel 8 der Völkerbundssatzung vorgesehenen Entwaffnung zu beschleunigen.

Sie verpflichten sich, an dem vom Völkerbund bereits aufgenommenen Arbeiten hinsichtlich der Entwaffnung aufrichtig mitzuwirken und die Verwirklichung der Entwaffnung in einer allgemeinen Verständigung anzustreben.

Geschehen zu Locarno am 16. Oktober 1925.

(gez.)

GlossarDr. Luther

GlossarStresemann

GlossarEmile Vandervelde

GlossarA. Briand

GlossarAusten Chamberlain

GlossarBenito Mussolini

GlossarA. Skrzynski

GlossarDr. Edvard Beneš

Anlage A.

Der Deutsche Reichspräsident, Seine Majestät der König der Belgier, der Präsident der Französischen Republik, Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland und der überseeischen britischen Lande, Kaiser von Indien, Seine Majestät der König von Italien;

bestrebt, dem Wunsche nach Sicherheit und Schutz zu genügen, der die Völker beseelt, die unter der Geißel des Krieges 1914 bis 1918 zu leider gehabt haben;

im Hinblick auf die Tatsache, daß die Verträge zur Neutralisierung Belgiens hinfällig geworden sind, und im Bewußtsein der Notwendigkeit, den Frieden in dem Gebiete zu sichern, daß so oft der Schauplatz der europäischen Konflikte gewesen ist;

in gleicher Weise beseelt von dem aufrichtigen Wunsche, allen beteiligten Signatarmächten im Rahmen der Völkerbundssatzung und der zwischen ihnen in Kraft befindlichen Verträge ergänzende Garantien zu gewähren;

haben beschlossen, zu diesen Zwecken einen Vertrag zu schließen, und haben zu Bevollmächtigten ernannt:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

die, nachdem sie ihre Vollmachten ausgetauscht und in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:

A r t i k e l 1.

Die Hohen Vertragsschließenden Teile garantieren, jeder für sich und insgesamt, in der in den folgenden Artikeln bestimmten Weise die Aufrechterhaltung des sich aus den Grenzen zwischen Deutschland und Belgien und zwischen Deutschland und Frankreich ergebenden territorialen Status quo, die Unverletzlichkeit dieser Grenzen, wie sie durch den in Versailles am 28. Juni 1919 unterzeichneten GlossarFriedensvertrag oder in dessen Ausführung festgesetzt sind, sowie die Beobachtung der Bestimmungen der Artikel 42 und 43 des bezeichneten Vertrages über die demilitarisierte Zone.

A r t i k e l 2.

Deutschland und Belgien und ebenso Deutschland und Frankreich verpflichten sich gegenseitig, in keinem Falle zu einem Angriff oder zu einem Einfall oder zum Kriege gegeneinander zu schreiten.

Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn es sich handelt

um die Ausübung des Rechtes der Selbstverteidigung, das heißt um den Widerstand gegen eine Verletzung der Verpflichtung des vorstehenden Absatzes oder gegen einen flagranten Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrags von Versailles, sofern ein solcher Verstoß eine nicht provozierte Angriffshandlung darstellt und wegen der Zusammenziehung von Streitkräften in der demilitarisierten Zone eine sofortige Aktion notwendig ist;

um eine Aktion auf Grund des Artikel 16 der Völkerbundssatzung;

um eine Aktion, die auf Grund einer Entscheidung der Versammlung oder des Rates des Völkerbundes oder auf Grund des Artikel 15 Abs. 7 der Völkerbundssatzung erfolgt, vorausgesetzt, daß sich die Aktion in diesem letzten Falle gegen einen Staat richtet, der zuerst zum Angriff geschritten ist.

A r t i k e l 3.

Im Hinblick auf die von ihnen im Artikel 2 beiderseits übernommenen Verpflichtungen verpflichten sich Deutschland und Belgien sowie Deutschland und Frankreich, auf friedlichem Wege, und zwar in folgender Weise, alle Fragen jeglicher Art zu regeln, die sie etwa entzweien und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gelöst werden können.

Alle Fragen, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind, sollen Richtern unterbreitet werden, deren Entscheidung zu befolgen die Parteien sich verpflichten.

Jede andere Frage ist einer Vergleichskommission zu unterbreiten. Wird der von dieser Kommission vorgeschlagenen Regelung nicht von beiden Parteien zugestimmt, so ist die Frage vor den Völkerbundsrat zu bringen, der gemäß Artikel 15 der Völkerbundssatzung befindet.

Die Einzelheiten dieser Methoden friedlicher Regelung bilden den Gegenstand besonderer Abkommen, die am heutigen Tage unterzeichnet worden sind.

A r t i k e l 4.

1. Ist einer der Hohen Vertragschließenden Teile der Ansicht, daß eine Verletzung des Artikel 2 dieses Vertrages oder ein Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles begangen worden ist oder begangen wird, so wird er die Frage sofort vor den Völkerbundsrat bringen.

2. Sobald der Völkerbundsrat festgestellt hat, daß eine solche Verletzung oder ein solcher Verstoß begangen worden ist, zeigt er dies unverzüglich den Signatarmächten dieses Vertrages an, und jede von ihnen verpflichtet sich, in solchem Falle der Macht, gegen die sich die beanstandete Handlung richtet, sofort ihren Beistand zu gewähren.

3. Im Falle einer flagranten Verletzung des Artikel 2 dieses Vertrages oder eines flagranten Verstoßes gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile verpflichtet sich schon jetzt jede der anderen vertragschließenden Mächte, sobald ihr erkennbar geworden ist, daß diese Verletzung oder dieser Verstoß eine nicht provozierte Angriffshandlung darstellt, und daß im Hinblick, sei es auf die Überschreitung der Grenze, sei es auf die Eröffnung der Feindseligkeiten oder die Zusammenziehung von Streitkräften in der demilitarisierten Zone, ein sofortiges Handeln geboten ist, demjenigen Teile, gegen den eine solche Verletzung oder ein solcher Verstoß gerichtet worden ist, sofort ihren Beistand zu gewähren. Dessenungeachtet wird der gemäß Absatz 1 dieses Artikels mit der Frage befaßte Völkerbundsrat das Ergebnis seiner Feststellungen bekanntgeben. Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, in solchem Falle nach Maßgabe der Empfehlungen des Rates zu handeln, die alle Stimmen mit Ausnahme derjenigen der Vertreter der in die Feindseligkeiten verstrickten Teile auf sich vereinigt haben.

A r t i k e l 5.

Die Bestimmung des Artikel 3 dieses Vertrages wird in nachstehender Weise unter die Garantie der Hohen Vertragschließenden Teile gestellt.

Wenn sich eine der im Artikel 3 genannten Mächte weigert, das Verfahren zur friedlichen Regelung zu befolgen oder eine schiedsgerichtliche oder richterliche Entscheidung auszuführen, und eine Verletzung des Artikel 2 dieses Vertrages oder einen Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles begeht, so finden die Bestimmungen des Artikel 4 Anwendung.

