''Die Grenzen des Wachstums''. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit

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Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit
Juni 1972

Das 1972 erschienene Buch Die Grenzen des Wachstums gehört zu den ganz seltenen Texten, die eine weltweite Rezeption erfahren haben. Diese erstaunliche Wirkung verdankt die Publikation der Tatsache, dass es ihr gelang, ein weit verbreitetes Unbehagen zu bündeln. Obwohl die im Auftrag des Club of Rome von einem internationalen Team um Dennis Meadows erstellte Studie wissenschaftlich wenig überzeugend war, schärfte sie das Bewusstsein für die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen und für die Dringlichkeit einer internationalen Umweltpolitik. Das Buch steht für die umweltpolitische Wende der 1970er Jahre, und vor allem sein Titel hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.

von: Patrick Kupper, 2010


Im Frühling 1972 ging eine Warnung um die Welt. Die Menschheit, hieß es, arbeite direkt auf ihren eigenen Untergang hin. „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität.“ Nur ein rasches und entschiedenes Handeln könne die gegenwärtige „Wachstumstendenz“ noch ändern und einen „ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand“ herbeiführen.[1]

Verpackt war die apokalyptische Botschaft in ein schmales Bändchen von knapp zweihundert Seiten, illustriert mit zahlreichen Abbildungen. Den Inhalt erarbeitet hatte ein 17-köpfiges internationales Forschungsteam um den Amerikaner Dennis L. Meadows, Auftraggeber der Studie war der Club of Rome. Sowohl die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch der Auftraggeber waren weitgehend unbekannt.

Dies sollte sich mit der Veröffentlichung von Die Grenzen des Wachstums rasch ändern. Das Buch erschien im Frühling 1972 fast zeitgleich in zwölf Sprachen, und kaum eine namhafte Zeitung berichtete nicht ausführlich darüber. Die „Grenzen des Wachstums“, die Autoren, angeführt von Donella H. und Dennis L. Meadows, und der Club of Rome waren bald in aller Munde.

Die Reaktionen fielen äußerst kontrovers aus. Das Spektrum reichte von tiefer Betroffenheit bis zu unverhohlener Ablehnung, wobei die kritischen Stimmen überwogen. Unter dem Titel „Weltuntergangs-Vision aus dem Computer“ unterzog das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Bericht einer vernichtenden Begutachtung und knüpfte an Bewertungen der New York Times Book Review („ein hohles und irreführendes Werk“) und The Economist („Hochwassermarke altmodischen Unsinns“) an. Viele Ökonomen gingen mit der Studie scharf ins Gericht. So warf der Nobelpreisträger Paul A. Samuelson den Autoren vor, die Fehler von Thomas R. Malthus zu wiederholen, indem sie den Preismechanismus und die technische Innovationsfähigkeit unterbelichtet ließen. Der politischen Linken waren die Hintermänner des Berichtes suspekt. Der Club of Rome, 1968 vom italienischen Industriellen Aurelio Peccei und dem schottischen OECD-Direktor Alexander King ins Leben gerufen, um der Menschheit ihre „missliche Lage“ bewusst zu machen, war ein hochelitärer und männerdominierter Zirkel. Seine Mitglieder waren handverlesen und auf dem internationalen Parkett bestens vernetzt. Für die Linke war es daher symptomatisch, dass die politischen und sozialen Dimensionen des Wachstums von Meadows Team weitgehend ausgespart worden waren. In eine ähnliche Richtung zielten auch Kritiker aus der sogenannten Dritten Welt, die monierten, der ökologische Knappheitsdiskurs diene dazu, die Entwicklungschancen der armen Länder zu beschneiden.

