Einführung: Die Verfassung (Grundgesetz) der UdSSR (1977): Unterschied zwischen den Versionen

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Die Ablösung der [[Die_Verfassung_(Grundgesetz)_der_UdSSR_(1936) | „Stalin-Verfassung“ von 1936]] war bereits von Nikita S. Chruščev als Teil der Entstalinisierung des politischen und rechtlichen Systems geplant und durch die Bildung einer Verfassungskommission (Januar 1962) initiiert worden. Die unter Chruščevs Vorsitz stehende Kommission bestand aus 97 Personen. Auf neun Unterkommissionen, die jeweils von ihm und einem weiteren Mitglied der Parteiführung geleitet wurden, hatte man die von der Verfassung zu regelnden ideologisch-politischen und institutionell-organisatorischen Fragen von Staat und Gesellschaft verteilt. Das Projekt stand in organischem Zusammenhang mit den großen Rechtsreformen, die ab 1957 mit der Gerichtsverfassung, dem Straf- und Strafprozessrecht begonnen worden waren, sowie ferner mit dem neuen (dritten) Parteiprogramm der KPSS (1961). Der aus 276 Artikeln bestehende Verfassungsentwurf war im Sommer 1964 fertig gestellt und den unteren Parteiorganen zur Stellungnahme zugeleitet worden. [[Beschluss_„Über_den_Genossen_Chruščev_N.S.“ | Chruščevs Sturz im Oktober 1964]] führte zum Abbruch der Arbeit an dem Entwurf. Zwar blieb die Verfassungskommission formal bestehen, und der neue Parteichef {{#set:Glossar=Brežnev, Leonid Ilʹič}} [[Glossar:Brežnev, Leonid Ilʹič|Leonid I. Brežnev]] übernahm ihren Vorsitz, aber tatsächlich verfiel sie für ein gutes Jahrzehnt in Untätigkeit. Zu viele Fragen waren umstritten. Lebendig blieb aber das Verfassungsprojekt in einem relativ engen Kreis CK-naher Juristen und „Politologen“ vor allem aus der Akademie der Wissenschaften, die mit ihm Hoffnungen auf eine weitere Abkehr vom Rechtsnihilismus und der Demokratieferne der Stalin-Ära oder, anders gesagt, auf eine substantielle institutionelle Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der sozialistischen Demokratie verbanden.
Die Ablösung der [[Die_Verfassung_(Grundgesetz)_der_UdSSR_(1936) | „Stalin-Verfassung“ von 1936]] war bereits von {{#set:Glossar=Chruščëv, Nikita Sergeevič}} [[Glossar:Chruščëv, Nikita Sergeevič|Nikita S. Chruščev]] als Teil der Entstalinisierung des politischen und rechtlichen Systems geplant und durch die Bildung einer Verfassungskommission (Januar 1962) initiiert worden. Die unter Chruščevs Vorsitz stehende Kommission bestand aus 97 Personen. Auf neun Unterkommissionen, die jeweils von ihm und einem weiteren Mitglied der Parteiführung geleitet wurden, hatte man die von der Verfassung zu regelnden ideologisch-politischen und institutionell-organisatorischen Fragen von Staat und Gesellschaft verteilt. Das Projekt stand in organischem Zusammenhang mit den großen Rechtsreformen, die ab 1957 mit der Gerichtsverfassung, dem Straf- und Strafprozessrecht begonnen worden waren, sowie ferner mit dem neuen (dritten) Parteiprogramm der KPSS (1961). Der aus 276 Artikeln bestehende Verfassungsentwurf war im Sommer 1964 fertig gestellt und den unteren Parteiorganen zur Stellungnahme zugeleitet worden. [[Beschluss_„Über_den_Genossen_Chruščev_N.S.“ | Chruščevs Sturz im Oktober 1964]] führte zum Abbruch der Arbeit an dem Entwurf. Zwar blieb die Verfassungskommission formal bestehen, und der neue Parteichef {{#set:Glossar=Brežnev, Leonid Ilʹič}} [[Glossar:Brežnev, Leonid Ilʹič|Leonid I. Brežnev]] übernahm ihren Vorsitz, aber tatsächlich verfiel sie für ein gutes Jahrzehnt in Untätigkeit. Zu viele Fragen waren umstritten. Lebendig blieb aber das Verfassungsprojekt in einem relativ engen Kreis CK-naher Juristen und „Politologen“ vor allem aus der Akademie der Wissenschaften, die mit ihm Hoffnungen auf eine weitere Abkehr vom Rechtsnihilismus und der Demokratieferne der Stalin-Ära oder, anders gesagt, auf eine substantielle institutionelle Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der sozialistischen Demokratie verbanden.


