Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
Die erste Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 stellte einen Kompromiss zwischen den Grundsätzen der bürgerlich-demokratischen Reichsverfassung der Weimarer Republik und sozialistischen Verfassungsprinzipien wie Gewalteneinheit und Wirtschaftsplanung dar. Sie war gesamtdeutsch angelegt. Weite Teile des Verfassungstextes, insbesondere die Grundsätze über die Wahlen, die Volkssouveränität, alle individuellen Schutz- und Freiheitsrechte sowie alle Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsgarantien, standen aber von Anfang an im Widerspruch zur Verfassungsrealität in der DDR.
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Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und der Übernahme der gesamten Hoheitsgewalt durch die Sieger- und Besatzungsmächte beschlossen diese auf der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 in allen vier Besatzungszonen Deutschlands die Wiederherstellung demokratischer Zustände. Seit Sommer/Herbst 1945 begannen in den wieder zugelassenen deutschen Parteien auch Diskussionen über Probleme einer deutschen Verfassung. Infolge der Uneinigkeit der vier Besatzungsmächte über die „Behandlung Deutschlands“ erfolgte die Verfassungsgebung zonal getrennt.
Im Juli 1946 beauftragte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) in ihrer Besatzungszone die SED-Spitze mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine neue „Reichsverfassung“. Die sowjetische Besatzungsmacht verfolgte mit dem Verfassungsentwurf das Ziel, ein Gegengewicht zu den Föderalisierungsbestrebungen der Westalliierten in die Diskussion um Deutschlands Zukunft einzubringen. Die Sowjets wünschten auch eine verbindliche Verfassungsvorlage kommunistischen Zuschnitts für die bevorstehende Verfassungsgebung auf Länderebene in ihrer Zone. Zudem sollte die SED im Auftrag der SMAD als erste deutsche Partei ihren gesamtnationalen Gestaltungswillen zum Ausdruck bringen. Der „Reichsverfassungsentwurf“ der SED lag im August 1946 vor. Den Auftrag zum Erstellen des Verfassungsentwurfs hatte die SED-Führung dem juristisch ausgebildeten Experten Karl Polak gegeben. Dieser hatte in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre in Deutschland Rechtswissenschaften studiert und war von 1933 bis 1946 in die Sowjetunion emigriert. Dort war er an verschiedenen juristischen Instituten tätig. Polak kannte demnach sowohl das deutsche als auch das sowjetische Rechtssystem und besaß damit ideale Voraussetzungen, um einen Verfassungsentwurf im Sinne der SED und der SMAD auszuarbeiten. Karl Polak war die zentrale Figur bei der Erarbeitung der SED-Verfassungsentwürfe und später Mitautor der ersten DDR-Verfassung von 1949.
Der SED-Jurist Polak hatte für den gesamtdeutschen Verfassungsentwurf zentrale inhaltliche Vorgaben erhalten: 1. weitgehende Anlehnung an die Weimarer Reichsverfassung, 2. Bekenntnis zu Deutschland als zentralem Einheitsstaat mit dezentralisierter Verwaltung in den Ländern, 3. Festschreibung der „antifaschistisch-demokratischen Errungenschaften“ und 4. Übernahme von sozialistischen Verfassungsvorstellungen (u. a. absolute Volkssouveränität, Gewalteneinheit, Wirtschaftsplanung). Polak sollte den „Reichsverfassungsentwurf“ zudem so gestalten, dass auch sozialdemokratische und bürgerliche Kreise aller vier Zonen sowie die Alliierten den Text als halbwegs akzeptable Diskussionsgrundlage annehmen konnten. Aber die SED und die Sowjets verleugneten ihre kommunistischen Verfassungspositionen nicht. Am 16. November 1946 wurde der „Entwurf einer Verfassung für die DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK“ im Zentralorgan der SED Neues Deutschland publiziert und zur öffentlichen Diskussion gestellt.
Nachdem sich in den Jahren 1947 und Anfang 1948 herauskristallisierte, dass die vier alliierten Siegermächte keine Einigung über die künftige staatsrechtliche Gestaltung Deutschlands erzielen konnten, initiierte die SED im Dezember 1947 in Berlin im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht eine Art Massenbewegung, genannt: „Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“. Dieser Volkskongress war nicht durch Wahlen, sondern durch ein undurchsichtiges Delegierungsverfahren zustande gekommen. Den Vertretern des Volkskongresses fehlten die demokratische Legitimation und die breite Zustimmung in der sowjetischen wie in den drei westlichen Zonen. Dennoch wurde der Volkskongress auf Betreiben von SED und SMAD institutionalisiert. Der Zweite Volkskongress wählte am 18. März 1948 einen „Ersten Deutschen Volksrat“, bestehend aus 400 Männern und Frauen. Dieser Volksrat setzte sechs Fachausschüsse ein, darunter einen Verfassungsausschuss. Der Verfassungsausschuss bestand zunächst aus 30 Mitgliedern. Zu den wichtigen gehörten von Seiten der SED Otto Grotewohl und die Juristen Dr. Karl Polak und Dr. Karl Steinhoff, von der CDU Professor Hugo Hickmann und Georg Dertinger, von der LDP Johannes Dieckmann und der Jurist Dr. Hans Loch. Der Verfassungsausschuss bestimmte den SED-Ko-Vorsitzenden Otto Grotewohl zum Ausschussvorsitzenden, Stellvertreter wurde Dr. Reinhold Lobedanz von der CDU. Auf der 2. Sitzung des Verfassungsausschusses kooptierten die gewählten Mitglieder vier Experten, Juristen und Historiker in den Ausschuss hinzu – darunter Professor Dr. Peter Alfons Steiniger (SED), Dr. Dr. Helmut Brandt (CDU) und Dr. Karl Schultes (SED).
In zwölf Sitzungen erarbeiteten die Mitglieder des Verfassungsausschusses den Entwurf einer „Verfassung der deutschen demokratischen Republik“, der als Synthese aus der Weimarer Verfassung, dem SED-Verfassungsentwurf vom November 1946 und den fünf Landesverfassungen der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) angesehen werden konnte. Sowohl für die Einheitssozialisten wie für die Christdemokraten und Liberalen war der Verfassungsentwurf ein Kompromiss. Den SED-Politikern ging er in ihren sozialistisch-kommunistischen Vorstellungen nicht weit genug. Aber sie mussten die Vorgaben der sowjetischen Besatzungsmacht einhalten, die bürgerlichen Parteien in den Verfassungsgebungsprozess einzubinden und mit dem Verfassungsentwurf die gesamtdeutsche Propaganda zu unterstützen. Die CDU- und LDP-Politiker ihrerseits nahmen angesichts der politischen Machtverhältnisse große Abstriche an ihren verfassungsrechtlichen Überzeugungen in Kauf. Am 22. Oktober 1948 lag der vollständige Verfassungsentwurf dem „Deutschen Volksrat“ in Ost-Berlin vor und wurde im Auftrag der SED der Öffentlichkeit zur Verfassungsdiskussion übergeben.
Parallel zur Verfassungsdiskussion in der SBZ begannen in den drei westlichen Besatzungszonen die Beratungen des Parlamentarischen Rates über ein Grundgesetz für den westdeutschen Staat. Der Verfassungsausschuss in Ost-Berlin verfolgte die Beratungen des Parlamentarischen Rates in Bonn aufmerksam, nahm aber keine Anregungen aus diesen Diskussionen für die eigene Arbeit auf. Am 23. Mai 1949 nahm der Parlamentarische Rat das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ an. Zu diesem Zeitpunkt, im Mai 1949, wurde den Sowjets und der SED endgültig klar, dass die Verabschiedung des Grundgesetzes und die Bildung der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr aufzuhalten waren. Mit großem propagandistischem Aufwand hielten die SED und die anderen Blockparteien am 29./30. Mai 1949 den „Dritten Deutschen Volkskongress“ ab, der einen „Zweiten Deutschen Volksrat“ bestimmte. Dieser fasste den „Beschluss über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“. Damit war die Verfassung bestätigt, aber noch nicht in Kraft getreten.