Falls eine der im Artikel 3 genannten Mächte, ohne eine Verletzung des Artikel 2 dieses Vertrages oder einen Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles zu begehen, sich weigern sollte, das Verfahren zur friedlichen Regelung zu befolgen oder eine schiedsgerichtliche oder richterliche Entscheidung auszuführen, so wird der andere Teil die Angelegenheit vor den Völkerbundsrat bringen, der die zu ergreifenden Maßnahmen vorschlagen wird; die Hohen Vertragschließenden Teile werden diese Vorschläge befolgen.

A r t i k e l 6.

Die Bestimmungen dieses Vertrages lassen die Rechte und Pflichten unberührt, die sich für die Hohen Vertragschließenden Teile aus dem Vertrag von Versailles sowie aus den ergänzenden Vereinbarungen, einschließlich der in London am 30. August 1924 unterzeichneten, ergeben.

A r t i k e l 7.

Dieser Vertrag, der die Aufrechterhaltung des Friedens sichern soll und der Völkerbundssatzung entspricht, kann nicht so ausgelegt werden, als beschränke er die Aufgabe des Völkerbundes, die zur wirksamen Wahrung des Weltfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

A r t i k e l 8.

Dieser Vertrag soll gemäß der Völkerbundssatzung beim Völkerbund eingetragen werden. Er bleibt solange in Kraft, bis der Rat, auf den drei Monate vorher den anderen Signatarmächten anzukündigenden Antrag eines der Hohen Vertragschließenden Teile, mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen feststellt, daß der Völkerbund den Hohen Vertragschließenden Teile hinzureichende Garantien bietet. Der Vertrag tritt alsdann nach Ablauf einer Frist von einem Jahre außer Kraft.

A r t i k e l 9.

Dieser Vertrag soll keinem der britischen Dominions noch Indien irgendeine Verpflichtung auferlegen, es sei denn, daß die Regierung des Dominions oder Indiens anzeigt, daß sie diese Verpflichtungen annimmt.

A r t i k e l 10.

Dieser Vertrag soll ratifiziert werden, und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Genf im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden.

Er soll in Kraft treten, sobald alle Ratifikationsurkunden hinterlegt sind und Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden ist.

Dieser in einem einzigen Exemplare ausgefertigte Vertrag soll im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden, dessen Generalsekretär gebeten wird, jedem der Hohen Vertragschließenden Teile beglaubigte Abschriften zuzustellen.

Zu Urkund dessen haben die eingangs genannten Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet.

Geschehen zu Locarno am 16. Oktober 1925.

L.

Str.

E. V.

A. B.

A. C.

B. M.

Anlage B.

(Übersetzung.)

Die mit gehöriger Vollmacht versehenen Unterzeichneten,

von ihren Regierungen beauftragt, die Einzelheiten des Verfahrens festzusetzen, wonach, so wie dies in Artikel 3 des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrages vorgesehen ist, zur friedlichen Lösung aller Fragen geschritten werden soll, die nicht durch gütliche Übereinkunft zwischen Deutschland und Belgien gelöst werden können,

sind über die nachstehenden Bestimmungen übereingekommen:

Teil I.

A r t i k e l 1.

[1] Alle Streitfragen jeglicher Art zwischen Deutschland und Belgien, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gütlich geregelt werden können, sollen in der nachstehend bestimmten Weise, sei es einem Schiedsgericht, sei es dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet werden. Es besteht Einverständnis darüber, daß die vorstehend erwähnten Streitfragen namentlich diejenigen umfassen, die in Artikel 13 der Völkerbundsatzung aufgeführt sind.

[2] Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Streitfragen, die aus Tatsachen entsprungen sind, die zeitlich vor diesem Abkommen liegen und der Vergangenheit angehören.

[3] Die Streitfragen, für deren Lösung in anderen zwischen Deutschland und Belgien in Geltung befindlichen Abkommen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abkommen geregelt.

A r t i k e l 2.

Vor jedem Schiedsverfahren und vor jedem Verfahren bei dem Ständigen Internationalen Gerichtshof kann die Streitfrage durch Vereinbarung der Parteien zur Herbeiführung eines Vergleichs einer ständigen Internationalen Kommission, genannt "Ständige Vergleichskommission", unterbreitet werden, die gemäß dem gegenwärtigen Abkommen gebildet wird.

A r t i k e l 3.

Handelt es sich um eine Streitfrage, deren Gegenstand nach der inneren Gesetzgebung einer der Parteien zur Zuständigkeit ihrer Landesgerichte gehört, so wird der Streitfall dem im gegenwärtigen Abkommen vorgesehenen Verfahren erst dann unterworfen, wenn das innerhalb einer angemessenen Frist von der zuständigen Gerichtsbehörde des Landes erlassene Urteil die Rechtskraft erlangt hat.

A r t i k e l 4.

[1] Die in Artikel 2 vorgesehene Ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern, die wie folgt bestellt werden: Die Deutsche und die Belgische Regierung ernennen jede einem Kommissar ihrer Staatsangehörigkeit; sie wählen die drei übrigen Kommissare in gegenseitigem Einvernehmen unter den Staatsangehörigen dritter Mächte. Diese drei Kommissare müssen von verschiedener Staatsangehörigkeit sein; aus ihrer Mitte bezeichnen die Deutsche und Belgische Regierung den Vorsitzenden der Kommission.

[2] Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt; ihre Wiederernennung ist zulässig. Sie bleiben in Tätigkeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers und jedenfalls bis zur Beendigung der zur Zeit des Ablaufs ihres Auftrages im Gange befindlichen Arbeiten.

[3] Stellen, die infolge Todesfalls, Amtsniederlegung oder sonstiger Behinderung frei werden, werden in kürzester Frist nach dem für die Ernennung maßgebenden Verfahren wieder besetzt.

A r t i k e l 5.

[1] Die Ständige Vergleichskommission wird innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Abkommens gebildet.

[2] Erfolgt die Berufung der gemeinsam zu bestellenden Kommissare nicht innerhalb des genannten Zeitraumes oder, im Falle der Ersetzung, nicht innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden der Stelle, so wird in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen der Schweizerische Bundespräsident gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

A r t i k e l 6.

[1] Die Ständige Vergleichskommission tritt in Tätigkeit auf einen Antrag, der von den beiden Parteien in gegenseitigem Einvernehmen, oder, mangels eines solchen Einvernehmens, von einer der beiden Parteien an den Vorsitzenden zu richten ist.

[2] Der Antrag enthält eine kurze Darstellung des Streitfalls und das Ersuchen an die Kommission, alle geeigneten Maßnahmen zur Herbeiführung eines Vergleichs anzuwenden.

[3] Geht der Antrag von einer der Parteien aus, so wird er von dieser der Gegenpartei unverzüglich mitgeteilt.

A r t i k e l 7.

[1] Innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo die Deutsche Regierung oder die Belgische Regierung eine Streitfrage vor die Ständige Vergleichskommission gebracht hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitfrage ihren Kommissar durch eine Persönlichkeit ersetzen, die in der Angelegenheit besondere Sachkunde besitzt.

[2] Die Partei, die von diesem Recht Gebrauch macht, teilt das unverzüglich der anderen Partei mit, der es alsdann freisteht, innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo ihr die Mitteilung zugegangen ist, das Gleiche zu tun.

A r t i k e l 8.