Das Buch wurde trotz der schlechten Noten zu einem weltweiten Erfolg. Es wurde in 37 Sprachen übersetzt und nach Angaben des Club of Rome über zwölf Millionen Mal verkauft. Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1973 an den Club of Rome verschaffte dem Bericht im deutschen Sprachraum zusätzliches Gehör. Seine eingängigen Formulierungen und plastischen Visualisierungen blieben hängen. Die Weltmodelle, die exponentiellen und logistischen Wachstumskurven und Gleichgewichtsszenarien gehörten bald zum bildungsbürgerlichen Grundwissen. Und selbst wer die kybernetische Wachstumsanalyse in rückgekoppelten Regelkreisen nicht nachzuvollziehen vermochte, verstand die Dynamik des Prozesses dank Donella H. Meadows berühmt gewordener Metapher vom Lilienteich, der noch am neunundzwanzigsten Tag des Wachstums halbleer, am dreißigsten aber bereits vollständig überwuchert ist. „In einem Gartenteich wächst eine Lilie, die jeden Tag auf die doppelte Größe wächst. Innerhalb von dreißig Tagen kann die Lilie den ganzen Teich bedecken und alles andere Leben in dem Wasser ersticken. Aber ehe sie nicht mindestens die Hälfte der Wasseroberfläche einnimmt, erscheint ihr Wachstum nicht beängstigend; es gibt ja noch genügend Platz, und niemand denkt daran, sie zurückzuschneiden, auch nicht am 29. Tag; noch ist ja die Hälfte des Teiches frei. Aber schon am nächsten Tag ist kein Wasser mehr zu sehen.“[2]

Der Bericht Die Grenzen des Wachstums war nicht der erste, der darauf aufmerksam zu machen versuchte, dass die menschliche Zivilisation nicht nur durch einen Atomkrieg, sondern auch durch ein friedliches, aber ungehemmtes Wirtschaften akut gefährdet sei. Begleitet von auflagenstarken Publikationen mit Titeln wie „Die Bevölkerungsbombe“, „Das Selbstmordprogramm“ oder „Wachstumswahn und Umweltkrise“ hatte sich bereits in den Jahren zuvor unterschwellig eine apokalyptische Stimmung breit gemacht. Im Vergleich zu diesen Vorgängern konnte Meadows’ Bericht jedoch deutlich mehr Kapital mobilisieren: Ausgestattet mit dem Gütesiegel der renommiertesten technischen Hochschule der Welt, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), verliehen ihm sein auf Jay W. Forrester zurückgehendes kybernetisches Modell und die computergestützte Verarbeitung harter Daten wissenschaftliche Beweiskraft. Hinzu kam ein geschicktes internationales Marketing durch den Club of Rome.

Verwies die Studie in ihrem technokratischen Ansatz noch auf die Virulenz überkommener Planungs-, Steuerungs- und Machbarkeitseuphorien, so bediente sie zugleich ökologische Untergangsszenarien und aufkeimende gesellschaftliche Neuerungsbestrebungen. Die Publikation fiel in die Zeit der gesellschaftlichen Neuorientierung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. In der vormals konformen Gesellschaftsordnung der Wirtschaftswunderzeit taten sich tiefe Gräben auf, die Freude über beispiellose Wohlstandsgewinne wich einem verbreiteten Unbehagen. Traditionelle Bindungen verloren rasch an Bindungskraft und die sogenannten neuen sozialen Bewegungen mischten Gesellschaft und Politik auf. Die Friedens-, die Frauen-, die Umwelt- und die Dritte-Welt-Bewegung, um nur einige dieser nicht scharf voneinander zu trennenden gesellschaftlichen Kräfte zu nennen, unterminierten traditionelle Erklärungsmuster und speisten neue Themen und Aktionsformen in den politischen Diskurs ein. Der Schutz der natürlichen Umwelt wurde um 1970 aber auch von den politischen Parteien und den staatlichen Behörden als Wirkungsfeld entdeckt und unter dem Begriff „Umweltschutz“ popularisiert.

Das Buch Die Grenzen des Wachstums gehört zu den ganz wenigen Texten, denen eine globale Rezeption zuteil geworden ist. „Grenzen des Wachstums“ wurde zu einem stehenden Begriff, die Publikation im Rückblick oft mit der umweltpolitischen Wende der 1970er Jahre gleichgesetzt. Diese Zuschreibung überhöht zweifellos die historische Bedeutung des Buches, unterstreicht aber seine wesentliche Qualität als diskursiver Kristallisationspunkt in einer gesellschaftlichen Umbruchzeit. Der Bericht trug dazu bei, den in den 1950er und 1960er Jahren kaum hinterfragten Glauben an wirtschaftliches Wachstum und technischen Fortschritt nachhaltig zu erschüttern. Selbst profilierte Kritiker des Berichts mahnten, die Grenzen des Wachstums nicht einfach beiseite zu schieben, sondern als Warnung vor dem zu verstehen, was auf andere Weise und zu anderer Zeit auf die Menschheit zukommen könnte. In diesem Sinne schärfte der Bericht das Bewusstsein für die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, unterminierte aber ironischerweise gleichzeitig das Vertrauen in die Macht und Möglichkeit allgemeingültiger Rezepte. Die im Bericht geforderten Wachstumsbeschränkungen fanden wenig Anklang, nicht zuletzt, weil die Konjunktur kurz darauf weltweit einbrach, bevor politische Dämpfungsmaßnahmen ergriffen worden waren. Bei allen Unzulänglichkeiten haben die Grenzen des Wachstums dennoch eine globale Umweltpolitik angestoßen. Die Diskussionen über das Wie und Wozu des Wachstums rissen nicht mehr ab und mündeten in den 1980er Jahren in die international anerkannte Leitkategorie der nachhaltigen Entwicklung.

