Der erste PC, IBM 1981

Einleitung

Die Geschichte des IBM-PC ist eine Erfolgsgeschichte. Eigentlich ist es sogar eine doppelte Erfolgsgeschichte, wenn man an Microsoft Windows denkt. 1977 erfanden die beiden jungen Hardware-Bastler Steve Wozniak und Steve Jobs den ersten "Personal Computer". Es handelte sich, untypisch für die damalige Zeit, nicht um einen Bausatz, sondern um ein komplett fertig montiertes Stück Hardware in einem für den damaligen Zeitpunkt modischen Gehäuse. Der Preis ohne Monitor und Laufwerk: 1.300 Dollar. Der Name der Erfindung, die sich bis 1991 fünf Millionen Mal verkaufte: Apple II.

Der IBM-PC kann als Antwort auf den Erfolg des Apple II verstanden werden. Wirft man einen Blick auf die Firmengeschichte von IBM, so wird klar, daß das Unternehmen mit Heimcomputern eigentlich zunächst recht wenig zu tun hatte. IBM wendete sich in den späten 1950ern und frühen 1960ern der Herstellung von Großrechnern zu. Zuvor hatte man sich auf Lochkartensysteme und deren Auswertung spezialisiert und ein weltweites Monopol erreicht. Der Mißerfolg eines ersten kleineren Rechners (IBM 5100) im Jahre 1975 ließ IBM mit der Einführung eines sogenannten Mikrocomputers bis 1981 warten. Zu diesem Zeitpunkt hatte man natürlich mitbekommen, welch erstaunlichen Erfolg Apple mit seinem Apple II einfahren konnte. Wie der Konkurrent auch, entschied man sich bei IBM dafür, ein Steckkartensystem zu benutzen, um den Rechner zu einem späteren Zeitpunkt erweitern zu können. Außerdem war die Struktur des Geräts derart einfach, daß es bereits 1983 zu Nachbauten in Fernost kam – auch wenn jene natürlich seitens der Industrie nicht wünschenswert waren, so konnte sich doch dadurch erstaunlich schnell eine Art inoffizieller Industriestandard entwickeln. Der Begriff IBM-PC sollte zu diesem Zeitpunkt schnell zum Pseudonym für PC im Allgemeinen werden. Ab Mitte der 1980er-Jahre waren PCs, die nicht IBM-kompatibel waren, außer im Heimcomputer-Sektor schlicht unverkäuflich. Der aus frei erhältlichen Standardkomponenten entwickelte IBM-PC war aber zugleich der Startpunkt für eine zweite Erfolgsgeschichte: Microsoft.

1979 gab IBM ein Betriebssystem für ihre PCs bei der Firma Seattle Computer Products in Auftrag. Microsoft kaufte jedoch nur wenig Zeit später die Rechte ab und legte damit den Grundstein für ihren gigantischen Erfolg, der bis heute unvermindert anhält. Das mittlerweile legendäre Betriebssystem MS-DOS 1.0 (Microsoft-Disc Operating System) nahm ab dem 12. August 1981 seinen Dienst auf und wurde daraufhin immer weiter entwickelt. Die Ablösung für das erfolgreiche MS-DOS erschien in der Form von Microsoft Windows. Die frühen Versionen von Microsoft Windows basierten ursprünglich vollständig auf MS-DOS und benutzten es für alle Systemzugriffe. Microsoft Windows stellte lediglich eine Erweiterung in Form einer grafischen Benutzeroberfläche dar, was viele von frenetischen "Apple-Jüngern" zu der Schlußfolgerung führte, man habe diese Oberfläche schlichtweg von Apple bzw. seinem Betriebssystem Lisa OS kopiert.

Etwa 90 Prozent aller PC-Systeme weltweit arbeiten heute mit Windows, wobei mittlerweile auch Alternativen existieren und auf dem Vormarsch sind. Das beste Beispiel heißt Linux.

Ab Mitte der 1990er-Jahre verlor IBM zunehmend seine Marktführerschaft bei PC-Systemen. Andere Hersteller, wie etwa Compaq, setzten auf billigere Preise. Die Konsequenz: IBM verkaufte seine PC-Sparte, von seinem Festplattengeschäft hatte man sich zuvor schon verabschiedet. Doch das System "PC" hatte sich als solches zu diesem Zeitpunkt schon weltweit durchgesetzt. Das lag vor allem an drei Punkten.

Anfang der 1990er-Jahre erschien das erste Office-Paket. Während in der sogenannten kreativen Branche vielfach Apple zu finden ist (übrigens schmücken sich auch Hollywood-Produktionen zumeist mit Apple-Rechnern), ist es gerade diese Bürosoftware, die heute in fast jedem Arbeitsplatz der Welt zum Einsatz kommt. Die Produktpalette reicht vom Schreibprogramm über Präsentationssoftware hin zur Tabellenkalkulation oder Datenbankerstellung. Die Anzahl der Volkshochschul-Office-Kurse und Büroschulungen ist vermutlich astronomisch hoch.

