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1. Anfang Februar 1968 wurden L. I. GINZBURG, IRINA ŽOLKOVSKAJA (die Verlobte von A. GINZBURG) und OL`GA TIMOFEEVA (die Frau von Ju. GALANSKOV) in die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen (da nach dem Gesetz bei einer Vorladung eines Zeugen das Erscheinen verpflichtend ist, aber auf dem Vorladungsschreiben weder der Zweck der Vorladung noch die Folgen eines Nichterscheinens angegeben waren, leistete A. TIMOFEEVA der Vorladung keine Folge). Mit L. I. GINZBURG und I. ŽOLKOVSKAJA wurde ein „prophylaktisches Gespräch“ darüber geführt, dass sie angeblich lügnerische Angaben über den Prozess verbreiteten. Zum Abschluss des Gesprächs wurde die Drohung ausgesprochen, den Paragraphen 190-1 des Strafgesetzbuchs der RSFSR anzuwenden. Danach wurden zu solchen „prophylaktischen Gesprächen“, diesmal aber schon zum KGB, L. BOGORAZ, P. G. GRIGORENKO, P. LITVINOV und P. JAKIR vorgeladen (LITVINOV leistete weder der ersten noch der zweiten Vorladung Folge, woraufhin er schon im März auf die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen wurde). Der Inhalt dieser Gespräche war unmissverständlich: Alle Vorgeladenen wurden gewarnt, dass sie „ihre gesellschaftsfeindliche Tätigkeit“ einstellen sollten. PETR JAKIR, Sohn des 1937 erschossenen Armeekommandeurs IONA JAKIR erklärte man: „Nicht Sie sind der geistige Nachfolger Ihres Vaters. Wir sind seine geistigen Nachfolger“. LARISA BOGORAZ, die sagte, dass sie nicht reden werde, bis man ihr nicht erlaube, eine Erklärung über die groben ungesetzmäßigen Verfolgungen des ehemaligen Politgefangenen ANATOLIJ MARČENKO abzugeben, wurde gesagt, dass diese Erklärung noch eine Erscheinung ihrer „gesellschaftsfeindlichen Tätigkeit“ sei. P. G. GRIGORENKO legte das mit ihm geführte lange Gespräch, das voller Drohungen war, in einem Brief an den Vorsitzenden des KGB, Ju. V. ANDROPOV, dar, er erhielt auch auf diesen Brief keine Antwort. | 1. Anfang Februar 1968 wurden L. I. GINZBURG, IRINA ŽOLKOVSKAJA (die Verlobte von A. GINZBURG) und OL`GA TIMOFEEVA (die Frau von Ju. GALANSKOV) in die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen (da nach dem Gesetz bei einer Vorladung eines Zeugen das Erscheinen verpflichtend ist, aber auf dem Vorladungsschreiben weder der Zweck der Vorladung noch die Folgen eines Nichterscheinens angegeben waren, leistete A. TIMOFEEVA der Vorladung keine Folge). Mit L. I. GINZBURG und I. ŽOLKOVSKAJA wurde ein „prophylaktisches Gespräch“ darüber geführt, dass sie angeblich lügnerische Angaben über den Prozess verbreiteten. Zum Abschluss des Gesprächs wurde die Drohung ausgesprochen, den Paragraphen 190-1 des Strafgesetzbuchs der RSFSR anzuwenden. Danach wurden zu solchen „prophylaktischen Gesprächen“, diesmal aber schon zum KGB, L. BOGORAZ, P. G. GRIGORENKO, P. LITVINOV und P. JAKIR vorgeladen (LITVINOV leistete weder der ersten noch der zweiten Vorladung Folge, woraufhin er schon im März auf die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen wurde). Der Inhalt dieser Gespräche war unmissverständlich: Alle Vorgeladenen wurden gewarnt, dass sie „ihre gesellschaftsfeindliche Tätigkeit“ einstellen sollten. PETR JAKIR, Sohn des 1937 erschossenen Armeekommandeurs IONA JAKIR erklärte man: „Nicht Sie sind der geistige Nachfolger Ihres Vaters. Wir sind seine geistigen Nachfolger“. LARISA BOGORAZ, die sagte, dass sie nicht reden werde, bis man ihr nicht erlaube, eine Erklärung über die groben ungesetzmäßigen Verfolgungen des ehemaligen Politgefangenen ANATOLIJ MARČENKO abzugeben, wurde gesagt, dass diese Erklärung noch eine Erscheinung ihrer „gesellschaftsfeindlichen Tätigkeit“ sei. P. G. GRIGORENKO legte das mit ihm geführte lange Gespräch, das voller Drohungen war, in einem Brief an den Vorsitzenden des KGB, {{#set:Glossar=Andropov, Jurij Vladimirovič}} [[Glossar:Andropov, Jurij Vladimirovič|Ju. V. ANDROPOV]], dar, er erhielt auch auf diesen Brief keine Antwort. | ||
2. Am 14.-15. Februar wurden zwei der aktiven Teilnehmer an den Protesten, der Doktor der physikalischen und mathematischen Wissenschaften ALEKSANDR VOL`PIN und die Übersetzerin NATAL`JA GORBANEVSKAJA zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus hospitalisiert. | 2. Am 14.-15. Februar wurden zwei der aktiven Teilnehmer an den Protesten, der Doktor der physikalischen und mathematischen Wissenschaften ALEKSANDR VOL`PIN und die Übersetzerin NATAL`JA GORBANEVSKAJA zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus hospitalisiert. |
Version vom 9. Oktober 2024, 11:18 Uhr
Das Jahr der Menschenrechte in der Sowjetunion. Chronik der laufenden Ereignisse
Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 19
Ausgabe 1, 30. April 1968
Inhalt:
- Gerichtsprozess im Fall GALANSKOV, GINZBURG, LAŠKOVA, DOBROVOL`SKIJ.
- Die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Prozess.
- Repressionen gegen die Teilnehmer an der Protestbewegung.
- Appell an die Budapester Konferenz.
- Politische Häftlinge.
- Der Leningrader Prozess.
- Der Fall VALENTIN PRUSAKOV.
1.
Am 10. Dezember 1968 jährt sich die Annahme der Erklärung der Menschenrechte durch die UN-Generalversammlung zum zwanzigsten Mal.
Am 10. Dezember begann auf der ganzen Welt das Jahr der Menschenrechte.
Am 11. Dezember sollte in Moskau der Gerichtsprozess im Fall von JURIJ GALANSKOV, ALEKSANDR GINZBURG, ALEKSEJ DOBROVOL`SKIJ und VERA LAŠKOVA beginnen. Jedoch wurde der Prozess verschoben und begann erst am 8. Januar 1968. Alle vier wurden nach Paragraph 70 des Strafgesetzbuchs der RSFSR (antisowjetische Propaganda und Agitation) angeklagt und GALANSKOV zusätzlich nach Paragraph 88, Teil 1 des Strafgesetzbuchs der RSFSR (illegale Devisengeschäfte). Alle vier wurden im Januar 1967 verhaftet und verbrachten fast ein Jahr im Lefortovo-Gefängnis, was eine Verletzung des Paragraphen 97 des Strafgesetzbuchs der RSFSR darstellt, nach dem die maximale Dauer in Untersuchungshaft nicht zehn Monate übersteigen darf.