  1. Dennis L. Meadows/Donella Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. DVA, Stuttgart 1972, S.17.
  2. Ebd., S. 19-21.

Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, 1972[ ]

Einführung[ ]

Ich will die Zustände nicht dramatisieren. Aber nach den Informationen, die mir als Generalsekretär der Vereinten Nationen zugehen, haben nach meiner Schätzung die Mitglieder dieses Gremiums noch etwa ein Jahrzehnt zur Verfügung, ihre alten Streitigkeiten zu vergessen und eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, um das Wettrüsten zu stoppen, den menschlichen Lebensraum zu verbessern, die Bevölkerungsexplosion niedrig zu halten und den notwendigen Impuls zur Entwicklung zu geben. Wenn eine solch weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustande kommt, so werden, fürchte ich, die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, daß ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt. U Thant, 1969

Die von U Thant genannten Probleme – Wettrüsten, Umweltverschmutzung, Bevölkerungsexplosion und wirtschaftliche Stagnation – gelten vielfach als die wichtigsten und langfristigsten, die die Menschheit heute zu lösen hat. Viele sind der Ansicht, daß das künftige Schicksal der Menschheit, vielleicht sogar das Überleben der Menschheit selbst, davon abhängt, wie rasch und wie wirksam weltweit diese Probleme gelöst werden. Dennoch ist nur ein winziger Teil der Menschheit aktiv darum bemüht, diese Probleme überhaupt erst zu verstehen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Aussichten für die Menschheit[ ]

Jeder Mensch hat bestimmte Belastungen zu ertragen und seine Probleme. Sie beanspruchen seine Aufmerksamkeit und seine Fähigkeiten. Und sie wirken auf den verschiedensten Ebenen. Viele sind gezwungen, all ihre Fähigkeiten aufzuwenden, um ihrer Familie und sich die Nahrung für den nächsten Tag zu beschaffen. Andere kämpfen um persönliche Macht oder um das Ansehen der Nation, der sie angehören. Man kann sich Sorgen machen über einen Weltkrieg – oder über eine Fehde, die nächste Woche mit einem benachbarten rivalisierenden Stamm droht.

Die verschiedenen Ebenen menschlicher Belastungen lassen sich grafisch wie in Abbildung 1 aufzeichnen. Die Darstellung hat zwei Dimensionen, Raum und Zeit. Der Zentralpunkt jeder menschlichen Sorge kann in dieses Koordinatensystem eingetragen werden, der Ort des betreffenden Punktes ist davon abhängig, auf welchen räumlichen Bereich und auf welche Zeitspannen sich die Sorgen erstrecken. Die Sorgen der meisten Menschen konzentrieren sich in der linken unteren Ecke; dieser Teil der Menschheit hat ein schweres Leben; er hat sich fast ausschließlich darum zu bemühen, sich und seine Familie über den nächsten Tag zu bringen. Andere wieder können über den Tag hinaus denken und handeln. Sie empfinden nicht nur eigene, sondern auch Lasten der Gemeinschaft, mit der sie sich identifizieren. Ihre Handlungsziele erstrecken sich über Monate und Jahre.

Die räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkte, nach denen ein Mensch handelt, sind abhängig von der Dringlichkeit der Probleme, mit denen er sich konfrontiert sieht, von seiner persönlichen Erfahrung und von seiner Bildung. Die meisten Menschen haben ihre Probleme in einem ihnen naheliegenden Bereich gemeistert, ehe sie sich entfernten Fragen zuwenden. Je größer der mit einem Problem verknüpfte räumliche und zeitliche Bereich ist, um so weniger Menschen befassen sich mit der Lösung eines solchen Problems.

