Verordnung über die Errichtung der Deutschen Rentenbank [Hyperinflation], 15. Oktober 1923

Einleitung

Auslöser des Übergangs von der zuvor "galoppierenden Inflation" zur Hyperinflation (mehr als 50 Prozent Preissteigerung pro Monat) im Juni 1922 war ein jähes Umschlagen der Erwartungen im Ausland unter denen, die bis dahin auf einen Wiederanstieg des Markwechselkurses spekuliert und so mit Geldanlagen in Deutschland die inflationären Wirkungen der großen Reichshaushaltsdefizite tendenziell gedämpft hatten. Ein außen- und ein innenpolitisches Ereignis bewirkten den Umschwung der Erwartungen:

1.) Der Bericht vom 10. Juni 1922 des von der Reparationskommission eingesetzten Bankierausschusses unter dem Vorsitz von J. P. Morgan mit der Empfehlung, langfristige Anleihen an Deutschland bis nach einer Revision der Reparationsforderungen zurückzustellen.

2.) Die Ermordung von Außenminister Walther Rathenau am 24. Juni 1922. Die hohen Inflationsraten zuvor waren die Folgen des Ersten Weltkrieges gewesen.

Die Kriegsverschuldung, die Kosten der Demobilisierung sowie die hohen Reparationszahlungen an die Alliierten wurden mit Hilfe der Notenpresse seitens des Deutschen Reiches finanziert. Auch die zugunsten des sozialen Friedens betriebene Subventionspolitik der Regierung und das Bestreben nach Vollbeschäftigung trieben die Währung. Vor allem während der Hyperinflation verlor die Papiermark in rasendem Tempo an Wert. Gerechnet wurde in Gold bzw. in US-Dollar mit seiner Goldbindung, auch während im Handelsverkehr noch größtenteils in Mark gezahlt wurde. Gegen Ende des Prozesses lag in Deutschland der Wert der zirkulierenden ausländischen Banknoten plus der im Inland emittierten wertbeständigen Zahlungsmittel weit höher als der Gegenwert des Papiermarkumlaufs. Im Übrigen versuchte die Bevölkerung mit Naturaltausch über die Runden zu kommen.

Die Hyperinflation stellte das deutsche Wirtschaftssystem und die daran Beteiligten auf den Kopf. Während Unternehmen und Privatpersonen, die Gläubiger am Geld- und Kapitalmarkt waren, binnen kurzer Zeit alles verloren, profitierten diejenigen, die hohe Schulden hatten. Für die breite Bevölkerung bedeutete die Inflation einen Schock. Durch den raschen Wertverlust der Ersparnisse und besonders der Einkommen der höheren Beamten und Angestellten sowie der Vermögen mussten Wertgegenstände zur Deckung des täglichen Bedarfs eingetauscht werden. Auch die Arbeiterschaft erlitt Reallohnsenkungen. Sie konnte sich im Stinnes-Legien-Akkommen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern aber besser vor den Inflationswirkungen auf ihr Einkommen schützen als die oben genannten Einkommensbezieher. Demgegenüber profitierten z.B. die Unternehmen, die einkommens- bzw. körperschaftssteuerpflichtig waren, insofern die jeweils im Nachhinein veranschlagte Steuer zum Fälligkeitszeitpunkt den größten Teil ihres Realwerts verloren hatte. Der soziale Friede war nachhaltig bedroht.

Als im Sommer 1923 die deutschen Landwirte sich weigerten, der Ablieferungspflicht ihrer Ernte gegen wertloses Papiergeld nachzukommen, wurden weitreichende Überlegungen angestellt, wie die Inflationsspirale zu stoppen wäre. Von den verschiedenen Stabilisierungsplänen wählte die Reichsregierung im August 1923 den "Helfferich-Plan" als Grundlage ihrer weiteren Beratungen aus. Karl Helfferich, der während des Ersten Weltkriegs als Staatssekretär im Reichsschatzamt Architekt der deutschen Kriegsfinanzierung gewesen war, schlug vor, als neue Währung die sogenannte "Roggenmark" einzuführen. Die Roggenmark sollte durch die Belastung sämtlicher Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft sowie der Industrie und des Handels gedeckt werden. In Regierungskreisen jedoch wurde die Idee favorisiert, eine "Goldmark" einzuführen. Eine solche mit Gold gedeckte Währung hätte automatisch die indirekte Bindung an den US-amerikanischen Dollar bedeutet.