JURIJ GALANSKOV, geb. 1939, arbeitete vor seiner Verhaftung als Mitarbeiter im Staatlichen Literaturmuseum und studierte im zweiten Kurs der Abendabteilung des Instituts für Geschichte und Archivwesen. Er stellte den maschinenschriftlichen Sammelband „Phönix-66“ zusammen und veröffentlichte ihn. Die Gedichte von GALANSKOV wurden im ersten „Phönix“ (1961) gedruckt und handschriftlich in einzelnen Ausgaben weitergegeben.
ALEKSANDR GINZBURG, geb. 1936, war auch als Mitarbeiter im Staatlichen Literaturmuseum tätig und studierte im ersten Kurs der Abendabteilung des Instituts für Geschichte und Archivwesen. Er stellte den Sammelband über den Fall von SINJAVSKIJ und DANIĖL` (das sogenannte „Weißbuch“) zusammen und sandte es im November 1966 an die Abgeordneten des Obersten Sowjets der UdSSR und an das Komitee für Staatssicherheit (KGB) beim Ministerrat (SM) der UdSSR. 1960 wurde er von den Organen des KGB im Zusammenhang mit der Herausgabe des politischen Sammelbandes „Syntaxis“ (drei Nummern) zur Verantwortung gezogen und nach Paragraph 196, Teil 1 des Strafgesetzbuches der RSFSR (Dokumentenfälschung) verurteilt und erhielt nach diesem Paragraphen zwei Jahre Arbeitsbesserungslager, das Höchststrafmaß, ungeachtet der Geringfügigkeit des Vergehens (die Fälschung einer Bescheinigung, damit er für einen Kameraden das Examen ablegen konnte) und dem vollständigen Fehlen einer Bereicherungsabsicht. Er verbüßte die Strafe in Lagern in der Komi ASSR. 1964 unternahm der KGB erneut einen Versuch, gegen GINZBURG ein Verfahren nach Paragraph 70 einzuleiten und legte ihm die Aufbewahrung „antisowjetischer“ Literatur zu Last, aber das Verfahren wurde wegen des Fehlens eines Straftatstands eingestellt.
ALEKSEJ DOBROVOL`SKIJ, geb. 1938, arbeitete als Buchbinder im Staatlichen Literaturmuseum und studierte im ersten Kurs des Moskauer Instituts für Kultur. 1957 wurde er nach Paragraph 58(10) des Strafgesetzbuchs (dem heutigen Paragraphen 70) der RSFSR zu sechs Jahren Arbeitsbesserungslager verurteilt. Er verbüßte die Strafe in Pot`ma in der Mordwinischen ASSR. 1961 wurde er aus dem Lager entlassen. 1964 wurde er erneut zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen, aber durch ein gerichtspsychiatrisches Gutachten für schuldunfähig erklärt (Diagnose: Schizophrenie) und in ein spezielles psychiatrisches Krankenhaus in Leningrad geschickt. Im Sammelband „Phönix-66“ ist der Aufsatz von DOBROVOL`SKIJ „Die Wechselbeziehungen von Wissen und Glauben“ abgedruckt.
VERA LAŠKOVA, geb. 1945, arbeitete vor ihrer Verhaftung als Schreibkraft an der MGU und studierte im zweiten Kurs am Institut für Kultur.
Der Gerichtsprozess dauerte fünf Tage (8.-12. Januar), 25 Zeugen wurden befragt, dem Gericht wurden Sachbeweise, die bei Durchsuchungen beschlagnahmt worden waren, vorgelegt (Bücher und Broschüren des Volksarbeitsbundes der russischen Sozialisten (NTS), Geld und ein Vervielfältigungsgerät, die bei DOBROVOL`SKIJ gefunden worden waren, zwei Exemplare des Sammelbandes „Phönix“, bei GALANSKOV und GINZBURG das „Weißbuch“, das im März 1967 im Ausland veröffentlicht wurde sowie einige Schreibmaschinen, auf denen Materialien aus dem „Weißbuch“ und „Phönix“ abgeschrieben worden waren).
Der Prozess war formal öffentlich, aber der Zugang zu ihm durch Passierscheine geregelt. Im November 1967 wurde ein Brief mit 116 Unterschriften an das Moskauer Stadtgericht geschickt, in dem die Autoren, die sich auf die herrschende Praxis des geschlossenen Zugangs zu öffentlichen Prozessen bezogen, im Voraus darum baten, ihnen die Möglichkeit zu gewährleisten, diesem Prozess beizuwohnen. Nicht einem einzigen Unterzeichner des Briefes wurde eine solche Möglichkeit eingeräumt, bis heute bleibt die Praxis der Verteilung der Passierscheine zum Prozess nicht ganz klar. Es ist nur bekannt, dass außer einer großen Zahl von Mitarbeitern des KGB und Mitgliedern der Ordnungseinheiten des Komsomol und wenigen Vertretern der juristischen Profession (so wurden dem Moskauer Rechtsanwaltskollegium ganze zwei Passierscheine ausgegeben) der restliche Teil des Publikums die Passierscheine im Wesentlichen in den Bezirkskomitees der KPdSU erhielt.
Die nächsten Verwandten (die Eltern, die Schwester und die Ehefrau von GALANSKOV, die Braut von GINZBURG, die Mutter von DOBROVOL`SKIJ, die Mutter von LAŠKOVA und ebenso nach ihren Zeugenaussagen, d.h. gegen Ende des dritten Prozesstages, die Mutter von GINZBURG und die Ehefrau von DOBROVOL`SKIJ) waren im Gerichtssaal anwesend. Die Schwester von GALANSKOV wurde am zweiten Gerichtstag nicht in den Saal zugelassen, nachdem sie für einige Minuten hinausgegangen war, um frische Luft zu schöpfen (ELENA GALANSKOVA war schwanger), angeblich wegen Unterhaltung mit noch nicht gehörten Zeugen.
Trotz des starken Frosts versammelte sich eine große Zahl von Personen bei dem Gerichtsgebäude, besonders gegen Ende der Gerichtssitzungen. Die größte Zahl, etwa 100 Personen (nicht eingerechnet die ausländischen Korrespondenten und die gewaltige Zahl an Spitzeln) versammelte sich am letzten Tag, zur Verkündung des Urteils.
Das Gericht (Staatsanwalt TERECHOV, Richter MIRONOV) verurteilte JURIJ GALANSKOV zu sieben Jahre Freiheitsentzug mit Verbüßung der Strafe in Lagern des strengen Regimes, ALEKSANDR GINZBURG zu fünf Jahren, ALEKSEJ DOBROVOL´SKIJ zu zwei Jahren und VERA LAŠKOVA zu einem Jahr.
Die Rechtsanwälte aller vier Verurteilten legten Berufung ein. Die Berufungsverhandlung fand vor dem Obersten Gericht der RSFSR am 16. April 1968 statt (Staatsanwalt TERECHOV, Richterin OSTROUCHOVA). Das Urteil des Moskauer Stadtgerichts blieb in Kraft.
LAŠKOVA kam am 17. Januar 1968 frei, nachdem sie die volle Strafe verbüßt hatte. Die restlichen drei Verurteilten wurden im Lefortovo-Gefängnis bis zur Berufsverhandlung in Untersuchungshaft gehalten (und so wurde Paragraph 97 des Strafgesetzbuchs der RSFSR weiter verletzt).
2.
