Einführung:Radioansprache des Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungskomitees I. V. Stalin
Am 3. Juli 1941, als sich der Generalsekretär der Allunionistischen Kommunistischen Partei (der Bolschewiki) und Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR, Iosif Vissarionovič Stalin, zum ersten Mal nach Kriegsausbruch an die Öffentlichkeit wandte, trug der Chef des Generalstabs des deutschen Heeres, Franz Halder, in sein Kriegstagebuch ein, dass der Feldzug gegen die Sowjetunion in vierzehn Tagen gewonnen sein würde.
Die Wucht des deutschen Blitzkrieges gegen die Sowjetunion, der im Morgengrauen des 22. Juni 1941 entlang der gesamten sowjetischen Staatsgrenze mit den Hauptstoßrichtungen Leningrad, Moskau und Ukraine begann, traf die sowjetischen Streitkräfte in ihrer Aufmarschphase. Um die Grenztruppen in Alarmbereitschaft zu versetzen, war eine erste Direktive des Volkskommissariats für Verteidigung viel zu spät, erst am 22. Juni 1941 um 0.30 Uhr, an die Truppen der militärischen Grenzbezirke ergangen. Sie erreichte die meisten Einheiten nicht mehr rechtzeitig. Auch war der Inhalt der Direktive irritierend: Den Truppen wurde befohlen, sich nicht provozieren zu lassen und das Feuer auch dann nicht zu eröffnen, wenn der Feind sowjetisches Territorium beträte.
Als der Angriff der deutschen Wehrmacht bereits in voller Breite von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer lief, die sowjetischen Truppen zurückwichen und erste schwere Verluste verzeichneten, erfolgte nach sieben Stunden eine zweite Direktive. Sie machte deutlich, dass die sowjetische politische und militärische Führung weiterhin von einer deutschen Provokation ausging und es nicht für möglich hielt, dass die große militärische Konfrontation zwischen Deutschland und der UdSSR begonnen hatte. Den Truppen wurde befohlen, den Feind dort anzugreifen und zu vernichten, wo er die sowjetische Grenze verletzt hatte. Von Kriegszustand und Generalmobilmachung war keine Rede. Als die Initiative dann längst in den Händen der Deutschen lag, erfolgte am Abend des 22. Juni 1941 die dritte Direktive, die gemäß der sowjetischen Militärstrategie offensive Gegenschläge an allen Fronten befahl, um den Feind auf seinem Territorium zu bekämpfen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Zentrale keine Vorstellungen mehr vom Geschehen an der Front. Die deutsche Luftwaffe beherrschte bereits den Luftraum, die sowjetischen Truppen führten schwere Verteidigungsgefechte oder befanden sich sogar auf dem Rückzug. Das deutsche Bombardement erfolgte in einer Tiefe von 400 Kilometern. Es zersprengte sowjetische Verbände, zerstörte die Kommunikation und erschwerte das Heranführen von Truppen an die Front bis zum Äußersten. Da die Truppenteile zu unterschiedlichen Zeiten den Kampf aufnahmen, konnte keine durchgehende Verteidigungsfront aufgebaut werden. Das hatte zur Folge, dass deutsche Panzer und motorisierte Verbände die Widerstandsherde der sowjetischen Streitkräfte umfuhren und teilweise von den Flanken und im Rücken angriffen. Der für die Rote Armee ungünstige Verlauf der Grenzschlachten, die hohen Verluste an Menschen und Material sowie die fehlenden Reserven an Waffen und Munition führten dazu, dass die Deutschen bereits nach wenigen Tagen die strategische Initiative übernahmen. Bis Dezember 1941, als der deutsche Vormarsch sich festgelaufen hatte, waren 4 Millionen sowjetische Soldaten gefallen und 3,9 Millionen in Kriegsgefangenschaft geraten.
Die Gründe für das Desaster der Roten Armee waren vielfältig. Zum einen hatten die Großen Säuberungen die militärische Führung so schwer getroffen, dass im Ausland von einer „geköpften Armee“ die Rede war. Auch wenn die Zahl der Opfer bis heute umstritten ist, kann man davon ausgehen, dass zwischen 1937 und 1941 etwa 55 000 Angehörige der Streitkräfte angeklagt wurden. Die Auswirkungen dieses Terrors auf die Moral der Truppe waren verheerend, jegliche Eigeninitiative wurde im Keim erstickt. Auch nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion wurden weiterhin Kommandeure abgeurteilt und hingerichtet, weil das Regime Sündenböcke für die Niederlagen suchte und eigenständiges Handeln, auch wenn es die Lage an der Front erforderte, weiterhin bestrafte. Als Folge der Säuberungen mussten die ausgedünnten Reihen der Streitkräfte hastig mit Soldaten aufgefüllt werden, die für ihre neue Position nur unzureichend qualifiziert waren.
