Dekret über die Gewissensfreiheit, die kirchlichen und religiösen Vereinigungen ["Über die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche"], 20. Januar (2. Februar) 1918

Dekret über die Gewissensfreiheit, die kirchlichen und religiösen Vereinigungen

  • 1. Die Kirche wird vom Staat getrennt.
  • 2. In den Grenzen der Republik ist es untersagt, irgendwelche lokalen Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, die die Freiheit des Gewissens beeinträchtigen oder begrenzen könnten, oder irgendwelche Bevorzugungen oder Privilegien enthalten, die auf der Zugehörigkeit der Staatsbürger zu einer bestimmten Religion beruhen.
  • 3. Jeder Staatsbürger kann sich zu jeder beliebigen Religion oder auch zu keiner bekennen. Alle Rechtsminderungen, die mit dem Bekenntnis zu irgendeiner Religion oder aber mit dem Nichtbekenntnis zu einer Religion zusammenhängen, werden abgeschafft.Anmerkung: Aus allen offiziellen Akten wird jeder Hinweis auf eine religiöse Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit getilgt.
  • 4. Die Tätigkeiten staatlicher oder anderer öffentlich-rechtlicher gesellschaftlicher Einrichtungen werden nicht von irgendwelchen religiösen Zeremonien und Riten begleitet.
  • 5. Die freie Ausübung religiöser Riten wird insoweit gestattet, als sie nicht die öffentliche Ordnung stört und nicht von Eingriffen in die Rechte der Staatsbürger der sowjetischen Republik begleitet wird.Die örtlichen Machtorgane haben das Recht, in diesen Fällen für die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
  • 6. Niemand kann sich – mit Hinweis auf seine religiösen Überzeugungen – der Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten entziehen.Ausnahmen von dieser Regelung, unter der Bedingung der Ersetzung der einen staatsbürgerlichen Verpflichtung durch eine andere, bedürfen in jedem einzelnen Falle der Entscheidung des GlossarVolksgerichtes.
  • 7. Der religiöse Eid oder Schwur wird abgeschafft.In unumgänglichen Fällen wird ein feierliches Versprechen geleistet.
  • 8. Standesamtsregister werden ausschließlich von staatlichen Stellen geführt: von GlossarAbteilungen für die Registrierung von Ehen und Geburten.
  • 9. Die Schule wird von der Kirche getrennt.Die Unterrichtung religiöser Glaubenslehren wird in allen staatlichen und öffentlichen Schulen, aber auch in privaten Lehranstalten, in denen auch allgemeinbildende Gegenstände unterrichtet werden, nicht gestattet.Staatsbürger dürfen Privatunterricht in der Religion geben und nehmen.
  • 10. Alle kirchlichen und religiösen Gemeinschaften unterliegen den allgemeinen Bestimmungen über Privatgesellschaften und -verbände, und erhalten keinerlei Vorrechte und Hilfsgelder, weder vom Staat noch von seinen autonomen lokalen Stellen und von Einrichtungen der Selbstverwaltung.
  • 11. Zwangseintreibungen von Abgaben und Gebühren zugunsten von Kirchen- und Religionsgemeinschaften werden ebenso wie Zwangsmaßnahmen und Strafen von seiten dieser Gemeinschaften gegenüber ihren Mitgliedern nicht gestattet.
  • 12. Keine Kirchen- und Religionsgemeinschaft hat das Recht, über Eigentum zu verfügen.Sie besitzen nicht das Recht einer juristischen Person.
  • 13. Alles Vermögen der in Rußland existierenden Kirchen- und Religionsgemeinschaften wird zu Volkseigentum erklärt.

Die Gebäude und Gegenstände, die für den Gottesdienst bestimmt sind, werden gemäß einer besonderen Verordnung der lokalen oder zentralen Staatsmacht zur kostenlosen Benutzung der jeweiligen Religionsgemeinschaft überlassen.

Vorsitzender des GlossarRates der Volkskommissare GlossarV. Ul'janov (Lenin)

Volkskommissare:

GlossarN. Podvojskij, GlossarV. Algasov, GlossarV. Trutovskij,

GlossarA. Šlichter, GlossarP. Proš'jan, GlossarV. Menžinskij,

GlossarA. Šljapnikov, GlossarG. Petrovskij.

Leiter der Verwaltung GlossarVl. Bonč-Brujevič.

Sekretär GlossarN. Gorbunov

Rev. Übersetzung hier nach: Altrichter, H., Haumann, H. (Hg.), Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod, Bd. 2: Wirtschaft und Gesellschaft, München 1987, S. 49-51.