Der Moskauer Prozess rief in Kreisen der sowjetischen Öffentlichkeit umfangreiche Reaktionen hervor. Der erste war ein noch während des Prozesses verfasster Appell von LARISA BOGORAZ und PAVEL LITVINOV „An die Weltöffentlichkeit“, der die Atmosphäre der Gesetzlosigkeit im Prozess und seinem Umfeld nachzeichnete und eine öffentliche Erörterung dieses schändlichen Prozesses, die Bestrafung der Schuldigen, die Freilassung der Verurteilten aus der Untersuchungshaft und eine erneute Gerichtsverhandlung unter Beachtung aller rechtlichen Normen und in Anwesenheit internationaler Beobachter forderte. Nach dem Urteilsspruch und Abschluss des Prozesses wurde eine Reihe kollektiver und individueller Briefe, die im gegenwärtigen Zeitpunkt von etwa 700 Personen verfasst wurden, an die sowjetischen Gerichts-, Staats- und Parteiinstanzen und ebenso an die Presseorgane (im Wesentlichen als Antwort auf Berichte in einigen Zeitungen) gesandt.
a. LISTE DER WESENTLICHEN MATERIALIEN ZUM PROZESS IN DER SOWJETISCHEN PRESSE
1. Iz zala suda [Aus dem Gerichtssaal]. „Večernjaja Moskva“ [Abendliches Moskau], 14. Januar 1968.
2. T. ALEKSANDROV; B. KONSTANTINOV, Zatjanutye odnim pojasom [Durch ein Band geeint], „Izvestija“, 16. Januar 1968.
3. F. OVČARENKO, V lakejach [In Diensten], „Komsomol`skaja Pravda“, 18. Januar 1968.
4. [Bez snizchoždenija! (obzor pisem čitatelej)] Ohne Nachsicht! (Überblick über Leserbriefe), „Komsomol`skaja Pravda“, 28. Februar 1968.
5. A. ČAKOVSKIJ, [Otvet čitatelju] Antwort an den Leser, „Literaturnaja Gazeta“, 10. März 1968.
b. BESCHREIBUNG DER WICHTIGSTEN BRIEFE
1. Brief an den Generalstaatsanwalt der UdSSR und an das Oberste Gericht der RSFSR über das Fehlen von Transparenz beim Prozess, über die Einmischung der Organe der Staatssicherheit in die Umstände des Verfahrens und darüber, dass die Beschuldigung über Beziehungen zur NTS eine verhüllte Repressalie für legale, aber dem KGB nicht genehme Handlungen der Verurteilten war. Der Brief fordert eine Überprüfung des Falls vor einem anders zusammengesetzten Gericht bei Einhaltung aller Normen der Prozessordnung, bei der vollständigen Gewährleistung der Transparenz und ebenso die Heranziehung der Amtspersonen, die an der groben Verletzung der Gesetzlichkeit schuldig sind, zur Verantwortung. 80 Unterschriften.
2. Brief an den Generalstaatsanwalt der UdSSR und das Oberste Gericht der RSFSR mit dem Appell von BOGORAZ und LITVINOV im Anhang, dem sich die Unterzeichneten gänzlich anschließen. Im Brief ist von dem faktisch geschlossenen Charakter des Verfahrens, von der Einseitigkeit des Gerichts und des Urteils und von der Zunahme der Willkür in den politischen Prozessen die Rede.
Der Brief fordert die Überprüfung des Falls unter Beachtung einer wirklichen Transparenz und aller rechtlicher Normen in Anwesenheit von Vertretern der Öffentlichkeit aus den Reihen der Unterzeichnenden und ebenso die Bestrafung der Personen, die an der Organisierung des Prozesses und der Diskreditierung der sowjetischen Gesetzgebung schuldig sind. 224 Unterschriften (Nach der ursprünglich gesammelten Zahl der Unterschriften auch als „Brief der 170“ bekannt).
3. Brief an L. I. BREŽNEV, A. N. KOSYGIN, N. V. PODGORNYJ, den Generalstaatsanwalt der UdSSR, R. A. RUDENKO, über die Abwesenheit von Transparenz während des Prozesses und über die nebulösen, widersprüchlichen Zeitungsartikel in der „Izvestija“ und der „Komsomol`skaja Pravda“ und darüber, dass die „offenen“ Prozesse der letzten Jahre an die „offenen“ Prozesse der 30er Jahre erinnern. Der Brief fordert eine neue transparente und objektive Verhandlung des Falls im Interesse der Wahrheit und Gesetzmäßigkeit, im Interesse des Ansehens des sozialistischen Staates und im Namen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit. 24 Unterschriften, im Wesentlichen Mitglieder des Schriftstellerverbands.
4. Brief von zehn Einwohnern Leningrads an die Redaktionen der Zeitungen „Pravda“, „Izvestija“, „The Morning Star“, „L‘Humanité“ und „Unita“, der den Appell von BOGORAZ und LITVINOV und die Forderung nach der Überprüfung des Falls unterstützt. Gleichzeitig lenkt der Brief die Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Intellektuellen, die ungefähr ein Jahr in Leningrad ohne Verfahren im Gefängnis sitzt und drückt die Besorgnis hinsichtlich der Beachtung der Gesetzmäßigkeit in deren bevorstehendem Gerichtsprozess aus.
5. Brief an L. I. BREŽNEV, A. N. KOSYGIN, N. V. PODGORNYJ, den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der UdSSR, A. F. GORKIN, und den Generalstaatsanwalt der UdSSR, R. A. RUDENKO, über die Ungerechtigkeit des Verfahrens gegen GINZBURG, dessen Fall als direkte Fortsetzung des Verfahrens gegen SINJAVSKIJ und DANIĖL aufgefasst wird und das Urteil und die Anschuldigung, mit dem NTS in Verbindung zu stehen, als Versuch, mit den Herausgebern des Sammelbandes mit Materialien über deren Fall abzurechnen. Der Brief fordert eine sofortige Überprüfung des Falls. 120 Unterschriften.
6. Brief an den Generalstaatsanwalt der UdSSR und das Oberste Gericht der RSFSR von einer Gruppe von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Doktoranden aus Novosibirsk. Der Brief drückt die Besorgnis über die Verletzung des Prinzips der Transparenz aus und fordert eine Aufhebung des Urteils, eine Überprüfung des Falls und die Heranziehung der Schuldigen an der Verletzung der Transparenz und der Gesetzmäßigkeit zur Verantwortung. 46 Unterschriften.
7. Brief an L. I. BREŽNEV, A. N. KOSYGIN und N. V. PODGORNYJ von einer Gruppe ukrainischer Intellektueller und Arbeiter. Im Brief wird die Praxis der Verletzung der Gesetzmäßigkeit und der Transparenz verurteilt. 139 Unterschriften.
8. Brief von Verwandten und Freunden der Verurteilten an den Chefredakteur und das Parteikomitee der Zeitung „Komsomol`skaja Pravda“ über die Verlogenheit des Artikels von F. OVČARENKO „In Diensten“ mit der Forderung der offenen Erörterung des Artikels in der Redaktion und dem Journalistenverband. 29 Unterschriften.
9. Offener Brief an die Redaktion der Zeitung „Komsomol`skaja Pravda“ von O. TIMOFEEVA (der Ehefrau von GALANSKOV), der die lügenhafte Information von F. OVČARENKO ausführlich widerlegt.
10. Brief von L. I. GINZBURG (der Mutter von GINZBURG) an die „Komsomol`skaja Pravda“ über die Diffamierung von A. GINZBURG durch den Autor des Artikels „In Diensten“ mit der Forderung nach Überprüfung und Gegendarstellung des Artikels.
