Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes [§ 129 a StGB Bildung terroristischer Vereinigungen, "Anti-Terror-Gesetz"], 18. August 1976

Einleitung

In den 1970er Jahren avancierte in der Bundesrepublik die Rote Armee Fraktion RAF zum Inbegriff des Terrorismus. Diese Gruppe um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin war aber nur eine von vielen Vereinigungen, die in jenem Zeitraum die Gesellschaft der Bundesrepublik mit Gewaltanschlägen und Entführungen in Angst und Schrecken versetzte. In den USA sorgten die militante Black Panther Bewegung und die aus den Studentenunruhen erwachsenen Weathermen mit Gewaltaktionen und Bombenanschlägen für Unruhen. In Großbritannien eskalierte der Befreiungskampf der Irisch Republikanischen Armee IRA und in Italien machten die Brigate Rosse von sich reden, indem sie eine Neuauflage des antifaschistischen Abwehrkampfes zu ihrer Doktrin machten und mit Gewalt gegen die parlamentarisch-demokratisch legitimierte Politikerkaste zu Felde zogen.

Mit diesen nationalen Gewaltphänomenen gingen grenzübergreifende Anschlagswellen einher, die frühzeitig als internationaler Terrorismus gebrandmarkt wurden und durch Flugzeugentführungen sowie Anschläge auf jüdische Einrichtungen die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zogen. Die palästinensischen Terrororganisationen, allen voran der "Schwarze September", trugen ihren antizionistischen Kampf gegen Israel in die westlichen Gesellschaften und schufen auf diese Weise ideelle Anknüpfungspunkte insbesondere mit der RAF im Kampf gegen die sogenannten imperialistischen Bestrebungen der USA und ihrer Verbündeten, zu denen die Bundesrepublik und Israel zählten.

Die erste Hochphase der terroristischen Herausforderung aus bundesrepublikanischer Sicht fiel in das Jahr 1972. Nachdem im Mai des Jahres die RAF mit Bombenanschlägen mehrere US-Soldaten getötet hatte, nahmen Mitglieder des Schwarzen September während der Olympischen Spiele in München im August elf israelische Sportler als Geiseln und töteten sie, als die bayerische Landespolizei einen unvorbereiteten Befreiungsversuch auf dem Militärflughafen in Fürstenfeldbruck unternahm.

Auf diese Ereignisse reagierte die politisch-mediale Öffentlichkeit und forderte vehement Maßnahmen zur Bekämpfung eben dieser Gewalt. Erste gesetzliche Regelungen waren bereits zu Beginn der 1970er Jahre in Gang gesetzt worden, nachdem etwa die Flugpiraterie durch internationale Konventionen geächtet worden war. Nachhaltig wirksame gesetzliche Regelungen aber, die jene Gewalt wirkungsvoll bekämpfen, die Verbrechen ihrer politischen Implikationen entkleiden konnten und gleichzeitig so wenig wie möglich in die offene Gesellschaft eingriffen, um die individuellen Freiheiten zu wahren, waren schwer zu finden. Hier wurde jahrelang zwischen sozialliberaler Regierungskoalition und christlich-demokratischer/christlich-sozialer Opposition auf der Bundesebene – die Länderebene war dabei Kraft ihrer Zuständigkeiten stets mitinvolviert – gestritten. Dabei ging es einerseits um geeignete Strafmaßnahmen, die sich nicht allein auf die Höhe des Strafmaßes und der daraus resultierenden Abschreckung reduzieren sollten. Andererseits ging es darum zu beweisen, daß der Rechtsstaat seiner Schutzaufgabe in der Gesellschaft und für sie gerecht werden konnte. Hierum entbrannte heftigster Streit in den politischen Lagern.

1974 wurden mit den §§ 88 a und 130 a StGB Regelungen in den Strafrechtskatalog eingestellt, mit denen die Aufforderung zu Gewalt und Gewaltverherrlichung unterbunden werden sollte. Diese Regelungen erwiesen sich in der Gerichtspraxis aber als Pferdefuß, da sie zur reinen Auslegungsfrage wurden und dem Richter unter Umständen weitgehende präventive Eingriffe ermöglichten, die in dieser Form gar nicht gewünscht waren und ohne weiteres auf jegliche Art von Gewaltdarstellung ausgeweitet werden konnte.

