Volltext:Gründung der "Zentralarbeitsgemeinschaft"
Abkommen über die Gründung einer "Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands", 15. November 1918[ ]
Die grossen Arbeitgeberverbände vereinbaren mit den Gewerkschaften der Arbeitnehmer das Folgende:
1. Die Gewerkschaften werden als berufene Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt.
2. Eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit der Arbeiter und Arbeiterinnen ist unzulässig.
3. Die Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände werden die Werkvereine (die sogen. Wirtschaftsfriedlichen Vereine) fortab vollkommen sich selbst überlassen und sie weder mittelbar noch unmittelbar unterstützen.
4. Sämtliche aus dem Heeresdienst zurückkehrenden Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, in die Arbeitsstelle sofort nach Meldung wieder einzutreten, die sie vor dem Kriege inne hatten. Die beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände werden dahin wirken, dass durch Beschaffung von Rohstoffen und Arbeitsaufträgen diese Verpflichtung in vollem Umfange durchgeführt werden kann.
5. Gemeinsame Regelung und paritätische Verwaltung des Arbeitsnachweises.
6. Die Arbeitsbedingungen für alle Arbeiter und Arbeiterinnen sind entsprechend den Verhältnissen des betreffenden Gewerbes durch Kollektivvereinbarungen mit den Berufsvereinigungen der Arbeitnehmer festzusetzen. Die Verhandlungen hierüber sind ohne Verzug aufzunehmen und schleunigst zum Abschluss zu bringen.
7. Für jeden Betrieb mit einer Arbeiterschaft von mindestens 50 Beschäftigten ist ein Arbeiterausschuss einzusetzen, der diese zu vertreten und in Gemeinschaft mit dem Betriebsunternehmer darüber zu wachen hat, dass die Verhältnisse des Betriebes nach Massgabe der Kollektivvereinbarungen geregelt werden.
8. In den Kollektivvereinbarungen sind Schlichtungssausschüsse resp. Einigungsämter vorzusehen, bestehend aus der gleichen Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern.
9. Das Höchstmass der täglichen regelmässigen Arbeitszeit wird für alle Betriebe auf 8 Stunden festgesetzt. Verdienstschmälerungen aus Anlass dieser Verkürzung der Arbeitszeit dürfen nicht stattfinden.
10. Zur Durchführung dieser Vereinbarungen, sowie zur Regelung der zur Demobilisierung, zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens und zur Sicherung der Existenzmöglichkeit der Arbeitnehmerschaft, insbesondere der Schwerkriegsbeschädigten, zu treffenden Massnahmen wird von den beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen ein Zentralausschuss auf paritätischer Grundlage mit beruflich gegliedertem Unterbau errichtet.
11. Dem Zentralausschuss obliegt ferner die Entscheidung grundsätzlicher Fragen, soweit sich solche namentlich bei der kollektiven Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse ergeben, sowie die Schlichtung von Streitigkeiten, die mehrere Berufsgruppen zugleich betreffen. Seine Entscheidungen haben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindliche Geltung, wenn sie nicht innerhalb einer Woche von einem der in Frage kommenden beiderseitigen Berufsverbände angefochten werden.
12. Diese Vereinbarungen treten am Tage der Unterzeichung in Kraft und gelten vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung bis auf weiteres mit einer gegenseitigen dreimonatigen Kündigung.
Diese Vereinbarung soll sinngemäss auch für das Verhältnis zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Angestelltenverbänden gelten.
Vereinigung der deutschen Arbeitgeber-Verbände
Gesamtverband deutscher Metall-Industrieller
Arbeitgeber-Verband für den Bezirk der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller
Zechenverband
Verband deutscher Waggonfabriken
Arbeitgeber-Verband der deutschen Textil-Industrie
Berliner Arbeitgeber-Verband der chemischen Industrie
Arbeitgeber-Verband der deutschen Papier-, Pappen-, Zellstoff- und Holzstoff-Industrie
Reichsverband der deutschen Klavierindustrie und verwandter Berufe
Deutscher Arbeitgeberbund für das Baugewerbe
Arbeitgeberschutz-Verband deutscher Schlossereien und verwandter Gewerbe
Bund der Arbeitgeber-Verbände Berlins
Zentralverband deutscher Arbeitgeber in den Transport-, Handels- und Verkehrsgewerben
Schutzverband deutscher Steindruckerei-Besitzer
Oberschlesischer Berg- und Hüttenmännischer Verein, Kattowitz
Verein Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Hauptvorstand Berlin
Verein Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, oestliche Gruppe, Kattowitz
Zentralverband der Deutschen Elektrotechnischen Industrie
Arbeitgeber-Schutzverband für das deutsche Holzgewerbe
Arbeitgeberverband im Rohrleger-Gewerbe
Allgemeiner Deutscher Arbeitgeber-Schutzverband für das Bäckergewerbe
Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands
Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands
Verband der deutschen Gewerkvereine (H.-D.)
Polnische Berufsvereinigung
Arbeitsgemeinschaft der kaufmännischen Verbände
Arbeitsgemeinschaft freier Angestellten-Verbände
Arbeitsgemeinschaft der technischen Verbände
[gez.:]
Dr. Sorge | Paul Mangers | C. Legien |
Hilger | Dr. Emil Franke | A. Stegerwald |
Hugo Stinnes | K. F. von Siemens | Gust. Hartmann |
zugleich für | Rathenau | Hugo Sommer |
Beukenberg | E. von Borsig | Dr. Pfirrmann |
Hugenberg | Dir. Albert Müller | Dr. Höfle |
Vögler | Deutsch | |
Springorum | Ernst Purschian | |
von Raumer | [...] | |
zugleich für | ||
von Rippel | ||
Dietrich | ||
Paul Westermayer | ||
Dr. Tänzler in Vollmacht | ||
für Kommerzienrat Avellis | ||
Schrey | ||
Lammers- |
[Diesen Vertrag veröffentlichen wir mit dem Ersuchen an die Leiter der Reichsbetriebe, seine Bestimmungen in den von ihnen geleiteten Betrieben zu beachten. Den Leitern der Landes- u. kommunalen Betriebe wird das gleiche empfohlen.
Berlin, den 15. November 1918
Der Rat der Volksbeauftragten.
[gez.]
Ebert | Haase] |
Hier nach: Hier nach: Abkommen zur Gründung der "Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands", 15. November 1918, Original, BArch R 43/4294, Bl. 2-4.
[Русская версия отсутствует]