11. Brief von 10 Freunden und Bekannten von A. GINZBURG an die Chefredakteure der Zeitungen „Pravda“, „Izvestija“ und „Komsomol`skaja Pravda“ mit einer Gegendarstellung der Artikel in der „Izvestija“ und der „Komsomol`skaja Pravda“.
12. Brief von 13 Zeugen, die im Prozess aufgetreten waren, über die Verletzung des Paragraphen 283 der Strafprozessordnung der RSFSR, der die Anwesenheit der Zeugen im Gerichtssaal bis zum Abschluss der Gerichtsverhandlung fordert, während der Richter und der „Kommandant des Gerichts“ die Zeugen nach ihren Aussagen sofort grob hinausgewiesen hatten. Der Brief ist an den Vorsitzenden des Moskauer Stadtgerichts, den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der RSFSR, den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der UdSSR, den Staatsanwalt der RSFSR und den Generalstaatsanwalt der UdSSR gerichtet.
13-14. Brief an L. I. BREŽNEV, A. F. GORKIN, R. A. RUDENKO und den Präsidenten der Akademie für medizinischen Wissenschaften (AMN) der UdSSR, BLOCHIN, der von Ė. M. GRIGORENKO verfasst wurde, in dem sie gegen die Ablehnung der Vorladung ihres Mannes P. G. GRIGORENKO als Zeuge vor Gericht protestiert, die von einem verfälschten Gutachten über seine psychische Unzurechnungsfähigkeit motiviert wurde. Der Brief von P. G. GRIGORENKO selbst an das Oberste Gericht der RSFSR mit einer Darlegung der Aussage, die er vor Gericht nicht machen konnte und die die Herkunft des Geldes, das bei DOBROVOL`SKIJ gefunden wurde, zum Gegenstand hatte.
Hier wurden die Briefe mit einer höheren Zahl von Unterschriften und Briefe von Personen, die dem Verfahren und den Verurteilten näherstanden und die über den Inhalt des Falls besser informiert waren, aufgezählt. Außer ihnen existiert noch eine große Zahl von individuellen und kollektiven (bis zu 8 Unterschriften) Protestbriefen.
Als am aussagekräftigsten kann man den Appell von I. GABAJ, Ju. KIM und P. JAKIR „An die Schaffenden der Wissenschaft, Kultur und Kunst“ bezeichnen, in dem die politischen Prozesse der letzten Jahre in direkten Zusammenhang mit anderen Erscheinungen der Restalinisierung in unserem Land gebracht werden; die Mitteilung von A. Ė. LEVITIN (KRASNOV), der in diesem Prozess und in dem Prozess gegen BUKOVSKIJ als Zeuge auftrat, an den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der RSFSR. Er verweist auf die Beschränkung der Freiheit der Rede und des Gewissens als Grund für die Handlungen von GALANSKOV und GINZBURG und fordert, die beiden jungen Leute freizulassen; der Brief des Vorsitzenden der Kolchose „Junge Garde“ („Jauna Gvarde“) in der Lettischen SSR, des Mitglieds der KPdSU, I. A. JACHIMOVIČ, an das CK der KPdSU über den großen Schaden durch solche Gerichtsverfahren und die Verfolgung von Andersdenkenden für unser Land; der Brief des Mitglieds der KPdSU und des Schriftstellerverbands, L. Z. KOPELEV, an das Sekretariat des CK der KPdSU darüber, dass der zurückliegende Prozess ein neuer Versuch sei, den ideologischen Kampf und die politisch-erzieherische Arbeit durch Repressionen zu „stärken“, was unserer Kultur, unserem Ansehen und letztendlich der staatlichen Sicherheit selbst Schaden zufüge. KOPELEV fordert, die feindseligen Entscheidungen zu überprüfen, die Personen, die für diese Prozesse verantwortlich sind, von ihrer Arbeit zu entfernen, die Materialien der Prozesse öffentlich zu machen und die Einrichtungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der Staatssicherheit, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts von der Einmischung in das kulturelle Leben abzuhalten; der Brief von V. M. VORONIN aus Arzamas an den Chefredakteur der Zeitung „Izvestija“ über die Amoralität und Unbegründetheit des Artikels von T. A. ALEKSANDROV und V. KONSTANTINOV, über die Verzerrung der einen Fakten und das Totschweigen von anderen in ihnen; der Brief des Übersetzers A. JAKOBSON, der die Verlogenheit der Artikel „in Diensten“ und „Durch ein Band geeint“ nachweist, indem er, ohne zusätzliche Informationen zu haben, nur ihren Text selber genau analysiert; der Brief des Ingenieurs und Mathematikers L. PLJUŠČ aus Kiew an die Redaktion der Zeitung „Komsomol`skaja Pravda“, in dem er erläutert, worum er den Dokumenten des „Samizdat“ glaubt und nicht den offiziellen Artikeln über den Prozess.
Auf keinen einzigen Brief erfolgte eine Antwort.
3.
Die unerhörte Wucht der Protestbewegung rief eine Reihe von repressiven Maßnahmen hervor.
1. Anfang Februar 1968 wurden L. I. GINZBURG, IRINA ŽOLKOVSKAJA (die Verlobte von A. GINZBURG) und OL`GA TIMOFEEVA (die Frau von Ju. GALANSKOV) in die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen (da nach dem Gesetz bei einer Vorladung eines Zeugen das Erscheinen verpflichtend ist, aber auf dem Vorladungsschreiben weder der Zweck der Vorladung noch die Folgen eines Nichterscheinens angegeben waren, leistete A. TIMOFEEVA der Vorladung keine Folge). Mit L. I. GINZBURG und I. ŽOLKOVSKAJA wurde ein „prophylaktisches Gespräch“ darüber geführt, dass sie angeblich lügnerische Angaben über den Prozess verbreiteten. Zum Abschluss des Gesprächs wurde die Drohung ausgesprochen, den Paragraphen 190-1 des Strafgesetzbuchs der RSFSR anzuwenden. Danach wurden zu solchen „prophylaktischen Gesprächen“, diesmal aber schon zum KGB, L. BOGORAZ, P. G. GRIGORENKO, P. LITVINOV und P. JAKIR vorgeladen (LITVINOV leistete weder der ersten noch der zweiten Vorladung Folge, woraufhin er schon im März auf die Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau vorgeladen wurde). Der Inhalt dieser Gespräche war unmissverständlich: Alle Vorgeladenen wurden gewarnt, dass sie „ihre gesellschaftsfeindliche Tätigkeit“ einstellen sollten. PETR JAKIR, Sohn des 1937 erschossenen Armeekommandeurs IONA JAKIR erklärte man: „Nicht Sie sind der geistige Nachfolger Ihres Vaters. Wir sind seine geistigen Nachfolger“. LARISA BOGORAZ, die sagte, dass sie nicht reden werde, bis man ihr nicht erlaube, eine Erklärung über die groben ungesetzmäßigen Verfolgungen des ehemaligen Politgefangenen ANATOLIJ MARČENKO abzugeben, wurde gesagt, dass diese Erklärung noch eine Erscheinung ihrer „gesellschaftsfeindlichen Tätigkeit“ sei. P. G. GRIGORENKO legte das mit ihm geführte lange Gespräch, das voller Drohungen war, in einem Brief an den Vorsitzenden des KGB, Ju. V. ANDROPOV, dar, er erhielt auch auf diesen Brief keine Antwort.