Die Verfassung umfasste drei Hauptteile – A. Grundlagen der Staatsgewalt, B. Inhalt und Grenzen der Staatsgewalt und C. Aufbau der Staatsgewalt – mit insgesamt 144 Artikel. In der Verfassung bekannte man sich einleitend zur Einheit der Nation – Artikel 1: „Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik;“ –, zum Aufbau der Republik durch die Länder und zum Fundamentalsatz aller Demokratien – „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Alle gängigen Freiheits- und Grundrechte waren im Entwurf verankert. Sie wurden ergänzt durch soziale Rechte. Ein klarer Gleichheitsgrundsatz zwischen Mann und Frau wurde ausgesprochen, er erstreckte sich zudem auf die Gleichstellung der außerehelichen und ehelichen Mutter wie der Kinder. Im Abschnitt über die Wirtschaftsordnung wurden der Schutz des Eigentums und eine staatliche Wirtschaftslenkung kodifiziert. Alle Maßnahmen, die die Boden- und Industriereform in der SBZ gebracht hatten, waren im Verfassungsentwurf verankert worden. Der Verfassungsabschnitt über den Aufbau der Staatsgewalt erklärte das Parlament, die Volkskammer, „zum höchsten Organ der Staatsgewalt“. Sowohl Parteien wie auch Organisationen erhielten das Recht, Wahlvorschläge einzureichen. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit war nicht vorgesehen, wohl aber die Einrichtung eines Verfassungsausschusses des Parlaments.
Der Verfassungsentwurf beinhaltete die Rechte und die Stellung der Länderkammer, die in der Hauptsache ein aufschiebendes Einspruchsrecht bei Gesetzesvorlagen der Volkskammer ausüben konnte. Die Beziehungen der Zentralgewalt zu den Ländern wurden geregelt, die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Republik war im Vergleich zur konkurrierenden erweitert worden. Die Republik hatte zudem die Kompetenz-Kompetenz auf allen Gesetzgebungsgebieten lediglich mit der Einschränkung, dass sie sich bei ihrer Gesetzgebung auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränken soll, soweit dadurch dem Bedürfnis einer einheitlichen Regelung Genüge geschieht. Die Wahl des Staatsoberhauptes, des Präsidenten der Republik, sollte durch die Volks- und Länderkammer erfolgen. Seine Funktionen waren ausschließlich repräsentativer Art. Die Abschnitte zur Rechtspflege entsprachen rechtsstaatlichen Prinzipien. Neu waren die Regelungen zur Wahl und Absetzbarkeit der Richter.
Der Verfassung wurde folgende Präambel vorangestellt: „Von dem Willen erfüllt, die Freiheit und die Rechte des Menschen zu verbürgen, das Gemeinschafts- und Wirtschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu gestalten, dem gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen, die Freundschaft mit allen Völkern zu fördern und den Frieden zu sichern, hat sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben.“
Erst nachdem in den drei Westzonen im August 1949 Wahlen zum Deutschen Bundestag stattgefunden und sich die Bundesorgane (Bundesrat, Bundestag, Bundespräsident, Bundeskanzler) konstituiert hatten, erfolgte der „programmierte Nachvollzug“ der Gründung des ostdeutschen Teilstaats DDR. Die aus dem „Deutschen Volksrat“ hervorgegangene, nicht gewählte Provisorische Volkskammer verlieh am 7. Oktober 1949 der „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“ Rechtskraft. Mit dem Aussetzen von „allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen“ zur Volkskammer, die die Verfassung in Kraft setzen musste, sicherte sich die SED ihre Herrschaft. Dabei missachtete sie die Verfassungsartikel 51 bis 53, was einen eindeutigen Verfassungsbruch darstellte und ein Staatsstreich gegen die DDR-Verfassung war. Der DDR-Staat basierte von seiner Gründung an auf der prinzipiellen Missachtung des Volkswillens und breiter Teile seiner Verfassung.
In der DDR wurden die Verfahrensregeln aus dem organisatorischen Teil der Verfassung, wie die formellen Bestimmungen über die Volkskammer, die Länderkammer oder die Gesetzgebung, wirksames Verfassungsrecht. Des Weiteren wurden auch Teile materiellrechtlicher Vorschriften umgesetzt, z. B. die Abschnitte über die Gleichberechtigung der Frau, die Artikel über das Sozialversicherungs-, Schul- und Bildungswesen oder Bestimmungen über die Wirtschaftsordnung. Aber große und wichtige Teile der DDR-Verfassung traten nicht in Kraft. Das betraf alle Abschnitte, Artikel und Einzelbestimmungen, die die parlamentarisch-demokratischen und die rechtstaatlichen Elemente der Verfassung ausmachten. Dazu zählten u. a. die Grundsätze über die Wahlen und die Volkssouveränität, alle individuellen Schutz- und Freiheitsrechte sowie alle Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsgarantien.
Die historische Entstehung, die Arbeit der Hauptakteure im Prozess der Verfassungsschöpfung und die rechtshistorische, politische Auslegung der ersten DDR-Verfassung sind weitgehend erforscht und dokumentiert. Zuletzt kamen Forschungen über einzelne rechts- bzw. verfassungsgeschichtliche Verfassungsorgane – z. B. die „Länderkammer“ im Staatsgefüge der DDR – hinzu. Offen bleibt hingegen nach wie vor die Frage, warum die SED-Führung in den 40 Jahren ihrer Herrschaft viel politische Arbeit in die äußere Gestaltung von Verfassungsprinzipien, z. B. die regelmäßig stattfindenden Wahlen zur Volkskammer, und von Verfassungspropaganda investierte, aber in den wichtigsten Teilen die Verfassung immer missachtete.
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[…]
(1) Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.
(2) Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den Bestand und die Entwicklung des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit wesentlich sind; alle übrigen Angelegenheiten werden von den Ländern selbständig entschieden.
(3) Die Entscheidungen der Republik werden grundsätzlich von den Ländern ausgeführt.
(4) Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit.
(1) Die Farben der Deutschen Demokratischen Republik sind Schwarz-Rot-Gold.
(2) Die Hauptstadt der Republik ist Berlin.
(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
(2) Jeder Bürger hat das Recht und die Pflicht zur Mitgestaltung in seiner Gemeinde, seinem Kreise, seinem Lande und in der Deutschen Demokratischen Republik.
(3) Das Mitbestimmungsrecht der Bürger wird wahrgenommen durch:
Teilnahme an Volksbegehren und Volksentscheiden;
Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts;
Übernehme öffentlicher Ämter in Verwaltung und Rechtsprechung.
(4) Jeder Bürger hat das Recht, Eingaben an die Volksvertretung zu richten.
(5) Die Staatsgewalt muß dem Wohl des Volkes, der Freiheit, dem Frieden und dem demokratischen Fortschritt dienen.
(6) Die im öffentlichen Dienst Tätigen sind Diener der Gesamtheit und nicht einer Partei. Ihre Tätigkeit wird von der Volksvertretung überwacht.
(1) Alle Maßnahmen der Staatsgewalt müssen den Grundsätzen entsprechen, die in der Verfassung zum Inhalt der Staatsgewalt erklärt sind. Über die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen entscheidet die Volksvertretung gemäß Artikel 66 dieser Verfassung. Gegen Maßnahmen, die den Beschlüssen der Volksvertretung widersprechen, hat jedermann das Recht und die Pflicht zum Widerstand.
(2) Jeder Bürger ist verpflichtet, im Sinne der Verfassung zu handeln und sie gegen ihre Feinde zu verteidigen.
(1) Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts binden die Staatsgewalt und jeden Bürger.
(2) Die Aufrechterhaltung und Wahrung freundschaftlicher Beziehungen zu allen Völkern ist die Pflicht der Staatsgewalt.
(3) Kein Bürger darf an kriegerischen Handlungen teilnehmen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen.
(1) Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt.
(2) Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze.
(3) Wer wegen Begehung dieser Verbrechen bestraft ist, kann weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein. Er verliert das Recht, zu wählen und gewählt zu werden.
(1) Mann und Frau sind gleichberechtigt.
(2) Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.
(1) Persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis und das Recht, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen, sind gewährleistet. Die Staatsgewalt kann diese Freiheiten nur auf Grund der für alle Bürger geltenden Gesetze einschränken oder entziehen.
(1) Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Diese Freiheit wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.
(2) Eine Pressezensur findet nicht statt.
(1) Kein Bürger darf einer auswärtigen Macht ausgeliefert werden.