Die schließlich verabschiedete Unionsverfassung ist ein gewisser Kompromiss zwischen den zwei Hauptrichtungen in der Nomenklatura, ihrer älteren, noch unter Stalin sozialisierten Führungsschicht und den nachdrängenden liberaleren „Sechzigern“, d. h. zwischen denjenigen, welche die Stalin-Verfassung durch ein Grundgesetz ersetzen wollten, das die seit 1953 in der Staats- und Rechtsordnung vorgenommenen Veränderungen berücksichtigen sollte, und denjenigen, die im Rahmen des etablierten Sowjetsystems bereit waren, der Entfaltung des Individuums mehr Raum durch demokratische Partizipation und durch Rechtssicherheit gegenüber der partei-staatlichen Exekutive zu geben. In Abkehr von der „Stalin-Verfassung“ sollte nach der Vorstellung beider Richtungen die neue Verfassung nicht nur ein dürres juristisches Dokument, sondern auch ein Programm, mit einem Wort Staats- und Gesellschaftsverfassung zugleich sein. Die Konzeption ist tatsächlich konsequent durchgeführt worden. Allerdings ist der neue Entwurf mit ca. 170 Artikeln erheblich knapper ausgefallen. Der Kürzung sind vor allem Bestimmungen zum Opfer gefallen, die eine deutliche Aufwertung des Obersten Sowjets der Union und eine Erweiterung der Kompetenzen der Unionsrepubliken vorsahen. Die wichtigste institutionelle und ideologisch-politische Bestimmung blieb als Achse der Kontinuität zwischen den beiden Entwürfen jedoch gewahrt: Die im Entwurf von 1964 im Geiste des Parteiprogramms von 1961 erstmals schon in den Grundlagen des politischen Systems (Kapitel 1) und dort an vorderster Stelle (Art. 4) verankerte Parteisouveränität („Kern des politischen Systems“) fand auch in den Verfassungsentwurf von 1977 Eingang (Art. 6).  
Die schließlich verabschiedete Unionsverfassung ist ein gewisser Kompromiss zwischen den zwei Hauptrichtungen in der Nomenklatura, ihrer älteren, noch unter Stalin sozialisierten Führungsschicht und den nachdrängenden liberaleren „Sechzigern“, d. h. zwischen denjenigen, welche die Stalin-Verfassung durch ein Grundgesetz ersetzen wollten, das die seit 1953 in der Staats- und Rechtsordnung vorgenommenen Veränderungen berücksichtigen sollte, und denjenigen, die im Rahmen des etablierten Sowjetsystems bereit waren, der Entfaltung des Individuums mehr Raum durch demokratische Partizipation und durch Rechtssicherheit gegenüber der partei-staatlichen Exekutive zu geben. In Abkehr von der „Stalin-Verfassung“ sollte nach der Vorstellung beider Richtungen die neue Verfassung nicht nur ein dürres juristisches Dokument, sondern auch ein Programm, mit einem Wort Staats- und Gesellschaftsverfassung zugleich sein. Die Konzeption ist tatsächlich konsequent durchgeführt worden. Allerdings ist der neue Entwurf mit ca. 170 Artikeln erheblich knapper ausgefallen. Der Kürzung sind vor allem Bestimmungen zum Opfer gefallen, die eine deutliche Aufwertung des Obersten Sowjets der Union und eine Erweiterung der Kompetenzen der Unionsrepubliken vorsahen. Die wichtigste institutionelle und ideologisch-politische Bestimmung blieb als Achse der Kontinuität zwischen den beiden Entwürfen jedoch gewahrt: Die im Entwurf von 1964 im Geiste des Parteiprogramms von 1961 erstmals schon in den Grundlagen des politischen Systems (Kapitel 1) und dort an vorderster Stelle (Art. 4) verankerte Parteisouveränität („Kern des politischen Systems“) fand auch in den Verfassungsentwurf von 1977 Eingang (Art. 6).  

