Einführung:Rede von Carlo Schmid (SPD) vor dem Deutschen Bundestag anlässlich der zweiten Lesung des Wehrpflichtgesetzes
Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt durch die Alliierten am 5. Juni endete die staatliche Souveränität und damit auch die Wehrhoheit Deutschlands. Einem Hauptziel des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 folgend – der Beseitigung des deutschen Militarismus und Nazismus – wurden alle deutschen militärischen Dienststellen, Verbände und Einrichtungen aufgelöst, jegliche militärische Ausbildung verboten. Die offizielle Auflösung der Wehrmacht erfolgte am 20. August 1946.
Nach dem Scheitern einer gemeinsamen Deutschlandpolitik der Siegermächte und im Zuge der zunehmenden Blockkonfrontation in Europa (Kalter Krieg) beauftragten die Westmächte die Ministerpräsidenten in den elf Ländern der westlichen Besatzungszonen, eine Verfassung für einen westdeutschen Bundesstaat auszuarbeiten. Das am 23. Mai 1949 in Kraft getretene Grundgesetz enthielt verschiedene Selbstbeschränkungen in Bezug auf Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Besatzungsstatuts vom 10. Mai 1949, wonach die oberste Gewalt weiterhin bei den drei westlichen Besatzungsmächten verblieb und Eingriffe u. a. in den Bereichen Außenpolitik, Abrüstung, Entmilitarisierung, Reparationen, Dekartellisierung und Devisenwirtschaft ohne deutsche Zustimmung vorgenommen werden konnten, verzichtete die Bundesrepublik zunächst auf die rechtlichen Voraussetzungen zur Aufstellung bewaffneter Streitkräfte. Das Grundgesetz enthielt zumindest keine ausdrücklichen Regelungen, aus denen eine Wehrhoheit des neuen Staats hätte gefolgert werden können. Allerdings wurde neben dem Verbot eines Angriffskrieges und der Möglichkeit, sich zur Wahrung des Friedens in ein System kollektiver Sicherheit einzuordnen, in Artikel 4 erstmals in der deutschen Geschichte ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung verankert, das die Freiheit des Glaubens und des Gewissens garantiert. Aufgrund des totalen Zwangs, den das Dritte Reich auf den Einzelnen ausgeübt hatte, sollte nun jeder Deutsche die Möglichkeit haben, den „Kriegsdienst mit der Waffe“ zu verweigern – vorausgesetzt freilich, sein Gewissen verbiete ihm das Töten. Aktuelle Bedeutung erlangte dieses Recht jedoch erst mit der Einführung der Wehrpflicht im Jahr 1956.
Vor dem Hintergrund des sich seit 1945/46 abzeichnenden Kalten Kriegs zwischen den Weltmächten USA und UdSSR diskutierte man seit 1948/49 in amerikanischen und britischen Militärkreisen sowie auch unter ehemaligen Soldaten in Westdeutschland über einen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung Westeuropas. Der Ausbruch des Koreakrieges im Sommer 1950 wurde von dieser Seite als Bedrohung auch für Westeuropa wahrgenommen. Er leitete schrittweise die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ein.
Im Herbst dieses Jahres akzeptierte die 1949 als politisches und militärisches Bündnis gegründete NATO ein entsprechendes Angebot von Bundeskanzler Konrad Adenauer, im Rahmen einer gemeinsamen Verteidigung deutsche Truppen aufzustellen. Die 1951 aufgenommenen Verhandlungen verfolgten ein doppeltes Ziel: Sicherheit mit und vor Deutschland. Einerseits sollte die Bundesrepublik rasch zu einsatzfähigen Verbänden kommen. Andererseits sollte sie im Hinblick auf die deutsche militärische Vergangenheit und die offene nationale Frage sicherheitspolitisch kontrolliert werden, dies vor allem aufgrund französischer Interessen.