Eine zu starke Begrenzung des Problemkreises nach Raum und Zeit kann gefährlich sein und zu Enttäuschungen führen. Es gibt genügend Beispiele dafür, daß ein Mensch sich mit all seiner Kraft um die Lösung eines ihm naheliegenden Problems bemüht und dennoch alle seine Anstrengungen durch Ereignisse in größeren Dimensionen zunichte gemacht werden. Die sorgfältig bearbeiteten Felder eines Bauern können durch Krieg verwüstet, die Vorhaben eines Bürgermeisters durch Maßnahmen der nationalen Politik erdrückt werden. Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes kann durch mangelnde Nachfrage auf dem Weltmarkt verkümmern. Es zeigt sich gegenwärtig wachsende Besorgnis, daß die meisten persönlichen Ziele und nationalen Anstrengungen schließlich durch langfristige Trends auf globaler Basis, wie sie U Thant erwähnte, vereitelt werden können.

[Abb. 1: Aussichten der Menschheit]

Abb. 1: Aussichten der Menschheit

Obwohl die Aussichten der Weltbevölkerung in Zeit und Raum sehr unterschiedlich sind, hat jede menschliche Sorge in diesem Koordinatensystem einen Platz. Die meisten Menschen können sich nur um Dinge kümmern, die ihre Familie und ihre unmittelbaren Freunde in naher Zukunft betreffen. Nur wenige denken weit voraus in die Zukunft von einem globalen Gesichtspunkt aus.

Aber sind U Thants Befürchtungen tatsächlich so aktuell?

Bleibt uns wirklich nur noch ein Jahrzehnt?

Was geschieht, wenn diese Probleme nicht gelöst werden?

Welche Mittel besitzt die Menschheit überhaupt, solch globale Probleme zu lösen? Was kostet ihre Anwendung? Das sind die Fragen, die in der ersten Arbeitsphase des Forschungsprojekts des Club of Rome über die mißliche Lage der Menschheit (The Predicament of Mankind) behandelt wurden. Sie gehören in die obere rechte Ecke des Koordinatensystems von Abbildung 1.

Probleme und Modelle[ ]

Jeder Mensch behandelt seine Probleme mit Hilfe von Modellen. Ein Modell ist nichts weiter als eine möglichst systematische Reihe möglichst realer Annahmen über ein wirkendes System, das Ergebnis des Versuchs, durch Wahrnehmung und mit Hilfe vorhandener Erfahrung eine von vielen Beobachtungen auszuwählen, die auf das betreffende Problem anwendbar sind, und so einen Ausschnitt aus der sinnverwirrend komplizierten Wirklichkeit zu verstehen. Wenn ein Bauer sich seine Äcker vorstellt, seine Marktaussichten, sich vergangener Witterungsereignisse entsinnt, um über die Art des jährlichen Anbaus zu entscheiden, benutzt er Gedankenmodelle in seinem Kopf. Ein Geometer macht sich ein greifbares Modell des Geländes, er zeichnet eine Karte, um den Verlauf einer Straße festzulegen. Wirtschaftler benutzen mathematische Modelle, um den Ablauf des internationalen Handels zu erfassen und seine weitere Entwicklung vorherzusagen. Für jede Entscheidung, gleichgültig auf welcher Ebene, werden unbewußt Modelle benutzt, um diejenigen Handlungsweisen auszuwählen, die den zukünftigen Gang der Ereignisse nach unserem Wunsch beeinflussen. Diese Denkmodelle sind sehr vereinfacht im Vergleich zu der Realität, von der sie nur Abstraktionen darstellen. Das menschliche Gehirn ist zwar ein bewundernswertes biologisches Organ, es kann aber nur eine sehr beschränkte Zahl der außerordentlich komplizierten und miteinander in Wechselwirkung stehenden Vorgänge verfolgen, die das tatsächliche Geschehen bestimmen.

Auch wir haben ein Modell für unsere Untersuchungen benutzt, ein systematisch aufgestelltes und klar definiertes Modell, das von Professor Jay W. Forrester, Massachusetts Institute of Technology (MIT) erarbeitet wurde und in seinem Buch Der teuflische Regelkreis beschrieben ist. Dieses Modell ist ein erster Versuch, unsere Denkmodelle von den langfristigen weltweiten Problemen durch die Kombination großer Informationsmengen, die längst im Besitz der Menschheit sind, mit Hilfe der neuartigen Techniken der wissenschaftlichen Systemanalyse und der Datenverarbeitung entscheidend zu verbessern.

