Einführung:Programm der Deutschen Demokratischen Partei

Aus 1000 Schlüsseldokumente
Wechseln zu: Navigation, Suche


von: Daniela Neri-Ultsch, 2010


Noch während der Novemberunruhen 1918 hoffte der linksliberale Teil des bürgerlichen Lagers auf einen demokratischen Neubeginn des Liberalismus. So erfolgte bereits am 16. November 1918 unter der Führung des Chefredakteurs des Berliner Tageblatts, Theodor Wolff, und des Kultursoziologen Alfred Weber ein Gründungsaufruf zu „einer großen demokratischen Partei für das einige Reich“.[1] Die Gründer verfolgten damit mehrere Ziele. Zum einen hofften sie, damit die bisherige Spaltung des Liberalismus überwinden zu können und eine Partei des geeinten Liberalismus zu gründen, welche im Bündnis mit der SPD das Fundament der neuen republikanischen Ordnung werden sollte. Zum anderen wollte man gleichzeitig damit eventuellen konservativen Restaurationsversuchen sowie bolschewistischen Bestrebungen entgegenwirken. Es wurde ein klares Bekenntnis zur Republik ausgesprochen und es erfolgte eine entschiedene Ablehnung „jeden bolschewistischen, reaktionären oder sonstigen Terrors“. Außerdem verurteilten die Parteigründer das alte System und werteten den Zusammenbruch der Monarchie auch als Ende der bisherigen Parteien sowie deren politischer Führer: „Am 9. November 1918 sind die alten Parteiformen zerbrochen“.

Der Gründungsaufruf stieß auf große Resonanz, der Wille zu einem Neuanfang und zur Mitarbeit an einer neuen demokratischen Gesellschafts- und Staatsform schien weit verbreitet. Unter den Befürwortern fanden sich Abgeordnete der linksliberalen Fortschrittspartei wie auch der nationalliberalen Partei. Jedoch setzte sich der Großteil des Gründerkreises der DDP vor allem aus bekannten Journalisten, Professoren, Unternehmern und höheren Beamten zusammen, die zuvor noch nicht parteipolitisch hervorgetreten und somit politisch unverbraucht waren.

Damit die neu zu gründende Partei auch wirklich einen Neuanfang darstellte, wollte man politische Kräfte, die sich für annexionistische Kriegsziele und bis zuletzt für die Aufrechterhaltung der Monarchie ausgesprochen hatten, nicht aufnehmen. Damit konnte trotz intensiver Verhandlungen mit Teilen der nationalliberalen Partei unter der Führung von Gustav Stresemann keine geeinte Partei des Liberalismus entstehen. Im Gegenteil: Die seit 1868 bestehende Teilung des Liberalismus blieb aufrechterhalten, als größere Teile der nationalliberalen Partei unter Gustav Stresemann am 5. Dezember 1918 ebenfalls eine neue Partei ins Leben riefen, die Deutsche Volkspartei (DVP).

Nur wenige Tage zuvor, am 20. November 1918, hatten u.a. Friedrich von Payer, Otto Fischbeck, Georg Gothein, Theodor Wolff, Alfred Weber, Hugo Preuß, Hjalmar Schacht, Hellmut von Gerlach und Otto Nuschke die Gründung der Deutschen Demokratischen Partei vollzogen.[2] Der Personenkreis der Gründungsgruppe setzte sich zum einen aus renommierten Journalisten bekannter Presseorgane und aus ausgewiesenen Gelehrten, die auch publizistisch hervorgetreten waren, zusammen. Zum anderen fanden sich auch aus dem wirtschaftlichen Bereich einerseits Unternehmer, Generaldirektoren und Syndizi sowie Verbandsfunktionäre und Repräsentanten der Gewerkschaften der organisierten Arbeiter, Angestellten, kleineren, mittleren und höheren Beamten zusammen. So war z.B. Theodor Wolff (1868-1943) von 1906 bis 1933 Chefredakteur des Berliner Tageblatts. Alfred Weber, Professor für Nationalökonomie an der Universität Heidelberg und Hugo Preuß, Professor für öffentliches Recht an der Handelshochschule Berlin, repräsentierten die Gelehrten innerhalb der DDP. Während Otto Fischbeck lange Zeit als Syndikus der Papier verarbeitenden Berufsgenossenschaft tätig war und Georg Gothein als Syndikus der Handelskammer Breslau und als Vorstandsmitglied des Außenhandelsverbandes, hatte Hjalmar Schacht eine Karriere als Stellvertretender Direktor der Dresdner Bank und dann als Geschäftsinhaber der Nationalbank eingeschlagen.

Auf dem außerordentlichen Parteitag der DDP, der vom 13. bis 15. Dezember 1919 in Leipzig stattfand, wurde das Parteiprogramm der DDP beschlossen und verabschiedet, welches sich zwischen demokratischem Nationalismus und internationalem Friedensdenken bewegte. Die DDP unterstrich in ihrem Programm noch einmal ihr Bekenntnis zur Republik: „Die Deutsche Demokratische Partei steht auf dem Boden der Weimarer Reichsverfassung; zu ihrem Schutz und ihrer Durchführung ist sie berufen“. Auf der Basis dieses republikanischen Bekenntnisses sprach sich die DDP im Bereich der Innenpolitik für die demokratische Ordnung, für den Rechtsstaat, sowie für Föderalismus und Selbstverwaltung, aber auch für die Gleichstellung der Frau und eine fundamentale Heeresreform aus – so sah das Programm ein Milizsystem vor.

