Betriebsrätegesetz, 4. Februar 1920

Betriebsrätegesetz. Vom 4. Februar 1920.

Die verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird.

I. Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten) dem Arbeitgeber gegenüber und zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke sind in allen Betrieben, die in der Regel mindestens zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen, Betriebsräte zu errichten.

§ 2

In Betrieben, die in der Regel weniger als zwanzig, aber mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen, von denen mindestens drei nach den §§ 20 und 21 wählbar sind, ist ein Betriebsobmann zu wählen.

Beschäftigen solche Betriebe mindestens fünf wahlberechtigte Arbeiter und fünf wahlberechtigte Angestellte, so kann ein gemeinsamer Betriebsobman gewählt werden. Ist eine Einigung der Mehrheit beider Gruppen nicht zu erzielen, so wählen Arbeiter und Angestellte je einen Betriebsobmann.

§ 3

In Betrieben, die mindestens zwanzig Hausgewerbetreibende (§ 119b Gewerbeverordnung) beschäftigen), welche in der Hauptsache für denselben Betrieb arbeiten und selbst keine Arbeitnehmer beschäftigen, muß ein besonderer Betriebsrat für die Hausgewerbetreibenden errichtet werden. Die näheren Bestimmungen trifft der Reichsarbeitsminister mit Zustimmung eines aus achtundzwanzig Mitgliedern bestehenden Ausschusses des Reichstags.

§ 4

Auf die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie ihre Nebenbetriebe finden die §§ 1 und 2 mit der Maßgabe Anwendung, daß bei der Zahl der Arbeitnehmer nur die ständigen Arbeitnehmer berücksichtigt werden. In diesen Betrieben ist erst dann ein Betriebsobmann zu wählen, wenn mindestens zehn ständige Arbeitnehmer vorhanden sind, von denen mindestens drei nach den §§ 20 und 21 wählbar sind.

§ 5

Die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen für die Betriebe der Seeschiffahrt und der Binnenschiffahrt wird durch besonderes Gesetz geregelt.

§ 6

Zur Wahrnehmung der besonderen wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Angestellten des Betriebs dem Arbeitgeber gegenüber sind in allen Betrieben, in deren Betriebsräten Arbeiter und Angestellte vertreten sind, Arbeiterräte und Angestelltenräte zu errichten.

§ 7

In Betrieben, in denen zwei Betriebsobleute gewählt sind, vertritt jeder von diesen die besonderen Interessen seiner Gruppe.

In Betrieben, in denen nur ein Betriebsobmann gewählt ist, vertritt dieser neben den gemeinsamen auch die besonderen Interessen jeder einzelnen Gruppe.

§ 8

Die Befugnis der wirtschaftlichen Vereinigungen von Arbeitern und Angestellten, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, wird durch die Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt.

§ 9

Als Betriebe im Sinne des Gesetzes gelten alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechtes.

Nicht als besondere Betriebe gelten Nebenbetriebe und Bestandteile eines Unternehmens, die durch die Betriebsleitung oder das Arbeitsverfahren miteinander verbunden sind, sofern sie sich innerhalb der gleichen Gemeinde oder wirtschaftlich zusammenhängender, nahe beieinander liegender Gemeinden befinden.

§ 10

Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte mit Ausnahme der Familienangehörigen des Arbeitgebers.

Nicht als Arbeitnehmer gelten

1. die öffentlichen Beamten und Beamtenanwärter,

2. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerbe dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besserung oder Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird.

§ 11

Arbeiter im Sinne dieses Gesetzes sind die im Dienste anderer gegen Entgelt oder als Lehrlinge beschäftigten Personen mit Ausschluß der Angestellten.

Arbeiter im Sinne dieses Gesetzes sind ferner die in der Gemeinde des Betriebs oder in wirtschaftlich mit ihr zusammenhängenden, nahe bei ihr liegenden Gemeinden wohnenden Hausgewerbetreibenden (§ 3), welche in der Hauptsache für denselben Betrieb arbeiten und selbst keine Arbeitnehmer beschäftigen.

Ist für diese ein besonderer Betriebsrat gemäß § 3 zu errichten, so scheiden sie als Arbeitnehmer aus der Zahl der im Betriebe Beschäftigten aus.

§ 12

Angestellte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, welche eine der im § 1 Abs. 1 des Versicherungsgesetzes für Angestellte angeführten Beschäftigungen gegen Entgelt ausüben, auch wenn sie nicht versicherungspflichtig sind. Außerdem gelten als Angestellte die in einer geregelten Ausbildung zu einer dieser Beschäftigungen befindlichen Lehrlinge und die mit niederen oder lediglich mechanischen Dienstleistungen beschäftigten Büroangestellten.

Nicht als Angestellte im Sinne dieses Gesetzes gelten die Vorstandsmitglieder und gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen und von Personengesamtheiten des öffentlichen und privaten Rechtes, ferner die Geschäftsführer und Betriebsleiter, soweit sie zur selbständigen Einstellung oder Entlassung der übrigen im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer berechtigt sind oder soweit ihnen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist.

§ 13

Durch Verordnung der Reichsregierung kann für die öffentlichen Behörden und die Betriebe des Reichs sowie für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die hinsichtlich der Dienstverhältnisse ihrer Beamten der Reichsaufsicht unterstehen, bestimmt werden, daß gewisse Gruppen von Beamten und Beamtenanwärtern als Arbeiter oder Angestellte im Sinne dieses Gesetzes zu betrachten sind.

Für die öffentlichen Behörden und Betriebe der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die hinsichtlich der Dienstverhältnisse ihrer Beamten der Landesaufsicht unterstehen, können die Landesregierungen entsprechende Verordnungen erlassen.

Geschieht dies, so kommen für das Dienstverhältnis der Beamten die §§ 78 Ziffer 8, 9, §§ 81 bis 90, §§ 96 bis 98 nicht in Anwendung.

Zu gleicher Weise kann bestimmt werden, daß bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, die Aussicht auf Übernahme in das Beamtenverhältnis haben oder die in den Behörden mit gleichen oder ähnlichen Arbeiten wie die Beamten oder Beamtenanwärter beschäftigt werden, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes zu betrachten sind, wenn ihnen bei der Bildung von Beamtenvertretungen (Beamtenräten, Beamtenausschüssen) die gleichen Rechte gewährt sind wie den Beamten.

§ 14

Ist der Arbeitgeber keine Einzelperson, so üben die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers nach diesem Gesetz aus:

1. bei den juristischen Personen und Personengesamtheiten des privaten Rechtes die gesetzlichen Vertreter,

2. bei dem Reiche, den Ländern, den Gemeindeverbänden, den Gemeinden und den anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes die Vorstände der einzelnen Dienststellen nach Maßgabe der für das Reich und die hinsichtlich der Dienstverhältnisse der Arbeitnehmer seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften von der obersten Reichsbehörde, für die übrigen Körperschaften von der Landeszentralbehörde zu erlassenden Vorschriften.

Vertretung des Arbeitgebers durch Bevollmächtigte ist zulässig.

II. Aufbau der Betriebsvertretungen

A. Betriebsrat (Arbeiterrat und Angestelltenrat)

1. Zusammensetzung und Wahl

§ 15

Der Betriebsrat besteht:

in Betrieben von 20 bis 49 Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern,

[in Betrieben] mit 50 [bis] 99 [Arbeitnehmern aus] 5 [Mitgliedern,]

[in Betrieben mit] 100 [bis] 199 [Arbeitnehmern aus] 6 [Mitgliedern].

Die Zahl der Mitglieder erhöht sich um je eines in Betrieben von

200 bis 999 Arbeitnehmern für je weitere 200,

1000 [bis] 5999 [Arbeitnehmer für je weitere] 500,

6000 und mehr [Arbeitnehmer für je weitere] 1000.

Die Höchstzahl der Mitglieder beträgt 30.

Der Arbeiterrat und der Angestelltenrat werden gebildet durch die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder des Betriebsrats. Sind dies nur ein oder zwei Mitglieder, so haben auch sie die Rechte und Pflichten eines Arbeiterrats oder eines Angestelltenrats. Ist die Zahl der Arbeiter oder die der Angestellten so groß, daß die Arbeiter oder Angestellten bei Zugrundelegung der Berechnung nach Abs. 1 bis 3 mehr Vertreter für den Gruppenrat beanspruchen können, als sie im Betriebsrat haben, so tritt eine entsprechende Zahl von Ergänzungsmitgliedern hinzu.