Erschwerend kam hinzu, dass die sowjetischen Streitkräfte in den dreißiger Jahren übermäßig, um das Vierfache, vergrößert worden waren. Allein zwischen 1938 und 1941 stieg die Truppenstärke um 200 Prozent auf 5 Millionen an. Um den Bedarf an Führungskräften zu decken, wurden die Ausbildungszeiten verkürzt und die Beförderungen beschleunigt. Insgesamt blieb die Ausbildung jedoch weit hinter dem Bedarf zurück. Aus sowjetischen Quellen der Jahre 1940 und 1941 geht hervor, dass sich der Volkskommissar für Verteidigung, Semën Timošenko, ebenso wie Stalin der Schwächen der Roten Armee bewusst war. Diese zeigten sich trotz der Reformbemühungen nach dem sowjetisch-finnischen Krieg vor allem im Bereich der Gefechtsausbildung und des Zusammenwirkens der Waffengattungen. Ein effektives und konsistentes Trainingsprogramm scheiterte auch daran, dass es durch die Gebietserweiterungen im Rahmen des „Hitler-Stalin-Paktes“ immer wieder zu Truppenverlagerungen kam.
Eine weitere Ursache für die Niederlagen der Roten Armee war die offensive Verteidigungsstrategie, die die Variante einer tief gestaffelten Verteidigung mit Deckungskräften ausschloss. Das ideologisch untermauerte Konzept, dass eine sozialistische Armee zum begrenzten Gegenangriff übergehen müsse, führte dazu, dass sowohl die Truppen als auch der Nachschub frontnah in den Grenzmilitärbezirken stationiert wurden, wo sie in den ersten Kriegstagen dem Feind zum Opfer fielen. Des Weiteren fehlte im Frühjahr 1941 ein der Situation angemessener Mobilmachungsplan. Der Plan des Generalstabs vom September 1940 befand sich wegen der Grenzverschiebungen und der Reorganisation der sowjetischen Streitkräfte in Überarbeitung. Ein Entwurf des sowjetischen Generalstabs zur Führung eines Präventivkrieges gegen die aufmarschierende deutsche Wehrmacht war von Stalin am 15. Mai 1941 scharf verworfen worden, weil er bezweifelte, dass Hitler einen Zweifrontenkrieg beginnen würde. Die in diesem Entwurf enthaltenen militärischen Vorbereitungsmaßnahmen zur Verteidigung der Staatsgrenzen sollten jedoch bis Anfang Juli 1941 schrittweise umgesetzt werden. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus den Anforderungen der seit Ende Mai 1941 verdeckt durchgeführten Teilmobilmachung und der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Industrie. Schwere Versorgungsengpässe bei Waffen, Munition, Zugkraft u. a. führten dazu, dass der sowjetische Truppenaufmarsch nur verzögert und unsystematisch vorankam. Schließlich war die befestigte Verteidigungslinie durch die Verschiebung der sowjetischen Westgrenze 1939/1940 noch eine gigantische Baustelle, an der 500 Bataillone fieberhaft arbeiteten.
Durch Stalins Rede erfuhren die Sowjetbürger erstmals in vollem Umfang, dass die Sowjetunion existentiell bedroht war, dass es „um Leben oder Tod“ ging. Zugleich präsentierte sich Stalin als unumstrittener Führer, dessen Herrschaft trotz des deutschen Überfalls nicht erschüttert worden war. Im Gegenteil: Die von ihm geschaffene politische Zentralisierung und der mächtige Führerkult hatten es Stalin ermöglicht, sich am 30. Juni 1941 an die Spitze des neu gegründeten Staatlichen Verteidigungskomitees zu stellen. Als dessen Vorsitzender (und damit politisch bestätigt) wandte er sich in einem alarmierenden und suggestiven Ton an die Öffentlichkeit, der dem Ernst der dramatischen Lage an der Front entsprach. Neben der Anerkennung der Niederlagen der Roten Armee hatte die Rede drei zentrale Funktionen: die Politik des Regimes vor dem deutschen Angriff zu legitimieren, den erfolgreichen Vormarsch des Feindes auf sowjetisches Territorium zu erklären und die Bevölkerung sowie das nicht-feindliche Ausland für die Verteidigung der Sowjetunion zu mobilisieren.