2. Am 14.-15. Februar wurden zwei der aktiven Teilnehmer an den Protesten, der Doktor der physikalischen und mathematischen Wissenschaften ALEKSANDR VOL`PIN und die Übersetzerin NATAL`JA GORBANEVSKAJA zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus hospitalisiert.
N. GORBANEVSKAJA wurde am 15. Februar ohne Vorwarnung und ohne Benachrichtigung ihrer Angehörigen aus der 27. Geburtsklinik, wo sie zur Überwachung wegen Schwangerschaftsbeschwerden lag, in die 27. Abteilung des Kaščenko-Krankenhauses verlegt. Die Entscheidung über die Verlegung wurde unter Beteiligung des diensthabenden Psychiaters des Bezirks Timirjazevo gefällt, und als Grund der Verlegung die Bitte der Kranken um Entlassung genannt. Am 23. Februar wurde GORBANEVSKAJA aus dem Kaščenko-Krankenhaus entlassen, da die Psychiater einräumten, dass sie keiner Behandlung bedürfe.
A. S. VOL`PIN wurde am 14. Februar mit Hilfe der Miliz unter Beteiligung des diensthabenden Psychiaters des Leningrader Bezirks, AL`BERT MATJUKOV, aus dem Haus geholt. Als Grund wurde genannt, dass VOL`PIN schon lange nicht mehr in der psychiatrischen Ambulanz gewesen sei, wo er registriert war (und wohin er in den vorhergehenden Jahren nicht einmal einbestellt worden war). Er wurde in der dritten Abteilung des Kaščenko-Krankenhauses untergebracht, wo ihn die Leiterin der Abteilung A. A. KAZARNOVSKAJA und der behandelnde Arzt LEON CHRISTOFOROVIČ (er gab seinen Familiennamen nicht an) einer groben Behandlung unterwarfen. Am 16. Februar wurde VOL`PIN auf eine Anordnung, die vom Leitenden Psychiater der Stadt Moskau, I. K. JANUŠKEVSKIJ, unterschrieben war, in das Krankenhaus Nr. 5 an der Station Stolbovaja 70 km. von Moskau verlegt (in diesem Krankenhaus, befinden sich im Wesentlichen chronisch Kranke, und ebenso zur Zwangsbehandlung geschickte kleine Verbrecher). Das Ersuchen seiner Angehörigen an I. K. JANUŠKEVSKIJ blieb ohne Antwort. Nur nach dem Ersuchen zuerst der Akademiemitglieder A. N. KOLMOGOROV und P. S. ALEKSANDROV, später noch von 99 Wissenschaftlern (darunter den bedeutendsten sowjetischen Mathematikern: Akademiemitgliedern, Professoren, Laureaten des Leninpreises) an den Minister für Gesundheitswesen der UdSSR, das Akademiemitglied B. V. PETROVSKIJ, wurde die Lage von VOL`PIN etwas erleichtert, gegenwärtig befindet er sich erneut im Kaščenko-Krankenhaus, aber in der 32. Abteilung, wo es ruhiger ist als in der 3.
Die einzige offizielle Begründung eines solchen Vorgehens kann die Anweisung „Über die unverzügliche Hospitalisierung psychisch Kranker, die eine öffentliche Gefahr darstellen“ (s. „Gesetzgebung für das Gesundheitswesen“, Bd. 6, Moskau 1963) sein. Aber erstens nur offiziell, nicht gesetzmäßig, denn die Tatsache der zwangsweisen Hospitalisierung widerspricht den Paragraphen 58-60 des Strafgesetzbuchs der RSFSR, nach denen Zwangsmaßnahmen medizinischer Art vom Gericht verhängt werden. Die Hospitalisierung von Personen als „öffentlich-gefährlich“ widerspricht dem Hauptprinzip der Gesetzlichkeit diametral, dem Prinzip der Unschuldsvermutung, da Personen als sozial gefährlich angesehen werden, die Verbrechen begangen haben, was nur durch das Urteil eines Gerichts festgestellt werden kann. Und zweitens wurde auch diese hinreichend grausame und ungesetzliche Instruktion grob verletzt. Nach der Ankunft im Krankenhaus muss der dorthin Geschickte innerhalb von 24 Stunden durch eine Kommission aus drei Personen untersucht werden, was weder im Fall von VOL`PIN noch in dem Fall von GORBANEVSKAJA geschah. Die Angehörigen wurden nicht verständigt, was nach der Anweisung ebenfalls verpflichtend ist. Schließlich stellte die Kommission, die nach dem Brief der Mathematiker eingesetzt wurde, nur fest, dass VOL`PIN der Behandlung bedürfe und verbesserte die Bedingungen seiner Behandlung im Krankenhaus teilweise. Nach der Anweisung ist die Kommission sowieso verpflichtet, den Kranken einmal im Monat zu untersuchen und dabei nicht Schlussfolgerungen darüber abzugeben, ob er überhaupt krank ist, sondern darüber, ob seine Erkrankung weiterhin einen „öffentlich-gefährlichen Charakter“ hat; wenn nicht, wird der Kranke in die Obhut seiner Angehörigen entlassen. Die reguläre Kommission, die am 17. April stattfand, teilte auch mit, dass man VOL`PIN noch anderthalb Monate „behandeln“ müsse.
3. Die nächste und bisher breiteste Repressionswelle betraf die Parteimitglieder, die den einen oder anderen Brief unterschrieben hatten. An alle Bezirkskomitees der Partei in der Stadt Moskau wurden Kopien oder Fotokopien der Briefe geschickt (darunter auch von denen, deren Autoren sich an das Gericht und die Staatsanwaltschaft gewandt und Kopien der Briefe nicht einmal an das CK der KPdSU gesandt hatten). Nach den Unterschriftenlisten suchten die Bezirkskomitees „ihre“ Parteimitglieder heraus. Es wurde fast allen gegenüber die gleiche Maßnahme angewandt, nämlich Ausschluss aus der Partei, unabhängig von dem Beschluss der Basisorganisation und davon, ob der Fall überhaupt auf der Versammlung der Parteiorganisation erörtert worden war. Folgende Personen wurden aus der Partei ausgeschlossen:
- LJUDMILA ALEKSEEVA, Redakteurin des Verlags „Nauka“ [Wissenschaft]. Sie unterschrieb den Brief der 80. Auf Empfehlung des Bezirkskomitees von der Arbeit entlassen.
- LJUDMILA BELOVA, Doktorin der Philosophie, Teilnehmerin des Großen Vaterländischen Krieges, Ordensträgerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Kunstgeschichte, sie unterschrieb den Brief der 80.
- BORIS BIRGER, Künstler, Mitglied des Moskauer Gebietsverbands der Künstler (MOCCh), er unterschrieb den Brief der 24 („der Schriftsteller“).
- PIAMA GAJDENKO, Doktorin der Philosophie, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts der internationalen Arbeiterbewegung, sie unterschrieb den Brief der 80.
- ALEKSANDR OGURCOV, Doktor der Philosophie, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts der internationalen Arbeiterbewegung, er unterschrieb den Brief der 80.
- LEONID PAŽITNOV, Doktor der Philosophie, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kunstgeschichte, er unterschrieb den Brief der 80. Auf Empfehlung des Bezirkskomitees von der Arbeit entlassen.