Unser benutztes Weltmodell dient speziell der Untersuchung von fünf wichtigen Trends mit weltweiter Wirkung: der beschleunigten Industrialisierung; dem rapiden Bevölkerungswachstum; der weltweiten Unterernährung; der Ausbeutung der Rohstoffreserven und der Zerstörung des Lebensraumes. Zwischen diesen Erscheinungen bestehen vielfältige Wechselwirkungen. Ihre Entwicklung wird in Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten gemessen. Wir versuchen mit Hilfe dieses Modells, die Ursachen der Entwicklungsrichtungen, ihre Wechselwirkungen und die sich ergebenden Folgen für den Zeitraum eines Jahrhunderts zu erfassen.

Wie jedes Modell ist auch unser Modell unvollständig, stark vereinfacht und verbesserungsfähig. Dieser Mängel sind wir uns bewußt. Dennoch glauben wir, daß es das gegenwärtig nützlichste Modell ist, um Probleme zu behandeln, die im Zeit-Raum-Koordinatensystem weit rechts oben liegen. Soweit wir wissen, ist es das einzige existierende Modell, das wirklich weltweite Bedeutung hat, sich über mehr als drei Jahrzehnte erstreckt und solche wichtigen variablen Größen wie Bevölkerungszahl, Nahrungsmittelproduktion und Umweltverschmutzung nicht als isolierte, sondern als dynamisch miteinander in Wechselwirkung stehende Erscheinungen behandelt, was sie ja in Wirklichkeit auch sind.

Da unser Modell formaler und mathematischer Art ist, besitzt es gegenüber Denkmodellen zwei bedeutende Vorteile: Jede Annahme ist in präziser Form niedergeschrieben und ist deshalb der Nachprüfung und der Kritik durch jedermann zugänglich. Weiterhin werden Auswirkungen der Annahmen, die nach Überprüfung, Diskussion und Revision entsprechend dem bestmöglichen Wissen getroffen wurden, exakt mit Hilfe eines Computers verfolgt und ihre Bedeutung für das Gesamtverhalten des Weltsystems jeweils genau erfaßt, gleichgültig, welche komplizierten Kombinationen sich dabei auch ergeben.

Das ist zwar einzigartig bei einem Modell. Dennoch gibt es keine Veranlassung, mit dem Modell in der jetzigen Form schon zufrieden zu sein. Wir möchten es verändern, erweitern und verbessern, jeweils nach dem Stand unserer Kenntnisse und den zur Verfügung stehenden Daten.

Unsere Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Dennoch erscheint es uns wichtig, die vorliegenden Ergebnisse zu veröffentlichen. In jedem Teil der Welt werden täglich Entscheidungen getroffen, welche die physikalischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustände für Jahrzehnte beeinflussen können. Wir können deshalb nicht warten, bis perfekte Modelle vorliegen und ein umfassendes Verständnis möglich ist. Wir entscheiden uns ohnehin nur aufgrund von Modellen. Unserer Ansicht nach genügt das vorliegende Modell bereits als Grundlage für Entscheidungen. Außerdem scheinen die grundsätzlichen Verhaltensweisen, die sich aus dem Modell ergaben, so wesentlich zu sein, daß nicht zu erwarten ist, sie könnten sich bei weiteren Untersuchungen noch entscheidend ändern.

Es ist nicht Aufgabe dieses Buches, alle Daten und mathematischen Gleichungen innerhalb unseres Weltmodells wissenschaftlich und vollständig zu beschreiben. Das ist Gegenstand des technischen Schlußberichtes über unser Projekt. In diesem Werk werden die Grundzüge des Modells und unsere Ergebnisse allgemeinverständlich dargestellt und zusammengefaßt, also das, was das Modell über unsere Welt aussagt. Wir haben zwar einen Computer benutzt als Hilfsmittel für unser eigenes Verständnis der Ursachen und Folgerungen aus den Wachstumstrends, die die moderne Entwicklung bestimmen, aber man muß sich nicht mit Elektronenrechnern auskennen, um die Ergebnisse zu verstehen und zu diskutieren. Die Folgen dieser beschleunigenden Wachstumstendenzen werfen Fragen auf, die weit über den Inhalt einer rein wissenschaftlichen Schrift hinausreichen. Sie müssen daher auch von einer breiteren Öffentlichkeit als nur von Wissenschaftlern besprochen werden.