Um den Verdacht zu entkräften, Partei und Regierung hätten Fehler gemacht, rechtfertigte Stalin den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag. Es sei die sowjetische Friedensliebe gewesen, die die Regierung der UdSSR veranlasst habe, den von Deutschland vorgeschlagenen Vertrag abzuschließen und ihn einzuhalten. Das war nur die halbe Wahrheit. Denn seit Beginn der deutsch-sowjetischen Annäherung im Frühjahr 1939 hatten sowjetische Unterhändler wiederholt das Interesse der UdSSR an einem politischen Abkommen mit Deutschland bekundet. Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 sicherte zwar die Westgrenze der UdSSR, aber das von Stalin verschwiegene Geheime Zusatzprotokoll bot die Grundlage für ein erfolgreiches militärisches und annexionistisches Vorgehen der Sowjetunion gegen ihre westlichen Nachbarstaaten. Nach dem sowjetischen Angriff auf Finnland wurde die UdSSR offiziell vom Glossar:Völkerbund zum Aggressor erklärt und aus diesem ausgeschlossen. Diesen Aspekt klammerte Stalin aus, als er im Jargon der marxistisch-leninistischen Ideologie von einer sowjetischen Friedfertigkeit sprach. Ein weiterer Vorteil, so Stalin, sei der Zeitgewinn von anderthalb Jahren für die Aufrüstung der sowjetischen Streitkräfte gewesen. Diesem Argument stand allerdings entgegen, dass die Wehrmacht einer unzureichend vorbereiteten Roten Armee schwerste Niederlagen zufügen konnte.
Zur Erklärung griff Stalin bei der Beschreibung des deutschen Überfalls auf die Attribute „unerwartet“ und „wortbrüchig“ zurück. Ersteres ist als subjektive Auffassung Stalins zu interpretieren, der bezweifelte, dass sich Hitler vor dem Ende des Krieges mit Großbritannien gegen die Sowjetunion wenden würde. Das zweite Attribut bezog sich auf den Bruch des Nichtangriffsvertrages durch Deutschland und drückte implizit aus, dass Stalin der nationalsozialistischen Regierung vertraut hatte. Den Feldvorteil der deutschen Wehrmacht und ihrer Verbündeten führte Stalin auf ihre Angriffsstrategie sowie auf den Überraschungseffekt des deutschen Überfalls zurück. Stalin behauptete, die Rote Armee sei nicht mobilisiert gewesen und musste daher erst an die Grenze herangeführt werden. Die im Gange befindliche verdeckte Teilmobilisierung der sowjetischen Streitkräfte verschwieg er, weil sie seine These vom überraschenden Angriff des Feindes erschüttert hätte.
Versuche zur Mobilisierung für den Abwehrkampf der Sowjetunion nahm Stalin auf unterschiedlichen Ebenen vor. Erstens beschränkte er sich nicht allein auf die übliche Anrede „Genossen“, sondern fügte „Bürger“, „Brüder und Schwestern“ sowie „Kämpfer unserer Armee und Flotte“ hinzu. Damit machte er ein offenes Zugeständnis an gesellschaftliche Gruppen und Ethnien, die er nicht für systemtreu hielt. Gleiches galt für den Gebrauch des Begriffs „Heimat“ anstelle „Sowjetunion“, die es zu verteidigen gelte. Der Heimatbegriff umfasste alle Bürger der Sowjetunion unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, er appellierte an Familie, geographische Verwurzelung und kulturelle Identität. Das Identifikationsangebot, das Stalin mit ausgewählten Vokabeln machte, schien ihm nach den Säuberungen, die alle Schichten der Sowjetgesellschaft betroffen hatten, notwendig. Die Folgen dieser Politik zeigten sich beim Einmarsch der Wehrmacht. Überläufer machten in der ersten Kriegsphase einen beträchtlichen Anteil der sowjetischen Kriegsgefangenen aus. In den neu annektierten Gebieten waren die feindlichen Truppen z. T. mit Blumen begrüßt worden. Kollaboration und antisowjetischer Widerstand wurden zu einer Massenerscheinung, der das sowjetische Regime bereits am 29. Juni 1941 mit der Direktive begegnete, alle „Desorganisatoren, Panikmacher, Überläufer, Spione und Diversanten“ schonungslos zu bekämpfen. Die sowjetische Führung war von diesen Erscheinungen offensichtlich so beunruhigt, dass Stalin sie in seiner Rede wiederholt zur Sprache brachte.
