Dekret über die Nationalisierung der Banken, 14. (27.) Dezember 1917

Einführung

Zu den strategischen Zielen der GlossarBolschewiki gehörte der rasche Übergang zu einer geordneten Form des Warenaustausches und zu einer planmäßigen Güterverteilung. Das alte Finanzsystem bot dafür aus ihrer Sicht keine ausreichende Absicherung. Die neue Form des Warenaustausches sollte durch ein äußerst komplexes System der Produktions- und Verbraucherbeziehungen geleistet werden. Da dies aber erst zu schaffen war, waren die Bolschewiki nach ihrer Machtübernahme noch für eine längere Zeit auf das alte Banksystem angewiesen.

Obwohl die Hauptverwaltung der GlossarStaatsbank schon während des GlossarOktoberumsturzes durch eine Einheit unter Leitung des GlossarVRK-Mitglieds GlossarV. Menžinskij besetzt wurde, bedeutete das noch nicht, daß die Bolschewiki das Finanzwesen des russischen Staates bereits unter Kontrolle hatten. Am 30. Oktober (12. November) 1917 verabschiedete der GlossarRat der Volkskommissare (SNK) ein Dekret, das die Tätigkeit der alten Banken wieder zuließ. Dies geschah jedoch unter dem Vorbehalt, daß alle Geldzahlungen, die sie vornahmen, mit dem Plazet der GlossarFabrik- und Betriebskomitees zu geschehen hatten. Die Mehrheit der Bankangestellten weigerte sich jedoch, den Rat der Volkskommissare anzuerkennen, zur Arbeit zu erscheinen oder Geldzahlungen an die "Machtusurpatoren" vorzunehmen.

Für diesen Fall hatte das Dekret Haftstrafen vorgesehen. Nachdem (der inzwischen zum stellvertretenden GlossarVolkskommissar für Finanzen ernannte) Menžinskij mit seinen Versuchen, auf die Bankangestellten einzureden, keinen Erfolg hatte, wartete er mit ähnlichen Drohungen auf. Man sehe sich "gezwungen", den Direktor der Staatsbank GlossarŠipov unter Arrest zu stellen und zu weiteren Restriktionsmaßnahmen zu greifen. Am 8. (21.) November verabschiedete das GlossarVCIK aufgrund des Berichtes von Menžinskij den Beschluß "Über die Sabotage". Er verfügte, Bankangestellte, die die Sowjetmacht nicht anerkannten, ohne Rentenanspruch zu entlassen, woraufhin die Mehrheit der Fachkräfte die Bank verließ. Erst am 17. (30.) November war es gelungen, den Streik der Staatsbankangestellten zu brechen.

Dennoch blieb die Situation im Bankwesen weiterhin schwierig. Zwar hatte der Staat formell die Kontrolle über das private Bankwesen übernommen, doch das Kapital wanderte weiterhin ab. Aufgrund dieser Erfahrung wurden bereits am 25. November (8. Dezember) 1917 die GlossarAdelsbank und die GlossarBauernbank nationalisiert.

Nun galt es die Verhältnisse im Banksystem langfristig zu stabilisieren und so etwas wie "Normalität" herbeizuführen. Die Organisation und Durchführung der entsprechenden Maßnahmen oblag dem Kommissar des SNK GlossarNikolaj Osinskij. Er ging unverzüglich daran, einen Entwurf für die Umgestaltung der gesamten Wirtschaft Sowjetrußlands vorzubereiten. Dieser sah die Verstaatlichung ihrer Strukturen und deren Unterstellung unter die Führung des GlossarObersten Volkswirtschaftsrates (VSNCh) vor, in dessen Händen die Leitung der gesamten sowjetischen Wirtschaft liegen sollte. In ihrem Rahmen wurde das private Banksystem zu einer Nationalbank – der sogenannten Staatsbank – zusammengefaßt.

GlossarLenin hielt die Stunde für gekommen, um dem alten Wirtschaftssystem den Garaus zu machen und die Finanzkraft der Bourgeoisie auf "Null zu reduzieren". Er bereitete den Entwurf des Dekrets "Über die Nationalisierung der Banken und die dafür erforderlichen Maßnahmen" vor. Darin begründete Lenin die Nationalisierung der Banken damit, daß im Lande Hungersnot und allgemeiner Verfall herrschten. Beides führte er auf die "Sabotage" der Bourgeoisie und der zarischen Bürokratie zurück. Aus Lenins Sicht sollte die Nationalisierung Voraussetzungen für ein funktionierendes Wirtschaftsleben und den Übergang zu einer sozialistischen Wirtschaftsweise schaffen. Konkret bedeutete dies, daß die GlossarMarktwirtschaft durch ein neues Verteilungssystem zu ersetzen war, in dem Geldscheinen als einer Art "Verbraucherkupons" nur eine Hilfsfunktion zufiel.