[1] Der Ständigen Vergleichskommission liegt es ob, die strittigen Fragen zu klären, zu diesem Zweck alle geeigneten Auskünfte auf dem Wege einer Untersuchung oder sonstwie zu sammeln und sich zu bemühen, einen Vergleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Sie kann nach Prüfung des Falles den Parteien die Bedingungen der ihr angemessen scheinenden Regelung mitteilen und ihnen eine Frist zur Erklärung setzen.

[2] Nach Beendigung ihrer Arbeiten stellt die Kommission ein Protokoll aus, das je nach Lage des Falles feststellt entweder, daß sich die Parteien verständigt haben und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Verständigung erfolgt ist, oder aber, daß die Parteien nicht zur Annahme eines Vergleichs gebracht werden konnten.

[3] Die Arbeiten der Kommission müssen, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, innerhalb von 6 Monaten nach dem Tage beendet sein, wo die Kommission mit dem Streitfall befaßt wurde.

A r t i k e l 9.

Vorbehaltlich einer besonderen anderweitigen Vereinbarung regelt die Ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren, das in jedem Fall kontradiktorisch sein muß. Bei Untersuchungen hält sich die Kommission, wenn sie nicht einstimmig anderweitig beschließt, an die Bestimmungen des Titels III (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907.

A r t i k e l 10.

Die Ständige Vergleichskommission tritt mangels abweichender Vereinbarung der Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bestimmten Orte zusammen.

A r t i k e l 11.

Die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission sind nur öffentlich auf Grund eines Beschlusses, den die Kommission mit Zustimmung der Parteien faßt.

A r t i k e l 12.

[1] Die Parteien werden bei der Ständigen Vergleichskommission durch Agenten vertreten, die als Mittelspersonen zwischen Ihnen und der Kommission zu dienen haben; sie können sich außerdem der Hilfe von Beiräten und Sachverständigen, die sie zu diesem Zweck ernennen, bedienen und die Vernehmung aller Personen verlangen, deren Zeugnis ihnen nützlich erscheint.

[2] Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beiräten und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Regierung vorzuladen für zweckmäßig erachtet, mündliche Erläuterungen zu verlangen.

A r t i k e l 13.

Soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, werden die Entscheidungen der Ständigen Vergleichskommission mit Stimmenmehrheit getroffen.

A r t i k e l 14.

Die Deutsche und Belgische Regierung verpflichten sich, die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitem Maße alle zweckdienlichen Urkunden und Auskünfte zu liefern, sowie die ihnen zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um ihr auf dem Gebiete der Parteien und gemäß deren Gesetzgebung die Vorladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Einnahme des Augenscheins zu ermöglichen.

A r t i k e l 15.

Für die Dauer der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission erhält jeder der Kommissare eine Vergütung, deren Höhe von der Deutschen und Belgischen Regierung gemeinsam festgesetzt und die von beiden je zur Hälfte getragen wird.

A r t i k e l 16.

[1] Kommt es vor der Ständigen Vergleichskommission nicht zu einem Vergleiche, so wird die Streitfrage mittels einer zu vereinbarenden Schiedsordnung unterbreitet: entweder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof gemäß den in seinem Statut vorgesehenen Bedingungen und Verfahrensvorschriften oder einem Schiedsgericht gemäß den Bedingungen und Verfahrensvorschriften, die im Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 vorgesehen sind.

[2] Können sich die Parteien über die Schiedsordnung nicht einigen, so ist jede von ihnen, nachdem sie dies einen Monat vorher angekündigt hat, befugt, die Streitfrage durch einen Antrag unmittelbar vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof zu bringen.

Teil II.

A r t i k e l 17.

[1] Alle Fragen, über die die Deutsche Regierung und die Belgische Regierung uneinig sind, ohne sie auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege gütlich lösen zu können, und bei denen nicht gemäß Artikel 1 dieses Abkommens die Lösung durch Richterspruch verlangt werden kann, werden, falls für ihre Regelung nicht schon durch andere zwischen den Parteien geltenden Abkommen ein Verfahren vorgesehen ist, der Ständigen Vergleichskommission unterbreitet. Diese hat die Aufgabe, den Parteien eine annehmbare Lösung vorzuschlagen und jedenfalls einen Bericht zu erstatten.

[2] Das in den Artikeln 6 bis 15 dieses Abkommens vorgesehene Verfahren findet Anwendung.

A r t i k e l 18.

Wenn sich die Parteien nicht innerhalb eines Monats nach Abschluß der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission verständigt haben, wird die Frage durch Antrag einer der Parteien vor den Völkerbundsrat gebracht, der gemäß Artikel 15 der Völkerbundsatzung zu befinden hat.

Allgemeine Bestimmung.

A r t i k e l 19.

In allen Fällen und namentlich dann, wenn die zwischen den Parteien strittige Frage aus bereits vollzogenen oder unmittelbar bevorstehenden Handlungen hervorgeht, wird die Ständige Vergleichskommission oder, falls diese nicht mehr mit der Angelegenheit befaßt ist, das Schiedsgericht oder der Ständige Internationale Gerichtshof, und zwar dieser gemäß Artikel 41 seines Statuts, so schnell wie möglich anordnen, welche vorläufigen Maßnahmen zu treffen sind. Es ist Sache des Völkerbundsrats, wenn er mit der Frage befaßt ist, gleichfalls vorläufige Maßnahmen anzuordnen. Die Deutsche und Belgische Regierung verpflichten sich, diese Anordnungen zu befolgen, sich jeder Maßnahme zu enthalten, die eine nachteilige Rückwirkung auf die Ausführung der Entscheidung oder der von der Ständigen Vergleichskommission oder dem Völkerbundsrat vorgeschlagenen Regelung haben könnte, und allgemein jegliche Handlung zu vermeiden, die geeignet wäre, die Streitigkeiten zu verschärfen oder auszudehnen.

A r t i k e l 20.

Dieses Abkommen gelangt zwischen Deutschland und Belgien auch dann zur Anwendung, wenn andere Mächte gleichfalls an dem Streitfall beteiligt sind.

A r t i k e l 21.

[1] Dieses Abkommen soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen gleichzeitig mit den Ratifikationsurkunden des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrags in Genf beim Völkerbund hinterlegt werden.

[2] Für das Inkrafttreten des Abkommens und seine Geltungsdauer gilt das Gleiche wie für den genannten Vertrag.

[3] Dieses in einem einzigen Exemplar ausgefertigte Abkommen soll im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden, dessen Generalsekretär gebeten wird, jeder der beiden vertragschließenden Regierungen beglaubigte Abschriften zuzustellen.

Geschehen zu Locarno am sechzehnten Oktober eintausendneunhundertundfünfundzwanzig.

Str.

E. V

Anlage C.

Die mit gehöriger Vollmacht versehenen Unterzeichneten,

von ihren Regierungen beauftragt, die Einzelheiten des Verfahrens festzusetzen, wonach, so wie dies in Artikel 3 des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrages vorgesehen ist, zur friedlichen Lösung aller Fragen geschritten werden soll, die nicht durch gütliche Übereinkunft zwischen Deutschland und Frankreich gelöst werden können,

sind über die nachstehenden Bestimmungen übereingekommen:

Teil I.

A r t i k e l 1.