Aktuelle Version vom 21. November 2024, 14:56 Uhr


von: Otto Luchterhandt, 2011


Die Ablösung der „Stalin-Verfassung“ von 1936 war bereits von Nikita S. Chruščev als Teil der Entstalinisierung des politischen und rechtlichen Systems geplant und durch die Bildung einer Verfassungskommission (Januar 1962) initiiert worden. Die unter Chruščevs Vorsitz stehende Kommission bestand aus 97 Personen. Auf neun Unterkommissionen, die jeweils von ihm und einem weiteren Mitglied der Parteiführung geleitet wurden, hatte man die von der Verfassung zu regelnden ideologisch-politischen und institutionell-organisatorischen Fragen von Staat und Gesellschaft verteilt. Das Projekt stand in organischem Zusammenhang mit den großen Rechtsreformen, die ab 1957 mit der Gerichtsverfassung, dem Straf- und Strafprozessrecht begonnen worden waren, sowie ferner mit dem neuen (dritten) Parteiprogramm der KPSS (1961). Der aus 276 Artikeln bestehende Verfassungsentwurf war im Sommer 1964 fertig gestellt und den unteren Parteiorganen zur Stellungnahme zugeleitet worden. Chruščevs Sturz im Oktober 1964 führte zum Abbruch der Arbeit an dem Entwurf. Zwar blieb die Verfassungskommission formal bestehen, und der neue Parteichef Leonid I. Brežnev übernahm ihren Vorsitz, aber tatsächlich verfiel sie für ein gutes Jahrzehnt in Untätigkeit. Zu viele Fragen waren umstritten. Lebendig blieb aber das Verfassungsprojekt in einem relativ engen Kreis CK-naher Juristen und „Politologen“ vor allem aus der Akademie der Wissenschaften, die mit ihm Hoffnungen auf eine weitere Abkehr vom Rechtsnihilismus und der Demokratieferne der Stalin-Ära oder, anders gesagt, auf eine substantielle institutionelle Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der sozialistischen Demokratie verbanden.

Die schließlich verabschiedete Unionsverfassung ist ein gewisser Kompromiss zwischen den zwei Hauptrichtungen in der Nomenklatura, ihrer älteren, noch unter Stalin sozialisierten Führungsschicht und den nachdrängenden liberaleren „Sechzigern“, d. h. zwischen denjenigen, welche die Stalin-Verfassung durch ein Grundgesetz ersetzen wollten, das die seit 1953 in der Staats- und Rechtsordnung vorgenommenen Veränderungen berücksichtigen sollte, und denjenigen, die im Rahmen des etablierten Sowjetsystems bereit waren, der Entfaltung des Individuums mehr Raum durch demokratische Partizipation und durch Rechtssicherheit gegenüber der partei-staatlichen Exekutive zu geben. In Abkehr von der „Stalin-Verfassung“ sollte nach der Vorstellung beider Richtungen die neue Verfassung nicht nur ein dürres juristisches Dokument, sondern auch ein Programm, mit einem Wort Staats- und Gesellschaftsverfassung zugleich sein. Die Konzeption ist tatsächlich konsequent durchgeführt worden. Allerdings ist der neue Entwurf mit ca. 170 Artikeln erheblich knapper ausgefallen. Der Kürzung sind vor allem Bestimmungen zum Opfer gefallen, die eine deutliche Aufwertung des Obersten Sowjets der Union und eine Erweiterung der Kompetenzen der Unionsrepubliken vorsahen. Die wichtigste institutionelle und ideologisch-politische Bestimmung blieb als Achse der Kontinuität zwischen den beiden Entwürfen jedoch gewahrt: Die im Entwurf von 1964 im Geiste des Parteiprogramms von 1961 erstmals schon in den Grundlagen des politischen Systems (Kapitel 1) und dort an vorderster Stelle (Art. 4) verankerte Parteisouveränität („Kern des politischen Systems“) fand auch in den Verfassungsentwurf von 1977 Eingang (Art. 6).