Zweitens sollten die Bewohner aller Sowjetrepubliken mobilisiert werden, indem ein klares Feindbild entworfen wurde. Stalin griff den Begriff Faschismus für das nationalsozialistische Regime wieder auf, nachdem er ihn im Rahmen der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit fallengelassen hatte. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei scheute auch keine pejorativen Superlative, um Hitler und von Ribbentrop etwa als „Menschenfresser“ zu diskreditieren. Noch war weiten Teilen der Bewohner der westlichen Gebiete der Sowjetunion nicht klar, dass die Deutschen nicht als Befreier kamen (wie sie sich selbst stilisierten und einzelne Maßnahmen ergriffen, um diesen Eindruck zu erwecken), sondern dass Deutschland einen rassistischen und imperialistischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führte. Als Ziele des Feindes nannte Stalin fälschlicherweise die Wiedererrichtung des Zarismus, daneben zu Recht die nationale Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung.
Drittens sollte die Mobilisierung über den spezifischen Charakter des Feindes und seiner Kriegsziele unter Aufbietung aller Kräfte geschehen. Ein Volkssturm sollte sich erheben, jeder „bis zum letzten Blutstropfen“ und „um jeden Zentimeter Erde“ kämpfen. Dass dieser Einsatz Erfolg bringen musste, suggerierte Stalin durch historische Entlehnungen im Rahmen des Sowjetpatriotismus, indem er den gescheiterten Feldzug Napoleons ebenso ins nationale Gedächtnis zurückholte wie den russischen Widerstand im Ersten Weltkrieg und Lenins Vermächtnis über die Eigenschaften eines aufrechten Bolschewisten, der sich durch Tapferkeit, Mut und Furchtlosigkeit auszeichne. Auch der stalinistische Mythos von der unbesiegbaren sozialistischen Sowjetarmee wurde bemüht, um die Kampfmoral zu heben. Als zusätzliche Mittel zum „Vaterländischen Krieg“ rief Stalin zur Taktik der verbrannten Erde sowie zum Partisanenkampf auf. Dieser konnte von der Kommunistischen Partei jedoch erst dann effektiv organisiert werden, als die Bevölkerung in den vom Feind besetzten Gebieten negative Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Besatzungspolitik gemacht hatte.
Viertens erfolgte eine Mobilisierung nach außen durch eine politische Öffnung der sowjetischen Politik gegenüber Großbritannien und den USA. Stalins Selbstbewusstsein musste gestiegen sein, seit der britische Premierminister Churchill am Abend des 22. Juni 1941 der Sowjetunion öffentlich Hilfe zugesagt hatte und sich zwei Tage später auch der amerikanische Präsident Roosevelt für Hilfeleistungen an die Sowjetunion aussprach. In seiner Rede stellte Stalin die Sowjetunion als eine Macht dar, die mit ihrem Krieg gegen Deutschland objektiv alle Völker Europas in ihrem antifaschistischen Freiheitskampf unterstützte. Diese Aufgabe helfe ihr, „treue Verbündete“ unter den Völkern Europas und Amerikas, ja selbst im deutschen Volk zu finden und eine „Einheitsfront“ im Namen demokratischer Freiheiten zu begründen. Damit griff Stalin den Gedanken der Volksfront wieder auf, der die sowjetische Politik der kollektiven Sicherheit in den 1930er Jahren begleitet hatte.
Im Ergebnis hielt Stalin eine eklektisch aufgebaute Rede. Der Marxismus-Leninismus wurde benutzt, doch wesentlich mit Elementen des Sowjetpatriotismus gemischt. Verfälschungen stalinistischer Politik und nationalsozialistischer Ostraumplanung fanden Eingang, Emotionalität und Sachlichkeit wechselten sich ab, um das erhoffte Ziel einer umfassenden Mobilisierung der sowjetischen Bevölkerung und des gegen Deutschland gerichteten Auslands zu erreichen. Politisch war die Rede wegweisend. Sie leitete den Übergang zum „Großen Vaterländischen Krieg“ der Sowjetunion ein, der nicht mehr länger nur Sache der Roten Armee war. Zudem wurde die Phase der sowjetischen Außenpolitik im Zeichen der Verständigung mit Deutschland überwunden und der Boden für eine Anti-Hitler-Koalition bereitet.