Alle Streitfragen jeglicher Art zwischen Deutschland und Frankreich, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gütlich geregelt werden können, sollen in der nachstehend bestimmten Weise, sei es einem Schiedsgericht, sei es dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet werden. Es besteht Einverständnis darüber, daß die vorstehend erwähnten Streitfragen namentlich diejenigen umfassen, die in Artikel 13 der Völkerbundssatzung aufgeführt sind.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Streitfragen, die aus Tatsachen entsprungen sind, die zeitlich vor diesem Abkommen liegen und der Vergangenheit angehören.

Die Streitfragen, für deren Lösung in anderen zwischen Deutschland und Frankreich in Geltung befindlichen Abkommen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abkommen geregelt.

A r t i k e l 2.

Vor jedem Schiedsverfahren und vor jedem Verfahren bei dem Ständigen Internationalen Gerichtshof kann die Streitfrage durch Vereinbarung der Parteien zur Herbeiführung eines Vergleichs einer ständigen Internationalen Kommission, genannt "Ständige Vergleichskommission", unterbreitet werden, die gemäß dem gegenwärtigen Abkommen gebildet wird.

A r t i k e l 3.

Handelt es sich um eine Streitfrage, deren Gegenstand nach der inneren Gesetzgebung einer der Parteien zur Zuständigkeit ihrer Landesgerichte gehört, so wird der Streitfall dem im gegenwärtigen Abkommen vorgesehenen Verfahren erst dann unterworfen, wenn das innerhalb einer angemessenen Frist von der zuständigen Gerichtsbehörde des Landes erlassene Urteil die Rechtskraft erlangt hat.

A r t i k e l 4.

Die in Artikel 2 vorgesehene Ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern, die wie folgt bestellt werden: Die Deutsche und die Französische Regierung ernennen jede einem Kommissar ihrer Staatsangehörigkeit; sie wählen die drei übrigen Kommissare in gegenseitigem Einvernehmen unter den Staatsangehörigen dritter Mächte. Diese drei Kommissare müssen von verschiedener Staatsangehörigkeit sein; aus ihrer Mitte bezeichnen die Deutsche und Französische Regierung den Vorsitzenden der Kommission.

Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt; ihre Wiederernennung ist zulässig. Sie bleiben in Tätigkeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers und jedenfalls bis zur Beendigung der zur Zeit des Ablaufs ihres Auftrages im Gange befindlichen Arbeiten.

Stellen, die infolge Todesfalls, Amtsniederlegung oder sonstiger Behinderung frei werden, werden in kürzester Frist nach dem für die Ernennung maßgebenden Verfahren wieder besetzt.

A r t i k e l 5.

Die Ständige Vergleichskommission wird innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Abkommens gebildet.

Erfolgt die Berufung der gemeinsam zu bestellenden Kommissare nicht innerhalb des genannten Zeitraumes oder, im Falle der Ersetzung, nicht innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden der Stelle, so wird in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen der Schweizerische Bundespräsident gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

A r t i k e l 6.

Die Ständige Vergleichskommission tritt in Tätigkeit auf einen Antrag, der von den beiden Parteien in gegenseitigem Einvernehmen, oder, mangels eines solchen Einvernehmens, von einer der beiden Parteien an den Vorsitzenden zu richten ist.

Der Antrag enthält eine kurze Darstellung des Streitfalls und das Ersuchen an die Kommission, alle geeigneten Maßnahmen zur Herbeiführung eines Vergleichs anzuwenden.

Geht der Antrag von einer der Parteien aus, so wird er von dieser der Gegenpartei unverzüglich mitgeteilt.

A r t i k e l 7.

Innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo die Deutsche Regierung oder die Französische Regierung eine Streitfrage vor die Ständige Vergleichskommission gebracht hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitfrage ihren Kommissar durch eine Persönlichkeit ersetzen, die in der Angelegenheit besondere Sachkunde besitzt.

Die Partei, die von diesem Recht Gebrauch macht, teilt das unverzüglich der anderen Partei mit, der es alsdann freisteht, innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo ihr die Mitteilung zugegangen ist, das Gleiche zu tun.

A r t i k e l 8.

Der Ständigen Vergleichskommission liegt es ob, die strittigen Fragen zu klären, zu diesem Zweck alle geeigneten Auskünfte auf dem Wege einer Untersuchung oder sonstwie zu sammeln und sich zu bemühen, einen Vergleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Sie kann nach Prüfung des Falles den Parteien die Bedingungen der ihr angemessen scheinenden Regelung mitteilen und ihnen eine Frist zur Erklärung setzen.

Nach Beendigung ihrer Arbeiten stellt die Kommission ein Protokoll aus, das je nach Lage des Falles feststellt entweder, daß sich die Parteien verständigt haben und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Verständigung erfolgt ist, oder aber, daß die Parteien nicht zur Annahme eines Vergleichs gebracht werden konnten.

Die Arbeiten der Kommission müssen, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, innerhalb von sechs Monaten nach dem Tage beendet sein, wo die Kommission mit dem Streitfall befaßt wurde.

A r t i k e l 9.

Vorbehaltlich einer besonderen anderweitigen Vereinbarung regelt die Ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren, das in jedem Fall kontradiktorisch sein muß. Bei Untersuchungen hält sich die Kommission, wenn sie nicht einstimmig anderweitig beschließt, an die Bestimmungen des Titels III (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907.

A r t i k e l 10.

Die Ständige Vergleichskommission tritt mangels abweichender Vereinbarung der Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bestimmten Orte zusammen.

A r t i k e l 11.

Die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission sind nur öffentlich auf Grund eines Beschlusses, den die Kommission mit Zustimmung der Parteien faßt.

A r t i k e l 12.

Die Parteien werden bei der Ständigen Vergleichskommission durch Agenten vertreten, die als Mittelspersonen zwischen Ihnen und der Kommission zu dienen haben; sie können sich außerdem der Hilfe von Beiräten und Sachverständigen, die sie zu diesem Zweck ernennen, bedienen und die Vernehmung aller Personen verlangen, deren Zeugnis ihnen nützlich erscheint.

Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beiräten und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Regierung vorzuladen für zweckmäßig erachtet, mündliche Erläuterungen zu verlangen.

A r t i k e l 13.

Soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt, werden die Entscheidungen der Ständigen Vergleichskommission mit Stimmenmehrheit getroffen.

A r t i k e l 14.

Die Deutsche und Französische Regierung verpflichten sich, die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitem Maße alle zweckdienlichen Urkunden und Auskünfte zu liefern, sowie die ihnen zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um ihr auf dem Gebiete der Parteien und gemäß deren Gesetzgebung die Vorladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Einnahme des Augenscheins zu ermöglichen.

A r t i k e l 15.

Für die Dauer der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission erhält jeder der Kommissare eine Vergütung, deren Höhe von der Deutschen und Französischen Regierung gemeinsam festgesetzt und die von beiden je zur Hälfte getragen wird.

A r t i k e l 16.

Kommt es vor der Ständigen Vergleichskommission nicht zu einem Vergleiche, so wird die Streitfrage mittels einer zu vereinbarenden Schiedsordnung unterbreitet: entweder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof gemäß den in seinem Statut vorgesehenen Bedingungen und Verfahrensvorschriften oder einem Schiedsgericht gemäß den Bedingungen und Verfahrensvorschriften, die im Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 vorgesehen sind.