(2) Fremde Staatsbürger werden weder ausgeliefert noch ausgewiesen, wenn sie wegen ihres Kampfes für die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze im Ausland verfolgt werden.
(3) Jeder Bürger ist berechtigt, auszuwandern. Dieses Recht kann nur durch Gesetz der Republik beschränkt werden.
(1) Die fremdsprachigen Volksteile der Republik sind durch Gesetzgebung und Verwaltung in ihrer freien volkstümlichen Entwicklung zu fördern; sie dürfen insbesondere am Gebrauch ihrer Muttersprache im Unterricht, in der inneren Verwaltung und in der Rechtspflege nicht gehindert werden.
(1) Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden.
(1) Vereinigungen, die die demokratische Gestaltung des öffentlichen Lebens auf der Grundlage dieser Verfassung satzungsgemäß erstreben und deren Organe durch ihre Mitglieder bestimmt werden, sind berechtigt, Wahlvorschläge für die Volksvertretungen der Gemeinden, Kreise und Länder einzureichen.
(2) Wahlvorschläge für die Volkskammer dürfen nur die Vereinigungen aufstellen, die nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben und deren Organisation das ganze Staatsgebiet umfaßt.
(1) Das Recht Vereinigungen zur Förderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen anzugehören, ist für jedermann gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig und verboten.
(2) Das Streikrecht der Gewerkschaften ist gewährleistet.
(1) Die Arbeitskraft wird vom Staat geschützt.
(2) Das Recht auf Arbeit wird verbürgt. Der Staat sichert durch Wirtschaftslenkung jedem Bürger Arbeit und Lebensunterhalt. Soweit dem Bürger angemessenen Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.
(1) Jeder Arbeitende hat ein Recht auf Erholung, auf jährlichen Urlaub gegen Entgelt, auf Versorgung bei Krankheit und im Alter.
(2) Der Sonntag, die Feiertage und der 1. Mai sind Tage der Arbeitsruhe und stehen unter dem Schutz der Gesetze.
(3) Der Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der arbeitenden Bevölkerung, dem Schutze der Mutterschaft und der Versorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und sonstigen Wechselfällen des Lebens dient ein einheitliches, umfassendes Sozialversicherungswesen auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten.
(1) Die Regelung der Produktion sowie der Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben erfolgt unter maßgeblicher Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten.
(2) Die Arbeiter und Angestellten nehmen diese Rechte durch Gewerkschaften und Betriebsräte wahr.
(1) Die Republik schafft unter maßgeblicher Mitbestimmung der Werktätigen ein einheitliches Arbeitsrecht, eine einheitliche Arbeitsgerichtsbarkeit und einen einheitlichen Arbeitsschutz.
(2) Die Arbeitsbedingungen müssen so beschaffen sein, daß die Gesundheit, die kulturellen Ansprüche und das Familienleben der Werktätigen gesichert sind.
(3) Das Arbeitsentgelt muß der Leistung entsprechen und ein menschenwürdiges Dasein für den Arbeitenden und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen gewährleisten.
(4) Mann und Frau, Erwachsener und Jugendlicher haben bei gleicher Arbeit das Recht auf gleichen Lohn.
(5) Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis. Durch Gesetz der Republik werden Einrichtungen geschaffen, die es gewährleisten, daß die Frau ihre Aufgabe als Bürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann.
(6) Die Jugend wird gegen Ausbeutung geschützt und vor sittlicher, körperlicher und geistiger Verwahrlosung bewahrt. Kinderarbeit ist verboten.
(1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit entsprechen; sie muß allen ein menschenwürdiges Dasein sichern.
(2) Die Wirtschaft hat dem Wohle des ganzen Volkes und der Deckung seines Bedarfes zu dienen; sie hat jedermann einen seiner Leistung entsprechenden Anteil an dem Ergebnis der Produktion zu sichern.
(3) Im Rahmen dieser Aufgaben und Ziele ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu gewährleisten.
(1) Bauern, Handel- und Gewerbetreibende sind in der Entfaltung ihrer privaten Initiative zu unterstützen. Die genossenschaftliche Selbsthilfe ist auszubauen.
(1) Zur Sicherung der Lebensgrundlage und zur Steigerung des Wohlstandes seiner Bürger stellt der Staat durch die gesetzgebenden Organe, unter unmittelbarer Mitwirkung seiner Bürger, den öffentlichen Wirtschaftsplan auf. Die Überwachung seiner Durchführung ist Aufgabe der Volksvertretungen.
(1) Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen und den sozialen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft.
(2) Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet. Der Anteil des Staates am Erbe wird durch Gesetz bestimmt.
(3) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießen den Schutz, die Förderung und die Fürsorge der Republik.
(1) Beschränkungen des Eigentums und Enteignungen können nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgen gegen angemessene Entschädigung soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gesetzen offenzuhalten, soweit ein Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.
(2) Der Mißbrauch des Eigentums durch Begründung wirtschaftlicher Machtstellung zum Schaden des Gemeinwohls hat die entschädigungslose Enteignung und Überführung in das Eigentum des Volkes zur Folge.
(3) Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten sind enteignet und gehen in Volkseigentum über. Das gleiche gilt für private Unternehmungen, die sich in den Dienst einer Kriegspolitik stellen.
(4) Alle privaten Monopolorganisationen, wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Trusts und ähnliche auf Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung gerichtete private Organisationen sind aufgehoben und verboten.
(5) Der private Großgrundbesitz, der mehr als 100 Hektar umfaßt, ist aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt.
(6) Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das Privateigentum an ihrem Boden gewährleistet.
(1) Alle Bodenschätze, alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte sowie die zu ihrer Nutzbarmachung bestimmten Betriebe des Bergbaues, der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind in Volkseigentum zu überführen.
(2) Bis dahin untersteht ihre Nutzung der Aufsicht der Länder und, soweit gesamtdeutsche Interessen in Frage kommen, der Aufsicht der Republik.
(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird überwacht und jeder Mißbrauch verhütet. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne Arbeits- und Kapitalaufwendung für das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen.
(2) Jedem Bürger und jder [sic] Familie ist eine gesunde und ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu sichern. Opfer des Faschismus, Schwer-Körperbehinderte, Kriegsgeschädigte und Umsiedler sind dabei bevorzugt zu berücksichtigen.
(3) Die Erhaltung und Förderung der Ertragssicherheit der Landwirtschaft wird auch durch Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege gewährleistet.
(1) Private wirtschaftliche Unternehmungen, die für die Vergesellschaftung geeignet sind, können durch Gesetz nach den für die Enteignung geltenden Bestimmungen in Gemeineigentum überführt werden.
(2) Auf Grund eines Gesetzes kann der Republik, den Ländern, den Kreisen oder Gemeinden durch Beteiligung an der Verwaltung oder in anderer Weise ein bestimmender Einfluß auf Unternehmungen oder Verbände gesichert werden.
(3) Durch Gesetz können wirtschaftliche Unternehmungen und Verbände auf der Grundlage der Selbstverwaltung zusammengeschlossen werden, um die Mitwirkung aller schaffenden Volksteile zu sichern, Arbeiter und Unternehmer an der Verwaltung zu beteiligen und Erzeugung, Herstellung, Verteilung, Verwendung, Preisgestaltung sowie Ein- und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu regeln.
(4) Die Konsum-, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie die landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Vereinigungen sind unter Berücksichtigung ihrer Verfassung und Eigenart in die Glossar:Gemeinwirtschaft einzugliedern.
(1) Die Veräußerung und Belastung von Grundbesitz, Produktionsstätten und Beteiligungen, die sich im Eigentum des Volkes befinden, bedürfen der Zustimmung der für ihren Rechtsträger zuständigen Volksvertretung. Diese Zustimmung kann nur mit zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl erteilt werden.
(1) Das Vermögen und das Einkommen werden progressiv nach sozialen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der familiären Lasten besteuert.
(2) Bei der Besteuerung ist auf erarbeitetes Vermögen und Einkommen besonders Rücksicht zu nehmen.
(1) Ehe und Familie bilden die Grundlage des Gemeinschaftslebens. Sie stehen unter dem Schutz des Staates.
(2) Gesetze und Bestimmungen, die die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Familie beeinträchtigen, sind aufgehoben.
(1) Die Erziehung der Kinder zu geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie ist das natürliche Recht der Eltern und deren oberste Pflicht gegenüber der Gesellschaft.