Bis jetzt ergaben sich bei unserer Arbeit die nachstehenden Schlußfolgerungen. Sie sind keineswegs neu. Schon vor Jahrzehnten haben Menschen, die unsere Erde von einem globalen, zeitlich weitreichenden Gesichtspunkt aus beurteilten, ähnliche Schlüsse gezogen. Dennoch verfolgt die große Mehrzahl der Politiker Ziele, die mit diesen Aussagen unvereinbar sind.

Unsere Schlußfolgerungen lauten:

1. Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlichen raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität.

2. Es erscheint möglich, die Wachstumstendenzen zu ändern und einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, der auch in weiterer Zukunft aufrechterhalten werden kann. Er könnte so erreicht werden, daß die materiellen Lebensgrundlagen für jeden Menschen auf der Erde sichergestellt sind und noch immer Spielraum bleibt, individuelle menschliche Fähigkeiten zu nutzen und persönliche Ziele zu erreichen.

3. Je eher die Menschheit sich entschließt, diesen Gleichgewichtszustand herzustellen, und je rascher sie damit beginnt, um so größer sind die Chancen, daß sie ihn auch erreicht.

Diese knappen Schlußfolgerungen sind derart weitreichend und werfen so viele Fragen für künftige Forschungen auf, daß auch wir selbst uns von der Größe dieser gigantischen Aufgabe, die hier erledigt werden muß, nahezu überfordert fühlen. Wir hoffen, daß dieses Buch das Interesse der Menschen auf allen Gebieten der Forschung und in allen Ländern der Erde erweckt und das Verständnis für die riesige Aufgabe fördert: den Übergang vom Wachstum zum Gleichgewicht.

Hier nach: Dennis Meadows, Donella Meadows, Erich Zahn, Peter Milling, Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972, S. 11-17.



Dennis Meadows, Donella Meadows, Erich Zahn, Peter Milling, Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972, S. 11-17.

Sandrine Dixson-Declève/Owen Gaffney u. a., Earth for all: Ein Survivalguide für unseren Planeten. Der neue Bericht an den Club of Rome, 50 Jahre nach „Die Grenzen des Wachstums“. Hrsg. von Club of Rome. 4. Aufl., oekom, München 2022.

Jay Wright Forrester, World Dynamics. Wright-Allen, Cambridge, Mass. 1971, Online.

Kai F. Hünemörder, Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950–1973) (=Historische Mitteilungen Beiheft 53). Steiner, Stuttgart 2004.

Patrick Kupper, Dennis Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums (1972). In: Manfred Brocker (Hrsg.), Geschichte des politischen Denkens: Das 20. Jahrhundert. Suhrkamp, Berlin 2018, S. 548–561.

Patrick Kupper, Weltvernichtungsmaschinen: Die Bombe, die ökologische Revolution und die Transformation der Zukunft als Katastrophe. In: Georg Pfleiderer, Harald Matern u. a. (Hrsg.), Krise der Zukunft II: Verantwortung und Freiheit angesichts apokalyptischer Szenarien. Pano Verlag, Zürich 2018, S. 123–139.

Patrick Kupper/Elke Seefried, “A Computer’s Vision of Doomsday”. On the History of the 1972 Study The Limits to Growth. In: Frank Uekötter (Hrsg.), Exploring Apocalyptica: Coming to Terms with Environmental Alarmism. Univ. of Pittsburgh Press, Pittsburgh (Pa.) 2018, S. 49–74.

Dennis L. Meadows/Donella Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. DVA, Stuttgart 1972.

Peter Moll, From Scarcity to Sustainability: Futures Studies and the Environment: The Role of the Club of Rome. P. Lang, Frankfurt a. M. u.a. 1991.

Matthias Schmelzer, ‘Born in the Corridors of the OECD’: The Forgotten Origins of the Club of Rome, Transnational Networks, and the 1970s in Global History. In: Journal of Global History, 12:1 (2017), S. 26–48, Online.

Zukünfte Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung 1945–1980. Bearb. von Elke Seefried. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2015.

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