Können sich die Parteien über die Schiedsordnung nicht einigen, so ist jede von ihnen, nachdem sie dies einen Monat vorher angekündigt hat, befugt, die Streitfrage durch einen Antrag unmittelbar vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof zu bringen.

Teil II.

A r t i k e l 17.

Alle Fragen, über die die Deutsche Regierung und die Französische Regierung uneinig sind, ohne sie auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege gütlich lösen zu können, und bei denen nicht gemäß Artikel 1 dieses Abkommens die Lösung durch Richterspruch verlangt werden kann, werden, falls für ihre Regelung nicht schon durch andere zwischen den Parteien geltenden Abkommen ein Verfahren vorgesehen ist, der Ständigen Vergleichskommission unterbreitet. Diese hat die Aufgabe, den Parteien eine annehmbare Lösung vorzuschlagen und jedenfalls einen Bericht zu erstatten.

Das in den Artikeln 6 bis 15 dieses Abkommens vorgesehene Verfahren findet Anwendung.

A r t i k e l 18.

Wenn sich die Parteien nicht innerhalb eines Monats nach Abschluß der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission verständigt haben, wird die Frage durch Antrag einer der Parteien vor den Völkerbundsrat gebracht, der gemäß Artikel 15 der Völkerbundsatzung zu befinden hat.

Allgemeine Bestimmung.

A r t i k e l 19.

In allen Fällen und namentlich dann, wenn die zwischen den Parteien strittige Frage aus bereits vollzogenen oder unmittelbar bevorstehenden Handlungen hervorgeht, wird die Ständige Vergleichskommission oder, falls diese nicht mehr mit der Angelegenheit befaßt ist, das Schiedsgericht oder der Ständige Internationale Gerichtshof, und zwar dieser gemäß Artikel 41 seines Statuts, so schnell wie möglich anordnen, welche vorläufigen Maßnahmen zu treffen sind. Es ist Sache des Völkerbundsrats, wenn er mit der Frage befaßt ist, gleichfalls vorläufige Maßnahmen anzuordnen. Die Deutsche und Französische Regierung verpflichten sich, diese Anordnungen zu befolgen, sich jeder Maßnahme zu enthalten, die eine nachteilige Rückwirkung auf die Ausführung der Entscheidung oder der von der Ständigen Vergleichskommission oder dem Völkerbundsrat vorgeschlagenen Regelung haben könnte, und allgemein jegliche Handlung zu vermeiden, die geeignet wäre, die Streitigkeiten zu verschärfen oder auszudehnen.

A r t i k e l 20.

Dieses Abkommen gelangt zwischen Deutschland und Frankreich auch dann zur Anwendung, wenn andere Mächte gleichfalls an dem Streitfall beteiligt sind.

A r t i k e l 21.

Dieses Abkommen soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen gleichzeitig mit den Ratifikationsurkunden des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrags in Genf beim Völkerbund hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Abkommens und seine Geltungsdauer gilt das Gleiche wie für den genannten Vertrag.

Dieses in einem einzigen Exemplar ausgefertigte Abkommen soll im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden, dessen Generalsekretär gebeten wird, jeder der beiden vertragschließenden Regierungen beglaubigte Abschriften zuzustellen.

Geschehen zu Locarno am 16. Oktober 1925.

Str.

A. B.

Anlage D.

Der Deutsche Präsident und der Präsident der Republik Polen,

gleichermaßen entschlossen, den Frieden zwischen Deutschland und Polen aufrechtzuerhalten, indem sie die friedliche Regelung der zwischen beiden Ländern etwa entstehenden Streitigkeiten sichern,

im Hinblick auf die Tatsache, daß die internationalen Gerichte zur Achtung der durch die Verträge begründeten oder aus dem Völkerrecht sich ergebenden Rechte verpflichtet sind,

einig darin, daß die Rechte eines Staates nur mit seiner Zustimmung geändert werden können,

und in der Erwägung, daß die aufrichtige Beobachtung des Verfahrens zur friedlichen Regelung der internationalen Streitigkeiten die Möglichkeit gibt, ohne Anwendung von Gewalt die Fragen zu lösen, die die Staaten entzweien könnten,

haben beschlossen, ihre gemeinsamen Absichten in dieser Hinsicht in einem Vertrage zu verwirklichen, und haben zu Bevollmächtigten ernannt:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

die, nachdem sie ihre Vollmachten ausgetauscht und in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:

Teil I.

A r t i k e l 1.

Alle Streitfragen jeglicher Art zwischen Deutschland und Polen, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gütlich geregelt werden können, sollen in der nachstehend bestimmten Weise, sei es einem Schiedsgericht, sei es dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet werden. Es besteht Einverständnis darüber, daß die vorstehend erwähnten Streitfragen namentlich diejenigen umfassen, die in Artikel 13 der Völkerbundssatzung aufgeführt sind.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Streitfragen, die aus Tatsachen entsprungen sind, die zeitlich vor diesem Vertrag liegen und der Vergangenheit angehören.

Die Streitfragen, für deren Lösung in anderen zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen in Geltung befindlichen Abkommen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abkommen geregelt.

A r t i k e l 2.

Vor jedem Schiedsverfahren und vor jedem Verfahren bei dem Ständigen Internationalen Gerichtshof kann die Streitfrage durch Vereinbarung der Parteien zur Herbeiführung eines Vergleichs einer ständigen Internationalen Kommission, genannt "Ständige Vergleichskommission", unterbreitet werden, die gemäß dem gegenwärtigen Vertrage gebildet wird.

A r t i k e l 3.

Handelt es sich um eine Streitfrage, deren Gegenstand nach der inneren Gesetzgebung einer der Parteien zur Zuständigkeit ihrer Landesgerichte gehört, so wird der Streitfall dem im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Verfahren erst dann unterworfen, wenn das innerhalb einer angemessenen Frist von der zuständigen Gerichtsbehörde des Landes erlassene Urteil die Rechtskraft erlangt hat.

A r t i k e l 4.

Die in Artikel 2 vorgesehene Ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern, die wie folgt bestellt werden: Die Hohen Vertragschließenden Teile ernennen jeder einem Kommissar ihrer Staatsangehörigkeit; sie wählen die drei übrigen Kommissare in gegenseitigem Einvernehmen unter den Staatsangehörigen dritter Mächte. Diese drei Kommissare müssen von verschiedener Staatsangehörigkeit sein; aus ihrer Mitte bezeichnen die Hohen Vertragschließenden Teile den Vorsitzenden der Kommission.

Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt; ihre Wiederernennung ist zulässig. Sie bleiben in Tätigkeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers und jedenfalls bis zur Beendigung der zur Zeit des Ablaufs ihres Auftrages im Gange befindlichen Arbeiten.

Stellen, die infolge Todesfalls, Amtsniederlegung oder sonstiger Behinderung frei werden, werden in kürzester Frist nach dem für die Ernennung maßgebenden Verfahren wieder besetzt.

A r t i k e l 5.

Die Ständige Vergleichskommission wird innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags gebildet.

Erfolgt die Berufung der gemeinsam zu bestellenden Kommissare nicht innerhalb des genannten Zeitraumes oder, im Falle der Ersetzung, nicht innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden der Stelle, so wird in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen der Schweizerische Bundespräsident gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

A r t i k e l 6.