- VALENTIN NEPOMNJAŠČIJ, Kritiker, Mitglied des Journalistenverbands, Leiter der Abteilung für sowjetische Literatur bei der Zeitschrift „Voprosy Literatury“ [Fragen der Literatur], er unterschrieb den Schriftstellerbrief. Aus dem Amt des Leiters der Abteilung entfernt.
- V. M. RODIONOV, Dr. habil. der Biologie (Institut für Medizinische Biochemie), er unterschrieb den Brief der 120.
- FEDOT SUČKOV, Kritiker, Mitglied des Schriftstellerverbands, wurde in der Stalinära Repressionen unterworfen, er unterschrieb den „Schriftstellerbrief“.
- MOISEJ TUL`ČINSKIJ, Doktor der Geschichte, Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges, Ordensträger, Mitarbeiter des Verlags „Nauka“, er unterschrieb den Brief der 120.
- ISAAK FIL`ŠTINSKIJ, Doktor der Geschichte, Oberster wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für die Völker Asiens, wurde in der Stalinära Repressionen unterworfen, er schrieb zusammen mit seiner Frau einen Brief, der an A. N. KOSYGIN adressiert war, mit der Bitte um eine menschliche Überprüfung des Falles.
- SERGEJ FOMIN, Dr. habil. der Physik und Mathematik, Professor an der MGU, er unterschrieb den Brief der 99 Mathematiker betreffend VOL`PIN.
- ARON CHANUKOV, Technischer Direktor eines Hausbauwerks, er unterschrieb den Brief von 10 Freunden GINZBURGs an die „Komsomol`skaja Pravda“. Vom Posten des Technischen Direktors entfernt.
- BORIS ŠRAGIN, Doktor der Philosophie, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kunstgeschichte, er unterschrieb den Brief der 80 und verwandte seine Adresse als Absender dieses Briefes und unterschrieb auch den Appell an die Budapester Beratende Konferenz (von diesem Appell wird noch später die Rede sein). Auf Empfehlung des Bezirkskomitees von der Arbeit entlassen.
- GRIGORJ JABLONSKIJ, Chemiker (Novosibirsk).
- IVAN JACHIMOVIČ, Vorsitzender der Kolchose „Jauna Gvarde“ des Bezirks Kraslava in der Lettischen SSR. Er schrieb einen Brief an das CK der KPdSU. Vom Posten des Kolchosvorsitzenden entfernt.
- VALERIJ PAVLINČUK, Physiker (Obninsk), er unterschrieb den Brief der 170. Ihm wurde die Zulassung entzogen und er wurde „wegen Personalkürzung“ entlassen.
Gleichzeitig damit, dass man begann, die Teilnehmer der Protestkampagne aus der Partei auszuschließen, wurde auch der Rechtsanwalt B. A. ZOLOTUCHIN, der Verteidiger von A. GINZBURG, „wegen der parteifremden, unsowjetischen Verteidigungsstrategie“ aus der Partei ausgeschlossen. In seiner Verteidigungsrede hatte der Rechtsanwalt alle Beweise der Anklage widerlegt und, was erstmalig in der langjährigen Praxis der politischen Prozesse geschah, den vollständigen Freispruch seines Mandanten verlangt. Nach dem Ausschluss aus der Partei wurde B. A. ZOLOTUCHIN von dem Posten als Leiter der Rechtsberatung entfernt.
Gleichzeitig mit dieser „Säuberung“ wurden, schon aus anderen Anlässen, zwei weitere Personen aus der Partei ausgeschlossen: JURIJ KARJAKIN, Philosoph, Literaturwissenschaftler, für seinen antistalinistischen Auftritt auf dem Abend zur Erinnerung an ANDREJ PLATONOV; GRIGORIJ SVIRSKIJ, Schriftsteller, Mitglied des Schriftstellerverbands, für seine Rede auf der Versammlung der Moskauer Parteiorganisation der Schriftsteller, die dem drohenden Wiederaufleben des Stalinismus und Problemen der Zensur gewidmet war.
Alle die Ausschlüsse wurden von Verletzungen des Parteistatus begleitet (bis dahin, dass einige in Abwesenheit ausgeschlossen wurden).
Mit vielen Personen (die nicht Parteimitglieder sind), die verschiedene Briefe unterzeichnet hatten, wurden „Gespräche“ am Arbeitsplatz geführt, nicht selten mit dem Vorschlag „auf eigenen Wunsch“ zu kündigen. Einigen Personen wurden bereits geplante Auslandsreisen entzogen. In den Redaktionen und Verlagen tauchten neue Listen „unerwünschter“ Autoren auf.
Es wurden einige Manuskripte abgelehnt, deren Publikation bereits vorgesehen war.
Der Lehrer JURIJ AJCHENWAL´D und seine Frau VALERIJA GERLIN, die den Brief der 170 unterzeichnet hatten (beide wurden in der Stalinära Repressionen unterworfen) wurden von der Arbeit entlassen. Der Doktor der Geschichte, JURIJ GLAZOV, wurde aus dem Institut der Völker Asiens entlassen, er hatte die Briefe der 80, der 170 und den Appell an die Budapester Konferenz unterzeichnet. Wegen „Personalkürzung“ wurden die Redakteure des Verlags „Iskusstvo“ [Kunst] ALEKSANDR MOROZOV und DMITRIJ MURAV´EV (Brief der 120) entlassen, ebenso die wissenschaftliche Assistentin am Institut für theoretische und experimentelle Physik, IRINA KRISTI (Briefe der 170 und der 99) und der Leiter des Laboratoriums des gleichen Instituts ALEKSANDR KRONROD, Dr. habil. der Physik und Mathematik (Brief der 99). Aus dem Komsomol wurde der Redakteur des Verlags „Sovetskja Ėnciklopedija“ SERGEJ VOROB´EV ausgeschlossen, der auf einer Versammlung seine Unzufriedenheit mit den Methoden der Erörterung ausgedrückt hatte: es würden Personen erörtert, die Briefe unterschrieben hätten, aber diese Briefe habe keine der Anwesenden gelesen.
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Am 24. Februar 1968 wurde an die Budapester Konferenz der Kommunisten und Arbeiterparteien ein Appell gesandt, dessen Text wir hier vollständig zitieren.
AN DAS PRÄSIDIUM DER BERATENDEN KONFERENZ DER KOMMUNISTISCHEN PARTEIEN IN BUDAPEST
In den letzten Jahren wurde in unserem Land eine Reihe politischer Prozesse geführt. Das Wesen dieser Prozesse besteht darin, dass Personen in Verletzung ihrer grundlegenden Bürgerrechte für ihre Überzeugung angeklagt wurden. Insbesondere deshalb gingen die Prozesse mit groben Verletzungen der Rechtlichkeit, deren bedeutendste das Fehlen von Transparenz ist, einher.
Die Öffentlichkeit will sich nicht mehr mit derartigen Gesetzesverstößen abfinden und das rief Unmut und Proteste hervor, die von Prozess zu Prozess gewachsen sind. An verschiedene Gerichts-, Regierungs- und Parteiorgane, bis hin zu dem CK der KPdSU wurde eine Vielzahl individueller und kollektiver Briefe geschickt. Die Briefe blieben unbeantwortet. Die Antwort für die, die am aktivsten protestierten, war die Entlassung von der Arbeit, Vorladungen beim KGB mit der Drohung der Verhaftung und schließlich die empörendste Form der Repressalie, nämlich die zwangsweise Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus. Diese ungesetzlichen und unmenschlichen Handlungen können zu keinerlei positiven Resultaten führen, im Gegenteil sie steigern die Spannung und rufen neuen Unmut hervor.