In der Historiographie wird die Rede bis heute unterschiedlich interpretiert. Hatte sich die offizielle sowjetische Geschichtsschreibung zunächst die Argumente Stalins zu eigen gemacht, setzte in der Tauwetter-Zeit unter Nikita Chruščev eine Geschichtsrevision ein, die einzelne Behauptungen Stalins widerlegte. Insbesondere seine These vom eineinhalbjährigen Zeitgewinn durch den Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages geriet ins Schussfeld der Kritik. Die „Revisionisten“ führten an, der Vorteil, den sich Deutschland durch den Pakt mit Stalin politisch, militärisch, kriegswirtschaftlich und territorial verschafft hätte, sei um ein Vielfaches größer gewesen als der Gewinn der Sowjetunion. In diesem Zusammenhang wurden die Folgen der Säuberungen für die Rote Armee und die politische Führungsrolle Stalins scharfer Kritik unterzogen. Von 1964 bis zur Perestroika eliminierte die KPdSU stalinkritische Positionen zugunsten einer patriotischen Geschichtsschreibung. Jene existierten nur in der sowjetischen Untergrundliteratur oder im Ausland weiter. Dort führte man vor allem die Diskussion über die Ursachen der Niederlagen der Roten Armee in den ersten Kriegsmonaten fort.
Die postsowjetische Geschichtsschreibung ist durch einen Historikerstreit über die Kriegsziele des Stalin-Regimes gekennzeichnet. Insbesondere seit der Veröffentlichung des vom sowjetischen Generalstab erarbeiteten Entwurfs für einen Präventivschlag vom Mai 1941 sieht sich die Richtung russischer, aber auch westlicher Historiker bestätigt, die Stalin Angriffspläne gegen Deutschland oder gar ganz Westeuropa unterstellen. Diese Position konnte allerdings bisher nicht ausreichend belegt werden. Damit verbunden ist die Diskussion um die Schuldfrage. Inwieweit Stalin ein Opfer Hitlers war, ist heftig umstritten. So stehen der Charakter des sowjetischen Aufmarsches vor dem 22. Juni 1941 und der politische Nutzen der sowjetischen Gebietserweiterungen von 1939/1940 im Mittelpunkt der Kontroverse. Historiker heben hervor, dass die sowjetische Expansion die Sicherheit der Sowjetunion unterminiert habe.
Darüber hinaus ist die vor allem in der deutschen Historiographie geführte Debatte, ob Stalins Expansionspolitik nicht wesentlich zu Hitlers Entschluss zum Überfall der Sowjetunion beigetragen habe, auch in Russland weitergetrieben worden. Insgesamt hat die internationale Forschung in jüngster Zeit die Programmatik der nationalsozialistischen Russlandpolitik ebenso überzeugend herausgearbeitet wie die Dysfunktionalität der stalinistischen Außen-, Innen- und Militärpolitik für die Sicherheit der Sowjetunion. Allerdings hat sich die neueste russische Historiographie im Kontext einer staatlich geförderten „patriotischen“ Geschichtsschreibung wieder deutlich vom internationalen Forschungsstand entfernt und überholte Positionen aufgegriffen, die z. T. eine Restalinisierung nahelegen.
3 июля 1941 года, когда Генеральный секретарь ВКП(б) и Председатель Государственного комитета обороны СССР Иосиф Виссарионович Сталин впервые после начала войны выступил перед общественностью, начальник Генерального штаба немецкой армии Франц Гальдер записал в своем военном дневнике, что кампания против Советского Союза будет выиграна в течение двух недель.
Мощь германского блицкрига против Советского Союза, начавшегося на рассвете 22 июня 1941 года вдоль всей советской государственной границы с основными направлениями наступления на Ленинград, Москву и Украину обрушилась на советские вооруженные силы на этапе их развертывания. Чтобы привести пограничные войска в боевую готовность, первая директива Народного комиссариата обороны была отдана войскам приграничных военных округов слишком поздно, только 22 июня 1941 г. в 0:30 утра. Она не успела дойти до большинства подразделений вовремя. Сбивало с толку и содержание директивы: войскам было приказано не поддаваться на провокации и не открывать огонь, даже если противник вторгнется на советскую территорию.
Когда наступление вермахта от Баренцева до Черного моря было уже в полном разгаре, а советские войска отступали и несли тяжелые потери, через семь часов была издана вторая директива. Из нё следовало, что советское политическое и военное руководство продолжало верить в немецкую провокацию и считало начало крупного военного противостояния между Германией и СССР маловероятным. Войскам был отдан приказ атаковать и уничтожить противника там, где он нарушил советскую границу. О военном положении и всеобщей мобилизации речи не шло. Когда инициатива уже давно перешла к немцам, вечером 22 июня 1941 года была издана третья директива, которая в соответствии с советской военной стратегией предписывала наступательные контрудары на всех фронтах для борьбы с врагом на его территории.