Hat ein Betrieb, für den ein Betriebsrat zu errichten ist, weniger wählbare Arbeitnehmer als die nach Abs. 1 bis 3 erforderte Zahl der Betriebsratsmitglieder, so besteht der Betriebsrat aus drei Mitgliedern, hat er weniger als drei wählbare Arbeitnehmer, so sind Betriebsobleute zu wählen.

§ 16

Befinden sich unter den Arbeitnehmern sowohl Arbeiter wie Angestellte, so muß jede Gruppe, entsprechend ihrem Zahlenverhältnis bei Anberaumung der Wahl, im Betriebsrat vertreten sein.

Keine Gruppe darf weniger als einen Vertreter haben.

Die Minderheitsgruppe erhält wenigstens:

bei 50 bis 299 Gruppenangehörigen 2 Mitglieder,

[bei] 300 [bis] 599 [Gruppenangehörigen] 3 [Mitglieder,]

[bei] 600 [bis] 999 [Gruppenangehörigen] 4 [Mitglieder,]

[bei] 1000 [bis] 2999 [Gruppenangehörigen] 5 [Mitglieder,]

[bei] 3000 [bis] 5999 [Gruppenangehörigen] 6 [Mitglieder,]

[bei] 6000 und mehr [Gruppenangehörigen] 8 [Mitglieder].

Die Feststellung des Zahlenverhältnisses erfolgt durch den Wahlvorstand nach den für die Verhältniswahl geltenden Grundsätzen des Wahlverfahrens (§ 25).

Eine Minderheitsgruppe erhält keine Vertretung, wenn ihr nicht mehr als fünf Personen angehören und diese nicht mehr als ein Zwanzigstel der Arbeitnehmer des Betriebs darstellen.

§ 17

Die Verteilung der Mitglieder auf die Gruppen kann abweichend von den Bestimmungen des § 16 geordnet werden, wenn die Mehrheit beider Gruppen es in getrennter geheimer Abstimmung beschließt.

Zählt eine Gruppe weniger wählbare Personen als die nach § 16 erforderte Zahl, so kann sie auch Angehörige der anderen Gruppe zu ihren Vertretern wählen.

§ 18

Die Mitglieder des Betriebsrats und die Ergänzungsmitglieder (§ 15 Abs. 4), welche Arbeiter sind, werden von den Arbeitern, die Mitglieder und Ergänzungsmitglieder (§ 15 Abs. 4), welche Angestellte sind, von den Angestellten des Betriebs, sämtlich in einer Wahl aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl auf die Dauer von einem Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig.

Steigt die Zahl der Arbeitnehmer vorübergehend auf mehr als das Doppelte, aber mindestens um fünfzehn, darunter drei Wahlberechtigte, so wählt der nur vorübergehend beschäftigte Teil der Arbeitnehmer in geheimer Wahl einen Vertreter, welcher der etwa bestehenden Betriebsvertretung beitritt. Ist keine Betriebsvertretung vorhanden, so hat er die Stellung eines Betriebsobmanns.

Übersteigt die Zahl der vorübergehend Beschäftigten hundert, so kann auf Mehrheitsbeschluß sämtlicher wahlberechtigten Arbeitnehmer ein Betriebsrat neu errichtet werden. In land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und deren Nebenbetrieben wählen unter der gleichen Voraussetzung die vorübergehend Beschäftigten in geheimer Wahl zwei Vertreter, welche der bestehenden Betriebsvertretung beitreten.

§ 19

Wenn die wahlberechtigten Arbeiter und die wahlberechtigten Angestellten vor jeder Neuwahl in geheimen, getrennten Abstimmungen mit Zweidrittelmehrheit dafür stimmen, sind die Vertreter der Arbeiter und die der Angestellten in gemeinsamer Wahl aller Arbeitnehmer zu wählen.

Die Bildung von Arbeiterräten und Angestelltenräten gemäß § 6, sowie die Bestimmung der §§ 15 und 16 werden von dieser Bestimmung nicht berührt.

§ 20

Wahlberechtigt sind alle mindestens achtzehn Jahre alten männlichen und weiblichen Arbeitnehmer, die sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden.

Wählbar sind die mindestens vierundzwanzig Jahre alten reichsangehörigen Wahlberechtigten, die nicht mehr in Berufsausbildung sind und am Wahltag mindestens sechs Monate dem Betrieb oder dem Unternehmen sowie mindestens drei Jahre dem Gewerbezweig oder dem Berufszweig angehören, in dem sie tätig sind.

Kein Arbeitnehmer ist in mehr als einem Betriebe wählbar.

§ 21

Besteht der Betrieb oder das Unternehmen weniger als sechs Monate, so ist dem Erfordernisse der Betriebsangehörigkeit genügt, wenn der Arbeitnehmer seit der Begründung darin beschäftigt ist.

Von dem Erfordernisse der sechsmonatigen Betriebsangehörigkeit ist bei den vorübergehend beschäftigten Arbeitnehmern abzusehen in solchen Betrieben, die ihre Arbeitnehmer oder einen Teil ihrer Arbeitnehmer regelmäßig nur einen Teil des Jahres beschäftigen.

Sind im Betriebe nicht genügend Arbeitnehmer vorhanden, die nach § 20 Abs. 2 wählbar sind, so kann allgemein von dem Erfordernisse der sechsmonatigen Betriebsangehörigkeit, nötigenfalls auch von dem der dreijährigen Gewerbe- oder Berufsangehörigkeit abgesehen werden.

Bei Schwerbeschädigten im Sinne der Verordnung vom 9. Januar 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 28), die infolge ihrer Beschädigung einen neuen Beruf haben ergreifen müssen, ist von dem Erfordernisse der dreijährigen Gewerbe- und Berufsangehörigkeit abzusehen.

§ 22

Bei der Zusammensetzung des Betriebsrats sollen die verschiedenen Berufsgruppen der im Betriebe beschäftigten männlichen und weiblichen Arbeitnehmer nach Möglichkeit berücksichtigt werden.

§ 23

Der Betriebsrat hat spätestens vier Wochen vor Ablauf seiner Wahlzeit mit einfacher Stimmenmehrheit einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen der Gewählten zum Vorsitzenden zu wählen.

Kommt der Betriebsrat seiner Verpflichtung nicht nach, so hat der Arbeitgeber einen aus den drei ältesten wahlberechtigten Arbeitnehmern bestehenden Wahlvorstand zu bestellen, in dem in Betrieben mit Arbeitern und Angestellten beide Gruppen vertreten sein müssen. Der Wahlvorstand bestimmt seinen Vorsitzenden selbst.

Das gleiche gilt, wenn ein Betrieb neu errichtet wird oder wenn die für die Errichtung eines Betriebsrats vorgeschriebene Mindestzahl von Arbeitnehmern erreicht wird.

Die Wahl ist durch den Wahlvorstand unverzüglich nach seiner Bestellung einzuleiten und soll spätestens nach sechs Wochen stattfinden.

§ 24

Versäumnis von Arbeitszeit infolge Ausübung des Wahlrechts oder Betätigung im Wahlvorstande darf eine Minderung der Entlohnung oder der Gehaltszahlung nicht zur Folge haben. Vertragsbestimmungen, die dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind nichtig.

§ 25

Die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren trifft mit Zustimmung eines aus achtundzwanzig Mitgliedern bestehenden Ausschusses des Reichstags der Reichsarbeitsminister.

2. Geschäftsführung

§ 26

Hat der Betriebsrat weniger als neun Mitglieder, so wählt er aus seiner Mitte mit einfacher Stimmenmehrheit einen ersten und zweiten Vorsitzenden. Hat der Betriebsrat sowohl Arbeiter wie Angestellte als Mitglieder, so dürfen die beiden Vorsitzenden nicht der gleichen Gruppe angehören.