Die ursprünglich dafür vorgesehene Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte aus innenpolitischen Rücksichten 1954 am Veto der französischen Nationalversammlung. Namentlich Großbritannien bemühte sich daraufhin um eine Lösung, die darauf abzielte, den 1948 zwischen Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Staaten geschlossenen Brüsseler Pakt neu zu beleben und ihn durch den Beitritt der Bundesrepublik sowie Italiens zu erweitern. Über die so geschaffene Westeuropäische Union gelang im Rahmen der Pariser Verträge am 9. Mai 1955 die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO. Damit war jedoch die Verpflichtung verbunden, einen militärischen Beitrag zur Verteidigung zu leisten.
Um die geplante Wiederbewaffnung entspann sich vor dem Hintergrund der schrecklichen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg eine der heftigsten innenpolitischen Auseinandersetzungen der 1950er Jahre. Auch wenn außer Frage stand, die Streitkräfte im Unterschied zu Reichswehr und Wehrmacht in den demokratischen Rechtsstaat zu integrieren und parlamentarisch zu kontrollieren, hielt die Bundesregierung die Frage, innerhalb welchen Wehrsystems der Verteidigungsbeitrag geleistet werden sollte, zunächst mit Absicht aus der öffentlichen Diskussion heraus. Sollte die Bundeswehr mit freiwilligen Soldaten aufgestellt werden oder sollte man an die 150-jährige deutsche Wehrpflichttradition anknüpfen? Oder bot der Neuanfang westdeutscher Streitkräfte die Chance, anstelle der Wehrpflicht auf ein Milizsystem zurückzugreifen oder ein Mischsystem zwischen Miliz und Berufsarmee zu schaffen?
Deutsche Militärexperten, die sich im Auftrag des Bundeskanzlers schon in der Frühphase erster Aufrüstungsüberlegungen auf einer Konferenz im Eifelkloster Himmerod 1950 Gedanken über den Zuschnitt zukünftiger Streitkräfte machten (sog. Himmeroder Denkschrift), gingen aus militärischen Notwendigkeiten von einer Dienstpflicht aus. Der EVG-Vertrag sah für die Mitgliedstaaten eine Wehrpflicht mit einem 18-monatigen Grundwehrdienst vor. Die Vorläuferbehörde des Verteidigungsministeriums begann im April 1951 mit den Vorarbeiten für ein Wehrgesetz ausschließlich auf der Grundlage der Wehrpflicht. Im ersten Vorentwurf, der Anfang 1952 vorlag, ging man von einer allgemeinen Wehrpflicht mit 18-monatiger Dienstzeit aus. Im weiteren Verlauf der Arbeiten kristallisierten sich zwei besonders neuralgische Punkte heraus: Die Wehrdienstausnahmen (Frei- bzw. Zurückstellungen) und die Regelung der Kriegsdienstverweigerung.
Letzteres war zwar ein Verfassungsgebot, seine Umsetzung schien aber aus Sicht der militärischen Planer große Probleme zu bereiten. Angesichts des wenig militärfreundlichen Klimas in der Bundesrepublik glaubte man, mit enormen Verweigerungszahlen rechnen zu müssen. Dies könnte die personelle Aufrüstung gegebenenfalls drastisch beinträchtigen. Frühzeitig wurden dazu die Vertreter der betroffenen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen wie Kirchen, Jugend- und Studentenorganisationen und die Rektorenkonferenz angehört. Auch die Wehrdienstdauer spielte eine nicht unwesentliche Rolle, hielten doch verschiedene Experten eine Verlängerung auf 24 Monate für unvermeidlich.
Als der Bundestag im Februar 1954 im Rahmen der Ersten Wehrergänzung des Grundgesetzes Regelungen zur Wehrhoheit traf, wies er dem Bund auch die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Verteidigung zu, „einschließlich der Wehrpflicht für Männer vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an“ (Artikel 73, Abs. 1 GG). Nach dem Scheitern der EVG im August 1954 gerieten die Arbeiten an den Wehrgesetzen jedoch zunächst ins Stocken.
