Aufruf des Petrograder Sowjets der Arbeiterdeputierten an die Bevölkerung

Aus 1000 Schlüsseldokumente
Wechseln zu: Navigation, Suche


Aufruf des Petrograder Sowjets der Arbeiterdeputierten an die BevölkerungК населению Петрограда и России. От Совета Рабочих Депутатов
28. Februar 1917 JL
февраль 28, 1917 JL
0002 sov 01.jpg

Am 28. Februar (13. März) 1917 gaben die Anhänger der Autokratie in Petrograd ihren Widerstand auf. Die zarische Regierung wurde von den aufständischen Arbeitern und Soldaten vertrieben. Zwar bildeten die Abgeordneten ein „Provisorisches Komitee der Staatsduma“ (VKGD), das die Bewegung leiten und eine Regierung bilden sollte, doch die tatsächliche Macht in der Hauptstadt ging an den Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten über. Damit begann sich eine „Doppelherrschaft“ herauszubilden, die Existenz zweier Machtzentren, der Regierung und des Sowjets, die mit ungeteilten Kompetenzen nebeneinander existierten. Im vorliegenden Aufruf des Sowjets an die Bevölkerung legt er seine Version des Beginns der Revolution dar und demonstriert Machtansprüche, die die kommende „Doppelherrschaft“ vorwegnehmen.


28 февраля (13 марта) 1917 года сторонники самодержавия прекратили сопротивление революции в Петрограде. Царское правительство было разогнано восставшими рабочими и солдатами. Хотя депутаты сформировали Временный комитет государственной Думы (ВКГД), который претендовал на руководство движением и создание правительства, реальная власть в столице перешла к Совету рабочих и солдатских депутатов. Таким образом, начало формироваться «двоевластие», существование двух центров власти, правительства и Совета, которые существовали бок о бок с неразделенными полномочиями. В данном обращении Совета к населению он дает свою версию начала революции и демонстрирует властные полномочия, предвещающие будущее «двоевластие».


von: Aleksandr Šubin, 2011 (aktualisiert 2024)


Am 28. Februar brach der Widerstand der Anhänger des alten Regimes in der Hauptstadt praktisch zusammen. Die Regierung wurde von den Aufständischen verjagt. „Die Staatsduma wurde zum Symbol des Sieges und zum Objekt der allgemeinen Wallfahrt“, - erinnerte sich der Abgeordnete P. Miljukov.[1] Die Abgeordneten wandten sich an die revolutionären Einheiten und riefen sie zur Disziplin und zum Gehorsam gegenüber den Offizieren auf. Offiziell war die Tätigkeit der Duma jedoch vom Zaren ausgesetzt worden und nur das Provisorische Komitee der Staatsduma (VKGD) arbeitete. Bald wurde klar, dass die Duma zwar ein Symbol der revolutionären Bewegung blieb, diese aber nicht kontrollierte.

Am 28. Februar „breitete sich die Bewegung auf die Außenbezirke der Hauptstadt aus. In Kronstadt nahm sie einen besonders blutigen Charakter an: Die aufständischen Matrosen töteten Admiral Viren, Dutzende von Offizieren wurden getötet, der Rest wurde in unterirdischen Kasematten eingesperrt“, - schrieb der Historiker S.S. Oldenburg.[2] Der Petrograder Sowjet schickte eine Delegation nach Kronstadt und das Massaker hörte auf. Es wurde klar, dass die militärischen Einheiten, obwohl sie der Duma die Treue geschworen hatten, in Wirklichkeit aber dem Sowjet gehorchten, mit dem sie durch ihre Delegierten organisatorisch verbunden waren. Umso mehr erstreckte sich die Macht des Rates auf die Arbeiter, die die Befehle der Abgeordneten nur ausführten, wenn sie vom Sowjet gebilligt waren. Gestützt auf die organisierten revolutionären Kräfte übernahm der Sowjet die Macht in der Hauptstadt.