Wir halten es für unsere Pflicht, darauf hinzuweisen, dass sich einige Tausend politische Häftlinge in den Lagern und Gefängnissen befinden, von denen fast niemand etwas weiß. Sie werden unter den unmenschlichen Bedingungen der Zwangsarbeit, bei einer Hungerration, der Willkür der Verwaltung ausgesetzt, gehalten. Wenn sie ihre Strafe verbüßt haben, werden sie außergerichtlichen und häufig auch gesetzeswidrigen Verfolgungen unterworfen: Beschränkungen bei der Wahl ihres Wohnorts und administrative Aufsicht, die einen freien Menschen in die Lage eines Verbannten versetzt.
Wir lenken Ihre Aufmerksamkeit auch auf die Tatsachen der Diskriminierung der kleinen Völker und der politischen Verfolgung der Menschen, die für nationale Gleichberechtigung kämpfen, was besonders scharf in der Frage der Krimtataren zum Ausdruck kommt.
Wir wissen, dass viele Kommunisten im Ausland und in unserem Land wiederholt ihre Missbilligung der politischen Repressionen der letzten Jahre ausgedrückt haben. Wir bitten die Teilnehmer der Beratung die Gefahr, die aus der Missachtung der Menschenrechte in unserem Land entstehen, zu erwägen.
Den Appell unterschrieben:
- ALEKSEJ KOSTERIN, Schriftsteller, Moskau, M[alaja] Gruzinskaja 31, Wohnung 70.
- LARISA BOGORAZ, Philologin, Moskau, V-261, Leninskij Prospekt 85, Wohnung 3.
- PAVEL LITVINOV, Physiker, Moskau, K-1, Aleksej Tolstoj-Straße 8, Wohnung 78.
- ZAMPIRA ASANOVA, Ärztin, Jangi-Kurgan, Gebiet Fergana.
- PETR JAKIR, Historiker, Moskau, Ž-280, Avtozavodskaja 5, Wohnung 75.
- VIKTOR KRASIN, Wirtschaftswissenschaftler, Moskau, Belomorskaja-Straße 24, Wohnung 25.
- ILJA GABAJ, Lehrer, Moskau, A-55, Novo-Lesnaja-Straße 18, Korpus 2, Wohnung 83.
- BORIS ŠRAGIN, Philosoph, Moskau, G-117, Pogodinka 2/3, Wohnung 91.
- LEVITIN-KRASNOV, Kirchenschriftsteller, Moskau, Ž-377, 3. Novo-Kuz`minskaja Straße 23.
- JULIJ KIM, Lehrer, Moskau, Ž-377, Rjazanskij Prospekt 73, Wohnung 90.
- JURIJ GLAZOV, Linguist, Moskau, V-421, Leninskij Prospekt 101/164, Wohnung 4.
- PETR GRIGORENKO, Bauingenieur, ehemaliger Generalmajor, Moskau, G-21, Komsomol`skij Prospekt 14/1, Wohnung 96.
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1. Im 17. Lagerpunkt der mordwinischen Lager (Mordwinische ASSR, Station Pot`ma, Postabteilung Ozernyj, Postfach 385-17a) fand im Februar ein Hungerstreik statt. An ihm nahmen sechs Personen teil: JULIJ DANIĖL‘, BORIS ZDOROVEC, VIKTOR KALNYN´Š, SERGEJ MOŠKOV, VALERIJ RONKIN und JURIJ ŠUCHEVIČ. Am achten-zehnten Tag wurden die Hungernden künstlich ernährt. Nach zehn Tagen wurde der Hungerstreik beendet. Als dessen Resultat wurden einige Forderungen der politischen Häftlinge erfüllt: Jetzt hat die Verwaltung kein Recht, Besuche ohne Zustimmung des Staatsanwalts zu entziehen, die Abnahme von Papieren wird von nun an ebenso nur mit Zustimmung des Staatsanwalts mit der obligatorischen Anlage eines Protokolls vor sich gehen. Man muss daran erinnern, dass früher nicht nur keinerlei Forderungen der Hungernden erfüllt wurden, sondern nicht selten die Tatsache eines Hungerstreiks als „Verstoß gegen die Lagerordnung“ betrachtet wurde und als Grundlage für die Unterbringung in der Arrestzelle, der Baracke mit verschärftem Regime (BUR) oder im Gefängnis von Vladimir dienen konnte.
2. Im Februar wurde der ehemalige politische Häftling LEONID RENDEL´ (Paragraph 58-10, der Fall von KRASNOPEVCEV u.a., der Kern des Falls, „illegaler marxistischer Zirkel“ Strafe 10 Jahre, er hatte seine Strafe in mordwinischen Lagern vollständig verbüßt und war am 30. August 1967 entlassen worden), der im Moment in dem Dorf Novo-Melkovo, Gebiet Kalinin, lebt, unter administrative Aufsicht gestellt. Als Begründung dafür diente die Empfehlung der Lagerverwaltung, ihn „wegen wiederholter Verstöße gegen die Lagerordnung und wegen Beibehaltens antisowjetischer Überzeugungen“ (die Verstöße drückten sich in Protesten gegen die Willkür der Lagerverwaltung aus) unter Aufsicht zu stellen. Die Aufsicht wurde für sechs Monate verhängt und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Nachdem er unter Aufsicht gestellt wurde, ist es ihm verboten, das Dorf ohne Erlaubnis der Miliz zu verlassen (wenn er eine Erlaubnis beantragte, wurde sie ihm verweigert) und es ist ihm vorgeschrieben, sich zweimal im Monat bei der örtlichen Abteilung der Miliz zu melden.
Vom 14. März bis 5. April wurde in Leningrad vor dem Leningrader Stadtgericht gegen 17 Intellektuelle aus Leningrad verhandelt. An dem Prozess nahmen teil: der Staatsanwalt GUSEV und die Richterin ISAKOVA (stellvertr. Vorsitzende des Leningrader Stadtgerichts).
Allen Angeklagten wurden Vergehen nach den Paragraphen 70 und 72 des Strafgesetzbuchs der RSFSR vorgeworfen.
Der Kern der Anklage: Teilnahme an dem Allrussländischen sozial-christlichen Bund zur Befreiung des Volkes.
Kurze Darlegung des Programms des Bundes.
Errichtung einer demokratischen Ordnung. Das Staatsoberhaupt wird in allgemeinen Wahlen bestimmt und ist dem Parlament rechenschaftspflichtig. Das Kontrollorgan ist ein Konzil (Vertreter der Geistlichkeit), das ein „Vetorecht“ gegenüber dem Staatsoberhaupt und dem Parlament besitzt. Der Boden befindet sich im Staatsbesitz und wird als Parzelle Privatpersonen oder Kollektiven (eine Ausbeutung ist verboten) zugewiesen, Lohnarbeit ist nur auf gleichberechtigter Grundlage möglich. Die Unternehmen befinden sich in ihrer Mehrheit in dem Eigentum von Arbeiterkollektiven, die Hauptzweige wie Transport, Elektronik, in staatlichem. Das Grundprinzip der Wirtschaft: Personalismus [= Glaube an einen persönlichen Gott; Anm. d. Übers.]