Gegenüber der „Stalin-Verfassung“ hat die „Brežnev-Verfassung“ ein völlig anderes Profil. Das zeigen in aller Deutlichkeit die Präambel und die ihr folgenden drei Kapitel zur Politik, Ökonomie, sozialen Entwicklung und Kultur. Ihre Bestimmungen beschwören die „heroische“ Geschichte des Sowjetstaates und deklarieren die vorgeblichen humanistischen Ideale, Ziele und Prinzipien der zu errichtenden klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft. Die aus dem Parteiprogramm übernommenen Grundlagen erfüllen mehrere Funktionen, nämlich die Legitimierung des Systems, die Orientierung, Motivierung und Mobilisierung seiner Träger – der Funktionäre und Bürger. Zugleich bestimmen die Grundlagen jenen Rahmen, in welchem die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und juristischen Institutionen des Herrschaftssystems ihren Platz finden: Partei, Sowjets, Staatsverwaltung, Streitkräfte, gesellschaftliche Organisationen, Arbeitskollektive und schließlich der einzelne Bürger.

Aus der Sicht der damals maßgebenden Parteidokumente und geltenden Gesetze enthalten die Bestimmungen der Verfassung nur wenig Neues; im Vergleich zu der Unionsverfassung von 1936 sind die Unterschiede jedoch beträchtlich. Die Neuerungen und Abweichungen sind teils inhaltlicher, teils funktionaler, struktureller Natur. Man kann sie in dem folgenden Katalog zusammenfassen:

die Normierung der „führenden Rolle der kommunistischen Partei“ bei den Grundlagen des politischen Systems (Art. 6);

die Akzentuierung von Partizipation, Glasnost' und öffentlicher Meinung (Art. 9);

die Aufwertung der gesellschaftlichen Organisationen und der Arbeitskollektive (Art. 7 und Art. 8);

die Garantie des persönlichen Eigentums und die Anerkennung der individuellen Arbeitstätigkeit (Art. 13; Art. 17);

das Prinzip der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik (Art. 16);

die redaktionelle Aufwertung des einzelnen Bürgers innerhalb der Gesamtverfassung neben und gegenüber der Staatsorganisation (Präambel; Art. 20; Kapitel 6 und 7);

die Betonung der Verantwortung des Bürgers für das Gemeinwesen, die Bekräftigung seiner Pflichten und des Prinzips der Einheit von Rechten und Pflichten sowie die Bindung der Grundrechtsausübung an die ideologischen Ziele der Gesellschaft (Präambel; Art. 39 Abs. 2; Art. 59; Art. 62);

die prinzipielle, ideologische Schwächung des föderalen Staatsaufbaus durch das Ziel, die Nationen und Nationalitäten zu dem einheitlichen, homogenen „Sowjetvolk“ zu verschmelzen (Präambel; Art. 19; Art. 70), und insbesondere die Stärkung der Union gegenüber der Unionsrepubliken durch Einräumung der Kompetenzen (Art. 73 Nr. 12);

die formelle Stärkung des Obersten Sowjets gegenüber seinem Präsidium und dem Ministerrat durch die Anerkennung seiner Haupt- und Allzuständigkeit (Art. 108; Art. 119; Art. 131 Abs. 1);

die erstmals in der sowjetischen Geschichte erfolgte Anerkennung der Rechtsanwaltschaft in der Verfassung neben den Gerichten und der Staatsanwaltschaft (Art. 161);