Weil sie negative psychologische Wirkungen befürchtete, trachtete die Bundesregierung danach, die heikle Wehrpflichtfrage aus den Schlagzeilen heraus zu halten. In der Sache selbst hatte sich freilich auch nach der Entscheidung zugunsten der NATO-Option nichts geändert. Nur mit Hilfe des Wehrpflichtkonzepts glaubte man, den für das Bündnis angestrebten Streitkräfteumfang von 500 000 Soldaten erreichen zu können. Die Präsenzstärke war dabei keineswegs unumstritten. Die Bundesregierung gründete ihre Auffassung auf eine im Londoner Protokoll vom 3. Oktober 1954 getroffene Abmachung, den ursprünglich für die EVG festgelegten Verteidigungsbeitrag auch für das deutsche NATO-Engagement zu übernehmen.
Die in den Medien artikulierten Zweifel an der Notwendigkeit der Wehrpflicht konzentrierten sich auf die Miliz als mögliches alternatives Lösungsmodell. Ihren Befürwortern, vor allem in der SPD-Opposition, erschien gerade diese Wehrorganisation mit stark gekaderten Verbänden, deren Angehörige bis auf das freiwillige Stammpersonal nach kurzer Ausbildung zu wiederholten Übungen einberufen werden, als besonders geeigneter Weg, den zivil-militärischen Gegensatz zu überwinden und ein etwaiges Aufkommen militaristischer Tendenzen zu unterbinden.
Die Regierungskoalition ließ hingegen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die in den Pariser Verträgen eingegangenen militärischen Verpflichtungen nur im Rahmen einer allgemeinen, 18 Monate dauernden Wehrpflicht erfüllt werden könnten. Überlegungen, die Wehrpflichtdebatte auf die Zeit nach den Bundestagswahlen 1957 zu vertagen, um den Wahlkampf nicht mit dieser innenpolitisch besonders umstrittenen Frage zu belasten, hatten angesichts der dem Bündnis gegenüber gemachten Zusagen keine Chance. Durch eine möglichst rasche Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes versuchte die Regierung vielmehr das leidige Thema aus dem Wahlkampf von 1957 heraus zu halten.
Das Bundeskabinett verabschiedete den Entwurf zum Wehrpflichtgesetz tatsächlich schon am 8. Februar 1956. Der Gesetzentwurf bestimmte die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für Männer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Er regelte u. a. die rechtlichen Fragen der Einberufung sowie der Frei- und Zurückstellung vom Wehrdienst und behandelte unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Vorgaben des Artikels 4 die Kriegsdienstverweigerung. Eine generelle Befreiung vom Wehrdienst war lediglich für Geistliche vorgesehen. Die Dauer des Grundwehrdienstes sollte 18 Monate betragen.
Im Laufe des Jahres 1956 wurde die Wehrpflichtfrage zur am heißesten umkämpften Entscheidung der gesamten Wehrgesetzgebung. An ihr zerbrach die „Große Wehrkoalition“, die kurz zuvor aus Einsicht in die staatspolitischen Notwendigkeiten zwischen Regierung und SPD-Opposition geschlossen worden war. Ein wesentlicher Einwand richtete sich gegen die Wehrdienstdauer. Fast einmütig beschlossen die SPD- und ebenso die Mehrzahl der CDU-geführten Landesregierungen eine Reduzierung der Wehrdienstdauer auf 12 Monate. Hier spielten auch gewisse Rücksichtnahmen auf die Wirtschaftsentwicklung eine Rolle. Eine zu lange Wehrpflicht für jüngere Männer hätte den herrschenden Arbeitskräftemangel noch verstärken und damit das Wirtschaftswunder beeinträchtigen können.