(1) Die Frau hat während der Mutterschaft Anspruch auf besonderen Schutz und Fürsorge des Staates.
(2) Die Republik erläßt ein Mutterschaftsgesetz. Einrichtungen zum Schutz für Mutter und Kind sind zu schaffen.
(1) Außereheliche Geburt darf weder dem Kinde noch seinen Eltern zum Nachteil gereichen.
(2) Entgegenstehende Gesetze und Bestimmungen sind aufgehoben.
(1) Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.
(2) Der Staat nimmt an ihrer Pflege teil und gewährt ihnen Schutz, insbesondere gegen den Mißbrauch für Zwecke, die den Bestimmungen und dem Geist der Verfassung widersprechen.
(1) Jeder Bürger hat das gleiche Recht auf Bildung und auf freie Wahl seines Berufes.
(2) Die Bildung der Jugend sowie die geistige und fachliche Weiterbildung der Bürger werden auf allen Gebieten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens durch die öffentlichen Einrichtungen gesichert.
(1) Die Einrichtungen des öffentlichen Schulwesens und die Durchführung des Schulunterrichtes obliegen den Ländern. Die Republik erläßt hierzu einheitliche gesetzliche Grundbestimmungen. Die Republik kann selbst öffentliche Schuleinrichtungen schaffen.
(2) Für die Ausbildung der Lehrer erläßt die Republik einheitliche Bestimmungen. Die Ausbildung erfolgt an Universitäten oder an ihnen gleichgestellten Hochschulen.
(1) Die Schule erzieht die Jugend im Geiste der Verfassung zu selbständig denkenden, verantwortungsbewußt handelnden Menschen, die fähig und bereit sind, sich in das Leben der Gemeinschaft einzuordnen.
(2) Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und einer echten Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen.
(3) Die Eltern wirken bei der Schulerziehung ihrer Kinder durch Elternbeiräte mit.
(1) Allgemeine Schulpflicht besteht bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Nach Beendigung der für alle Kinder obligatorischen Grundschule erfolgt die Weiterbildung in der Berufsschule oder Fachschule, in der Oberschule und anderen öffentlichen Bildungseinrichtungen. Der Besuch der Berufsschule ist Pflicht aller Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahre, wenn sie keine andere Schule besuchen. Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen sind unzulässig.
(2) Die Berufs- und Fachschulen dienen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung.
(3) Die Oberschule bereitet für die Hochschule vor. Der Weg zur Hochschule führt jedoch nicht nur über die Oberschule, sondern auch über andere öffentliche Bildungsanstalten, die zu diesem Zweck auszubauen oder zu schaffen sind.
(4) Allen Bürgern ist durch Vorstudienanstalten der Besuch der Hochschule zu ermöglichen.
(5) Den Angehörigen aller Schichten des Volkes wird die Möglichkeit gegeben, ohne Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit Kenntnisse in Volkshochschulen zu erwerben.
(1) Jedem Kind muß die Möglichkeit zur allseitigen Entfaltung seiner körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte gegeben werden. Der Bildungsgang der Jugend darf nicht abhängig sein von der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Elternhauses. Vielmehr ist Kindern, die durch soziale Verhältnisse benachteiligt sind, besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Besuch der Fachschule, der Oberschule und der Hochschule ist Begabten aus allen Schichten des Volkes zu ermöglichen.
(2) Es besteht Schulgeldfreiheit. Die Lernmittel an den Pflichtschulen sind unentgeltlich. Der Besuch der Fachschule, Oberschule und Hochschule wird im Bedarfsfalle durch Unterhaltsbeihilfen und andere Maßnahmen gefördert.
(1) Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. Die Ausübung des Rechtes wird gewährleistet.
(1) Jeder Bürger genießt volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung steht unter dem Schutz der Republik.
(2) Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten.
(1) Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt.
(2) Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die Zulassung zum öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.
(1) Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet.
(2) Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze.
(3) Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie es bisher waren. Andere Religionsgemeinschaften erhalten auf ihren Antrag gleiche Rechte, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
(4) Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu erheben.
(5) Religionsgemeinschaften werden Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.
(1) Das Recht der Kirche auf Erteilung von Religionsunterricht in den Räumen der Schule ist gewährleistet. Der Religionsunterricht wird von den durch die Kirche ausgewählten Kräften erteilt. Niemand darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen die Erziehungsberechtigten.
(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch Gesetz abgelöst.
(2) Das Eigentum sowie andere Rechte der Religionsgemeinschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen wird gewährleistet.
(1) Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen. Niemand darf zur Teilnahme an solchen Handlungen gezwungen werden.
(1) Wer aus einer Religionsgesellschaft öffentlichen Rechtes mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.
(1) Die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Religionsgemeinschaft steht bis zu deren vollendetem vierzehnten Lebensjahr den Erziehungsberechtigten zu. Von da ab entscheidet das Kind selbst über seine Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.
(1) Soweit diese Verfassung die Beschränkung eines der vorstehenden Grundrechte durch Gesetz zuläßt oder die nähere Ausgestaltung einem Gesetz vorbehält, muß das Grundrecht als solches unangetastet bleiben.
(1) Höchstes Organ der Republik ist die Volkskammer.
(1) Die Volkskammer besteht aus den Abgeordneten des deutschen Volkes.
(2) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes auf die Dauer von vier Jahren gewählt.
(3) Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.
(1) Wahlberechtigt sind alle Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Wählbar ist jeder Bürger, der das 21. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Die Volkskammer besteht aus 400 Abgeordneten. Das Nähere bestimmt ein Wahlgesetz.
(1) Wahlvorschläge zur Volkskammer können nur von solchen Vereinigungen eingereicht werden, die den Voraussetzungen des Artikel 13 Abs. 2 entsprechen.
(2) Näheres wird durch ein Gesetz der Republik bestimmt.
(1) Die Wahl findet an einem Sonntag oder gesetzlichen Feiertag statt. Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis werden gewährleistet.
(1) Die Volkskammer tritt spätestens am 30. Tage nach der Wahl zusammen, falls sie nicht vom bisherigen Präsidium früher einberufen wird.
(2) Der Präsident muß die Volkskammer einberufen, wenn die Regierung oder mindestens ein Fünftel der Abgeordneten der Volkskammer es verlangen.
(1) Spätestens am 60. Tage nach Ablauf der Wahlperiode oder am 45. Tage nach Auflösung der Volkskammer muß deren Neuwahl stattfinden.
(2) Vor Ablauf der Wahlperiode findet eine Auflösung der Volkskammer, abgesehen von dem Fall des Artikels 95 Abs. 6, nur durch eigenen Beschluß oder Volksentscheid statt.
(3) Die Auflösung der Volkskammer durch eigenen Beschluß bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten.
(1) Die Volkskammer wählt bei ihrem ersten Zusammentritt das Präsidium und gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2) In dem Präsidium ist jede Fraktion vertreten, soweit sie mindestens 40 Mitglieder hat.
(3) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern.
(4) Der Präsident führt die Geschäfte des Präsidiums und leitet die Verhandlungen der Volkskammer. Er übt das Hausrecht in der Volkskammer aus.
(1) Die Beschlüsse des Präsidiums werden mit Stimmenmehrheit gefaßt.
(2) Das Präsidium ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist.
(3) Auf Beschluß des Präsidiums beruft der geschäftsführende Präsident die Volkskammer ein; er beraumt den Termin für Neuwahlen an.
(4) Das Präsidium führt seine Geschäfte fort bis zum Zusammentritt der neuen Volkskammer.
(1) Die Volkskammer prüft das Recht der Mitgliedschaft und entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen.
(1) Die Volkskammer bestellt für die Zeit, in der sie nicht versammelt ist, und nach Beendigung einer Wahlperiode oder nach der Auflösung der Volkskammer drei ständige Ausschüsse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben, und zwar:
einen Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten,
einen Ausschuß für Wirtschafts- und Finanzfragen,
einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten.
(2) Diese Ausschüsse haben die Rechte von Untersuchungsausschüssen.
(1) Die Volkskammer faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit, soweit nicht in dieser Verfassung etwas anderes bestimmt ist.
(2) Sie ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.