die Aufwertung des Gesetzes als Rechtsquelle durch die förmliche Anordnung von Verfassungs wegen, die Rechtsgrundlagen bestimmter Staatsorgane und Verfassungsinstitutionen durch Gesetz zu regeln (z. B. Art. 136 – Ministerrat);

die Verankerung und Stärkung des Rechtsschutzes des Bürgers gegenüber der Verwaltung und ihren Amtspersonen durch Einräumung der gerichtlichen Klage, durch Normierung der Staatshaftung und die Garantie, dass Kritik an der Bürokratie nicht verfolgt werden dürfe (Art. 58; Art. 49).

Die aus staatsrechtlicher Sicht bedeutsamsten Elemente des Kataloges sind:

  • die Verankerung der Parteiherrschaft in den Grundlagen des politischen Systems,
  • die Hervorhebung der Rechtsstellung des Bürgers im Staat,
  • der verstärkte Zentralismus im Staatsaufbau und
  • die Aufwertung des Gesetzes in der Normenhierarchie.

Zu jedem dieser Charakterzüge weist die Verfassung aber auch Elemente auf, die zu ihnen im Widerspruch, jedenfalls aber in einem Spannungsverhältnis stehen.

Der schreiendste Widerspruch ist der zwischen der angeblichen Volkssouveränität, ausgeübt durch die Sowjets (Art. 2), und der tatsächlichen Parteisouveränität, ausgeübt durch die Spitzenorgane der KPSS (Art. 6 Abs. 2). Er wird nur durch die vom Marxismus-Leninismus behauptete „prästabilierte Harmonie“ zwischen Volks- und Parteiwillen wegdefiniert (Präambel; Art. 6 Abs. 1), aber das Ergebnis ist die Ohnmacht der Sowjets und die Allmacht der Parteiführung, d.h. des Politbüros.

Die redaktionelle Aufwertung des einzelnen Bürgers gilt dem „Sowjetmenschen“ bzw. der „sozialistischen Persönlichkeit“. Der Akzent liegt nicht auf den Rechten des Individuums, sondern auf seiner Verantwortung und seinen Pflichten als Staatsbürger. Dementsprechend steht die Ausübung der Grundrechte unter einschneidenden Vorbehalten, nämlich ihrer Funktionalisierung für die Zwecke des kommunistischen Aufbaus (vgl. Art. 47 Abs. 1; Art. 50 Abs. 1; Art. 51 Abs. 1). Die Deklarierung des Rechtes auf Rechtsschutz gegenüber der Staatsbürokratie (Art. 58 Abs. 2 und 3) bedeutet demgegenüber im Ansatz eine Aufwertung der individualrechtlichen Substanz der Grundrechte und ist daher eine sehr beachtliche Neuerung in der Verfassung. Leider, aber auch bezeichnenderweise, blieb der Artikel bis zur Perestroika wegen fehlender Ausführungsvorschriften toter Buchstabe.

Die Verfassung treibt den Zentralismus im Staatsaufbau ein kräftiges Stück voran (Art. 3; Art. 73 Nr. 12), und höhlt damit das „Prinzip des sozialistischen Föderalismus“ (Art. 70) inhaltlich noch weiter aus. Gleichwohl hält sie an dem Recht der Unionsrepubliken, aus der Union auszutreten, eisern fest (Art. 72). Sie erinnert damit indirekt an den vertraglichen Ursprung der Union im Gründungsvertrag vom 30. Dezember 1922 und bewahrt so in ihrem Text, zumindest theoretisch, eine Alternative zum praktizierten sowjetischen Scheinföderalismus, die ein Jahrzehnt später ungeahnte politische Kraft erlangen sollte.