§ 27

Hat der Betriebsrat neun oder mehr Mitglieder, so wählt er aus seiner Mitte nach den Grundsätzen der Verhältniswahl einen Betriebsausschuß von fünf Mitgliedern. Hat der Betriebsrat sowohl Arbeiter wie Angestellte als Mitglieder, so dürfen die Mitglieder des Betriebsausschusses nicht sämtlich der gleichen Gruppe angehören. Der Betriebsausschuß wählt aus seiner Mitte den ersten und zweiten Vorsitzenden unter entsprechender Anwendung des § 26.

§ 28

Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter sind zur Vertretung des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber und gegenüber dem Schlichtungsausschusse befugt.

§ 29

Der Wahlvorstand hat die Mitglieder des Betriebsrats spätestens eine Woche nach ihrer Wahl zur Vornahme der nach den §§ 26, 27 erforderlichen Wahlen zusammenzuberufen. Alle späteren Sitzungen beraumt der Vorsitzende an, der auch die Tagesordnung festsetzt und die Verhandlungen leitet. Auf Verlangen von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats hat der Vorsitzende eine Sitzung anzuberaumen und den beantragten Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber es beantragt.

Der Arbeitgeber nimmt außer an den Sitzungen, zu denen er eingeladen ist, an denen teil, die auf seinen Antrag anberaumt sind. Ihm kann in diesen Sitzungen der Vorsitz übertragen werden.

Die Anrufung des Schlichtungsausschusses ist erst zulässig, wenn mit dem Arbeitgeber nach rechtzeitiger Einladung unter Mitteilung der Tagesordnung die strittige Angelegenheit verhandelt worden oder wenn der Arbeitgeber oder sein Vertreter trotz rechtzeitiger Einladung nicht erschienen ist.

§ 30

Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel und nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit statt. Sie sind nicht öffentlich.

Von Sitzungen, die während der Arbeitszeit stattfinden müssen, ist der Arbeitgeber rechtzeitig zu benachrichtigen.

§ 31

Auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats ist je ein Beauftragter der im Betriebsrat vertretenen wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer zu den Sitzungen mit beratender Stimme zuzuziehen.

Der Arbeitgeber kann verlangen, daß je ein Beauftragter der wirtschaftlichen Vereinigungen, denen er angehört, zu den Sitzungen, an denen er teilzunehmen berechtigt ist, mit beratender Stimme hinzugezogen werde.

§ 32

Ein gültiger Beschluß des Betriebsrats kann nur gefaßt werden, wenn alle Mitglieder unter Mitteilung der Beratungsgegenstände geladen sind und die Zahl der Erschienen mindestens die Hälfte der Zahl der Betriebsratsmitglieder erreicht. Stellvertretung nach § 40 ist zulässig.

Die Beschlüsse werden durch Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder und Stellvertreter gefaßt. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

§ 33

Über jede Verhandlung des Betriebsrats ist eine Niederschrift aufzunehmen, die mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefaßt sind, enthält, und von dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied zu unterzeichnen ist.

Hat der Arbeitgeber in der Verhandlung eine Erklärung abgegeben, so ist ihm die Niederschrift zur Unterzeichnung vorzulegen. Es ist ihm eine Abschrift der Niederschrift über die Verhandlungen zu übergeben, an denen er teilzunehmen berechtigt war.

Erachten die Arbeiter- oder Angestelltenvertreter, welche die Minderheitsgruppe der Arbeitnehmer darstellen, einen in einer gemeinsamen Angelegenheit der Arbeiter und Angestellten gefaßten Beschluß des Betriebsrats als eine erhebliche Verletzung wichtiger Interessen der durch sie vertretenen Arbeitnehmer, so sind sie berechtigt, ihren Standpunkt in einem besonderen Beschlusse zum Ausdruck zu bringen und diesen dem Arbeitgeber gegenüber zu vertreten.

§ 34

Sonstige Bestimmungen über die Geschäftsführung können in einer Geschäftsordnung, die sich der Betriebsrat selbst gibt, getroffen werden.

§ 35

Die Mitglieder der Betriebsräte und ihre Stellvertreter verwalten ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Notwendige Versäumnis von Arbeitszeit darf eine Minderung der Entlohnung oder Gehaltszahlung nicht zur Folge haben. Vertragsbestimmungen, die dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind nichtig.

§ 36

Die durch die Geschäftsführung entstehenden notwendigen Kosten, einschließlich etwaiger Aufwandsentschädigungen, trägt der Arbeitgeber, sofern nicht durch Tarifvertrag etwas anderes bestimmt ist. Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat er die nach Umfang und Beschaffenheit des Betriebs und der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats erforderlichen Räume und Geschäftsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen.

§ 37

Die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer für irgendwelche Zwecke der Betriebsvertretungen ist unzulässig.

§ 38

Auf die Geschäftsführung des Betriebsausschusses finden die §§ 29 bis 37, auf die Geschäftsführung des Arbeiterrats und des Angestelltenrats der § 26 Satz 1, die §§ 28 bis 37 entsprechende Anwendung.

3. Erlöschen der Mitgliedschaft

§ 39

Die Mitgliedschaft im Betriebsrat erlischt durch Niederlegung, durch Beendigung des Arbeitsvertrags oder durch Verlust der Wählbarkeit.

Auf Antrag des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer kann der Bezirkswirtschaftsrat oder, solange ein solcher nicht besteht, der Schlichtungsausschuß das Erlöschen der Mitgliedschaft eines Vertreters wegen gröblicher Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen.

Das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat hat das Erlöschen der Mitgliedschaft im Arbeiter- und Angestelltenrat zur Folge.

§ 40

Scheidet ein Mitglied aus, so tritt ein Ersatzmitglied nach den Bestimmungen der Wahlordnung ein. Dies gilt auch für das Eintreten der Ersatzmitglieder als Stellvertreter für zeitweilig verhinderte Mitglieder.

Die Ersatzmitglieder werden der Reihe nach aus den nicht gewählten, aber noch wählbaren Personen derjenigen Wahlvorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören.

§ 41

Auf Antrag des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer kann der Bezirkswirtschaftsrat oder, solange ein solcher nicht besteht, der Schlichtungsausschuß die Auflösung des Betriebsrats wegen gröblicher Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen.

§ 42

Sobald die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder unter die vorschriftsmäßige Zahl der Betriebsratmitglieder (§§ 15, 16) sinkt, ist zu einer Neuwahl zu schreiten.

Das gleiche gilt im Falle des § 41 sowie beim Rücktritt des gesamten Betriebsrats. Ein Eintreten von Ersatzmitgliedern (§ 40) findet in den Fällen dieses Absatzes nicht statt.

§ 43

Ist eine Neuwahl des gesamten Betriebsrats notwendig, so bleiben die Mitglieder des alten Betriebsrats so lange im Amte, bis der neue gebildet ist.

Im Falle des § 41 kann der Bezirkswirtschaftsrat oder, solange ein solcher nicht besteht, der Schlichtungsausschuß einen vorläufigen Betriebsrat berufen.

§ 44

Auf das Erlöschen der Mitgliedschaft im Arbeiterrat und Angestelltenrate finden die §§ 39 bis 41 entsprechende Anwendung.

Das Erlöschen der Mitgliedschaft im Arbeiterrat oder Angestelltenrate hat das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat zur Folge.

Sinkt die Zahl der Ergänzungsmitglieder und der Ersatzmitglieder für sie unter die vorschriftsmäßige Zahl (§ 15 Abs. 4), so findet dennoch keine Neuwahl statt.

Ist der Arbeiterrat oder Angestelltenrat aufgelöst oder zurückgetreten, so findet eine Neuwahl der gleichzeitig dem Betriebsrat angehörigen Mitglieder und der Ergänzungsmitglieder in der bisherigen Anzahl für den Rest der Wahlzeit des Betriebsrats statt. § 43 findet entsprechende Anwendung.

4. Betriebsversammlung

§ 45

Die Betriebsversammlung besteht aus den Arbeitnehmern des Betriebs.

Kann nach der Natur oder Größe des Betriebs eine gleichzeitige Versammlung aller Arbeitnehmer nicht stattfinden, so hat die Abhaltung der Betriebsversammlung in Teilversammlungen zu erfolgen.

§ 46

Der Vorsitzende des Betriebsrats ist berechtigt und auf Verlangen des Arbeitgebers oder auf Verlangen von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet, eine Betriebsversammlung einzuberufen.