В этот момент штаб уже не имел никакого представления о том, что происходило на фронте. Немецкая авиация уже контролировала воздушное пространство, советские войска вели тяжелые оборонительные бои или даже отступали. Немецкие бомбардировщики залетали на глубину до 400 километров. Они разбили советские соединения, разрушили коммуникации и крайне затруднили доставку войск на фронт. Поскольку воинские части вступали в бой в разное время, создать сплошной фронт обороны не удалось. В результате немецкие танковые и моторизованные части объезжали очаги сопротивления советских войск, а иногда атаковали с флангов и тыла. Неблагоприятное для Красной армии течение приграничных сражений, большие людские и материальные потери, отсутствие запасов оружия и боеприпасов привели к тому, что уже через несколько дней стратегическая инициатива перешла к немцам. К декабрю 1941 года, когда немецкое наступление было остановлено, 4 миллиона советских солдат пали и 3,9 миллиона попали в плен.
Причин для провалов Красной армии было много. Во-первых, Большой террор так сильно ударил по военному руководству, что за рубежом говорили об «обезглавленной армии». Хотя число жертв и сегодня вызывает споры, можно исходить из того, что в период с 1937 по 1941 год обвинительные приговоры были вынесены около 55 000 военнослужащим. Террор оказал разрушительное воздействие на моральный дух войск, и любая инициатива пресекалась в зародыше. Даже после нападения Германии на Советский Союз командиров продолжали арестовывать и расстреливать, потому что режим искал козлов отпущения за поражения и продолжал пресекать самостоятельные действия, даже если этого требовала ситуация на фронте. В результате чисток поредевшие ряды вооруженных сил пришлось спешно пополнять солдатами, не имевшими достаточной квалификации для работы на новых должностях.
Ситуация осложнялась еще и тем, что численность советских вооруженных сил в 1930-ые годы была чрезмерно – в четыре раза – увеличена. Только в период с 1938 по 1941 год численность войск увеличилась на 200 % – до 5 миллионов человек. Чтобы удовлетворить спрос на новые руководящие кадры, сроки обучения командиров были сокращены, а продвижение по службе ускорено. Однако в целом подготовка кадров значительно отставала от потребностей армии. Советские источники 1940 и 1941 годов указывают на то, что Народный комиссар обороны Семен Тимошенко, как и Сталин, был осведомлен о слабостях Красной Армии. Несмотря на усилия по реформированию, предпринятые после советско-финской войны, они проявились, прежде всего, в области боевой подготовки и взаимодействия родов войск. Эффективная и последовательная программа обучения также не была создана, поскольку в результате территориальной экспансии в рамках пакта Молотова-Риббентропа постоянно происходила передислокация войск.
Еще одной причиной поражений Красной армии была наступательная оборонительная стратегия, исключавшая возможность глубоко эшелонированной обороны с прикрытием. Идеологически мотивированная концепция, согласно которой социалистическая армия должна вести ограниченное контрнаступление, подразумевала размещение войск и снабжения вблизи фронта в приграничных военных округах, где они и пали жертвой врага в первые же дни войны. Кроме того, весной 1941 года отсутствовал соответствующий ситуации план мобилизации. План Генерального штаба от сентября 1940 года пересматривался в связи со смещением границ и реорганизацией советских вооруженных сил. 15 мая 1941 года Сталин резко отверг план советского Генерального штаба по ведению превентивной войны против наступающего вермахта, поскольку он сомневался, что Гитлер начнет войну на два фронта. Однако военные подготовительные мероприятия по защите государственных границ, предложенные в проекте, должны были быть поэтапно осуществлены к началу июля 1941 года. Дополнительные трудности возникали в связи с требованиями частичной мобилизации, которая скрытно проводилась с конца мая 1941 года, и ограниченными возможностями промышленности. Серьезные перебои с поставками оружия, боеприпасов, тягловых и других средств привели к тому, что продвижение советских войск задерживалось и носило бессистемный характер. Наконец, из-за смещения советской западной границы в 1939/1940 годах укрепленная линия обороны все еще представляла собой гигантскую строительную площадку, на которой лихорадочно трудились 500 батальонов.
Благодаря речи Сталина советские граждане впервые в полной мере осознали, что существование Советского Союза находится под угрозой, и что это вопрос «жизни и смерти». В то же время Сталин преподносил себя как неоспоримого лидера, власть которого не пошатнулась, несмотря на немецкое вторжение. Напротив: созданная им политическая централизация и мощный культ личности позволили Сталину 30 июня 1941 года встать во главе недавно созданного Государственного комитета обороны. Как его председатель (таким образом, обладавший политической легитимностью) он обратился к общественности в тревожном и убедительным тоне, который отражал серьезность драматической ситуации на фронте. Помимо признания поражений Красной армии, в своей речи он преследовал три основные задачи: оправдать прежнюю внешнюю и германскую политику своего режима, объяснить успехи противника и мобилизовать население страны, а также невраждебные зарубежные страны для защиты СССР.