Statut des Bundes
Strenge Konspiration mit einer Einteilung in Dreiergruppen („Trojken“), jeder kennt sein Oberhaupt in der Dreiergruppe und das zweite Mitglied. Außerdem wirbt jeder neue Mitglieder an und gründet eine neue Dreiergruppe, wo er dann das Oberhaupt wird. Den Vorsteher der Organisation kennen ihre Mitglieder nicht, wenn nötig, wenden sie sich schriftlich durch das Oberhaupt ihrer Dreiergruppe an ihn.
Die Organisation beschäftigt sich in der Praxis nur: 1) mit der Anwerbung neuer Mitglieder und 2) mit der Verbreitung von Literatur (bei den Hausdurchsuchungen wurden Bücher und Kopien von Büchern von DJILAS, BERDJAEV, VL. SOLOV´EV, RAUCH „Die Geschichte Sowjetrusslands [(1917-1964)]“, TIBOR MERAY, „13 Tage, die den Kreml erschütterten“ über Ungarn 1956, GOR`KIJ „Unzeitgemäße Gedanken [über Kultur und Revolution]“ u.a. beschlagnahmt, darunter sogar „Gratwanderung“ von GINZBURG).
Die Organisation bildete sich ungefähr 1964. Mitte 1965 gehörten ihr ungefähr zehn Mitglieder an. Zu dieser Zeit wusste das Leningrader UKGB schon von ihrer Existenz, aber unterband ihre Tätigkeit nicht, sondern erlaubte ihr, sich zu entwickeln und auszubreiten (im Verfahren trat der Zeuge ALEKSANDR GIDONI auf, der 1965 beim KGB von der Organisation Mitteilung machte, und ihm wurde dort geraten, die Kontakte mit ihren Mitgliedern fortzusetzen).
Im Februar/März 1967 wurden etwa 60 Personen verhaftet oder festgehalten (nicht nur in Leningrad, sondern auch in Tomsk, Irkutsk, Petrozavodsk u.a.).
Im November klagte das Leningrader Stadtgericht vier Leiter der Organisation (Paragraphen 64, 70 und 72) an und verurteilte:
VLADIMIR OGURCOV (Übersetzer aus dem Japanischen, 30 Jahre) – zu 15 Jahren,
MICHAIL SADO (Orientalist, 30 Jahre) – zu 13 Jahren,
EVGENIJ VAGIN (Literaturwissenschaftler aus dem Puschkinhaus, 30 Jahre) – zu 10 Jahren
AVEROČKIN (Jurist, 28 Jahre) – zu 8 Jahren Freiheitsentzug in einer Arbeitsbesserungskolonie mit strengem Regime.
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Vom 14. März bis 5. April 1968 fand der Hauptprozess statt. Der Unterschied zwischen den Personen, die als Angeklagte und als Zeugen herangezogen wurden, bestand im Wesentlichen darin, dass man die anklagte, die zumindest eine Person für die Organisation angeworben hatten. Alle Angeklagten bekannten sich schuldig (offenbar im Sinne der Anerkennung der Fakten der Anklage), aber nicht alle bereuten (im Besonderen IVOJLOV, IVANOV, PLATONOV, BORODIN).
Die Liste der Verurteilten (am Ende ist die Länge der Freiheitsstrafe angegeben, in Klammern die Strafe, die der Staatsanwalt gefordert hatte).
- VJAČESLAV PLATONOV, 1941 geb., Orientalist, 7 (7).
- NIKOLAJ IVANOV, 1937 geb., Kunstwissenschaftler, Dozent an der Leningrader Staatlichen Universität (LGU), 6 (7).
- LEONID BORODIN, 1938 geb., Direktor einer Schule im Bezirk Luga, Leningrader Gebiet, 6 (6).
- VLADIMIR IVOJLOV, Wirtschaftswissenschaftler (Tomsk), beendete die LGU, 2 (2).
- MICHAIL KONOSOV, 1937 geb., Schlosser bei Lengaz, Fernstudent des Gorkij-Literatur-Instituts, 4 (5).
- SERGEJ USTINOVIČ, 1938 geb., beendete die LGU, 3 Jahre, 6 Monate (4).
- JURIJ BUZIN, 1936 geb., Ingenieur.
- Valerij Nagornyj, 1943 geb., Ingenieur an dem Leningrader Institut für Feinmechanik und Optik (LITMO), 3 (4)
- Aleksandr Miklaševič, 1935 geb., Ingenieur, beendete das landwirtschaftliche Institut, 3 (3).
- Jurij Baranov, 1938 geb., Ingenieur, beendete das Institut für Kinoingenieure.
- Bočevarov, 1935 geb., beendete die LGU, 2. J, 6 Mon. (3).
- Anatolij Sudarev, 1935 geb., Übersetzer, beendete die LGU, 2 (2).
- Anatolij Ievlev, 1937 geb., Chemiker, beendete die LGU, 2 (3).
- Vladimir Veretenov, 1936 geb., Chemiker, beendete die LGU, 8 (3).
- Ol`gerd Zobach, 1941 geb., Mechaniker des LITMO, 1J., 2 Mon. Nach der tatsächlich in der Untersuchungshaft verbüßten Zeit (1).
- Oleg Šuvalov, 1935 geb., LITMO, 1 J., 2 Mon. Nach der tatsächlich in der Untersuchungshaft verbüßten Zeit (1).
- Stanislav Konstantinov, Mitarbeiter in der Bibliothek, 1 J., 2 Mon. Nach der tatsächlich in der Untersuchungshaft verbüßten Zeit (1).
1) Der Prozess verlief mit Gesetzesverstößen, ähnlich denen im Moskauer Prozess:
2) Zugang mit Passierscheinen in einem „offenen“ Prozess (bei einem halbleeren Saal).
3) Die Entfernung der meisten Zeugen aus dem Saal sofort, nachdem sie ihre Aussage gemacht hatten.
Ebenfalls unverständlich ist, warum die Leiter der Organisation getrennt angeklagt wurden und weshalb man sie außer nach den Paragraphen 70 und 72 noch nach dem Paragraphen 64 (Vaterlandsverrat) anklagte. Wurde das von ihnen aufgestellte Programm als „Verschwörung mit dem Ziel der Machtergreifung“ eingestuft? Wenn ja, dann ist das klar nicht gesetzesgemäß. Unter den Bedingungen des Verfahrens gegen die erste Vierergruppe konnte jegliche Ungesetzlichkeit vor sich gehen, da das Verfahren erst nach seinem Abschluss bekannt wurde und es offensichtlich vollkommen geschlossen war.
Es ist verlässlich bekannt, dass man niemanden weder der Beziehungen mit dem NTS, noch der Devisengeschäfte, noch der Aufbewahrung von Waffen beschuldigte.
Im Februar 1967 wurde in Moskau der Student des Ingenieursinstituts für Eisenbahntransport, Valentin Prusakov, verhaftet. Bei der Hausdurchsuchung wurden im Wesentlichen bei ihm seine Gedichte beschlagnahmt. Die Anklage wurde nach Paragraph 70 des Strafgesetzbuchs der RSFSR erhoben. Am 3. Februar 1965 [sic!] wurde ein Prozess anberaumt, aber er fand nicht statt und im März, nach 1 J. 1 Mon. in Untersuchungshaft (im Lefortovo-Gefängnis) wurde Prusakov freigelassen und sein Fall wegen des Fehlens eines Tatbestands eingestellt.
Archiv von „Memorial“, F. 153. Übersetzung aus dem Russischen: Georg Wurzer.