Wie aus dem Dokument hervorgeht, beschuldigte die Sowjetführung die kaiserliche Macht, auf Demonstranten geschossen zu haben, was die Wiederherstellung des alten Regimes unmöglich machte. Die Lösung des Problems war eine demokratische Neuordnung des Landes. Die Sozialisten, die den Sowjet dominierten, erwiesen sich als die konsequentesten Verfechter der politischen Demokratie. Das Dokument behandelt ausschließlich politische Fragen. Schon damals beanspruchte der Sowjet die lokale Macht, die Organisation der Selbstverwaltung, die Ausbreitung der neuen Macht mit Hilfe seiner Kommissare, aber auf der Ebene des ganzen Landes sollte die Macht an die Konstituierende Versammlung gehen.

Bereits am 28. Februar kam es in Moskau zu Massendemonstrationen unter roten Fahnen, am folgenden Tag wechselte die Garnison der „alten Hauptstadt“ auf die Seite des Sowjets und der Stadtduma. Mit den telegraphischen Berichten über die Ereignisse in der Hauptstadt griff die Revolution auch auf die großen Industriezentren über. Am 28. Februar traten die Garnisonen von Charkow, Nischni-Nowgorod und Twer (wo ein Mob den Gouverneur tötete) auf die Seite der Revolution über. Die Untätigkeit der Generäle und der Anschluss der hinteren Garnisonen an den Aufstand waren entscheidend für den Sieg der Revolution im ganzen Land. Das alte Regime brach zusammen. Das Land stand vor der Aufgabe, ein neues Regime zu bilden.


Text: CC BY-SA 4.0

  1. Pavel N. Miljukov, Vospominanija. Politizdat, Moskva 1991, S. 456, Online
  2. Sergej S. Ol’denburg, Carstvovanie Imperatora Nikolaja II. TERRA, Moskva 1992, S. 626.
Александр Шубин, 2011 (обновлено 2024)


28 февраля сопротивление сторонников старого режима в столице практически прекратилось. Правительство было разогнано восставшими. «Государственная Дума была символом победы и сделалась объектом общего паломничества», - вспоминал депутат П. Милюков.[1] Депутаты выступали перед революционными частями, призывая их к дисциплине и подчинению офицерам. Но официально деятельность Думы была приостановлена императором, и действовал только Временный комитет Государственной Думы (ВКГД). Вскоре стало ясно, что Дума, оставаясь символом революционного движения, не контролирует его.

28 февраля «движение перекинулось в окрестности столицы. В Кронштадте оно приняло особенно кровавый характер: восставшие матросы убили адмирала Вирена, десятки офицеров были истреблены, остальных заточили в подземные казематы», - писал историк С.С. Ольденбург.[2] Совет послал делегацию в Кронштадт, и резня прекратилась. Затем выяснилось, что воинские части, присягая на верность Думе, реально подчиняются Совету, с которым они были связаны организационно через своих делегатов. Тем более власть Совета распространялась на рабочих, которые выполняли распоряжения депутатов только в том случае, если на это имелась санкция Совета. Опираясь на организованные революционные силы, Совет фактически взял власть в столице в свои руки.

Как видно из документа, лидеры Совета обвиняли власть императора в расстреле народных демонстраций, что делает восстановление старого режима невозможным. Решение проблемы — демократическое переустройство страны. Социалисты, преобладавшие в Совете, оказались наиболее последовательными сторонниками политической демократии. Документ посвящен исключительно политическим вопросам. Уже в это время Совет претендует на местную власть, организацию самоуправления, распространение новой власти с помощью своих комиссаров, но в масштабе всей страны власть должна перейти к Учредительному собранию.

Между тем уже 28 февраля массовые демонстрации под красными флагами захлестнули Москву, и на следующий день гарнизон «древней столицы» перешел на сторону Совета и городской Думы. Революция распространялась на крупные промышленные центры вместе с телеграфными сообщениями о событиях в столице. 28 февраля на сторону революции перешли гарнизоны в Харькове, Нижнем Новгороде и Твери (здесь толпа убила губернатора). Бездействие генералитета и присоединение к восстанию тыловых гарнизонов сыграли решающую роль в победе революции по всей стране. Революция победила. Старый режим рухнул. Перед страной встала задача формирования нового режима.


Текст: CC BY-SA 4.0

  1. Милюков, П. Н. Воспоминания. Москва: Политиздат, 1991. С. 456, онлайн
  2. Ольденбург, С. С. Царствование Императора Николая II. Москва: ТЕРРА, 1992. С. 626.