Von Versammlungen, die auf Verlangen des Arbeitgebers stattfinden, ist dieser zu benachrichtigen. Er hat das Recht, in diesen Versammlungen zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen und sich selbst oder durch seine Vertreter an den Verhandlungen ohne Stimmrecht zu beteiligen.

Die Betriebsversammlung findet grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit statt; soll in dringenden Fällen hiervon abgewichen werden, so ist die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich.

§ 47

An den Betriebsversammlungen kann je ein Beauftragter der im Betriebe vertretenen wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer mit beratender Stimme teilnehmen.

§ 48

Die Betriebsversammlung kann Wünsche und Anträge an den Betriebsrat richten. Sie darf nur über Angelegenheiten verhandeln, die zu ihrem Geschäftskreis gehören.

§ 49

Auf die Betriebsversammlung der Arbeiter und der Angestellten finden die Bestimmungen der §§ 45 bis 48 entsprechende Anwendung.

B. Gesamtbetriebsrat

§ 50

Befinden sich innerhalb einer Gemeinde oder wirtschaftlich zusammenhängender, nahe beieinander liegender Gemeinden mehrere gleichartige oder nach dem Betriebszweck zusammengehörige Betriebe in der Hand eines Eigentümers, so kann durch übereinstimmende Beschlüsse der Einzelbetriebsräte die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats neben den Einzelbetriebsräten erfolgen.

§ 51

Anstatt eines Gesamtbetriebsrats kann unter den gleichen Voraussetzungen ein gemeinsamer Betriebsrat errichtet werden, der an die Stelle der Einzelbetriebsräte tritt.

Die wahlberechtigten Arbeitnehmer eines jeden der zusammengeschlossenen Betriebe können durch einen Mehrheitsbeschluß, der spätestens sechs Wochen vor Ablauf der Wahlzeit des gemeinsamen Betriebsrats zu fassen ist, aus der Vereinigung ausscheiden.

Die Errichtung eines gemeinsamen Betriebsrats muß unter den Voraussetzungen des Abs. 1 für diejenigen Betriebe erfolgen, für die eine Betriebsvertretung nach den §§ 1, 2, 62 nicht zu errichten wäre.

§ 52

Ein Einzelbetriebsrat oder der Arbeitgeber kann beantragen, daß an die Stelle des Gesamtbetriebsrats ein oder mehrere gemeinsame Betriebsräte treten, wenn hierdurch ohne Schädigung der Interessen der Arbeitnehmer eine wesentliche Vereinfachung des Geschäftsganges eintreten würde. Über den Antrag entscheidet, wenn nicht übereinstimmende Beschlüsse der Einzelbetriebsräte zustande kommen, der Bezirkswirtschaftsrat oder, solange ein solcher noch nicht besteht, der Schlichtungsausschuß.

Die wahlberechtigten Arbeitnehmer eines jeden der zusammengeschlossenen Betriebe können durch einen Mehrheitsbeschluß, der spätestens sechs Wochen vor Ablauf der Wahlzeit des gemeinsamen Betriebsrats zu fassen ist, die Auflösung beantragen. Über den Antrag entscheidet, wenn nicht übereinstimmende Beschlüsse in allen Betrieben gefaßt werden, der Bezirkswirtschaftsrat oder, solange ein solcher noch nicht besteht, der Schlichtungsausschuß.

§ 53

Die Bestimmungen der §§ 50 bis 52 finden auf die Betriebe der Gemeinden und Gemeindeverbände Anwendung, auch wenn sie nicht nach dem Betriebszweck zusammengehören, auf die Betriebe anderer öffentlicher Körperschaften nur, soweit sie dem gleichen Dienstzweig angehören.

§ 54

Zur Wahl des Gesamtbetriebsrats bilden alle Arbeitermitglieder und alle Angestelltenmitglieder der einzelnen Betriebsräte je einen Wahlkörper. Jeder dieser Wahlkörper wählt unter der Leitung der drei ältesten Vorsitzenden der Einzelbetriebsräte aus seiner Mitte in geheimer Wahl, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, die auf ihn entfallenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats. Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats bemißt sich nach den §§ 15 und 16.

Eine Bildung von besonderen Arbeiterräten und Angestelltenräten innerhalb des Gesamtbetriebsrats findet nicht statt.

§ 55

Auf die Geschäftsführung des Gesamtbetriebsrats finden die §§ 26 bis 37 entsprechende Anwendung.

§ 56

Die Wahl des Gesamtbetriebsrats erfolgt auf die Dauer von einem Jahre.

Die §§ 39, 41 bis 43 finden auf das Erlöschen der Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat entsprechende Anwendung.

Ausscheiden eines Mitglieds aus dem Gesamtbetriebsrate hat das Ausscheiden des Mitglieds aus dem Einzelbetriebsrate zur Folge. Das gleiche gilt im umgekehrten Falle.

In beiden Fällen tritt an die Stelle des Ausgeschiedenen sein Ersatzmitglied im Einzelbetriebsrate.

§ 57

In Betrieben mit Gesamtbetriebsräten treten an die Stelle der Betriebsversammlung die Betriebsversammlungen der einzelnen Betriebe.

C. Betriebsobmann

§ 58

Der Betriebsobmann (§ 2) wird von den wahlberechtigten Arbeitnehmern des Betriebs aus ihrer Mitte in geheimer Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit auf die Dauer von einem Jahre gewählt. Wiederwahl ist zulässig.

Auf die Wahl des Betriebsobmanns finden die §§ 20 bis 21, 23 bis 25 entsprechende Anwendung, jedoch § 23 mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Wahlvorstandes ein Wahlleiter tritt und die vierwöchige Frist des § 23 Abs. 1 auf eine Woche abgekürzt wird.

§ 59

Auf die Geschäftsführung des Betriebsobmanns finden die §§ 28, 35 bis 37 entsprechende Anwendung.

§ 60

Auf das Erlöschen der Stellung als Betriebsobmann finden § 39 Abs. 1 und 2, § 43 entsprechende Anwendung.

D. Sondervertretungen

§ 61

Bei den Unternehmungen und Verwaltungen des Reichs, der Länder und der Gemeindeverbände, die sich über einen größeren Teil des Reichs oder Landesgebiets oder über mehrere Gemeindebezirke erstrecken, wird die Bildung von Einzel- und Gesamtbetriebsräten sowie die Abgrenzung ihrer Befugnisse gegeneinander in Anlehnung an den Aufbau der Unternehmung oder Verwaltung im Verordnungswege geregelt.

Die Verordnung wird erlassen von der jeweils zuständigen Reichs- oder Landesregierung nach Verhandlung mit den beteiligten wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer.

Diese Verordnung kann auch festsetzen, welche Bestandteile der Unternehmung oder Verwaltung als besondere Betriebe im Sinne des § 9 Abs. 2 anzusehen s.

§ 62

Ein Betriebsrat ist nicht zu errichten oder hört zu bestehen auf, wenn seiner Errichtung oder seiner Tätigkeit nach der Natur des Betriebs besondere Schwierigkeiten entgegenstehen und auf Grund eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags eine andere Vertretung der Arbeitnehmer des Betriebs besteht oder errichtet wird. Diese Vertretung hat die in diesem Gesetze dem Betriebsrat übertragenen Aufgaben und Befugnisse.

Bei Ablauf eines solchen Tarifvertrags bleibt die nach Abs. 1 errichtete Vertretung so lange in Tätigkeit, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen und für allgemein verbindlich erklärt oder ein gesetzlicher Betriebsrat gewählt ist.

§ 63

Ist ein Antrag auf Erklärung der allgemeinen Verbindlichkeit eines Tarifvertrags gestellt, so kann das Reichsarbeitsministerium auf Antrag der Antragsberechtigten (§ 3 der Verordnung vom 23. Dezember 1918, Reichs-Gesetzbl. S. 1456) die Aussetzung der Wahl der Betriebsräte innerhalb des Geltungsbereichs des Tarifvertrags bis zur Entscheidung über die Verbindlichkeit anordnen.

§ 64

Betrifft der Tarifvertrag nicht sämtliche Arbeitnehmer des Betriebs, so wird für die nicht durch den Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zwecks Wahrnehmung ihrer Interessen eine Betriebsvertretung nach Maßgabe dieses Gesetzes errichtet.