(1) Die Verhandlungen der Volkskammer und ihrer Ausschüsse sind öffentlich. Ein Ausschluß der Öffentlichkeit findet in der Volkskammer auf Verlangen von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten statt; in den Ausschüssen ist die Mehrheit der Mitglieder notwendig.
(2) Für wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen der Volkskammer oder ihrer Ausschüsse kann niemand zur Verantwortung gezogen werden.
(1) Zur Zuständigkeit der Volkskammer gehören:
die Bestimmung der Grundsätze der Regierungspolitik und ihrer Durchführung;
die Bestätigung, Überwachung und Abberufung der Regierung;
die Bestimmung der Grundsätze der Verwaltung und die Überwachung der gesamten Tätigkeit des Staates;
das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht ein Volksentscheid stattfindet;
die Beschlußfassung über den Staatshaushalt, den Wirtschaftsplan, Anleihen und Staatskredite der Republik und die Zustimmung zu Staatsverträgen;
der Erlaß von Amnestien;
die Wahl des Präsidenten der Republik gemeinsam mit der Länderkammer;
die Wahl der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes der Republik und des Obersten Staatsanwaltes der Republik sowie deren Abberufung.
(1) Die Volkskammer und jeder ihrer Ausschüsse können die Anwesenheit des Ministerpräsidenten, jedes Ministers, ihrer ständigen Vertreter und der Leiter der Verwaltungen der Republik zum Zwecke der Erteilung von Auskünften verlangen. Die Mitglieder der Regierung und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen der Volkskammer und ihrer Ausschüsse jederzeit Zutritt.
(2) Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsvertreter während der Beratung auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden.
(3) Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Präsidenten.
(1) Zur Überwachung der Tätigkeit der Staatsorgane hat die Volkskammer das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich halten. Sie könne zu diesem Zweck Beauftragte entsenden.
(2) Die Gerichte und die Verwaltungen sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse oder ihrer Beauftragten um Beweiserhebung Folge zu leisten und ihre Akten auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen.
(3) Für die Beweiserhebung der Untersuchungsausschüsse finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung.
(1) Die Volkskammer bildet für die Dauer der Wahlperiode einen Verfassungsausschuß, in dem alle Fraktionen entsprechend ihrer Stärke vertreten sind. Dem Verfassungsausschuß gehören ferner drei Mitglieder des Obersten Gerichtshofes der Republik sowie drei deutsche Staatsrechtslehrer an, die nicht Mitglieder der Volkskammer sein dürfen.
(2) Die Mitglieder des Verfassungsausschusses werden von der Volkskammer gewählt.
(3) Der Verfassungsausschuß prüft die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen der Republik.
(4) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen der Republik können nur von mindestens einem Drittel der Mitglieder der Volkskammer, von deren Präsidium, vom dem Präsidenten der Republik, von der Regierung der Republik, sowie von der Länderkammer geltend gemacht werden.
(5) Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern sowie die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit den Gesetzen der Republik prüft der Verfassungsausschuß unter Hinzuziehung von drei gewählten Vertretern der Länderkammer.
(6) Über das Gutachten des Verfassungsausschusses entscheidet die Volkskammer. Ihre Entscheidung ist für jedermann verbindlich.
(7) Die Volkskammer beschließt auch über den Vollzug ihrer Entscheidung.
(8) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen ist Aufgabe der Volkskammer in Durchführung der ihr übertragenen Verwaltungskontrolle.
(1) Kein Abgeordneter der Volkskammer darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner Abgeordnetentätigkeit getanenen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für Verleumdungen im Sinne des Strafgesetzbuches, wenn sie als solche von einem Untersuchungsausschuß der Volkskammer festgestellt worden sind.
(2) Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Strafverfolgungen sind gegen Abgeordnete nur mit Einwilligung der Volkskammer zulässig.
(3) Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten der Volkskammer und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Hauses, dem der Abgeordnete angehört, für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
(4) Die Abgeordneten der Volkskammer sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauen oder denen sie in Ausübung ihres Abgeordnetenberufes solche Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen selbst die Aussage zu verweigern. Auch wegen der Beschlagnahme von Schriftstücken stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben.
(5) Eine Untersuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen der Volkskammer nur mit Zustimmung des Präsidiums vorgenommen werden.
(1) Abgeordnete der Volkskammer bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit keines Urlaubs.
(2) Bewerbern um einen Sitz in der Volkskammer ist der zur Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.
(3) Gehalt und Lohn sind weiterzuzahlen.
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer erhalten eine steuerfreie Aufwandsentschädigung.
(2) Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig.
(3) Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung ist nicht übertragbar und nicht pfändbar.
(1) Die Abgeordneten haben das Recht zur freien Fahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln.
(1) Zur Vertretung der deutschen Länder wird eine Länderkammer gebildet. In der Länderkammer hat jedes Land für je 500 000 Einwohner einen Abgeordneten. Jedes Land hat mindestens einen Abgeordneten.
(1) Die Abgeordneten der Länderkammer werden von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages gewählt. Die Abgeordneten der Länderkammer sollen in der Regel Mitglieder des Landtages sein.
(2) Die Landtage stellen den Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten fest. Die Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten bleiben hierdurch unberührt.
(1) Die Länderkammer wählt ihr Präsidium und gibt sich eine Geschäftsordnung. Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern.
(1) Die Länderkammer wird von dem Präsidenten einberufen, sobald dies zur Erledigung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(2) Die Länderkammer wird fernerhin einberufen, wenn ein Fünftel ihrer Mitglieder es verlangt.
(1) Die Sitzungen der Länderkammer sind öffentlich. Nach Maßgabe der Geschäftsordnung kann die Öffentlichkeit für einzelne Beratungsgegenstände ausgeschlossen werden.
(1) Bei der Abstimmung in der Länderkammer entscheidet die einfache Stimmenmehrheit, soweit nicht diese Verfassung andere Bestimmungen enthält.
(1) Die Länderkammer kann die erforderlichen Ausschüsse nach Maßgabe der Geschäftsordnung bilden.
(1) Die Länderkammer hat das Recht, Gesetzesvorlagen bei der Volkskammer einzubringen. Sie hat ein Einspruchsrecht bei der Gesetzgebung nach Maßgabe des Artikel 84 der Verfassung.
(1) Die Mitglieder der Regierung der Republik und der Landesregierungen haben das Recht und auf Verlangen der Länderkammer die Pflicht, an den Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen auf ihr Verlangen zu dem zur Verhandlung stehenden Gegenstand jederzeit gehört werden.
(2) Die Volkskammer kann bei besonderem Anlaß Abgeordnete aus ihrer Mitte beauftragen, die Meinung der Volkskammer in der Länderkammer darzulegen; das gleiche Recht steht der Länderkammer zur Darlegung ihrer Meinung in der Volkskammer zu. Die Länderkammer kann gegebenenfalls Mitglieder der Landesregierungen beauftragen, den Standpunkt ihrer Regierung in der Volkskammer darzulegen.
(1) Die Artikel 67 ff dieser Verfassung über die Rechte der Abgeordneten der Volkskammer gelten entsprechend für die Abgeordneten der Länderkammer.
(1) Die Gesetze werden von der Volkskammer oder unmittelbar vom Volke durch Volksentscheid beschlossen.
(1) Die Gesetzesvorlagen werden von der Regierung, von der Länderkammer oder aus der Mitte der Volkskammer eingebracht. Über die Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt.
(1) Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden.
(2) Beschlüsse der Volkskammer auf Abänderung der Verfassung kommen nur zustande, wenn zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sind und wenn wenigstens zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten zustimmen.
(3) Soll durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.
(1) Gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer steht der Länderkammer ein Einspruchsrecht zu. Der Einspruch muß innerhalb von zwei Wochen nach der Schlußabstimmung in der Volkskammer eingebracht und spätestens innerhalb zweier weiterer Wochen mit Gründen versehen werden. Anderenfalls wird angenommen, daß die Länderkammer von ihrem Einspruchsrecht keinen Gebrauch macht.
(2) Der Einspruch wird hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluß nach erneuter Beratung aufrechterhält.
(3) Wurde der Einspruch der Länderkammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten beschlossen, so wird er nur dann hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluß mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten aufrechterhält.
(4) Richtet sich der Einspruch der Länderkammer gegen einen verfassungsändernden Gesetzesbeschluß der Volkskammer, so bedarf die Beschlußfassung über den Einspruch in der Länderkammer bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden.