Im Entwurf des Dekrets war vom Bankwesen selbst kaum die Rede. Stattdessen sprach Lenin von der Nationalisierung des gesamten Aktienkapitals, wobei er gleichzeitig dafür plädierte, daß ehemalige Aktienbesitzer als Staatsangestellte beschäftigt werden sollten. Gleichzeitig schlug er vor, alle Staatsanleihen zu annullieren, die allgemeine Arbeitspflicht einzuführen und die gesamte Bevölkerung in GlossarKonsumgenossenschaften zu erfassen. Diese Schritte sollten dem neuen System des geldlosen Warenaustausches zum Leben verhelfen. Es sah vor, daß jeder berufstätige Bürger für seine Arbeitsleistung mit Lebensmittel entlohnt werden sollte, die er über eine Konsumgenossenschaft erhielt. Dabei hätten "Angehörige der besitzenden Klassen" als Angestellte ihrem Beruf nachzugehen, ihre Ersparnisse auf der Staatsbank zu belassen, und ihre Ausgaben für Konsumzwecke aus einer kleinen Geldsumme zu begleichen. Diese würde vom Staat zur Verfügung gestellt werden und könnte bis zu 125 Rubel pro Woche betragen. Wer dieses Gesetz "sabotiere", sei zu verhaften und anschließend entweder an die Front zu schicken oder zu Zwangsarbeit zu verpflichten. Über die Umsetzung sollten die Gewerkschaften streng wachen. Die allgemeine Leitung des neuen Wirtschaftssystems sollte in den Händen der GlossarSowjets liegen, die dem Obersten Volkswirtschaftsrat unterstanden.

Nach der Diskussion des Entwurfes im VSNCh wurden alle Passagen gestrichen, die das Banksystem nicht betrafen. (Lenins ursprünglicher Plan wurde erst später umgesetzt, dessen Bestimmungen nahmen in weiteren Dekreten der Sowjetmacht konkrete Gestalt an.) Anschließend wurde der Entwurf beim VCIK eingebracht. Vertreter der GlossarMenschewiki waren entschieden gegen diese Maßnahmen. Sie warnten vor dem Zusammenbruch des Bank- und Währungssystems, vor dem Abstieg des Lebensniveaus der Arbeiter, Angestellten und Kleineigentümer. Diese würden ihre Ersparnisse verlieren, der Warenaustausch würde zusammenbrechen, und die Bevölkerung in den Städten ohne Nahrungsmittel bleiben. Diese Befürchtungen sollten sich bestätigen. Doch die Mehrheit der VCIK-Mitglieder folgte Lenin und den GlossarLinken Sozialrevolutionären.

Unter Bezugnahme auf das Dekret wurde die GlossarVolksbank gegründet, in der alle Banken des Landes zusammengefaßt waren; zu ihrem Leiter ernannte man GlossarGeorgij Pjatakov. Zugleich hatte das Dekret einen wesentlichen Anteil daran, daß das System der Marktwirtschaft trockengelegt wurde. Es gelang, dem Kapitalismus den Boden zu entziehen, wodurch der Weg zur Schaffung eines kommunistischen Wirtschaftssystems beschritten war. Dennoch fiel es den Bolschewiki viel leichter, das Alte zu zerstören, als Neues zu erbauen: Nichts konnte darüber hinwegtäuschen, daß die Nationalisierung der Banken den allgemeinen Verfall im Lande und die Vertiefung der sozialen Probleme förderte, statt ihnen Einhalt zu gebieten. Das neue Netz des Warenaustauschs bestand noch nicht. Als es während des Glossar"Kriegskommunismus" geschaffen wurde, erwies es sich als ineffizient. Gleichzeitig verlor der Rubel rapide an Wert. War der Goldrubel am 1. (14.) Januar 1917 3 Papierrubel wert, so stand das entsprechende Verhältnis am 1. (14.) Januar 1918 bereits 1:20. Und dies war erst der Anfang. Im Grunde genommen war das Währungssystem bereits im Zustand der Auflösung. Um 1922 kostete der zarische Goldrubel bereits 288.000 sowjetische Geldscheine. Doch vor der Aufnahme der GlossarNeuen Ökonomischen Politik (NĖP) zeigte die sowjetische Führung kein Interesse an der Normalisierung des Geldumlaufs.

Aleksandr Šubin

(Übersetzung aus dem Russ. von L. Antipow)