Ein zweiter Grund ist sicherlich im Bereich der Computerspiele zu suchen, wo es IBM zunächst schwer hatte, da zahlreiche Konkurrenten auf dem Markt existierten: der Apple II, der Atari ST sowie der Commodore 64 oder Amiga 500. Gerade unter Jugendlichen wurden erbitterte Grabenkämpfe ausgetragen, welche Plattform denn nun die beste sei – so erreichten die Rechenmaschinen oftmals den Status von Kultobjekten. Erst Ende der 1980er-Jahre, als die sogenannte Generation der 286er- und 386-Rechner von IBM heraus gebracht wurden, konnten PC-Nutzer endgültig grafisch zu den Konkurrenten aufschließen. In Europa erwies sich bald Deutschland als PC-Spielehochburg, direkt vor England. Zweifelsohne profitierte der PC auch von der Tatsache, daß er ein bestimmtes Spielgenre bietet, das die immer populärer werdenden Videospiel-Konsolen von Sega und Nintendo (und später Sony und Microsoft) nicht sonderlich unterstützen. Es sind dies in Deutschland extrem beliebten und gut verkauften Strategie- und Aufbauspiele.

Der dritte Punkt ist der Beginn der viel zitierten Multimedia-Anwendungen. Mit der gelungenen Einführung von CD-Laufwerken Mitte der 1990er-Jahre ging das Zeitalter der PC-Konkurrenten langsam, aber sicher zur Neige. Der PC erfuhr eine Wandlung hin zum medialen Alleskönner – es ist möglich, Musik zu hören, Filme zu sehen bzw. selbst zu schneiden, Fotos zu betrachten. Kurzum, die technisch immer weiter hoch gezüchteten Maschinen wurden zum technologischen Mittelpunkt des Lebens in vielen Teilen der Erde. Gleichzeitig markierte der PC den endgültigen Übergang in ein postindustrielles Zeitalter und eine Vertiefung des Grabens zwischen Nord und Süd, denn nur vereinzelt schafften es diese Geräte in größerer Stückanzahl in ärmere Länder. Auch wurde der PC, oder vielmehr der Computer, Sinnbild für einen Bruch zwischen den Generationen. Junge Menschen, "digital natives" entwickelten einen anderen Umgang mit Technologie, da sie von Geburt an mit Computern zu tun hatten, die Generation vor ihnen, oder noch eine weiter, die "digital immigrants", tun sich oftmals noch schwer, Bereiche ihres Lebens der Technologie zu überantworten oder sie allzu selbstverständlich in ihr alltägliches Leben mit einzubinden. Auch Schulen, Universitäten und andere Bildungs- bzw. Erziehungseinrichtungen kommen heute um den PC nicht mehr herum. Er ist längst Hilfs- und Lehrmittel zu gleichen Teilen geworden. Ein anderes Beispiel für Wandel erleben wir momentan in der Unterhaltungsindustrie – durch Digitalisierung zieht der PC, wenn auch ein wenig verkleidet, von den Arbeitszimmern in die Wohnzimmer ein; man denke nur an die immer beliebter werdenden Festplattenrecorder.

Ein Anwendungsbereich, den man unmittelbar mit dem PC heute verbindet, ist das Internet. Das Internet entsprang dem 1969 entstandenen ARPANET, einem Projekt des US-Verteidigungsministeriums. Es wurde zunächst zur Vernetzung von Universitäten und Forschungseinrichtungen verwendet. Ziel des Projekts war es, die begrenzten Rechenkapazitäten sinnvoll zu nutzen. Schnellen Auftrieb erhielt das Internet seit 1993 durch das World Wide Web, kurz WWW, als der erste grafikfähige Webbrowser veröffentlicht und zum kostenfreien Download angeboten wurde. Nun war es auch Laien möglich, im Netz zu "surfen", welches auch zu einem Mehr an Kommerz im Internet führte. Dabei sollte man stets im Auge behalten, daß dieser Beginn der "digitalen Revolution" nur einem kleinen Teil der Weltbevölkerung zugänglich ist – Schätzungen belaufen sich auf eine Zahl von zwei Prozent. Auch wenn Kritiker des digitalen Zeitalters gerne spotten, daß der Internethype eigentlich nichts außer eine Menge unverständlichen Fachjargons hervor gebracht hat (Blog, Vlog, Web 2.0, peer2peer etc.), ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß sich Alltagskommunikation nachweislich durch E-Mails oder Chatrooms verändert hat.

Angelehnt an den Begriff der "industriellen Revolution", bezeichnet man den Wandel von der Industriegesellschaft hin zur postindustriellen Wissensgesellschaft seit Mitte der 1970er-Jahre als "digitale Revolution", welche unmittelbar mit elektronischer Datenverarbeitung durch PCs verbunden ist. Automatisierung und Computerisierung und die dadurch entstehenden Kommunikations-Netzwerke sind für eine globale Wirtschaft lebensnotwendig geworden. Ein Zusammenbruch dieser PC-basierten Welt, der Fachjargon spricht von einer "D-Katastrophe" ("datennetzbezogene Katastrophe"), hätte für alle Lebensbereiche schwerwiegende Konsequenzen. Die soziale Komponente dieses Wandels hin zur Informationsgesellschaft ist kaum abzuschätzen und noch schwieriger zu bewerten. Lullt die elektronische PC-Welt den Menschen ein oder schärft sie sein Bewußtsein im Sinne einer Demokratisierung von analogen, nicht-digitalen Machtstrukturen? Wie wird sich das digitale Phänomen auf die Arbeitswelt auswirken? Die Entwicklung ist fortlaufend, rasant und angesichts komplexer Strukturen, die verzweigter denn je erscheinen und sich ihren Weg in einen Großteil der heutigen und zukünftigen Lebensentwürfe und -welten bahnen, nur mit Mühe überschaubar.

Rudolf Inderst