Die Ständige Vergleichskommission tritt in Tätigkeit auf einen Antrag, der von den beiden Parteien in gegenseitigem Einvernehmen, oder, mangels eines solchen Einvernehmens, von einer der beiden Parteien an den Vorsitzenden zu richten ist.

Der Antrag enthält eine kurze Darstellung des Streitfalls und das Ersuchen an die Kommission, alle geeigneten Maßnahmen zur Herbeiführung eines Vergleichs anzuwenden.

Geht der Antrag von einer der Parteien aus, so wird er von dieser der Gegenpartei unverzüglich mitgeteilt.

A r t i k e l 7.

Innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo einer der Hohen Vertragschließenden Teile eine Streitfrage vor die Ständige Vergleichskommission gebracht hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitfrage ihren Kommissar durch eine Persönlichkeit ersetzen, die in der Angelegenheit besondere Sachkunde besitzt.

Die Partei, die von diesem Recht Gebrauch macht, teilt das unverzüglich der anderen Partei mit, der es alsdann freisteht, innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo ihr die Mitteilung zugegangen ist, das Gleiche zu tun.

A r t i k e l 8.

Der Ständigen Vergleichskommission liegt es ob, die strittigen Fragen zu klären, zu diesem Zweck alle geeigneten Auskünfte auf dem Wege einer Untersuchung oder sonstwiezusammeln und sich zu bemühen, einen Vergleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Sie kann nach Prüfung des Falles den Parteien die Bedingungen der ihr angemessen scheinenden Regelung mitteilen und ihnen eine Frist zur Erklärung setzen.

Nach Beendigung ihrer Arbeiten stellt die Kommission ein Protokoll aus, das je nach Lage des Falles feststellt entweder, daß sich die Parteien verständigt haben und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Verständigung erfolgt ist, oder aber, daß die Parteien nicht zur Annahme eines Vergleichs gebracht werden konnten.

Die Arbeiten der Kommission müssen, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, innerhalb von sechs Monaten nach dem Tage beendet sein, wo die Kommission mit dem Streitfall befaßt wurde.

A r t i k e l 9.

Vorbehaltlich einer besonderen anderweitigen Vereinbarung regelt die Ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren, das in jedem Fall kontradiktorisch sein muß. Bei Untersuchungen hält sich die Kommission, wenn sie nicht einstimmig anderweitig beschließt, an die Bestimmungen des Titels III (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907.

A r t i k e l 10.

Die Ständige Vergleichskommission tritt mangels abweichender Vereinbarung der Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bestimmten Orte zusammen.

A r t i k e l 11.

Die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission sind nur öffentlich auf Grund eines Beschlusses, den die Kommission mit Zustimmung der Parteien faßt.

A r t i k e l 12.

Die Parteien werden bei der Ständigen Vergleichskommission durch Agenten vertreten, die als Mittelspersonen zwischen Ihnen und der Kommission zu dienen haben; sie können sich außerdem der Hilfe von Beiräten und Sachverständigen, die sie zu diesem Zweck ernennen, bedienen und die Vernehmung aller Personen verlangen, deren Zeugnis ihnen nützlich erscheint.

Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beiräten und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Regierung vorzuladen für zweckmäßig erachtet, mündliche Erläuterungen zu verlangen.

A r t i k e l 13.

Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, werden die Entscheidungen der Ständigen Vergleichskommission mit Stimmenmehrheit getroffen.

A r t i k e l 14.

Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitem Maße alle zweckdienlichen Urkunden und Auskünfte zu liefern, sowie die ihnen zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um ihr auf dem Gebiete der Parteien und gemäß deren Gesetzgebung die Vorladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Einnahme des Augenscheins zu ermöglichen.

A r t i k e l 15.

Für die Dauer der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission erhält jeder der Kommissare eine Vergütung, deren Höhe von den Hohen Vertragschließenden Teilen gemeinsam festgesetzt und die von beiden je zur Hälfte getragen wird.

A r t i k e l 16.

Kommt es vor der Ständigen Vergleichskommission nicht zu einem Vergleiche, so wird die Streitfrage mittels einer zu vereinbarenden Schiedsordnung unterbreitet: entweder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof gemäß den in seinem Statut vorgesehenen Bedingungen und Verfahrensvorschriften oder einem Schiedsgericht gemäß den Bedingungen und Verfahrensvorschriften, die im Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 vorgesehen sind.

Können sich die Parteien über die Schiedsordnung nicht einigen, so ist jede von ihnen, nachdem sie dies einen Monat vorher angekündigt hat, befugt, die Streitfrage durch einen Antrag unmittelbar vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof zu bringen.

Teil II.

A r t i k e l 17.

Alle Fragen, über die die Deutsche Regierung und die Polnische Regierung uneinig sind, ohne sie auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege gütlich lösen zu können, und bei denen nicht gemäß Artikel 1 dieses Abkommens die Lösung durch Richterspruch verlangt werden kann, werden, falls für ihre Regelung nicht schon durch andere zwischen den Parteien geltenden Abkommen ein Verfahren vorgesehen ist, der Ständigen Vergleichskommission unterbreitet. Diese hat die Aufgabe, den Parteien eine annehmbare Lösung vorzuschlagen und jedenfalls einen Bericht zu erstatten.

Das in den Artikeln 6 bis 15 dieses Abkommens vorgesehene Verfahren findet Anwendung.

A r t i k e l 18.

Wenn sich die Parteien nicht innerhalb eines Monats nach Abschluß der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission verständigt haben, wird die Frage durch Antrag einer der Parteien vor den Völkerbundsrat gebracht, der gemäß Artikel 15 der Völkerbundssatzung zu befinden hat.

Allgemeine Bestimmung.

A r t i k e l 19.

In allen Fällen und namentlich dann, wenn die zwischen den Parteien strittige Frage aus bereits vollzogenen oder unmittelbar bevorstehenden Handlungen hervorgeht, wird die Ständige Vergleichskommission oder, falls diese nicht mehr mit der Angelegenheit befaßt ist, das Schiedsgericht oder der Ständige Internationale Gerichtshof, und zwar dieser gemäß Artikel 41 seines Statuts, so schnell wie möglich anordnen, welche vorläufigen Maßnahmen zu treffen sind. Es ist Sache des Völkerbundsrats, wenn er mit der Frage befaßt ist, gleichfalls vorläufige Maßnahmen anzuordnen. Jeder der Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, diese Anordnungen zu befolgen, sich jeder Maßnahme zu enthalten, die eine nachteilige Rückwirkung auf die Ausführung der Entscheidung oder der von der Ständigen Vergleichskommission oder dem Völkerbundsrat vorgeschlagenen Regelung haben könnte, und allgemein jegliche Handlung zu vermeiden, die geeignet wäre, die Streitigkeiten zu verschärfen oder auszudehnen.

A r t i k e l 20.

Dieses Vertrag gelangt zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen auch dann zur Anwendung, wenn andere Mächte gleichfalls an dem Streitfall beteiligt sind.

A r t i k e l 21.

Dieser Vertrag, der der Völkerbundssatzung entspricht, berührt nicht die Rechte und Pflichten der Hohen Vertragschließenden Teile in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Völkerbundes und soll nicht so ausgelegt werden, als ob er die Aufgabe des Völkerbundes beschränke, die zur wirksamen Wahrung des Weltfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

A r t i k e l 22.