Die zur selben Zeit innerhalb der NATO durchgeführte Nuklearisierung der Bündnisverteidigung bei gleichzeitiger Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte lieferte der Opposition das Argument, dies werde sich auf die beabsichtigte Stärke der Bundeswehr auswirken oder mache die Wehrpflicht gar überflüssig. Obwohl die sozialistische Tradition der SPD seit dem 19. Jahrhundert eigentlich für eine Bevorzugung der allgemeinen Volksbewaffnung auf der Grundlage der Wehrpflicht sprach, vollzog der Parteivorstand einen innerparteilich keineswegs unumstrittenen Schwenk und plädierte nun für eine wesentlich kleinere Freiwilligenarmee. Als gewichtigsten politischen Einwand gegen die Wehrpflicht warnte man davor, dass die DDR darauf ebenfalls mit der Einführung der Wehrpflicht reagieren werde. Nach Ansicht des SPD-Verteidigungsexperten Fritz Erler müsse dies nicht nur zu unerträglichen Spannungen besonders bei denjenigen Wehrpflichtigen führen, welche Verwandte in Ostdeutschland hatten. Zudem werde die Teilung Deutschlands noch weiter vertieft.
In einer mehr als 18-stündigen, mit großer Leidenschaft geführten Marathonsitzung prallten am 6. und 7. Juli 1956 im Plenum des Deutschen Bundestages die Argumente in aller Schärfe unversöhnlich aufeinander. Dabei warfen die für das kommende Jahr anberaumten Bundestagswahlen bereits ihre langen Schatten voraus. Während die Regierung, vorgeblich von der Notwendigkeit internationaler Verpflichtungen und einer raschen Aufstellung der Truppenteile getrieben, das Wehrpflichtgesetz kompromisslos noch vor Beginn der Parlamentsferien verabschiedet wissen wollte, wies die SPD das Gesetz vor allem aufgrund seiner deutschlandpolitischen Konsequenzen zurück.
Bedenken vor einer weiteren Zementierung der deutschen Spaltung hielt die Regierung entgegen, dass man sich die Wiedervereinigung nicht weniger sehnlich wünsche als die Opposition. Ziel der gesamten Regierungspolitik sei es allerdings, in fester Verankerung im westlichen Bündnis die deutsche Einheit unter den Vorzeichen von „Frieden und Freiheit“ zu verwirklichen.
Die Entscheidung über Ausmaß und Verfahren bei der Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern barg ein weiteres, heftig umstrittenes Problem. Unter Bezugnahme auf kirchliche Sachverständige erschien es der SPD als Anmaßung, das Gewissen gesetzlich zu normieren. Die Kriegsdienstverweigerung allein auf solche Gewissensgründe zu beschränken, die jeder Waffenanwendung zwischen Staaten entgegensteht, hielt namentlich Carlo Schmid für eine unerträgliche Einengung des Grundgesetzes. Auch einige CDU-Abgeordnete wie Peter Nellen teilten diese Auffassung.
Nach heißer Redeschlacht gab der Bundestagspräsident am frühen Morgen des 7. Juli 1956, es war 3.30 Uhr, dem Plenum das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: 296 Abgeordnete der Regierungskoalition stimmten bei einer Enthaltung für das Gesetz, 116 Parlamentarier von SPD und GB/BHE dagegen. 20 Vertreter der FDP enthielten sich der Stimme. Angesichts der parteipolitischen Konstellationen war es keine Überraschung, dass auch der Bundesrat mit der Mehrheit der CDU-geführten Länder dem Wehrpflichtgesetz zustimmte.
Das am 25. Juli 1956 in Kraft getretene Wehrpflichtgesetz enthielt noch keine Bestimmungen über die Dauer des Grundwehrdienstes. Im Hinblick auf koalitionsinterne Meinungsverschiedenheiten, welche das zügige Inkrafttreten des Gesetzes hätten verhindern können, hatte die Bundesregierung noch während der Ausschussberatungen im Juni aus politisch-taktischen Erwägungen entschieden, diese Frage vorerst auszuklammern und später in einem eigenen Gesetz zu regeln. Auch wenn aus militärischen Erwägungen und im Vergleich zu internationalen Wehrpflichtregelungen eine 18-monatige Dienstzeit weiterhin angemessen schien, beauftragte der Bundeskanzler seinen Verteidigungsminister Theodor Blank im Sommer 1956, nunmehr ein Dienstzeitgesetz mit zwölf Monaten Wehrpflicht auszuarbeiten.