Angesichts der für die sowjetische Rechtsordnung seit der Stalin-Ära typischen geringen Zahl von Gesetzen und ihrer auf mehreren Ursachen beruhenden Bedeutungsschwäche im Staatswesen signalisieren die zahlreichen Gesetzgebungsaufträge, welche die Verfassung den gesetzgebenden Gremien erteilt (vgl. Art. 4 und 5 des Gesetzes über die Regelung des Inkrafttretens der Verfassung der UdSSR), den Wunsch, die Bedeutung des Gesetzes als Rechtsquelle in der Normenhierarchie nachhaltig aufzuwerten und insgesamt die Staatsordnung auf eine festere rechtliche Grundlage zu stellen. Davon angestoßen sind durch die umfangreichen Gesetzgebungspläne von 1978 und 1986 beträchtliche Teile des sowjetischen Staatsrechts in der Form des Gesetzes kodifiziert und erneuert worden. Dies hat gleichzeitig zu einer gewissen Stärkung der materialen Rechtsidee im Sowjetstaat gegenüber den ihn prägenden Phänomenen des Rechtsnihilismus geführt.

Die Sowjetverfassung unterscheidet sich prinzipiell von der Verfassung des demokratischen Rechtsstaates. Anders als jener hat sie nicht die Funktion, die Macht durch das Recht zu binden, sie durch das Recht zu beschränken und zu mäßigen, den politischen Prozess durch feste Regeln zu zivilisieren und zu kanalisieren. Zwar erfüllt auch die Sowjetverfassung normative Funktionen, aber sie bestehen darin, Staatsorgane, gesellschaftliche Organisationen, Arbeitskollektive und alle Bürger in geordneter Weise unter der Führung der Partei für die Erfüllung der für alle verbindlichen einheitlichen staatspolitischen Aufgaben zu motivieren, zu mobilisieren und dafür organisatorisch in Form zu bringen. Die Verfassung dient nicht der Sicherung von Freiheit und Menschenrechten durch Gewaltenteilung und Verhinderung von Willkür, sondern im Gegenteil der Steigerung der Staatsmacht zum Zweck ihrer höchsten Kraftentfaltung zum – angeblichen – Wohle des gesamten Volkes.


Отто Лухтерхандт


Замена «сталинской» конституции 1936 г. фактически планировалась еще Н.С. Хрущевым в процессе десталинизации политической и правовой системы и начала осуществляться с формирования в январе 1962 г. Конституционной комиссии. Комиссия под председательством Хрущева состояла из 97 человек. Идеологические, -политические и институционально-организационные вопросы государства и общества, подлежащие регулированию конституцией, распределили между девятью подкомиссиями, каждую из которых возглавлял он сам и еще один член партийного руководства. Проект новой конституции был органически связан с большой правовой реформой (она началась в 1957 г. с реформы судоустройства, уголовного и уголовно-процессуального права), а также с принятием новой (третьей) Программы КПСС (1961). Текст проекта конституции, содержащий 276 статей, был завершен летом 1964 г. и разослан в нижестоящие партийные органы для комментариев. Отстранение Хрущева от власти в октябре 1964 г. привело к прекращению работы над проектом. Формально Конституционная комиссия продолжила существовать, а пост председателя перешел к новому главе партии Л.И. Брежневу, но фактически в течение целого десятилетия комиссия бездействовала: многие вопросы, которые ей предстояло решить, были достаточно спорными. Тем не менее, в сравнительно узком кругу юристов и «политологов», близких к ЦК, большинство из которых были выходцами из структур Академии Наук, проект конституции продолжал жить. С ним они связывали надежды на дальнейшее преодоление правового нигилизма и антидемократичности сталинской эпохи или, выражаясь иначе, на существенное укрепление институтов социалистической законности и социалистической демократии.