§ 65

Besteht in einem Betriebe, für den ein Betriebsrat errichtet ist, für die dem Betrieb angehörigen öffentlichen Beamten eine Beamtenvertretung (Beamtenrat, Beamtenausschuß), so können in gemeinsamen Angelegenheiten, welche in den Aufgabenkreis sowohl des Betriebsrats wie auch der Beamtenvertretung fallen, Betriebsrat und Beamtenvertretung zu gemeinsamer Beratung zusammentreten.

Den Vorsitz führt für jede gemeinsame Sitzung abwechselnd der Vorsitzende des Betriebsrats und der der Beamtenvertretung. Die Einladungen und die Aufstellung der Tagesordnung erfolgen durch beide Vorsitzende gemeinsam.

Die Reichsregierung kann für die öffentlichen Behörden und Betriebe des Reichs sowie für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die hinsichtlich des Dienstverhältnisses ihrer Beamten der Reichsaufsicht unterliegen, die Landesregierungen können für die öffentlichen Behörden und die Betriebe der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die hinsichtlich der Dienstverhältnisse ihrer Beamten der Landesaufsicht unterliegen, nähere Vorschriften erlassen.

III. Aufgaben und Befugnisse der Betriebsvertretungen

A. Betriebsrat

§ 66

Der Betriebsrat hat die Aufgabe:

1. in Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken die Betriebsleitung durch Rat zu unterstützen, um dadurch mit ihr für einen möglichst hohen Stand und für möglichste Wirtschaftlichkeit der Betriebsleistungen zu sorgen;

2. in Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken an der Einführung neuer Arbeitsmethoden fördernd mitzuarbeiten;

3. den Betrieb vor Erschütterungen zu bewahren, insbesondere vorbehaltlich der Befugnisse der wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeiter und Angestellten (§ 8), bei Streitigkeiten des Betriebsrats, der Arbeitnehmerschaft, einer Gruppe oder eines ihrer Teile mit dem Arbeitgeber, wenn durch Verhandlungen keine Einigung zu erzielen ist, den Schlichtungsausschuß oder eine vereinbarte Einigungs- oder Schiedsstelle anzurufen;

4. darüber zu wachen, daß die in Angelegenheiten des gesamten Betriebs von den Beteiligten anerkannten Schiedssprüche eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle durchgeführt werden;

5. für die Arbeitnehmer gemeinsame Dienstvorschriften und Änderungen derselben im Rahmen der geltenden Tarifverträge nach Maßgabe des § 75 mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren;

6. das Einvernehmen innerhalb der Arbeitnehmerschaft sowie zwischen ihr und dem Arbeitgeber zu fördern und für Wahrung der Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmerschaft einzutreten;

7. Beschwerden des Arbeiter- und Angestelltenrats entgegenzunehmen und auf ihre Abstellung in gemeinsamer Verhandlung mit dem Arbeitgeber hinzuwirken;

8. auf die Bekämpfung der Unfall- und Gesundheitsgefahren im Betriebe zu achten, die Gewerbeaufsichtsbeamten und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen bei dieser Bekämpfung durch Anregungen, Beratung und Auskunft zu unterstützen sowie auf die Durchführung der gewerbepolizeilichen Bestimmungen und der Unfallverhütungsvorschriften hinzuwirken;

9. an der Verwaltung von Pensionskassen und Werkswohnungen sowie sonstiger Betriebswohlfahrtseinrichtungen mitzuwirken; bei letzteren jedoch nur, sofern nicht bestehende, für die Verwaltung maßgebende Satzungen oder bestehende Verfügungen von Todes wegen entgegenstehen oder eine anderweitige Vertretung der Arbeitnehmer vorsehen.

§ 67

Auf Betriebe, die politischen, gewerkschaftlichen, militärischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestrebungen dienen, findet § 66 Ziffer 1 und 2 keine Anwendung, soweit die Eigenart dieser Bestrebungen es bedingt.

§ 68

Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben hat der Betriebsrat dahin zu wirken, daß von beiden Seiten Forderungen und Maßnahmen unterlassen werden, die das Gemeininteresse schädigen.

§ 69

Die Ausführung der gemeinsam mit der Betriebsleitung gefaßten Beschlüsse übernimmt die Betriebsleitung. Ein Eingriff in die Betriebsleitung durch selbständige Anordnungen steht dem Betriebsrat nicht zu.

§ 70

In Unternehmungen, für die ein Aufsichtsrat besteht und nicht auf Grund anderer Gesetze eine gleichartige Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrate vorgesehen ist, werden nach Maßgabe eines besonderen hierüber zu erlassenden Gesetzes ein oder zwei Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat entsandt, um die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer sowie deren Ansichten und Wünsche hinsichtlich der Organisation des Betriebs zu vertreten. Die Vertreter haben in allen Sitzungen des Aufsichtsrats Sitz und Stimme, erhalten jedoch keine andere Vergütung als eine Aufwandsentschädigung. Sie sind verpflichtet, über die ihnen gemachten vertraulichen Angaben Stillschweigen zu bewahren.

§ 71

Zur Erfüllung seiner Aufgaben hat der Betriebsrat in Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken das Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, daß er dem Betriebsausschuß, oder, wo ein solcher nicht besteht, dem Betriebsrat, soweit dadurch keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden und gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, über alle den Dienstvertrag und die Tätigkeit der Arbeitnehmer berührenden Betriebsvorgänge Aufschluß gibt und die Lohnbücher und die zur Durchführung von bestehenden Tarifverträgen erforderlichen Unterlagen vorlegt.

Ferner hat der Arbeitgeber vierteljährlich einen Bericht über die Lage und den Gang des Unternehmens und des Gewerbes im allgemeinen und über die Leistungen des Betriebs und den zu erwartenden Arbeitsbedarf im besonderen zu erstatten.

Die Mitglieder des Betriebsausschusses oder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen vom Arbeitgeber gemachten vertraulichen Angaben Stillschweigen zu bewahren.

§ 72

In Betrieben, deren Unternehmer zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet sind und die in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmer oder 50 Angestellte im Betriebe beschäftigen, können die Betriebsräte verlangen, daß den Betriebsausschüssen oder, wo solche nicht bestehen, den Betriebsräten alljährlich vom 1. Januar 1921 ab nach Maßgabe eines hierüber zu erlassenden Gesetzes eine Betriebsbilanz und eine Betriebs-Gewinn- und -Verlustrechnung für das verflossene Geschäftsjahr spätestens sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs zur Einsichtnahme vorgelegt und erläutert wird.

Die Mitglieder des Betriebsausschusses oder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen vom Arbeitgeber gemachten vertraulichen Angaben Stillschweigen zu bewahren.

§ 73

Die §§ 70 und 72 finden auf die im § 67 genannten Betriebe keine Anwendung, soweit die Eigenart des Betriebs es bedingt.

Von der Verpflichtung der §§ 70 und 72 können Unternehmungen oder Betriebe auf ihren Antrag durch die Reichsregierung befreit werden, wenn wichtige Staatsinteressen dies erfordern.

In den Fällen der Abs. 1 und 2 hat der Betriebsausschuß und, wo ein solcher nicht besteht, der Betriebsrat das Recht, falls ein Aufsichtsrat besteht, Anträge und Wünsche hinsichtlich der Arbeitnehmerverhältnisse und der Organisation des Betriebs an den Aufsichtsrat zu bringen und sie durch einen oder zwei Beauftragte im Aufsichtsrate zu vertreten. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat baldmöglichst eine Sitzung anzuberaumen und den Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. In dieser Sitzung haben die Vertreter des Betriebsrats beratende und beschließende Stimme.

§ 74

Wird infolge von Erweiterung, Einschränkung oder Stillegung des Betriebs oder infolge von Einführung neuer Techniken oder neuer Betriebs- oder Arbeitsmethoden die Einstellung oder die Entlassung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern erforderlich, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich mit dem Betriebsrat, an dessen Stelle, wenn dabei vertrauliche Mitteilungen gemacht werden müssen, der etwa vorhandene Betriebsausschuß tritt, möglichst längere Zeit vorher über Art und Umfang der erforderlichen Einstellungen und Entlassungen und über die Vermeidung von Härten bei letzteren ins Benehmen zu setzen. Der Betriebsrat oder der Betriebsausschuß kann eine entsprechende Mitteilung an die Zentralauskunftstelle oder einen von dieser bezeichneten Arbeitsnachweis verlangen.