Чтобы развеять подозрения о том, что партия и правительство совершили ошибки, Сталин оправдывал заключение советско-германского договора о ненападении. Он утверждал, что именно советское миролюбие побудило правительство СССР заключить предложенный Германией договор и соблюдать его. Это была лишь половина правды. С самого начала советско-германского сближения весной 1939 года советские переговорщики неоднократно заявляли о заинтересованности СССР в политическом соглашении с Германией. Хотя советско-германский договор о ненападении от 23 августа 1939 года обеспечил безопасность западной границы СССР, секретный Дополнительный протокол, который Сталин держал в тайне, заложил основу для успешных военных и аннексионистских действий Советского Союза против своих западных соседей. После нападения на Финляндию Лига Наций официально объявила СССР агрессором, что привело к его исключению из организации. Сталин проигнорировал этот факт, когда говорил о советском миролюбии на языке марксистско-ленинской идеологии. Еще одним преимуществом договора, по мнению Сталина, был выигрыш в полтора года для перевооружения советских вооруженных сил. Однако это утверждение находилось в противоречии с тем, что вермахт мог нанести тяжелейшие поражения Красной армии из-за её недостаточной готовности к войне.
Чтобы объяснить это, Сталин для описания немецкого вторжения использовал эпитеты «неожиданный» и «вероломный». Первый можно трактовать как субъективное мнение Сталина, который сомневался, что Гитлер выступит против Советского Союза до окончания войны с Великобританией. Второе определение относилась к нарушению Германией договора о ненападении и косвенно подтверждало, что Сталин доверял национал-социалистическому правительству. Преимущество вермахта и его союзников на поле боя Сталин объяснил их стратегией нападения и эффектом неожиданности от немецкого вторжения. Сталин утверждал, что мобилизация Красной армии не была проведена и поэтому её нужно было сначала перебросить к границе. Он скрывал проведение тайной частичной мобилизации советских вооруженных сил, поскольку это могло бы поколебать его теорию о внезапном нападении врага.
Попытку мобилизовать население на оборонительную войну Советского Союза Сталин предпринимал на разных уровнях. Во-первых, он не ограничился обычным обращением «товарищи», а добавил такие формулы, как «граждане», «братья и сестры» и «бойцы нашей армии и флота». Тем самым он пошел на открытую уступку социальным и этническим группам, которые он не считал лояльными системе. То же самое относилось и к использованию термина «Родина» вместо «Советский Союз», который необходимо было защищать. Понятие родины было близко всем гражданам Советского Союза, независимо от их политических взглядов, оно апеллировало к семье, географическим корням и культурной идентичности. Сделанное Сталиным населению предложение отождествлять себя с предложенными понятиями казалось ему необходимым после чисток, затронувших все слои советского общества. Последствия этой политики стали очевидны после вторжения вермахта. На первом этапе войны перебежчики составляли значительную часть советских военнопленных. На ранее аннексированных СССР территориях вражеские войска иногда встречали с цветами. Коллаборационизм и антисоветское сопротивление стали массовым явлением, с которым советская власть начала бороться уже с 29 июня 1941 года, когда была выпущена директива о беспощадной борьбе «со всякими дезорганизаторами тыла, дезертирами, паникерами, распространителями слухов», призывавшая «уничтожать шпионов» и «диверсантов». Очевидно, что советское руководство было настолько обеспокоено этими явлениями, что Сталин неоднократно упоманал их в своих выступлениях.
Во-вторых, для мобилизации жителей всех советских республик необходимо было создать четкий образ врага. Сталин вновь обратился к термину «фашизм» в отношении национал-социалистического режима после того, как временно отказался от него в период советско-германского сотрудничества. Генеральный секретарь Коммунистической партии также активно прибегал к уничижительным сравнениям, например, чтобы заклеймить Гитлера и Риббентропа как «людоедов». Многим людям с западных территорий Советского Союза еще не было очевидно, что немцы пришли не как освободители (так они себя называли и предпринимали специальные меры, чтобы создать такое впечатление), и что Германия ведет расистскую и империалистическую войну, направленную на уничтожение Советского Союза. Сталин ошибочно назвал целью врага восстановление в стране царской власти, но справедливым был его аргумент о национальном угнетении и экономической эксплуатации.