Принятие Конституции явилось в итоге своего рода компромиссом между двумя основными лагерями номенклатуры – ее старой элитой, взгляды которой сформировались еще при Сталине, и рвавшимися к власти либерально настроенными «шестидесятниками» – т. е. между теми, кто хотел заменить Сталинскую конституцию Основным законом, в котором должны были найти отражение все изменения в государственном устройстве и правопорядке, начиная с 1953 г., и теми, кто был готов, не выходя за рамки существующей советской системы, расширить сферу действия свободы личности, предоставив ей право принимать участие в решении политических вопросов, а также правовые гарантии по отношению к партийно-государственным исполнительным органам. Согласно представлениям обоих лагерей, новой конституции, в отличие от Сталинской конституции, надлежало стать не тощим юридическим документом, но документом программного характера. Это означало, что она должна была стать конституцией государства и общества одновременно. Данная концепция на самом деле последовательно осуществлялась. Однако новый проект, состоящий примерно из 170 статей, оказался значительно более лаконичным. Главными жертвами сокращений стали положения, предусматривающие значительное повышение статуса Верховного Совета Союза и расширение компетенции союзных республик. Однако наиболее важное институциональное и идейно-политическое положение было сохранено как ось преемственности между двумя проектами: партийный суверенитет («ядро политической системы»), впервые закрепленный в проекте 1964 г. в духе партийной программы 1961 г. в основах политической системы (Глава 1) и занявший там главное место (Статья 4), нашел свое место и в проекте Конституции 1977 г. (Статья 6).

Брежневская конституция получила совершено особую форму, отличную от формы Сталинской конституции. Об этом со всей ясностью свидетельствуют преамбула и следующие три главы, посвященные политике, экономике, общественному развитию и культуре. Их положения восхваляли «героическое» прошлое Советского государства и провозглашали якобы гуманистическое идеалы, цели и принципы бесклассового коммунистического общества, которое еще только предстояло построить. Взятые за основу принципы Партийной программы выполняли несколько функций, а именно – легитимации системы, а также ориентации, мотивации и мобилизации ее представителей: как функционеров, так и простых граждан. Одновременно эти основополагающие принципы задавали рамки, в которых определялись функции политических, экономических, социальных и юридических структур режима – партии, Советов, государственного управления, вооруженных сил, общественных организаций, рабочих коллективов и, наконец, отдельных граждан.

Если сравнить положения конституции с партийными директивами и действующими законами того времени, то окажется, что она содержала мало нового. Однако Брежневская конституция значительно отличалась от конституции 1936 г. В ней обнаруживается ряд нововведений содержательного, функционального и структурного характера. Попытаемся обобщить их в следующем перечне:

законодательное определение «руководящей роли коммунистической партии» как основополагающей в рамках политической системы (ст. 6);

подчеркивание роли участия общества в решении политических вопросов, гласности и общественного мнения (ст. 9);

повышение значимости общественных организаций и рабочих коллективов (ст. 7 и ст. 8);

гарантии личной собственности и признание индивидуальной трудовой деятельности (ст. 13; ст. 17);

принцип единства экономической и социальной политики (ст. 16);

повышение значимости отдельного гражданина наряду с государством и по отношению к нему (преамбула; ст. 20; главы 6 и 7);

подчеркивание роли ответственности гражданина за коллектив, закрепление его обязанностей и принципа единства прав и обязанностей, а также зависимость осуществления основных прав граждан от идеологических целей общества (преамбула; ст. 39, абз. 2; ст. 59; ст. 62);

существенное, идеологически обоснованное ослабление федеративного государственного устройства ввиду цели сплотить нации и национальности в единый, гомогенный «советский народ» (преамбула; ст. 19; ст. 70), и в особенности, усиление позиции Союза по отношению к союзным республикам за счет предоставления ему новых полномочий (ст. 73, № 12);

формальное усиление полномочий Верховного Совета по сравнению с его Президиумом и Советом Министров за счет признания за ним права главной и всесторонней юрисдикции (ст. 108; ст. 119; ст. 131, абз. 1);

закрепление в конституции профессионального статуса адвокатуры (впервые за всю историю СССР) наряду с судами и прокуратурой (ст. 161);

повышение ценности закона как источника права, на основании формального предписания конституции об установлении правовых основ определенных государственных и конституционных органов законодательным путем (например, ст. 136 – о Совете Министров);

закрепление и усиление охраны прав гражданина по отношению к администрации и должностым лицам путем допущения судебного иска, а также введения ответственности должностных лиц за нарушение служебных обязанностей и запрета на преследование за критику чиновничества (ст. 58; ст. 49).