§ 75

Sollen gemäß § 66 Ziffer 5 gemeinsame Dienstvorschriften vereinbart werden, so hat der Arbeitgeber den Entwurf, soweit die Bestimmungen nicht auf Tarifvertrag beruhen, dem Betriebsrat vorzulegen. Kommt über den Entwurf keine Einigung zustande, so können beide Teile den Schlichtungsausschuß anrufen, der eine bindende Entscheidung trifft. Die Verbindlichkeit der Entscheidung erstreckt sich nicht auf die Dauer der Arbeitszeit.

Entsprechend ist bei Änderungen der Dienstvorschriften zu verfahren.

§ 76

Der Betriebsrat kann in Betrieben mit über hundert Arbeitnehmern an einem Tage oder mehreren Tagen der Woche eine regelmäßige Sprechstunde einrichten, in welcher die Arbeitnehmer Wünsche und Beschwerden vorbringen können. Soll die Sprechstunde innerhalb der Arbeitszeit liegen, so ist dies mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.

§ 77

Ein von dem Betriebsrat bestimmtes Mitglied ist bei Unfalluntersuchungen, die vom Arbeitgeber, dem Gewerbeaufsichtsbeamten oder sonstigen in Betracht kommenden Stellen im Betriebe vorgenommen werden, zuzuziehen.

B. Arbeiterrat und Angestelltenrat

§ 78

Der Arbeiterrat und der Angestelltenrat oder, wo ein solcher nicht besteht, der Betriebsrat hat die Aufgabe,

1. darüber zu wachen, daß in dem Betriebe die zugunsten der Arbeitnehmer gegebenen gesetzlichen Vorschriften und die maßgebenden Tarifverträge sowie die von den Beteiligten anerkannten Schiedssprüche eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle durchgeführt werden;

2. soweit eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht, im Benehmen mit den beteiligten wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer bei der Regelung der Löhne und sonstigen Arbeitsverhältnisse mitzuwirken, namentlich auch

bei der Festsetzung der Akkord- und Stücklohnsätze oder der für ihre Festsetzung maßgebenden Grundsätze,

bei der Einführung neuer Löhnungsmethoden,

bei der Festsetzung der Arbeitszeit, insbesondere bei Verlängerungen und Verkürzungen der regelmäßigen Arbeitszeit,

bei der Regelung des Urlaubs der Arbeitnehmer und

bei Erledigung von Beschwerden über die Ausbildung und Behandlung der Lehrlinge im Betriebe;

3. die Arbeitsordnung oder sonstige Dienstvorschriften für eine Gruppe der Arbeitnehmer im Rahmen der geltenden Tarifverträge nach Maßgabe des § 80 mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren;

4. Beschwerden zu untersuchen und auf ihre Abstellung in gemeinsamer Verhandlung mit dem Arbeitgeber hinzuwirken;

5. in Streitfällen den Schlichtungsausschuß oder eine vereinbarte Einigungs- oder Schiedsstelle anzurufen, wenn der Betriebsrat die Anrufung ablehnt;

6. auf die Bekämpfung der Unfall- und Gesundheitsgefahren seiner Gruppe im Betriebe zu achten, die Gewerbeaufsichtsbeamten und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen bei dieser Bekämpfung durch Anregungen, Beratung und Auskunft zu unterstützen sowie auf die Durchführung der gewerbepolizeilichen Bestimmungen und der Unfallverhütungsvorschriften hinzuwirken;

7. bei Kriegs- und Unfallbeschädigten für eine ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung durch Rat, Anregung, Schutz und Vermittlung bei dem Arbeitgeber und den Mitarbeitnehmern tunlichst Sorge zu tragen;

8. soweit eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht, nach Maßgabe der §§ 81 bis 83 mit dem Arbeitgeber Richtlinien über die Einstellung von Arbeitnehmern der Gruppe in den Betrieb zu vereinbaren;

9. nach Maßgabe der §§ 84 bis 90 bei Entlassungen von Arbeitnehmern der Gruppe mitzuwirken.

§ 79

Auf den Arbeiterrat und Angestelltenrat finden die §§ 68 und 69 entsprechende Anwendung.

§ 80

Sollen gemäß § 78 Ziffer 3 Arbeitsordnungen oder sonstige Dienstvorschriften für eine Gruppe der Arbeitnehmer vereinbart werden, so findet § 75 entsprechende Anwendung.

Die im § 134b Ziffer 4 der Gewerbeordnung vorgesehene Festsetzung von Strafen erfolgt durch den Arbeitgeber gemeinsam mit dem Arbeiterrat oder Angestelltenrat. In Streitfällen entscheidet der Schlichtungsausschuß.

Ist die geltende Arbeitsordnung vor dem 1. Januar 1919 erlassen, so ist binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine neue Arbeitsordnung zu erlassen.

§ 81

Die gemäß § 78 Ziffer 8 vereinbarten Richtlinien müssen die Bestimmung enthalten, daß die Einstellung eines Arbeitnehmers nicht von seiner politischen, militärischen, konfessionellen oder gewerkschaftlichen Betätigung, von der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem politischen, konfessionellen oder beruflichen Verein oder einem militärischen Verband abhängig gemacht werden darf. Sie dürfen nicht bestimmen, daß die Einstellung von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht abhängig sein so.

Die Vorschriften des Abs. 1 gelten nicht für die im § 67 genannten Betriebe, soweit die Eigenart ihrer Bestrebungen es bedingt.

Einstellungen, die auf einer gesetzlichen, tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle auferlegten Verpflichtung beruhen, gehen den Richtlinien in jedem Falle vor.

Im Rahmen der Richtlinien hat über die Einstellung des einzelnen Arbeitnehmers der Arbeitgeber allein ohne Mitwirkung oder Aufsicht des Arbeiterrats oder Angestelltenrats zu entscheiden.

§ 82

Wird gegen die vereinbarten Richtlinien verstoßen, so kann der Arbeiterrat oder Angestelltenrat binnen fünf Tagen nach Kenntnis von dem Verstoße, jedoch nicht später als vierzehn Tage nach dem Dienstantritt, Einspruch erheben.

Die Gründe für den Einspruch und die Beweisunterlagen sind vom Arbeiterrat oder Angestelltenrat bei den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber vorzubringen.

Wird bei diesen Verhandlungen eine Einigung nicht erzielt, so kann der Arbeiterrat oder Angestelltenrat binnen drei Tagen nach Beendigung der Verhandlungen den zuständigen Schlichtungsausschuß oder eine vereinbarte Schiedsstelle anrufen.

Der Einspruch gegen die Einstellung und die Anrufung des Schlichtungsausschusses oder der Schiedsstelle hat keine aufschiebende oder auflösende Wirkung.

§ 83

Über den Einspruch wird im Schlichtungsverfahren endgültig entschieden. Vor der Entscheidung ist der Eingestellte tunlichst zu hören. Geht die Entscheidung dahin, daß ein Verstoß gegen die vereinbarten Richtlinien vorliegt, so kann darin zugleich ausgesprochen werden, daß das Dienstverhältnis des Eingestellten als mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt gilt. Die Entscheidung schafft Recht zwischen dem beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

§ 84

Arbeitnehmer können im Falle der Kündigung seitens des Arbeitgebers binnen fünf Tagen nach der Kündigung Einspruch erheben, indem sie den Arbeiter- oder Angestelltenrat anrufen:

1. wenn der begründete Verdacht vorliegt, daß die Kündigung wegen der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlechte, wegen politischer, militärischer, konfessioneller oder gewerkschaftlicher Betätigung oder wegen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem politischen, konfessionellen oder beruflichen Verein oder einem militärischen Verband erfolgt ist;

2. wenn die Kündigung ohne Angabe von Gründen erfolgt ist;

3. wenn die Kündigung deshalb erfolgt ist, weil der Arbeitnehmer sich weigerte, dauernd andere Arbeit, als die bei der Einstellung vereinbarte, zu verrichten;

4. wenn die Kündigung sich als eine unbillige, nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse des Betriebs bedingte Härte darstellt.