Eine von breiten Kreisen akzeptierte Antwort auf die Frage, wie die Inflation zu stoppen wäre, hatte sich zuvor auch als deswegen so komplex erwiesen, als gerade seit Anfang 1923 das politische System stark ins Wanken geraten war. Der neue Reichskanzler Wilhelm Cuno – früher Direktor der HAPAG-Reederei – hatte versucht, die Alliierten für einen Aufschub der Reparationszahlungen zu gewinnen. Er hatte dieses Ersuchen mit dem Versprechen verbunden, die deutsche Währung zu stabilisieren. Die Situation war aber außenpolitisch immer mehr eskaliert, weil Frankreich einen Aufschub nicht akzeptierte. Als Deutschland mit seinen Reparationslieferungen in Rückstand geraten war, besetzten französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrrevier. Die Reichsregierung reagierte prompt mit der Aufforderung zum passiven Widerstand in der Region. Dieses zwar außenpolitisch erfolgreiche Druckmittel hatte das Reich erneut hohe Summen gekostet und die Inflation zusätzlich angeheizt.

Die Reichsbank hatte im März/April 1923 fast ihre gesamten Gold- und Devisenreserven für die Stabilisierung des Markwechselkurses und so für die Abbremsung der Inflation eingesetzt. Am 18. April 1923 war die Reichsbank gezwungen gewesen, in Ermangelung weiterer Rücklagen sämtliche Stützungsaktionen zu beenden. Im April 1923 war daraufhin der Wert der Mark gegenüber dem Dollar von 1 : 350.000. Die Regierung hatte mittels verschiedener Notverordnungen noch versucht, die Steuerkassen zu füllen, aber erfolglos. Reichskanzler Cuno musste schließlich abdanken. Gustav Stresemann wurde mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Als Hauptaufgabe definierte die am 14. August 1923 die Geschäfte übernehmende Regierung Stresemann die wirtschaftliche Stabilisierung des Landes. Stresemanns erster sehr unpopulärer Schritt war die Beendigung des Ruhrkampfes. Obwohl damit die innenpolitischen Wellen extrem hoch schlugen, war diese Entscheidung staatspolitisch wohl eine der bedeutendsten der Weimarer Republik. Die Folge war jedoch der Sturz der Mark: Am 29. September 1923 betrug der Wechselkurs für einen Dollar 160 Millionen Mark. Im Oktober/November 1923 sank ihr Wert ins Bodenlose, mit Wechselkursen in Billionen-Mark-Höhe.

Der Alltag der deutschen Bevölkerung war nun geprägt von langen Schlangen, Hungerkrawallen und Plünderungen. In dieser allgemeinen Krise gelang es der Reichsregierung – allerdings nur mit Hilfe eines Ermächtigungsgesetzes – die Währungsproblematik zukunftsweisend zu lösen. Der spätere Reichskanzler Hans Luther wies den Weg: die "Rentenmark". Übernommen wurde für die Rentenmark das Modell der Roggenmark von Karl Helfferich, den die Regierung als Experten konsultiert hatte.

Am 15. November 1923 nahm die Deutsche Rentenbank ihre Tätigkeit auf. Sie wurde mit einem Grundkapital von 3,2 Millarden Rentenmark ausgestattet. Dieses wurde je zur Hälfte durch die Belastung aller land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke sowie der Grundstücke der Industrie, des Handels und des Gewerbes aufgebracht.

Die Rentenbank wurde als zweite Währungsbank neben der Deutschen Reichsbank etabliert. Die Rentenmark selbst war eine real gedeckte Währung. Sie war allerdings kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur ein gesetzlich zugelassenes Geld, das allerdings im Alltag als Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Mit dem "Wunder der Rentenmark" wurde das Wechselverhältnis zum Dollar von 1 Dollar : 4,20 Rentenmark : 4,2 Billionen Papiermark festgeschrieben. Ihr Erfolg war einmal ein psychologischer Effekt, nämlich die Notenpresse der Reichsbank zum Stillstand gebracht zu haben. Das Wirtschaftsleben normalisierte sich binnen kürzester Zeit.