С государственно-правовой точки зрения самыми важными положениями перечня являются:

  • закрепление власти партии в основах политической системы;
  • указание на правовой статус гражданина в государстве;
  • усиление централизма в государственном устройстве и
  • повышение ценности закона в иерархии нормативно-правовых актов.

Впрочем, каждый из этих отличительных признаков коллидирует с иными противоречивыми или осложняющими применение элементами конституции.

Так например, имело место вопиющее противоречие между т.н. суверенитетом народа, осуществляемым Советами (ст. 2), и действительным суверенитетом партии, осуществляемым руководящими органами КПСС (ст. 6, абз. 2). Оно устраняется только за счет «изначально существующего единства» воли народа и партии, провозглашенного марксизмом-ленинизмом (преамбула; ст. 6, абз. 1), результатом чего является беспомощность Советов и всемогущество партийного руководства, т.е. Политбюро.

Применительно к «советскому человеку» или «социалистической личности» особую важность имело редакционное повышение значимости отдельного гражданина. При этом акцент был сделан не на правах индивидума, а на его ответственности и обязанностях как гражданина. На основании данного положения осуществление основных прав граждан решающим образом определялось целями коммунистического строительства (ср. ст. 47, абз. 1; ст. 50, абз. 1; ст. 51, абз. 1). Провозглашение права гражданина на юридическую защиту по отношению к бюрократии (ст. 58, абз. 2 и 3) означало повышение ценности лично-правовой сущности основных прав и являлось т.о. весьма важным нововведением конституции. К сожалению, вплоть до перестройки эта статья из-за отсутствия вводных постановлений оставалась мертвой буквой закона.

Конституция в значительной степени форсирует процесс централизации государственного устройства (ст. 3; ст. 73, № 12), тем самым еще больше подрывая «принцип социалистического федерализма» (ст. 70). Тем не менее она упорно настаивает на праве нации на самоопределение (ст. 72). Таким образом, конституция опосредовано напоминает о том, что основы Советского Союза были заложены в Договоре об образовании СССР от 30 декабря 1922 г., что по крайней мере в теории, не исключало возможность альтернативы существующему советскому псевдофедерализму, которая спустя десятилетие приобретет невиданное прежде политическое значение.

Учитывая тот факт, что характерной чертой советского правопорядка, начиная со сталинских времен, являлось относительно низкое число законов, а само государство по различным причинам придавало им мало значения, многочисленные законодательные инициативы, внесенные Брежневской конституцией в законодательные органы (ср. ст. 4 и 5 Закона о проведении в жизнь Конституции СССР), свидетельствовали о стремлении политического руководства неустанно повышать роль закона как источника права в нормативно-правовой иерархии и поставить государственный строй на более прочную правовую основу. Данное стремление послужило толчком к кодификации и обновлению значительной части советского государственного права в ходе реализации обширных законодательных проектов 1978 г. и 1986 г. В свою очередь эти меры повлекли за собой усиление материальной идеи права в советском государстве, для которого до тех пор были характерны явления правового нигилизма.

Советская конституция принципиально отличалась от конституций демократических правовых государств. Она не ограничивала власть посредством закона, не служила направляющей и регулирующей силой политического процесса и не придавала ему при помощи определенных твердо уставленных правил цивилизованные формы. Хотя советская конституция и выполняла нормативные функции, но они заключались в том, чтобы мобилизовать государственные органы, общественные организации, рабочие коллективы и всех граждан в организованном порядке под руководством партии на выполнение обязательных для всех, общих политических задач, поставленных государством. Конституция, исключавшая принцип разделения властей и не припятствовавшая произволу, не являлась гарантом прав и свобод человека. Наоборот, она способствовала усилению государственной власти – якобы во благо всего народа.

(Перевод с нем.: Л. Антипова)