Erfolgt die Kündigung fristlos aus einem Grunde, der nach dem Gesetze zur Kündigung des Dienstverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, so kann der Einspruch auch darauf gestützt werden, daß ein solcher Grund nicht vorliegt.

§ 85

Das Recht des Einspruchs nach § 84 Ziffer 1 gilt nicht für die im § 67 genannten Betriebe, soweit die Eigenart ihrer Bestrebungen es bedingt.

Das Recht des Einspruchs besteht nicht

1. bei Entlassungen, die auf einer gesetzlichen oder tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle auferlegten Verpflichtung beruhen;

2. bei Entlassungen, die durch gänzliche oder teilweise Stillegung des Betriebs erforderlich werden.

§ 86

Bei der Anrufung müssen die Gründe des Einspruchs dargelegt und die Beweise ihrer Berechtigung vorgebracht werden. Erachtet der Arbeiterrat oder Angestelltenrat die Anrufung für begründet, so hat er zu versuchen, durch Verhandlungen eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Gelingt diese Verständigung binnen einer Woche nicht, so kann der Arbeiter- oder Angestelltenrat oder der betroffene Arbeitnehmer binnen weiteren fünf Tagen den Schlichtungsausschuß anrufen.

Im Falle des § 84 Abs. 2 hat der Schlichtungsausschuß das Verfahren auszusetzen, wenn auf Grund der Kündigung ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder die Aussetzung des Verfahrens zur Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung von einer der Parteien beantragt wird. Das Verfahren nimmt seinen Fortgang, wenn nicht binnen vier Wochen seit der Stellung des Antrags auf Aussetzung die Erhebung der Klage nachgewiesen ist oder wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, wonach die Berechtigung zur fristlosen Entlassung verneint ist.

Der Einspruch gegen die Kündigung und die Anrufung des Schlichtungsausschusses haben keine aufschiebende Wirkung.

§ 87

Über den Einspruch (§ 84) wird im gesetzlichen Schlichtungsverfahren endgültig entschieden.

Geht die Entscheidung dahin, daß der Einspruch gegen die Kündigung gerechtfertigt ist, so ist zugleich für den Fall, daß der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung ablehnt, ihm eine Entschädigungspflicht aufzuerlegen. Die Entschädigung bemißt sich nach der Zahl der Jahre, während derer der Arbeitnehmer in dem Betrieb insgesamt beschäftigt war, und darf für jedes Jahr bis zu einem Zwölftel des letzten Jahresarbeitsverdienstes festgesetzt werden, jedoch im ganzen nicht über sechs Zwölftel hinausgehen. Dabei ist sowohl auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers als auch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers angemessene Rücksicht zu nehmen. Die Entscheidung schafft Recht zwischen dem beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Innerhalb dreier Tage nach Kenntnis von dem Eintritt der Rechtskraft der im Schlichtungsverfahren ergangenen Entscheidung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mündlich oder durch Aufgabe zur Post zu erklären, ob er die Weiterbeschäftigung oder die Entschädigung wählt. Erklärt er sich nicht, so gilt die Weiterbeschäftigung als abgelehnt.

§ 88

Der Arbeitgeber ist im Falle der Weiterbeschäftigung verpflichtet, dem Arbeitnehmer, falls inzwischen die Entlassung erfolgt war, für die Zeit zwischen der Entlassung und der Weiterbeschäftigung Lohn oder Gehalt zu gewähren. § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. Der Arbeitgeber kann ferner öffentlich-rechtliche Leistungen, die der Arbeitnehmer aus Mitteln der Erwerbslosen- oder Armenfürsorge in der Zwischenzeit erhalten hat, zur Anrechnung bringen und muß diese Beträge der leistenden Stelle zurückerstatten.

§ 89

Der Arbeitnehmer ist berechtigt, falls er inzwischen einen neuen Dienstvertrag abgeschlossen hat, die Weiterbeschäftigung bei dem früheren Arbeitgeber zu verweigern. Er hat hierüber unverzüglich nach Empfang der im § 87 Abs. 3 vorgesehenen Erklärung des Arbeitgebers, spätestens aber eine Woche nach Kenntnis der Rechtskraft der im Schlichtungsverfahren ergangenen Entscheidung dem Arbeitgeber mündlich oder durch Aufgabe zur Post eine Erklärung abzugeben. Erklärt er sich nicht, so erlischt das Recht der Verweigerung. Macht er von seinem Verweigerungsrechte Gebrauch, so ist ihm, falls inzwischen die Entlassung erfolgt war, Lohn oder Gehalt nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Eintritt der Rechtskraft der im Schlichtungsverfahren ergangenen Entscheidung zu gewähren. § 88 Satz 2 und 3 findet entsprechende Anwendung.

§ 90

Wird in den Fällen der §§ 81 bis 89 die Einhaltung der Fristen durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert, so findet Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach näherer Vorschrift der Ausführungsbestimmungen statt.

C. Gesamtbetriebsrat

§ 91

Besteht neben Einzelbetriebsräten ein Gesamtbetriebsrat, so stehen ersteren die Obliegenheiten und Befugnisse der Betriebsräte nur hinsichtlich der Einzelbetriebe zu, die sie vertreten.

Der Gesamtbetriebsrat ist für die gemeinsamen Angelegenheiten mehrerer Einzelbetriebe und für die Angelegenheiten des gesamten Betriebs oder Unternehmens zuständig.

D. Betriebsobmann

§ 92

Der Betriebsobmann hat die Aufgaben und Befugnisse, die nach § 66, 78 Ziffer 1 bis 7 und den §§ 71, 77 dem Betriebsrat (Arbeiterrat und Angestelltenrat) zustehen.

Die §§ 67 bis 69 finden entsprechende Anwendung.

IV. Entscheidung von Streitigkeiten

§ 93

Der Bezirkswirtschaftsrat entscheidet bei Streitigkeiten über

1. die Notwendigkeit der Errichtung, die Bildung und Zusammensetzung einer Betriebsvertretung im Sinne diese Gesetzes;

2. Wahlberechtigung oder Wählbarkeit eines Arbeitnehmers;

3. Einrichtung, Zuständigkeit und Geschäftsführung der Betriebsvertretungen und der Betriebsversammlung;

4. die Notwendigkeit von Geschäftsführungskosten der Betriebsvertretungen;

5. alle Streitigkeiten, die sich aus den in diesem Gesetze vorgeschriebenen Wahlen ergeben.

§ 94

Bei Unternehmungen oder Verwaltungen, die sich über den Bezirk eines Bezirkswirtschaftsrats hinaus erstrecken oder die hinsichtlich der dienstlichen Verhältnisse ihrer Arbeitnehmer einer Landesaufsicht unterstehen, wird von der Landesregierung der Landeswirtschaftsrat oder ein Bezirkswirtschaftsrat für zuständig erklärt. Sofern die Unternehmung oder Verwaltung sich über den Bezirk eines Landes hinaus erstreckt oder hinsichtlich der dienstlichen Verhältnisse ihrer Arbeitnehmer der Aufsicht des Reichs untersteht, entscheidet der Reichswirtschaftsrat.

V. Schutz- und Strafbestimmungen

§ 95

Den Arbeitgebern und ihren Vertretern ist untersagt, ihre Arbeitnehmer in der Ausübung des Wahlrechts zu den Betriebsvertretungen oder in der Übernahme und Ausübung der gesetzlichen Betriebsvertretung zu beschränken oder sie deswegen zu benachteiligen.

§ 96

Zur Kündigung des Dienstverhältnisses eines Mitglieds einer Betriebsvertretung oder zu seiner Versetzung in einen anderen Betrieb bedarf der Arbeitgeber der Zustimmung der Betriebsvertretung.

Zur Zustimmung ist nicht erforderlich:

1. bei Entlassungen, die auf einer gesetzlichen oder tarifvertraglichen oder durch Schiedsspruch eines Schlichtungsausschusses oder einer vereinbarten Einigungs- oder Schiedsstelle auferlegten Verpflichtung beruhen;

2. bei Entlassungen, die durch Stillegung des Betriebs erforderlich sind;

3. bei fristlosen Kündigungen aus einem Grunde, der nach dem Gesetze zur Kündigung des Dienstverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt.