Präsident der Deutschen Rentenbank wurde Staatsminister Dr. Wilhelm Lentze. Dem Vorstand gehörte Geheimart Dr. Hermann Kißler an, der an der Einführung der Rentenmark mit beteiligt war. Der zweite Vorstand der Deutschen Rentenbank war Moritz Lipp, der unter anderem Stationen bei Hugo Stinnes und der Deutschen Bank vorweisen konnte. Die Rentenbank emittierte lediglich 2,4 Mrd. Rentenmark und stellte jeweils die Hälfte dieser Summe der Privatwirtschaft einerseits und der Reichsregierung andererseits zur Verfügung. Mit der Normalisierung der Wirtschaftsleistung traten auch bald die Alliierten wieder auf den Plan bezüglich der Reparationsleistungen. In den Neuverhandlungen um den "Dawes-Plan" war auch die Forderung nach Wiedereinrichtung der Notenbankfunktion der Deutschen Reichsbank beinhaltet.

Daher wurde bereits mit dem Gesetz über die Liquidierung des Umlaufs an Rentenbankscheinen vom 30. August 1924 (RGBl. II. S. 252) die Rückführung des Umlaufs der Rentenbankscheine beschlossen sowie die Rückzahlung der von der Rentenbank gegebenen Kredite bis zum 1. Dezember 1927 festgelegt. Die Deutsche Rentenbank sollte der Deutschen Reichsbank noch weitere zehn Jahre beim Einzug der Rentenbankscheine zur Hand gehen und dann selbst liquidiert werden. Anfang der 1930er Jahre wurden die Fristen erneut verlängert und die Liquidation der Rentenbankscheine auf den 31. Dezember 1942 fixiert. Am 1. Januar 1943 sollte die Deutsche Rentenbank dann die noch im Umlauf befindlichen Rentenbankscheine zum Umtausch binnen sechs Monaten aufrufen und am 1. Juli 1943 selbst in Liquidation gehen.

Bei der Reichsbank wurden nach Etablierung der Rentenbank einige wesentliche Änderungen durchgeführt, die durch die Annahme des Dawes-Plans mit den Reparationsgläubigern vereinbart waren. Vor allem wurde die Reichsbank dem direkten politischen Zugriffen entzogen, um das direkte Anwerfen der Notenpresse durch die Reichsregierung bei finanziellen Engpässen zu unterbinden. Die Deutsche Industrie wurde bald aus der Grundschuld der Deutschen Rentenbank entlassen und deren Kapital sofort auf 2 Mrd. Rentenmark herabgesetzt. Das Verhältnis der Rentenmark zur Reichsmark lautete 1 : 1, so dass die Unternehmen innerhalb der oben genannten Drei-Jahres-Frist ihre Kredite tilgen konnten. Die Unternehmen finanzierten sich fortan aus Mitteln der zu diesem Zeitpunkt dritten existierenden Notenbank auf deutschem Boden: der Golddiskontbank. Diese auf Pfund Sterling gegründete Bank emittierte zwar keine Banknoten, die Coupons ihrer Goldanleihen wurden allerdings als Zahlungsmittel verwendet.

Schwieriger gestaltete sich die Entschuldung bzw. Umschuldung der Landwirtschaft, die im Gegensatz zur Industrie nicht in kurzer Zeit hohe Renditen erwirtschaften konnte, aber in den Krisenjahren einen hohen Investitionsbedarf mit Krediten gedeckt hatte. Bei der kurzfristigen Fälligstellung der Rentenbankkredite drohte eine massenhafte Zahlungsunfähigkeit der Landwirte. Dies war der Grund für die Abtrennung der Industrie aus der Rentenbank. Doch dies war den Alliierten nicht genug und so forderten sie – durchaus unterstützt von verschiedenen deutschen Kreditexperten – die Etablierung eines eigenen Kreditinstituts für die Landwirtschaft. Die ebenfalls komplexen Verhandlungen mündeten schließlich am 18. Juli 1925 in die Errichtung der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt, welche die kurzfristigen Kredite der Rentenbank in mittel- und langfristige Kredite für die Landwirtschaft umwandelte. Sie wurde an vielen Stellen in Personalunion mit der Deutschen Rentenbank betrieben und Anfang der 1930er Jahre bereits als Empfänger des Vermögens der in Liquidation befindlichen Deutschen Rentenbank per Gesetz bestimmt.

Erst mit dem Währungsgesetz vom 20. Juni 1948 wurden diese drei Währungseinheiten – die Papiermark der Reichbank, die wertbeständige Rentenmark sowie die Goldanleihen der Golddiskontbank – zugunsten der Deutschen Mark abgelöst.

Andrea H. Schneider