(5) Der Einspruch wird hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluß mit der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit ihrer Abgeordneten aufrechterhält.
(1) Der Präsident der Volkskammer hat die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze innerhalb eines Monats auszufertigen. Sie werden vom Präsidenten der Republik unverzüglich im Gesetzblatt der Republik verkündet.
(2) Die Ausfertigung und Verkündung findet nicht statt, wenn innerhalb Monatsfrist die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gemäß Artikel 66 festgestellt worden ist.
(3) Gesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, am 14. Tage nach der Verkündung in Kraft.
(1) Die Ausfertigung und Verkündung eines Gesetzes ist um zwei Monate auszusetzen, wenn es ein Drittel der Abgeordneten der Volkskammer verlangt.
(2) Das Gesetz ist nach Ablauf dieser Frist auszufertigen und zu verkünden, falls nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid gegen den Erlaß des Gesetzes durchgeführt ist.
(3) Gesetze, die die Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer für dringlich erklärt, müssen ungeachtet dieses Verlangens ausgefertigt und verkündet werden.
(1) Ein Gesetz, dessen Verkündung auf Antrag von mindestens einem Drittel der Abgeordneten der Volkskammer ausgesetzt ist, ist dem Volksentscheid zu unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es beantragt.
(2) Ein Volksentscheid ist ferner herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten oder wenn anerkannte Parteien oder Massenorganisationen, die glaubhaft machen, daß sie ein Fünftel der Stimmberechtigten vertreten, es beantragen (Volksbegehren).
(3) Dem Volksbegehren ist ein Gesetzentwurf zugrunde zu legen. Er ist von der Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme der Volkskammer zu unterbreiten.
(4) Der Volksentscheid findet nur statt, wenn das begehrte Gesetz nicht in der Volkskammer in einer Fassung angenommen wird, mit der die Antragsteller oder ihre Vertretungen einverstanden sind.
(5) Über den Haushaltsplan, über die Abgabengesetze und die Besoldungsordnungen findet kein Volksentscheid statt.
(6) Das dem Volksentscheid unterbreitete Gesetz ist angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat.
(7) Das Verfahren beim Volksbegehren und Volksentscheid regelt ein besonderes Gesetz.
(1) Der Haushaltsplan und der Wirtschaftsplan werden durch Gesetz beschlossen.
(2) Amnestien bedürfen eines Gesetzes.
(3) Staatsverträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, sind wie Gesetze zu verkünden.
(1) Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind von den Richtern auf ihre Verfassungsmäßigkeit nicht zu prüfen.
(2) Nach Einleitung des in Artikel 66 vorgesehenen Prüfungsverfahrens sind bis zu dessen Erledigung anhängige gerichtliche Verfahren auszusetzen.
(1) Die zur Ausführung der Gesetze der Republik erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften werden, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, von der Regierung der Republik erlassen.
(1) Die Regierung der Republik besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern.
(1) Die stärkste Fraktion der Volkskammer benennt den Ministerpräsidenten; er bildet die Regierung. Alle Fraktionen, soweit sie mindestens 40 Mitglieder haben, sind im Verhältnis ihrer Stärke durch Minister oder Staatssekretäre vertreten. Staatssekretäre nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen der Regierung teil.
(2) Schließt sich eine Fraktion aus, so findet die Regierungsbildung ohne sie statt.
(3) Die Minister sollen Abgeordnete der Volkskammer sein.
(4) Die Volkskammer bestätigt die Regierung und billigt das von ihr vorgelegte Programm.
(1) Die Mitglieder der Regierung werden bei ihrem Amtsantritt vom Präsidenten der Republik eidlich verpflichtet, ihre Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen.
(1) Die Tätigkeit der Regierung in ihrer Gesamtheit endet mit der Annahme eines Mißtrauensantrages durch die Volkskammer.
(2) Der Mißtrauensantrag kommt nur zur Abstimmung, wenn gleichzeitig mit ihm der neue Ministerpräsident und die von ihm zu befolgenden Grundsätze der Politik vorgeschlagen werden. Über den Mißtrauensantrag und diese Vorschläge wird in ein und derselben Abstimmungshandlung entschieden.
(3) Der Beschluß auf Entziehung des Vertrauens ist nur wirksam, wenn ihm mindestens die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl der Abgeordneten zustimmt.
(4) Der Antrag auf Herbeiführung eines solchen Beschlusses muß von mindestens einem Viertel der Mitglieder der Volkskammer unterzeichnet sein. Über den Antrag darf frühestens am zweiten Tage nach seiner Verhandlung abgestimmt werden. Der Antrag muß innerhalb einer Woche nach seiner Einbringung erledigt werden.
(5) Tritt die neue Regierung ihr Amt nicht innerhalb von 21 Tagen nach der Annahme des Mißtrauensantrages an, so wird der Mißtrauensantrag unwirksam.
(6) Wird der neuen Regierung das Mißtrauen ausgesprochen, so gilt die Volkskammer als aufgelöst.
(7) Bis zum Amtsantritt der neuen Regierung werden die Geschäfte von der bisherigen Regierung weitergeführt.
(1) Ein Regierungsmitglied, dem durch Beschluß der Volkskammer das Vertrauen entzogen wird, muß zurücktreten. Die Geschäfte sind bis zum Amtsantritt des Nachfolgers fortzuführen, sofern nicht die Volkskammer etwas anderes beschließt.
(2) Die Bestimmungen des Artikels 95 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung.
(3) Jedes Regierungsmitglied kann jederzeit den Rücktritt erklären. Sein Geschäftsbereich wird bis zur Bestellung des Nachfolgers von seinem Stellvertreter wahrgenommen, es sei denn, daß die Volkskammer etwas anderes beschließt.
(1) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte nach einer Geschäftsordnung, die von der Regierung zu beschließen und der Volkskammer mitzuteilen ist.
(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik nach Maßgabe der von der Volkskammer aufgestellten Grundsätze. Er ist dafür der Volkskammer verantwortlich.
(2) Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig unter eigener Verantwortung gegenüber der Volkskammer.
(1) Die Minister haben der Regierung alle Gesetzentwürfe, ferner Angelegenheiten, für welche die Verfassung oder das Gesetz es vorschreiben, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.
(1) Die Regierung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
(1) Der Präsident der Republik wird in gemeinsamer Sitzung von Volkskammer und Länderkammer auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Die gemeinsame Sitzung wird vom Präsidenten der Volkskammer einberufen und geleitet.
(2) Wählbar ist jeder Bürger nach Vollendung des 35. Lebensjahres.
(1) Der Präsident der Republik leistet bei seinem Amtsantritt in gemeinsamer Sitzung der Volkskammer und der Länderkammer folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, die Verfassung und die Gesetze der Republik wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."
(1) Der Präsident der Republik kann durch gemeinsamen Beschluß der Volkskammer und Länderkammer abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten.
(1) Der Präsident der Republik verkündet die Gesetze der Republik.
(2) Er verpflichtet die Regierungsmitglieder bei ihrem Amtsantritt.
(1) Der Präsident der Republik vertritt die Republik völkerrechtlich.
(2) Er schließt im Namen der Republik Staatsverträge mit auswärtigen Mächten ab und unterzeichnet sie.
(3) Er beglaubigt und empfängt die Botschafter und Gesandten.
(1) Alle Anordnungen und Verfügungen des Präsidenten der Republik bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Ministerpräsidenten oder den zuständigen Minister.
(1) Der Präsident übt für die Republik das Begnadigungsrecht aus, wobei er von einem Ausschuß der Volkskammer beraten wird.
(1) Der Präsident der Republik wird im Falle seiner Verhinderung zunächst durch den Präsidenten der Volkskammer vertreten. Dauert die Behinderung des Präsidenten der Republik voraussichtlich längere Zeit, so ist die Vertretung durch Gesetz zu regeln.
(2) Das gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentenschaft bis zur Neuwahl des Präsidenten.
(1) Jedes Land muß eine Verfassung haben, die mit den Grundsätzen der Verfassung der Republik übereinstimmt. Der Landtag ist die höchste und alleinige Volksvertretung des Landes.
(2) Die Volksvertretung muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von allen wahlberechtigten Bürgern nach den im Wahlgesetz für die Republik niedergelegten Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt werden.