Dieser Vertrag soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen gleichzeitig mit den Ratifikationsurkunden des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrags in Genf beim Völkerbund hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Vertrags und seine Geltungsdauer gilt das Gleiche wie für den genannten Vertrag.

Dieses in einem einzigen Exemplar ausgefertigte Vertrag soll im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden, dessen Generalsekretär gebeten wird, jeder der beiden vertragschließenden Regierungen beglaubigte Abschriften zuzustellen.

Geschehen zu Locarno am 16. Oktober 1925.

Str.

A. S.

Anlage E.

(Übersetzung.)

Der Deutsche Präsident und der Präsident der Tschechoslowakischen Republik, gleichermaßen entschlossen, den Frieden zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei aufrechtzuerhalten, indem sie die friedliche Regelung der zwischen beiden Ländern etwa entstehenden Streitigkeiten sichern,

im Hinblick auf die Tatsache, daß die internationalen Gerichte zur Achtung der durch die Verträge begründeten oder aus dem Völkerrecht sich ergebenden Rechte verpflichtet sind,

einig darin, daß die Rechte eines Staates nur mit seiner Zustimmung geändert werden können,

und in der Erwägung, daß die aufrichtige Beobachtung des Verfahrens zur friedlichen Regelung der internationalen Streitigkeiten die Möglichkeit gibt, ohne Anwendung von Gewalt die Fragen zu lösen, die die Staaten entzweien könnten,

haben beschlossen, ihre gemeinsamen Absichten in dieser Hinsicht in einem Vertrage zu verwirklichen, und haben zu Bevollmächtigten ernannt:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

die, nachdem sie ihre Vollmachten ausgetauscht und in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:

Teil I.

A r t i k e l 1.

[1] Alle Streitfragen jeglicher Art zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, bei denen die Parteien untereinander über ein Recht im Streite sind und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gütlich geregelt werden können, sollen in der nachstehend bestimmten Weise, sei es einem Schiedsgericht, sei es dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet werden. Es besteht Einverständnis darüber, daß die vorstehend erwähnten Streitfragen namentlich diejenigen umfassen, die in Artikel 13 der Völkerbundsatzung aufgeführt sind.

[2] Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Streitfragen, die aus Tatsachen entsprungen sind, die zeitlich vor diesem Vertrag liegen und der Vergangenheit angehören.

[3] Die Streitfragen, für deren Lösung in anderen zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen in Geltung befindlichen Abkommen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abkommen geregelt.

A r t i k e l 2.

Vor jedem Schiedsverfahren und vor jedem Verfahren bei dem Ständigen Internationalen Gerichtshof kann die Streitfrage durch Vereinbarung der Parteien zur Herbeiführung eines Vergleichs einer ständigen Internationalen Kommission, genannt "Ständige Vergleichskommission", unterbreitet werden, die gemäß dem gegenwärtigen Vertrage gebildet wird.

A r t i k e l 3.

Handelt es sich um eine Streitfrage, deren Gegenstand nach der inneren Gesetzgebung einer der Parteien zur Zuständigkeit ihrer Landesgerichte gehört, so wird der Streitfall dem im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Verfahren erst dann unterworfen, wenn das innerhalb einer angemessenen Frist von der zuständigen Gerichtsbehörde des Landes erlassene Urteil die Rechtskraft erlangt hat.

A r t i k e l 4.

[1] Die in Artikel 2 vorgesehene Ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern, die wie folgt bestellt werden: Die Hohen Vertragschließenden Teile ernennen jeder einem Kommissar ihrer Staatsangehörigkeit; sie wählen die drei übrigen Kommissare in gegenseitigem Einvernehmen unter den Staatsangehörigen dritter Mächte. Diese drei Kommissare müssen von verschiedener Staatsangehörigkeit sein; aus ihrer Mitte bezeichnen die Hohen Vertragschließenden Teile den Vorsitzenden der Kommission.

[2] Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt; ihre Wiederernennung ist zulässig. Sie bleiben in Tätigkeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers und jedenfalls bis zur Beendigung der zur Zeit des Ablaufs ihres Auftrages im Gange befindlichen Arbeiten.

[3] Stellen, die infolge Todesfalls, Amtsniederlegung oder sonstiger Behinderung frei werden, werden in kürzester Frist nach dem für die Ernennung maßgebenden Verfahren wieder besetzt.

A r t i k e l 5.

[1] Die Ständige Vergleichskommission wird innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags gebildet.

[2] Erfolgt die Berufung der gemeinsam zu bestellenden Kommissare nicht innerhalb des genannten Zeitraumes oder, im Falle der Ersetzung, nicht innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden der Stelle, so wird in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen der Schweizerische Bundespräsident gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

A r t i k e l 6.

[1] Die Ständige Vergleichskommission tritt in Tätigkeit auf einen Antrag, der von den beiden Parteien in gegenseitigem Einvernehmen, oder, mangels eines solchen Einvernehmens, von einer der beiden Parteien an den Vorsitzenden zu richten ist.

[2] Der Antrag enthält eine kurze Darstellung des Streitfalls und das Ersuchen an die Kommission, alle geeigneten Maßnahmen zur Herbeiführung eines Vergleichs anzuwenden.

[3] Geht der Antrag von einer der Parteien aus, so wird er von dieser der Gegenpartei unverzüglich mitgeteilt.

A r t i k e l 7.

[1] Innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo einer der Hohen Vertragschließenden Teile eine Streitfrage vor die Ständige Vergleichskommission gebracht hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitfrage ihren Kommissar durch eine Persönlichkeit ersetzen, die in der Angelegenheit besondere Sachkunde besitzt.

[2] Die Partei, die von diesem Recht Gebrauch macht, teilt das unverzüglich der anderen Partei mit, der es alsdann freisteht, innerhalb von 14 Tagen nach dem Tage, wo ihr die Mitteilung zugegangen ist, das Gleiche zu tun.

A r t i k e l 8.

[1] Der Ständigen Vergleichskommission liegt es ob, die strittigen Fragen zu klären, zudiesem Zweck alle geeigneten Auskünfte auf dem Wege einer Untersuchung oder sonstwie zu sammeln und sich zu bemühen, einen Vergleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Sie kann nach Prüfung des Falles den Parteien die Bedingungen der ihr angemessen scheinenden Regelung mitteilen und ihnen eine Frist zur Erklärung setzen.

[2] Nach Beendigung ihrer Arbeiten stellt die Kommission ein Protokoll aus, das je nach Lage des Falles feststellt entweder, daß sich die Parteien verständigt haben und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Verständigung erfolgt ist, oder aber, daß die Parteien nicht zur Annahme eines Vergleichs gebracht werden konnten.

[3] Die Arbeiten der Kommission müssen, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, innerhalb von 6 Monaten nach dem Tage beendet sein, wo die Kommission mit dem Streitfall befaßt wurde.

A r t i k e l 9.

Vorbehaltlich einer besonderen anderweitigen Vereinbarung regelt die Ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren, das in jedem Fall kontradiktorisch sein muß. Bei Untersuchungen hält sich die Kommission, wenn sie nicht einstimmig anderweitig beschließt, an die Bestimmungen des Titels III (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907.