В-третьих, мобилизация должна была проводиться с учетом особенностей врага и его целей в войне и с привлечением всех сил. Говорилось о необходимости создания народного ополчения, каждый должен был сражаться «до последней капли крови» и за «каждую пядь советской земли». То, что эта стратегия должна была принести успех, Сталин пытался внушить, обратившись к историческим примерам в рамках советского патриотизма и вернув в национальную память неудавшуюся кампанию Наполеона, а также русское сопротивление в Первой мировой войне и наследие Ленина как честного большевика, отличающегося храбростью, мужеством и бесстрашием. Сталинский миф о непобедимой социалистической советской армии также использовался для поднятия боевого духа. В качестве дополнительных средств «Отечественной войны» Сталин призывал к тактике выжженной земли и созданию партизанских отрядов. Однако они были эффективно организованы коммунистической партией лишь после того, как население оккупированных врагом территорий получило негативный опыт нацистской оккупационной политики.
В-четвертых, была проведена «внешняя мобилизация» благодаря открытости советской политики в отношениях с Великобританией и США. Должно быть, самоуверенность Сталина возросла после того, как вечером 22 июня 1941 года британский премьер-министр Черчилль публично пообещал Советскому Союзу помощь, а двумя днями позже американский президент Рузвельт также высказался в пользу поддержки Советского Союза. В своей речи Сталин представил Советский Союз как державу, которая, воюя против Германии, объективно поддерживает все народы Европы в их антифашистской борьбе за свободу. Эта задача, по его мнению, поможет ему найти «верных союзников» среди народов Европы и Америки, и даже среди немецкого народа, и создать «единый фронт» во имя демократических свобод. Таким образом, Сталин подхватил идею народного фронта, которая сопровождала советскую политику коллективной безопасности в 1930-ые годы.
В результате Сталин произнес необычную речь. Обратившись к марксизму-ленинизму, он по сути смешал его с элементами советского патриотизма. Имели место и искажённые интерпретации сталинской политики и национал-социалистического планирования на Востоке, для достижения поставленной цели – всесторонней мобилизации советского населения и антигермански настроенных зарубежных стран – эмоциональные высказывания чередовались с рациональными рассуждениями. В политическом отношении речь была новаторской. Она возвестила о переходе Советского Союза к «Великой Отечественной войне», за которую несла отвественность уже не только Красная Армия. Кроме того, она положила конец советской политике взаимопонимания с Германией и подготовила почву для создания антигитлеровской коалиции.
Эта речь и по сей день по-разному трактуется в историографии. Хотя официальная советская историография первоначально приняла аргументы Сталина, в период «Хрущёвской оттепели» начался пересмотр истории, что привело к опровержению некоторых его утверждений. В частности, в поле критики попал сталинский тезис о том, что заключение советско-германского договора о ненападении позволило ему выиграть полтора года. «Ревизионисты» утверждали, что преимущества, которые Германия получила в политическом, военном, экономическом и территориальном плане благодаря договору со Сталиным, во много раз превышали выигрыш Советского Союза. В этом контексте последствия чисток для Красной армии и роль Сталина как политического лидера подвергались резкой критике. С 1964 года и до начала перестройки КПСС отказалась от критики Сталина в пользу патриотической историографии. Критические позиции сохранились лишь в советской подпольной литературе или за рубежом. Там дискуссия о причинах поражений Красной армии в первые месяцы войны была продолжена.
Центральной дискуссией в постсоветской историографии является спор историков о военных целях сталинского режима. В особенности после того, как был опубликован проект советского Генштаба о превентивном ударе в мае 1941 года, российские и западные историки пришли к убеждению, что Сталин планировал напасть на Германию или даже на всю Западную Европу. Однако эта позиция до сих пор не получила достаточного подтверждения. С этим напрямую связана дискуссия о степени вины Сталина. Вопрос о том, в какой степени Сталин был жертвой Гитлера, вызывает жаркие споры. Таким образом, центральной точкой разногласий стал характер развёртывания советских войск до 22 июня 1941 года и политические выгоды советской территориальной экспансии 1939/1940 годов. Историки подчеркивают, что советская экспансия подорвала безопасность Советского Союза.
Кроме того, дискуссия, которая велась преимущественно в немецкой историографии о том, не способствовала ли экспансионистская политика Сталина в значительной степени решению Гитлера о вторжении в Советский Союз, была продолжена и в России. В целом, в последнее время в международных исследованиях идеологическая подоплёка политики национал-социалистов в отношении России разработана так же хорошо, как и тезис о дисфункциональности сталинской внешней, внутренней и военной политики для достижения безопасности Советского Союза. Однако новейшая российская историография в контексте спонсируемой государством «патриотической» науки вновь явно дистанцируется от международных исследований и занимает устаревшие позиции, вплоть до обращения к ресталинизации.