An die Bevölkerung Petrograds und Rußlands. Vom Sowjet der Arbeiterdeputierten[ ]

Der Arbeitersowjet an die Bevölkerung Petrograds und Russlands.

Das alte Regime hat das Land ruiniert und der Bevölkerung die Hungersnot gebracht. Es war unmöglich, dies länger zu ertragen, und die Bewohner von Petrograd gingen auf die Straße, um ihrem Unwillen Ausdruck zu geben. Sie wurden mit Gewehrsalven empfangen. Anstelle von Brot gaben ihnen die Minister des Zaren Karten.

Aber die Soldaten wollten nicht gegen das Volk handeln und wandten sich gegen die Regierung. Zusammen mit dem Volk nahmen sie Waffen, Arsenale und die wichtigen Regierungsgebäude in Besitz.

Der Kampf hat begonnen und muß bis zum Ende durchgekämpft werden. Das alte Regime muß vollständig beseitigt und der Weg für eine Volksregierung frei gemacht werden. Das ist die Rettung für Rußland.

Um in diesem Kampf um die Demokratie erfolgreich zu sein, muß das Volk sein eigenes Regierungsorgan wählen.

Gestern, am 27. Februar, wurde in der Hauptstadt ein Sowjet der Arbeiterdeputierten gebildet, der aus Vertretern der Fabriken, der Werkstätten, der meuternden Truppen und aus demokratischen und sozialistischen Parteien und Gruppen besteht.

Der Sowjet, der seinen Sitz in der Staatsduma hat, hat sich selbst zur Aufgabe gemacht, die Volkskräfte zu organisieren und für die Sicherstellung der politischen Freiheit und eine Volksregierung zu kämpfen.

Der Sowjet hat Kommissare ernannt, um die Autorität des Volkes in den Stadtbezirken von Petrograd durchzusetzen.

Wir fordern die gesamte Bevölkerung der Hauptstadt auf, sich um den Sowjet zu scharen, Lokalkomitees in ihren Bezirken zu organisieren und die Verwaltung der lokalen Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen.

Alle zusammen wollen wir vereint mit unseren Truppen die alte Regierung vollständig vernichten und eine Konstituierende Versammlung auf der Grundlage allgemeiner, gleicher, direkter und geheimer Wahlen einberufen.

Der Sowjet der Arbeiterdeputierten

Rev. Übersetzung hier nach: Hellmann, M. (Hg.), Die Russische Revolution 1917, München 1964, S. 129.


К населению Петрограда и России. От Совета Рабочих Депутатов[ ]

Старая власть довела страну до полного развала, а народ до голодания. Терпеть дальше стало невозможно. Население Петрограда вышло на улицу, чтобы заявить о своем недовольстве. Его встретили залпами. Вместо хлеба царское правительство Дало народу свинец.

Но солдаты не захотели идти против народа и восстали против правительства. Вместе с народом они захватили оружие, военные склады и ряд важных правительственных учреждений.

Борьба еще продолжается: она должна быть доведена до конца. Старая власть должна быть окончательно низвергнута и уступить место народному правлению. В этом спасение России.

Для успешного завершения борьбы в интересах демократии народ должен создать свою собственную властную организацию.

Вчера 27 февраля, в столице образовался Совет Рабочих Депутатов – из выборных представителей заводов и фабрик, восставших воинских частей, а также демократических и социалистических партий и групп.

Совет Рабочих Депутатов, заседающий в Государственной Думе, ставит своей основной задачей организацию народных сил и борьбу за окончательное упрочение политической свободы и народного правления в России.

Совет назначил районных комиссаров для установления народной власти в районах Петрограда.

Приглашаем все население столицы немедленно сплотиться вокруг Совета, образовать местные комитеты в районах и взять в свои руки управление всеми местными делами.

Все вместе, общими силами будем бороться за полное устранение старого правительства и созыв учредительного собрания, избранного на основе всеобщего, равного, прямого и тайного избирательного права.

Совет рабочих депутатов.