Auf dem außenpolitischen Sektor betonte die DDP ihr Eintreten für die Revision des Vertrags von Versailles und des Vertrags von St. Germain sowie für den Zusammenschluss aller Deutschen in einem Staat. Darüber hinaus hielt sie eine enge Verbindung zu allen Auslandsdeutschen für wichtig und forderte außerdem das Recht auf Kolonien bzw. deren Rückgabe. Gleichzeitig trat die DDP jedoch entschieden für den Völkerbund ein.

Aufgrund der vielen Lehrer und Professoren in ihren Reihen äußerte sich die DDP besonders ausführlich und dezidiert zur Kulturpolitik. So schrieb sie auf ihre Parteifahnen die Lehr- und Lernfreiheit, den Anspruch aller auf unentgeltlichen Unterricht, die Einheitsschule sowie das staatliche Monopol auf die Lehrer- und Schulbildung. Sie lehnte Privatschulen ab und befürwortete die Trennung von Kirche und Staat.

Sozial- und wirtschaftspolitisch sah sich die DDP vor allem als Sprecherin des selbständigen Handwerkers und mittelständischer Unternehmer sowie der Angestellten und des mündigen Arbeiters. Die DDP bezeichnete sich selbst als „Partei der Arbeit“ und ihr Ziel war „auf dem Gebiete der Wirtschaft der Staat des sozialen Rechts“. Außerdem verfolgte sie die Aufrechterhaltung der privatwirtschaftlichen Organisation und lehnte die Vergesellschaftung der Produktionsmittel entschieden ab. Darüber hinaus sprach sie sich auch dezidiert gegen Monopole aus. Den Abschluss des Programms bildete das Leitwort der DDP: „Vorwärts und aufwärts in Deutschland und für Deutschland“.

Gerade zu Beginn der Weimarer Republik wurden große Hoffnungen in die liberale DDP gesetzt und, wenn man ihr Programm betrachtet, kann sie mit ihrem Bekenntnis zur Republik auch als die neue Partei der Republik – wie sie in der Forschung genannt wird – bezeichnet werden. Auch gilt als Konsens in der Forschung, dass das Schicksal der DDP mit dem der Weimarer Republik untrennbar verbunden ist. Obwohl die DDP bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ein hervorragendes Ergebnis erzielen konnte – sie ging als drittstärkste Kraft aus den Wahlen hervor –, gelang es ihr nur vorübergehend, die neue Mittelschicht aus Angestellten und Beamten als feste Wählerklientel für sich zu gewinnen. Viele bürgerliche Wähler entschieden sich angesichts der unsicheren Lage sowie aufgrund der Aufbruchstimmung – man wollte die Kriegswirren sowie die revolutionären Erschütterungen von 1918 endgültig hinter sich lassen und war an einem raschen Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung interessiert – für die DDP, da sie als Koalitionspartner der SPD in Frage kam und viele bürgerliche Wähler dadurch den Neuaufbau Deutschlands auf einem republikanischen Fundament gewährleistet sahen.

Der Abwärtstrend der DDP kündigte sich jedoch bereits in der Reichstagswahl von 1920 an und setzte sich über die Mittelphase der Republik bis zum Ende der zwanziger Jahre mit einem steten, fast dramatischen Wählerschwund fort. Bereits bei den Reichstagswahlen von 1928 konnte die Partei nur noch 4,9 % der Stimmen erringen. Eine Hauptursache für diese Entwicklung sieht die Forschung in dem Dilemma, dass die Partei auf der einen Seite als Repräsentantin der Republik und damit als Wahrerin des Gesamtinteresses aufzutreten hatte, auf der anderen Seite jedoch ihr soziales Profil auf das bürgerliche Milieu beschränkte.

Um einen weiteren Bedeutungsverlust der Partei zu verhindern, entschloss sich die DDP am 28. Juli 1930, kurz vor den Reichstagswahlen, zu einer Fusion mit der Volksnationalen Reichsvereinigung, einer Gruppierung Intellektueller mit nationalistischer Prägung. Unter der Führung von Erich Koch-Weser, dem langjährigen Parteivorsitzenden, erging der Gründungsaufruf zur Deutschen Staatspartei (DSTP). So wurde der letzte Parteitag der DDP, der vom 8. bis 10. November 1930 in Hannover stattfand, zum Gründungsparteitag der DSTP. Jedoch blieb der erhoffte politische Erfolg bei den weiteren Wahlen der Weimarer Republik aus. Die Partei erlebte im Gegenteil desaströse Wahlniederlagen: Im Juli 1932 konnte sie lediglich ein Prozent der Stimmen auf sich vereinigen und erhielt damit lediglich vier Mandate, im November 1932 erzielte sie sogar nur mehr zwei Mandate. Kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, am 28. Juni 1933, erfolgte schließlich die Auflösung der Deutschen Staatspartei.

  1. Otto Nuschke, Wie die Deutsche Demokratische Partei wurde, was sie leistete und was sie ist. In: Anton Erkelenz (Hrsg.), Zehn Jahre Deutsche Republik. Ein Handbuch für republikanische Politik. Sieben Stäbe, Berlin-Zehlendorf 1928, S. 24–41, hier S. 24ff.
  2. Lothar Albertin/Konstanze Wegner (Hrsg.), Linksliberalismus in der Weimarer Republik: Die Führungsgremien der Deutschen Demokratischen Partei und der Deutschen Staatspartei 1918–1933. Droste, Düsseldorf 1980, S. XII.

[Русская версия отсутствует]