Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst [Radikalenerlass], 28. Januar 1972

Zusammenfassung

Der Streit um den Umgang mit "Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst" gehört zu den prägnantesten Phänomenen der 1970er Jahre, die nicht nur als "rotes Jahrzehnt" gelten (Koenen), sondern auch als "Jahrzehnt innerer Sicherheit" (Funk/Werkentin). Kaum ein anderes Thema stand so lange im Zentrum innenpolitischer Debatten wie diese Auseinandersetzung um die Grenzen der Toleranz in einem Gemeinwesen, das sich als "streitbar" und westlich-liberal versteht. Zwar fiel die Zahl der tatsächlich erteilten Berufsverbote für den öffentlichen Dienst vergleichsweise gering aus, doch wurden die infolge des Beschlusses erfolgten Entlassungen und Ablehnungen als ein Problem empfunden, dessen Auswirkungen weit über den Kreis der Betroffenen hinausreichten ("Klima der Angst"). Obwohl sich die Thematik anbietet, um die Grenzen und Ambivalenzen der bundesdeutschen "Westernisierung" (Doering-Manteuffel) und "Fundamentalliberalisierung" (Herbert) aufzuzeigen, unter besonderer Berücksichtigung deutsch-deutscher Verflechtungen (Kleßmann) und der "Nachgeschichte des Dritten Reiches" (Nolte), hat sich der politische Streit um den Beschluss "historiographisch nicht in einer Kontroverse fortgesetzt" (Rödder).