Документ находится: Государственный центральный музей современной истории России. Ф. листовок. ГИК № 12935/44; 16727/35; 13418/2



Hier nach: GCMSIR, f. listovok, GIK Nr. 13418/2. Flugblatt. Gemeinfrei (amtliches Dokument)

Источник: ГЦМСИР, ф. листовок, ГИК №.13418/2. Листовка. Общественное достояние (официальный документ)


Helmut Altrichter, Russland 1917: Ein Land auf der Suche nach sich selbst. 2. Aufl., Schöningh, Paderborn 2017.

Ėduard N. Burdžalov, Vtoraja russkaja revoljucija. Moskva, front, periferija [Die zweite russische Revolution. Moskau, die Front, die Peripherie]. Nauka, Moskva 1971.

Ėduard N. Burdžalov, Russia’s Second Revolution: The February 1917 Uprising in Petrograd (=Indiana-Michigan series in Russian and East European studies). Indiana Univ. Press, Bloomington 1987.

A. Denikin, Očerki russkoj smuty. t. 1: Krušenie vlasti i armii. Fevral’ 1917 – sentjabr’ 1917 g. [Skizzen des russischen Aufruhrs. Bd. 1: Der Zusammenbruch der Macht und der Armee. Februar 1917 – September 1917]. Mysl’, Moskva 1992, Online.

Orlando Figes, Die Tragödie eines Volkes: Die Epoche der russischen Revolution, 1891 bis 1924. Berlin-Verlag, Berlin 1998.

Tsuyoshi Hasegawa, The February Revolution: Petrograd, 1917 (=Publications on Russia and Eastern Europe of the School of International Studies 9). Univ. of Washington Press, Seattle/London 1981, Online.

Pavel N. Miljukov, Vospominanija. Politizdat, Moskva 1991, Online.

Sergej S. Ol’denburg, Carstvovanie Imperatora Nikolaja II [Die Herrschaft vom Zaren Nikolaus II.]. TERRA, Moskva 1992.

Richard Pipes, Die russische Revolution. Bd. 1: Der Zerfall des Zarenreiches. Rowohlt, Berlin 1992.

Nikolaj N. Suchanov, 1917: Tagebuch der russischen Revolution. Hrsg. von Nikolaus Ehlert. Piper, München 1967.

Aleksandr V. Šubin, Velikaja Rossijskaja revoljucija: ot fevralja k oktjabrju 1917 goda [Die Große Russländische Revolution: Von Februar bis Oktober 1917]. Rodina Media, Moskva 2014.

Jurij S. Tokarev, Petrogradskij sovet rabočich i soldatskich deputatov v marte–aprele 1917 g. [Das Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatenräte im März–April 1917]. Nauka, Leningrad 1976.


Бурджалов, Э. Н. Вторая русская революция. Восстание в Петрограде. Москва: Наука, 1967.

Бурджалов, Э. Н. Вторая русская революция. Москва, фронт, периферия. Москва: Наука, 1971.

Деникин, А. Очерки русской смути, т. 1: Крушение власти и армии. Февраль 1917 г – сентябрь 1917 г. Москва: Мысль, 1992, онлайн.

Милюков, П. Н. Воспоминания. Москва: Политиздат, 1991, онлайн.

Ольденбург, С. С. Царствование Императора Николая II. Москва: ТЕРРА, 1992.

Пайпс, Р. Русская революция, Кн. 1: Агония старого режима, 1905-1917. Москва: Захаров, 2005.

Суханов, Н. Н. Записки о революции. Кн. I-VII. Берлин/Петербург/Москва, 1923.

Токарев, Ю. С. Петроградский совет рабочих и солдатских депутатов в марте-апреде 1917 г. Ленинград: Наука, 1976.

Шубин, А. В. Великая Российская революция: от февраля к октябрю 1917 года. Москва: Родина медиа, 2014.

Altrichter, H. Russland 1917: Ein Land auf der Suche nach sich selbst [Россия 1917: страна в поисках самой себя]. 2. Aufl., Paderborn: Schöningh, 2017.

Figes, O. A People’s Tragedy: The Russian Revolution 1891—1924. London: Pimlico, 1997, онлайн.

Hasegawa, T. The February Revolution: Petrograd, 1917. Seattle/London: Univ. of Washington Press, 1981, онлайн (=Publications on Russia and Eastern Europe of the School of International Studies 9).