Der Grund dafür lag zum einen in der kurzzeitig von den USA erwogenen Truppenreduzierung zugunsten taktischer Nuklearwaffen (Radford-Plan). Damit war ein 18-monatiger, ohnehin unpopulärer Wehrdienst bei der Bundeswehr innenpolitisch kaum mehr vermittelbar, zumal andererseits die noch im Februar 1956 zu verzeichnende Akzeptanz der Wehrpflicht in der Bevölkerung im Sommer einer überwiegenden Ablehnung gewichen war. Mit Blick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf waren die Stimmen der Soldaten und ihrer Angehörigen mehr gefragt als militärischer Sachverstand. Das mit Wirkung vom 25. Dezember 1956 in Kraft getretene Gesetz über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen legte eine 12-monatige Grundwehrdienstzeit fest.
Was als innenpolitische Entlastung wirken sollte, musste freilich mit heftiger Kritik von Seiten der Bündnispartner erkauft werden. Die NATO und vor allem die USA hatten kein Hehl aus ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit eines längeren Wehrdienstes gemacht. In Washington konnte man kaum nachvollziehen, dass ausgerechnet die Bundesrepublik, die aufgrund ihrer exponierten Lage nahe am Eisernen Vorhang am meisten vom Schutz der westlichen Allianz profitierte, sich im Unterschied zu den übrigen europäischen NATO-Partnern anschickte, eine nur einjährige Wehrpflicht einzuführen.
Mit der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes 1956 fand das mehr als fünfjährige Ringen um einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag einem ersten Abschluss. Die Bundesrepublik hatte damit fast zehn Jahre nach Kriegsende ihren Platz in der westlichen Staatengemeinschaft und deren Sicherheitsgefüge gefunden. Erstmals war es in Deutschland auch gelungen, eine dem demokratischen System adäquate Wehrverfassung zu schaffen. Eine Reihe von Verfassungsbeschwerden suchten das Wehrpflichtgesetz noch anzufechten, hatten jedoch nur aufschiebende Wirkung. 1960 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die allgemeine Wehrpflicht weder gegen die Menschenwürde noch gegen das verfassungsrechtliche Wertesystem verstoße. Doch erst im Jahr 1968 schuf die Große Koalition im Rahmen der berühmten Notstandsgesetze die verfassungsrechtliche Grundlage für die allgemeine Wehrpflicht. Mit nur marginalen Änderungen gilt das Wehrpflichtgesetz von 1956 bis heute.[1]
Die Wehrdienstdauer hingegen wurde den sicherheitspolitischen Entwicklungen mehrfach angepasst. Als Konsequenz aus dem „Mauerbau“ erhöhte man den Grundwehrdienst am 1. April 1962 zunächst auf 15, dann ab 1. Juli auf 18 Monate, bis man ihn im Zuge der sozialliberalen Reformpolitik aus Gründen der Wehrgerechtigkeit 1973 auf 15 Monate reduzierte. Mit dem Vollzug der Einheit Deutschlands 1990 und der durch internationale Abrüstungsverträge in Europa bestimmten schrittweisen Verringerung des Streitkäfteumfangs verkürzte sich die Dauer des Grundwehrdienstes kontinuierlich: Zwischen 1990 und 1995 lag sie bei 12 Monaten, zwischen 1996 und 2001 bei 10 Monaten. Zwischen Januar 2002 und März 2011 dauerte der Grundwehrdienst in der Bundeswehr schließlich nur mehr 9 Monate.
- ↑ Durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2011 wurde bestimmt, den Wehrdienst nur noch im Spannungs- und Verteidigungsfall anzuwenden. Anm. d. Red.
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