A r t i k e l 10.

Die Ständige Vergleichskommission tritt mangels abweichender Vereinbarung der Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bestimmten Orte zusammen.

A r t i k e l 11.

Die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission sind nur öffentlich auf Grund eines Beschlusses, den die Kommission mit Zustimmung der Parteien faßt.

A r t i k e l 12.

[1] Die Parteien werden bei der Ständigen Vergleichskommission durch Agenten vertreten, die als Mittelspersonen zwischen Ihnen und der Kommission zu dienen haben; sie können sich außerdem der Hilfe von Beiräten und Sachverständigen, die sie zu diesem Zweck ernennen, bedienen und die Vernehmung aller Personen verlangen, deren Zeugnis ihnen nützlich erscheint.

[2] Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beiräten und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen,die sie mit Zustimmung ihrer Regierung vorzuladen für zweckmäßig erachtet, mündliche Erläuterungen zu verlangen.

A r t i k e l 13.

Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, werden die Entscheidungen der Ständigen Vergleichskommission mit Stimmenmehrheit getroffen.

A r t i k e l 14.

Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitem Maße alle zweckdienlichen Urkunden und Auskünfte zu liefern, sowie die ihnen zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um ihr auf dem Gebiete der Parteien und gemäß deren Gesetzgebung die Vorladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Einnahme des Augenscheins zu ermöglichen.

A r t i k e l 15.

Für die Dauer der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission erhält jeder der Kommissare eine Vergütung, deren Höhe von den Hohen Vertragschließenden Teilen gemeinsam festgesetzt und die von beiden je zur Hälfte getragen wird.

A r t i k e l 16.

Kommt es vor der Ständigen Vergleichskommission nicht zu einem Vergleiche, so wird die Streitfrage mittels einer zu vereinbarenden Schiedsordnung unterbreitet: entweder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof gemäß den in seinem Statut vorgesehenen Bedingungen und Verfahrensvorschriften oder einem Schiedsgericht gemäß den Bedingungen und Verfahrensvorschriften, die im Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. Oktober 1907 vorgesehen sind.

Können sich die Parteien über die Schiedsordnung nicht einigen, so ist jede von ihnen, nachdem sie dies einen Monat vorher angekündigt hat, befugt, die Streitfrage durch einen Antrag unmittelbar vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof zu bringen.

Teil II.

A r t i k e l 17.

[1] Alle Fragen, über die die Deutsche Regierung und die Tschechoslowakische Regierung uneinig sind, ohne sie auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege gütlich lösen zu können, und bei denen nicht gemäß Artikel 1 dieses Abkommens die Lösung durch Richterspruch verlangt werden kann, werden, falls für ihre Regelung nicht schon durch andere zwischen den Parteien geltenden Abkommen ein Verfahren vorgesehen ist, der Ständigen Vergleichskommission unterbreitet. Diese hat die Aufgabe, den Parteien eine annehmbare Lösung vorzuschlagen und jedenfalls einen Bericht zu erstatten.

[2] Das in den Artikeln 6 bis 15 dieses Abkommens vorgesehene Verfahren findet Anwendung.

A r t i k e l 18.

Wenn sich die Parteien nicht innerhalb eines Monats nach Abschluß der Arbeiten der Ständigen Vergleichskommission verständigt haben, wird die Frage durch Antrag einer der Parteien vor den Völkerbundsrat gebracht, der gemäß Artikel 15 der Völkerbundsatzung zu befinden hat.

Allgemeine Bestimmung.

A r t i k e l 19.

In allen Fällen und namentlich dann, wenn die zwischen den Parteien strittige Frage aus bereits vollzogenen oder unmittelbar bevorstehenden Handlungen hervorgeht, wird die Ständige Vergleichskommission oder, falls diese nicht mehr mit der Angelegenheit befaßt ist, das Schiedsgericht oder der Ständige Internationale Gerichtshof, und zwar dieser gemäß Artikel 41 seines Statuts, so schnell wie möglich anordnen, welche vorläufigen Maßnahmen zu treffen sind. Es ist Sache des Völkerbundsrats, wenn er mit der Frage befaßt ist, gleichfalls vorläufige Maßnahmen anzuordnen. Jeder der Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, diese Anordnungen zu befolgen, sich jeder Maßnahme zu enthalten, die eine nachteilige Rückwirkung auf die Ausführung der Entscheidung oder der von der Ständigen Vergleichskommission oder dem Völkerbundsrat vorgeschlagenen Regelung haben könnte, und allgemein jegliche Handlung zu vermeiden, die geeignet wäre, die Streitigkeiten zu verschärfen oder auszudehnen.

A r t i k e l 20.

Dieser Vertrag gelangt zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen auch dann zur Anwendung, wenn andere Mächte gleichfalls an dem Streitfall beteiligt sind.

A r t i k e l 21.

Dieser Vertrag, der der Völkerbundsatzung entspricht, berührt nicht die Rechte und Pflichten der Hohen Vertragschließenden Teile in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Völkerbundes und soll nicht so ausgelegt werden, als ob er die Aufgabe des Völkerbundes beschränke, die zur wirksamen Wahrung des Weltfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

A r t i k e l 22.

[1] Dieser Vertrag soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen gleichzeitig mit den Ratifikationsurkunden des heute zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien geschlossenen Vertrags in Genf beim Völkerbund hinterlegt werden.

[2] Für das Inkrafttreten des Vertrags und seine Geltungsdauer gilt das Gleiche wie für den genannten Vertrag.

[3] Dieser in einem einzigen Exemplar ausgefertigte Vertrag soll im Archiv des Völkerbundes hinterlegt werden, dessen Generalsekretär gebeten wird, jeder der beiden vertragschließenden Regierungen beglaubigte Abschriften zuzustellen.

Geschehen zu Locarno am 16. Oktober 1925.

Str.

Dr. B.

Anlage F. Antwortschreiben der beteiligten Mächte der Konferenz von Locarno auf die Anfrage der Deutschen Delegation bezüglich der Klarstellung des Artikel 16 der Völkerbundssatzung. Vom 16. Oktober 1925

Die Deutsche Delegation hat gewisse Klarstellungen hinsichtlich des Artikel 16 der Völkerbundssatzung verlangt.

Wir sind nicht zuständig, im Namen des Völkerbunds zu sprechen, wir zögern aber nicht, nach den in der Versammlung und den Kommissionen des Völkerbundes bereits gepflogenen Beratungen und nach den zwischen uns ausgetauschten Erläuterungen Ihnen die Auslegung mitzuteilen, die wir unsererseits dem Artikel 16 geben.

Nach dieser Auslegung sind die sich für die Bundesmitglieder aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen so zu verstehen, daß jeder der Mitgliedsstaaten des Bundes gehalten ist, loyal und wirksam mitzuarbeiten, um der Satzung Achtung zu verschaffen und jeder Angriffshandlung entgegenzutreten, in einem Maße, das mit seiner militärischen Lage verträglich ist und das seiner geographischen Lage Rechnung trägt.

E. V.

A. B.

A. C.

B. M.

Dr. B.

A. S.

Hier nach: Reichsgesetzblatt, 1925, Nr. 52, S. 975-1009.