(1) Die Änderung des Gebiets des Landes und die Neubildung von Ländern innerhalb der Republik erfolgt durch verfassungsänderndes Gesetz der Republik.
(2) Stimmen die unmittelbar beteiligten Länder zu, so bedarf es nur eines einfachen Gesetzes.
(3) Ein einfaches Gesetz genügt ferner, wenn eines der beteiligten Länder nicht zustimmt, die Gebietsänderung oder die Neubildung aber durch Abstimmung der Bevölkerung der betreffenden Gebiete gefordert wird.
(1) Die Republik kann auf allen Sachgebieten einheitliche Gesetze erlassen. Sie soll sich jedoch bei ihrer Gesetzgebung auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränken, soweit hierdurch dem Bedürfnis einheitlicher Regelung Genüge geschieht.
(2) Soweit die Republik von ihrem Recht zur Gesetzgebung keinen Gebrauch macht, haben die Länder das Recht der Gesetzgebung.
(1) Die Republik hat das Recht der ausschließlichen Gesetzgebung über:
die auswärtigen Beziehungen;
den Außenhandel;
das Zollwesen,
sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes und die Freizügigkeit des Warenverkehrs;
die Staatsangehörigkeit, die Freizügigkeit, die Ein- und Auswanderung, die Auslieferung und das Paß- und Fremdenrecht;
das Personenstandsrecht;
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung und das Gerichtsverfahren;
das Arbeitsrecht;
den Verkehr;
das Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesen;
das Film- und Pressewesen;
das Währungs- und Münzwesen, Maß-, Gewichts- und Eichwesen;
die Sozialversicherung;
die Kriegsschäden- und Besatzungskosten und die Wiedergutmachungsleistungen.
(1) Bei der Gesetzgebung auf dem Gebiete des Finanz- und Steuerwesens muß die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Länder, der Kreise und Gemeinden gewährleistet sein.
(1) Gesamtdeutsches Recht geht dem Recht der Länder vor.
(1) Die Gesetze der Republik werden grundsätzlich durch die Organe der Länder ausgeführt, soweit nicht in dieser Verfassung oder in den Gesetzen etwas anderes bestimmt ist. Soweit ein Bedürfnis dazu besteht, errichtet die Republik durch Gesetz eigene Verwaltungen.
(1) Die Regierung der Republik übt die Aufsicht in den Angelegenheiten aus, in denen der Republik das Recht der Gesetzgebung zusteht.
(2) Soweit die Gesetze der Republik nicht von den Verwaltungen der Republik ausgeführt werden, kann die Regierung der Republik allgemeine Anweisungen erlassen. Sie ist ermächtigt, zur Überwachung der Ausführung dieser Gesetze und Anweisungen Beauftragte zu den ausführenden Verwaltungen zu entsenden. Für die Rechte dieser Beauftragten gilt der Artikel 65 entsprechend.
(3) Die Landesregierungen sind verpflichtet, auf Ersuchen der Republik Mängel, die bei der Ausführung der Gesetze der Republik hervorgetreten sind, zu beseitigen.
(4) Hieraus entstehende Streitigkeiten werden in dem unter Artikel 66 Abs. 5 vorgeschriebenen Verfahren geprüft und entschieden.
(1) Die Pflege der auswärtigen Beziehungen ist ausschließliche Sache der Republik.
(2) In Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetzgebung zusteht, können die Länder mit auswärtigen Staaten Verträge schließen; die Verträge bedürfen der Zustimmung der Volkskammer.
(3) Vereinbarungen mit fremden Staaten über Veränderungen der Grenzen der Republik werden nach Zustimmung des beteiligten Landes durch die Republik abgeschlossen. Die Grenzveränderungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes der Republik erfolgen, soweit es sich nicht um bloße Berichtigung der Grenzen unbewohnter Gebietsteile handelt.
(1) Deutschland bildet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze.
(2) Fremde Staaten oder Gebietsteile können durch Staatsverträge oder Übereinkommen dem deutschen Zollgebiet angeschlossen werden. Aus dem deutschen Zollgebiet können durch Gesetz Teile ausgeschlossen werden.
(3) Alle Waren, die sich im freien Verkehr im deutschen Zollgebiet befinden, dürfen innerhalb des Zollgebietes über die Grenzen der deutschen Länder und Gemeinden sowie der gemäß Absatz 2 angeschlossenen fremden Staatsgebiete oder Gebietsteile frei ein- und durchgeführt werden.
(1) Die Zölle und die durch Gesetz der Republik geregelten Steuern werden durch die Republik verwaltet.
(2) Die Abgabenhoheit steht grundsätzlich der Republik zu.
(3) Die Republik soll Abgaben nur insoweit erheben, als es zur Deckung ihres eigenen Bedarfs erforderlich ist.
(4) Die Republik errichtet eine eigene Abgabenverwaltung. Dabei sind Einrichtungen vorzusehen, die den Ländern die Wahrung besonderer Landesinteressen auf den Gebieten der Landwirtschaft, des Handels, des Gewerbes und der Industrie ermöglichen.
(5) Soweit es die einheitliche und gleichmäßige Durchführung der Abgabengesetze der Republik erfordert, trifft die Republik durch Gesetz Vorschriften über die Einrichtung der Abgabenverwaltung der Länder, über die Einrichtung und Befugnisse der mit der Beaufsichtigung der Ausführung der Abgabengesetze der Republik betrauten Behörden, über die Abrechnung mit den Ländern und die Vergütung der Verwaltungskosten bei Ausführung der Abgabengesetze der Republik.
(1) Abgaben und Steuern dürfen nur auf Grund gesetzlicher Regelung erhoben werden.
(2) Vermögens-, Einkommen- und Verbrauchssteuern sind in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu halten und nach sozialen Gesichtpunkten zu staffeln.
(3) Durch eine starke Staffelung der Erbschaftssteuer soll die Bildung volksschädlicher Vermögenshäufung verhindert werden.
(1) Die Einnahmen und Ausgaben der Republik müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden. Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz festgestellt.
(1) Über die Einnahmen der Republik und ihre Verwendung legt der Finanzminister der Volkskammer zur Entlastung der Regierung Rechnung ab. Die Rechnungsprüfung wird durch Gesetz der Republik geregelt.
(1) Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten der Republik dürfen nur auf Grund eines Gesetzes der Republik erfolgen.
(1) Das Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesen sowie das Eisenbahnwesen werden von der Republik verwaltet.
(2) Die bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen sowie alle dem Verkehr dienenden Straßen stehen in der Verwaltung der Republik. Entsprechendes gilt für die Wasserstraßen.
(1) Die Ordnung der Handelsschiffahrt und die Regelung des Seeverkehrs und der Seezeichen sind Aufgabe der Verwaltung der Republik.
(1) Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch den Obersten Gerichtshof der Republik und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
(1) Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz unterworfen.
(1) Richter kann nur sein, wer nach seiner Persönlichkeit und Tätigkeit die Gewähr dafür bietet, daß er sein Amt gemäß den Grundsätzen der Verfassung ausübt.
(1) Die Republik trägt durch den Ausbau der juristischen Bildungsstätten dafür Sorge, daß Angehörige aller Schichten des Volkes die Möglichkeit haben, die Befähigung zur Ausübung des Berufes als Richter, Rechtsanwalt und Staatsanwalt zu erlangen.
(1) An der Rechtsprechung sind Laienrichter im weitesten Umfang zu beteiligen.
(2) Die Laienrichter werden auf Vorschlag der demokratischen Parteien und Organisationen durch die zuständigen Volksvertretungen gewählt.
(1) Die Richter des Obersten Gerichtshofes und der Oberste Staatsanwalt der Republik werden auf Vorschlag der Regierung der Republik durch die Volkskammer gewählt.
(2) Die Richter der Obersten Gerichte und die Obersten Staatsanwälte der Länder werden auf Vorschlag der Landesregierungen von den Landtagen gewählt.
(3) Die übrigen Richter werden von den Landesregierungen ernannt.
(1) Die Richter des Obersten Gerichtshofes und der Oberste Staatsanwalt der Republik können von der Volkskammer abberufen werden, wenn sie gegen die Verfassung und die Gesetze verstoßen oder ihre Pflichten als Richter oder als Staatsanwalt gröblich verletzen.