Im Falle des Abs. 2 Ziffer 3 ist der Einspruch nach Maßgabe des § 84 Abs. 2 und § 86 Abs. 2 statthaft.

Wird eine fristlose Kündigung (Abs. 2 Ziffer 3) durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Schlichtungsausschusses für ungerechtfertigt erklärt, so gilt die Kündigung als vom Arbeitgeber zurückgenommen. § 89 findet entsprechende Anwendung.

§ 97

Ist die Zustimmung der Betriebsvertretung erforderlich und wird sie versagt, so ist der Arbeitgeber berechtigt, den Schlichtungsausschuß anzurufen, der durch seinen Spruch die fehlende Zustimmung der Betriebsvertretung ersetzen kann. Er darf die Zustimmung nicht ersetzen, wenn er feststellt, daß die Kündigung als ein Verstoß gegen die im § 95 auferlegten Pflichten anzusehen ist. Bis zur Entscheidung des Schlichtungsausschusses ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter in seinem Betriebe zu beschäftigen.

§ 98

Auf die in den §§ 62, 63 bezeichneten Vertretungen finden die Bestimmungen der §§ 95 bis 97 entsprechende Anwendung.

Auf die Betriebsobleute finden sie mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle der Betriebsvertretung die Mehrheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs tritt.

§ 99

Arbeitgeber oder ihre Vertreter, die der Vorschrift des § 95, auch soweit sie im § 98 für anwendbar erklärt ist, vorsätzlich zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder mit Haft bestraft.

Die gleiche Strafe trifft Arbeitgeber oder ihre Vertreter, die den Vorschriften des § 23 Abs. 2 und 3 vorsätzlich zuwiderhandeln.

Ebenso werden Arbeitgeber oder ihre Vertreter bestraft, die es vorsätzlich unterlassen, der Betriebsvertretung gemäß den §§ 71, 72 Aufschluß zu geben, Bericht zu erstatten, die Lohnbücher, die zur Durchführung von bestehenden Tarifverträgen erforderlichen Unterlagen, die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen oder zu erläutern, oder die diesen Verpflichtungen vorsätzlich nicht rechtzeitig nachkommen.

Wer unter Verletzung der ihm nach den §§ 71, 72 obliegenden Pflichten zum Zwecke der Täuschung und in der Absicht, den Arbeitnehmern Schaden zuzufügen, in den Darstellungen, Berichten und Übersichten über den Vermögensstand des Unternehmens bestimmte falsche Tatsachen angibt oder bestimmte richtige Tatsachen unterdrückt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft.

Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag der Betriebsvertretung ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.

§ 100

Wer unbefugt vertrauliche Angaben, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart, die ihm als Angehörigen einer Betriebsvertretung bekanntgeworden und als solche bezeichnet worden sind, wird mit Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder mit Haft bestraft.

Wer die Tat in der Absicht begeht, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt ausschließlich die Geldstrafe ein. Neben der Strafe kann auf die Einziehung der durch die strafbare Handlung erlangen Vorteile erkannt werden.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Unternehmers ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.

VI. Ausführungs- und Übergangsbestimmungen

§ 101

Der Reichsarbeitsminister ist befugt, mit Zustimmung des Reichsrats und eines aus achtundzwanzig Mitgliedern bestehenden Ausschusses des Reichstags Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetze zu erlassen.

§ 102

Bei der ersten Wahl, die spätestens sechs Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einzuleiten ist, erfüllt die im § 23 Abs. 1 dem Betriebsrat zugewiesene Aufgabe der Arbeiterausschuß, der die Bestellung des Wahlvorstandes in einer von seinem Vorsitzenden anzuberaumenden gemeinsamen Sitzung mit dem etwa vorhandenen Angestelltenausschusse vorzunehmen hat. Ist ein Arbeiterausschuß nicht vorhanden, so tritt an seine Stelle der Angestelltenausschuß.

Kommt der Arbeiterausschuß oder der Angestelltenausschuß seiner Verpflichtung nicht nach oder ist ein Arbeiterausschuß oder Angestelltenausschuß nicht vorhanden, so ist das im § 23 Abs. 2 bezeichnete Verfahren einzuschlagen.

Für die erste Wahl des Betriebsobmanns hat der Arbeitgeber den ältesten wahlberechtigten Arbeitnehmer zum Wahlleiter zu bestellen (§ 58 Abs. 2).

§ 103

Solange Bezirkswirtschaftsräte nicht bestehen, bestimmt die Landeszentralbehörde eine andere Stelle für den Fall des § 93 als Ersatz. Solange Landeswirtschaftsräte und Reichswirtschaftsrat nicht bestehen, hat für die Fälle des § 94 Satz 1 die Landesregierung, im übrigen die Reichsregierung eine andere nicht beteiligte Stelle zu bestimmen.

§ 104

Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes treten folgende Änderungen in Kraft:

I. Die §§ 7 bis 14 der Verordnungen über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. Dezember 1918 (Reichs-Gesetzbl. S. 1456) werden aufgehoben.

II. Der § 19 der zu I genannten Verordnung erhält folgende Fassung:

Für die Unternehmungen und Verwaltungen des Reichs und der Länder können Sonderschlichtungsausschüsse errichtet werden. Die Errichtung erfolgt durch Verordnung der Reichsregierung für die Reichsverwaltungen, durch solche der Landesregierungen für die Landesverwaltungen.

III. Die §§ 20 ff. der zu I genannten Verordnung werden dahin geändert, daß überall an die Stelle der Arbeiterausschüsse und Angestelltenausschüsse in Betrieben, die unter § 1 dieses Gesetzes fallen, die Betriebsräte oder nach Maßgabe der §§ 6 und 78 die Arbeiterräte oder Angestelltenräte und in Betrieben, die unter § 2 fallen, die Betriebsobleute, sowie daß an die Stelle der Vertretungen nach § 12 der Verordnung die nach §§ 62, 63 des Gesetzes treten.

IV. Der § 134a Abs. 2 und der § 134b Abs. 3 der Gewerbeordnung werden dahin geändert, daß als derjenige, der die Arbeitsordnung und Nachträge zu derselben erläßt, der Arbeitgeber zusammen mit dem Betriebsrat gilt. Als Unterschrift des Betriebsrats gilt diejenige des Vorsitzenden.

V. Die §§ 134d und 134h der Gewerbeordnung werden aufgehoben.

VI. Der § 134e Abs. 1 der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung:

Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist binnen drei Tagen nach dem Erlaß in zwei Ausfertigungen der unteren Verwaltungsbehörde einzureichen.

VII. Der § 13 Satz 1 der Verordnung, betreffend eine vorläufige Landarbeitsordnung, vom 24. Januar 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 111) erhält folgende Fassung:

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, ist eine Arbeitsordnung zu erlassen und an sichtbarer Stelle aufzuhängen.

VIII. Soweit in anderen Gesetzen und Verordnungen und in Tarifverträgen Arbeiterausschüsse und Angestelltenausschüsse genannt werden, treten an ihre Stelle in Betrieben, die unter § 1 dieses Gesetzes fallen, die Betriebsräte oder nach Maßgabe der §§ 6 und 78 die Arbeiterräte oder Angestelltenräte, in Betrieben, die unter § 2 fallen, die Betriebsobleute sowie in Betrieben, die unter §§ 62, 63 fallen, die dort genannten Vertretungen.

§ 105

Wenn bis zum 31. Dezember 1920 das im § 72 vorgesehene Gesetz über die Betriebsbilanz nicht besteht, ist dem Betriebsrat eine den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs entsprechende Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen.

§ 106

Das Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten die Landesgesetze über die Betriebsräte außer Kraft.

Mit Vollziehung der ersten Wahl nach Inkrafttreten dieses Gesetzes hören die vorhandenen Betriebsräte, die für Betriebe errichteten Arbeiterräte und die Arbeiter- und Angestelltenausschüsse zu bestehen auf.

Berlin, den 4. Februar 1920.

Der Reichspräsident

Ebert

Der Reichsarbeitsminister

Schlicke

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Hier nach: Betriebsrätegesetz, 4. Februar 1920, RGBl. 1920, Nr. 26, S. 147-174.