General Groener über seine Übereinkunft mit Friedrich Ebert [Ebert-Groener-Pakt], 9. November 1918

[Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen:]

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So wie sich aber in Wirklichkeit die Dinge im November gestaltet hatten, war eine Änderung der Lage durch das Heer nicht mehr herbeizuführen. Wenn nach dem Kriege Stimmen laut wurden, die meinten, das Heer hätte sich noch Monate, sei es in der – nicht ausgebauten – Antwerpen-Maas-Stellung, sei es weiter rückwärts, halten können, so muß ich das als einen Wunschtraum bezeichnen. Es blieb uns keine Wahl: am 11. wurde in Compiegne unterzeichnet, mittags 11,55 Uhr trat Waffenruhe ein.

Die Aufgabe der Heeresleitung mußte es jetzt sein, den Rest des Heeres rechtzeitig und in Ordnung, aber vor allem innerlich gesund in die Heimat zu bringen und dem Offizierskorps als dem Träger des Wehrgedankens einen Weg in die neuen Verhältnisse zu ermöglichen. Die seit Jahrhunderten im preußisch-deutschen Offizierskorps angesammelte moralisch-geistige Kraft mußte in ihrem Kern für die Wehrmacht der Zukunft erhalten werden. Der Sturz des Kaisertums entzog den Offizieren den Boden ihres Daseins, ihren Sammel- und Ausrichtepunkt. Es mußte ihm ein Ziel gewiesen werden, das des Einsatzes wert war und ihm die innere Sicherheit wiedergab. Es mußte das Gefühl wachgerufen werden der Verpflichtung nicht nur gegenüber einer bestimmten Staatsform, sondern für Deutschland schlechthin. Daß Hindenburg auf seinem Posten blieb und den Oberbefehl über das gesamte Heer übernahm, ja daß dieser ihm vom Kaiser übertragen worden war, machte den Übergang möglich und erleichterte ihn.

Das Offizierskorps konnte aber nur mit einer Regierung zusammengehen, die den Kampf gegen den Radikalismus und Bolschewismus aufnahm. Dazu war Ebert bereit, aber er hielt sich nur mühsam am Steuer und war nahe daran, von den Unabhängigen und der Liebknechtgruppe über den Haufen gerannt zu werden. Was war demnach näherliegend, als Ebert, den ich als anständigen, zuverlässigen Charakter und unter der Schar seiner Parteigenossen als den staatspolitisch weitsichtigsten Kopf kennengelernt hatte, die Unterstützung des Heeres und des Offizierskorps anzubieten?

Am 10. November weilte Friedrich Naumann, von einer Frontfahrt zurückkommend, im Gr.H.Qu. Ihm habe ich von diesem Gedanken gesprochen, der seine Zustimmung fand, und ihn gebeten, nach seiner Heimkehr auf Ebert in diesem Sinne einzuwirken. Im Laufe des Tages erkannte ich aber, daß ich so lange nicht warten dürfe; am Abend rief ich die Reichskanzlei an und teilte Ebert mit, daß das Heer sich seiner Regierung zur Verfügung stelle, daß dafür der Feldmarschall und das Offizierskorps von der Regierung Unterstützung erwarteten bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin im Heer. Das Offizierskorps verlange von der Regierung die Bekämpfung des Bolschewismus und sei dafür zum Einsatz bereit. Ebert ging auf meinen Bündnisvorschlag ein. Von da ab besprachen wir uns täglich abends auf einer geheimen Leitung zwischen der Reichskanzlei und der Heeresleitung über die notwendigen Maßnahmen. Das Bündnis hat sich bewährt.

Für den Schritt des 10. November habe ich allein die Verantwortung zu übernehmen, Hindenburg wußte nichts von ihm, billigte ihn aber, nachdem ich die innerpolitische Lage in der Heimat eingehend mit ihm besprochen hatte. Ich glaube, daß auch er das Bündnis der Offiziere mit Ebert als die einzige Möglichkeit empfunden hat, zu gesunden Verhältnissen zu gelangen; selbst die Initiative zu ergreifen, war nicht seine Art. Er hat auch bei den weiteren Entscheidungen, die die Zeit forderte, wenig aktiv teilgenommen. Er wußte über alle Schritte Bescheid - und wartete ab, wie sich die Dinge entwickelten.

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Hier nach: Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen. Jugend-Generalstab-Weltkrieg, hg. v. Friedrich Frhr. Hiller von Gaertingen, Göttingen 1957, S. 467-468.