(2) Die Abberufung erfolgt nach Einholung des Gutachtens eines bei der Volkskammer zu bildenden Justizausschusses.
(3) Der Justizausschuß besteht aus dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses der Volkskammer, aus drei Mitgliedern der Volkskammer, zwei Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes und einem Mitglied der Obersten Staatsanwaltschaft. Den Vorsitz führt der Vorsitzende des Rechtsausschusses. Die übrigen Ausschußmitglieder werden von der Volkskammer für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die dem Justizausschuß angehörenden Mitglieder des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft dürfen nicht Mitglieder der Volkskammer sein.
(4) Die durch die Landtage gewählten und durch die Landesregierungen ernannten Richter können von den betreffenden Landtagen abberufen werden. Die Abberufung erfolgt nach Einholung eines Gutachtens des bei dem betreffenden Landtag zu bildenden Justizausschusses. Der Justizausschuß besteht aus dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Landtages, aus drei Mitgliedern des Landtages, zwei Mitgliedern des Obersten Gerichts und einem Mitglied der Obersten Staatsanwaltschaft des Landes. Den Vorsitz führt der Vorsitzende des Rechtsausschusses. Die übrigen Ausschußmitglieder werden von dem betreffenden Landtag für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die dem Justizausschuß angehörenden Mitglieder des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft dürfen nicht Mitglieder des Landtages sein.
(5) Die von den Landesregierungen ernannten Richter können unter den gleichen Voraussetzungen von den Landesregierungen abberufen werden, jedoch nur mit Genehmigung des Justizausschusses des betreffenden Landtages.
(1) Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich.
(2) Bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Sittlichkeit kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen werden.
Kein Bürger darf seinen gesetzlichen Richtern entzogen werden. Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Gerichte für besondere Sachgebiete können vom Gesetzgeber nur errichtet werden, wenn sie für im voraus und allgemein bezeichnete Personengruppen oder Streitgegenstände zuständig sein sollen.
(1) Strafen dürfen nur verhängt werden, wenn sie zur Zeit der Tat gesetzlich angedroht sind.
(2) Kein Strafgesetz hat rückwirkende Kraft.
(3) Ausgenommen sind Maßnahmen und die Anwendung von Bestimmungen, die zur Überwindung des Nazismus, des Faschismus und des Militarismus getroffen werden oder die zur Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit notwendig sind.
(1) Bei vorläufigen Festnahmen, Hausdurchsuchungen sowie Beschlagnahmen im Ermittlungsverfahren ist die richterliche Bestätigung unverzüglich einzuholen.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entschieden. Verhaftete sind spätestens am Tage nach dem Ergreifen dem Richter vorzuführen. Wird von ihm die Untersuchungshaft angeordnet, so hat er in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob ihre Fortdauer gerechtfertigt ist.
(3) Der Grund der Verhaftung ist dem Festgenommenen bei der ersten richterlichen Vernehmung zu eröffnen und auf seinen Wunsch einer von ihm benannten Person innerhalb weiterer 24 Stunden mitzuteilen.
(1) Der Strafvollzug beruht auf dem Gedanken der Erziehung der Besserungsfähigen durch gemeinsame produktive Arbeit.
(1) Dem Schutz der Bürger gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung dienen die Kontrolle durch die Volksvertretungen und die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
(2) Aufbau und Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte werden durch Gesetz geregelt.
(3) Für die Mitglieder der Verwaltungsgerichte gelten die Grundsätze über die Wahl und Abberufung der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(1) Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Gesetze der Republik und der Länder.
(2) Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehören die Entscheidung und Durchführung aller öffentlichen Angelegenheiten, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes betreffen. Jede Aufgabe ist vom untersten dazu geeigneten Verband zu erfüllen.
(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben Vertretungen, die nach demokratischen Grundsätzen gebildet werden.
(2) Zu ihrer Unterstützung werden Ausschüsse gebildet, in denen Vertreter der demokratischen Parteien und Organisationen verantwortlich mitarbeiten.
(3) Wahlrecht und Wahlverfahren richten sich nach den für die Wahl zur Volkskammer und den Landtagen geltenden Bestimmungen.
(4) Jedoch kann durch Landesgesetz die Wahlberechtigung von der Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem halben Jahr abhängig gemacht werden.
(1) Die gewählten ausführenden Organe der Gemeinden und der Gemeindeverbände bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens der Vertretungskörperschaften.
(1) Die Aufsicht über die Selbstverwaltung der Gemeinden und der Gemeindeverbände beschränkt sich auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Wahrung demokratischer Verwaltungsgrundsätze.
(1) Den Gemeinden und Gemeindeverbänden können von der Republik und den Ländern Aufgaben und die Durchführung von Gesetzen übertragen werden.
(1) Alle Bestimmungen dieser Verfassung sind unmittelbar geltendes Recht. Entgegenstehende Bestimmungen sind aufgehoben. Die an ihre Stelle tretenden, zur Durchführung der Verfassung erforderlichen Bestimmungen werden gleichzeitig mit der Verfassung in Kraft gesetzt. Weitergeltende Gesetze sind im Sinne dieser Verfassung auszulegen.
(2) Die verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte können nicht den Bestimmungen entgegengehalten werden, die ergangen sind und noch ergehen werden, um den Nationalsozialismus und Militarismus zu überwinden und das von ihnen verschuldete Unrecht wiedergutzumachen.
Die vorstehende, vom Deutschen Volksrat unter Beteiligung des gesamten Deutschen Volkes erarbeitete und am 19. März 1949 beschlossene, vom Dritten Deutschen Volkskongreß am 30. Mai 1949 bestätigte und durch Gesetz der Provisorischen Volkskammer vom 7. Oktober 1949 in Kraft gesetzte Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird hiermit verkündet.
Berlin, den 7. Oktober 1949
Hier nach: Gesetzblatt der DDR 1949, S. 5-16.
Gesetzblatt der DDR Nr. 1, 8. Oktober 1949, S. 5-16, Online. Gemeinfrei (amtliches Dokument)
Gesetzblatt der DDR [Законодательный вестник ГДР] № 1, 8. октября, с. 5-16, онлайн. Общественное достояние (официальный документ).
Heike Amos, Die Entstehung der Verfassung in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR, 1946–1949: Darstellung und Dokumentation (=Diktatur und Widerstand 12). LIT Verlag, Münster 2006.
Gerhard Braas, Die Entstehung der Länderverfassungen in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1946/47 (=Mannheimer Untersuchungen zu Politik und Geschichte der DDR 4). Verlag Wissenschaft und Politik, B. von Nottbeck, Köln 1987.
Marcus Howe, Karl Polak: Parteijurist unter Ulbricht (=Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 149). Klostermann, Frankfurt a. M. 2002.
Jochen Laufer, Die Verfassungsgebung in der SBZ 1946–1949. „Errichten wir die Diktatur des Proletariats, dann werden alle Dinge klar und einfach“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 32–33 (1998), S. 29–41, Online.
Siegfried Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung in der Sowjetzone Deutschlands von 1945 bis 1963 (=Sonderdruck aus dem Jahrbuch des öffentlichen Recht 13). Mohr Siebeck, Tübingen 1964.
Karl Polak, Volk und Verfassung. Beitrag zur Begründung des Entwurfs der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Kongress Verlag, Berlin (O) 1949.
Christian Thiem, Die Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (1949–1958): eine verfassungsgeschichtliche Darstellung von der Entstehung bis zur Auflösung (=Schriften zur Verfassungsgeschichte 84). Duncker & Humblot, Berlin 2011.
Wolfgang Triebel, Otto Grotewohl und die Verfassungsdiskussionen in Deutschland, 1946 bis 1949. Gesellschaftswissenschaftliches Forum, Berlin 1996.
Andrea Zieger/Gottfried Zieger, Die Verfassungsentwicklung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands-DDR von 1945 bis zum Sommer 1952 (=Schriften zur Rechtslage Deutschlands 16). C. Heymann, Köln 1990.
Amos, H. Die Entstehung der Verfassung in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR, 1946–1949: Darstellung und Dokumentation [Разработка конституции в советской оккупационной зоне/ГДР, 1946-1949: представление и документы]. Münster: LIT Verlag, 2006 (=Diktatur und Widerstand 12).
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