Zum Dreh- und Angelpunkt bei der Verurteilung von Mitgliedern der RAF war bis zur Mitte der 1970er Jahre bereits der § 129 StGB geworden. Er stellte die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafe. Dieser Paragraph war historisch vorbelastet. Bis zur Strafrechtsreform von 1969 stellte er Verbindungen unter Strafe, die sich zum Ziel gesetzt hatten, Straftaten gegen die hoheitliche, d.h. staatliche Ordnung zu verüben. Er gehörte damit zu den Staatsschutzparagraphen und war folgerichtig in Abteilung 7 des speziellen Teils, "Straftaten gegen die öffentliche Ordnung" im Strafgesetzbuch untergebracht. Die Strafrechtsreform hatte das gesamte politische Strafrecht weitestgehend entschärft. Der Gesetzestext bezog sich seither nur noch auf die von einer solchen Vereinigung beabsichtigten strafbaren Handlungen gegen jedermann. Wichtig war dieser Paragraph deshalb, weil durch die Kollektivtaten ein individueller Schuldnachweis vor Gericht nur schwer zu erbringen war, da sich die Beteiligten gegenseitig deckten.

Der Vereinigungsbegriff war darüber hinaus juristisch weitgehend geklärt. Jedoch entschlossen sich die staatlichen Akteure angesichts der öffentlichen Prominenz des Themas und unter dem Druck akuter neuer Anschläge zu einer Differenzierung zwischen krimineller Vereinigung und der neuartigen terroristischen Vereinigung. Ausgangspunkt dafür waren neben den bereits genannten Faktoren vor allem zwei Dinge.

Erstens zeigte sich, daß trotz der Verhaftungen der RAF-Mitglieder 1972 kein Ende der Gewalt und ihrer immensen öffentlichen Wirkung in Sicht war. 1974 wurde der Berliner Kammergerichtspräsident Günther von Drenkmann ermordet und im Februar/März 1975 entführte eine andere Vereinigung mit dem Namen "Bewegung 2. Juni" den Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz, um inhaftierte Kampfgenossen freizupressen. Durch die Entführung wurden die staatlichen Akteure unmittelbar erpreßt und ließen sich zu der Freilassung inhaftierter Mitglieder zwingen, um das Leben von Lorenz zu schützen. Damit wurde die Sonderstellung dieser Verbrechergruppierungen durch die Schwere der Taten und durch die enge personelle Bindung deutlich, zumal sie sich öffentlich dazu bekannten, die Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik umstürzen zu wollen.

Zweitens bestand mittlerweile das Problem, daß sich die Anwälte der vor Gericht stehenden Mitglieder der Vereinigungen sehr stark mit den Zielen ihrer Mandanten identifizierten und jegliche Möglichkeit nutzten, die Prozesse zu verschleppen und öffentlich nutzbar zu machen. Durch diese "Fortsetzung des Kampfes im Gerichtssaal" mutierten die Prozesse zu Mammut- unternehmen, die einen gigantischen Zeitaufwand beanspruchten und durch Hungerstreiks sowie Pöbeleien im Fortgang behindert wurden. Auch hier sahen mediale Öffentlichkeit und staatliche Akteure Handlungsbedarf, untergruben diese Prozeßverläufe doch nach mehrheitlicher Wahrnehmung die Autorität des Rechtstaates. Hier wollte man Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Andererseits liefen die Gesetzesinitiativen für die Strafprozeßordnung speziell in bezug auf die Verteidigerrechte Gefahr, die umfassenden allgemeinen Liberalisierungen, die erst Ende der 1960er Jahre bewirkt worden waren, wieder zurückzudrängen. Daneben konnte aber ebenso nachgewiesen werden, daß zahlreiches Material über die Anwälte aus den und in die Gefängniszellen gelangen konnte. Hier sollte ein Mittelweg gefunden werden, der dem Rechtsstaat eine gesetzliche Handhabe gegen diese spezifische Herausforderung an die Hand geben konnte.

Der damalige Bundesinnenminister Prof. Dr. Werner Maihofer (FDP), Rechtsphilosoph und Strafrechtler, fand 1975 als erster einen geeigneten Rahmen (in Meyers Konversationslexikon), um terroristische Vereinigungen zu definieren. Damit die von Maihofer definierten Vereinigungen strafrechtlich adäquat behandelt werden konnten, sorgte der Bundesinnenminister selbst für die entscheidende Initiative. Am 11. März 1975, kurz nach der Entführung von Peter Lorenz, führte Maihofer ein Telefongespräch mit seinem Kollegen im Justizministerium Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD). Maihofer schlußfolgerte darin, daß der § 129 StGB dem besonderen Unrechtsgehalt der terroristischen Zusammenschlüsse nicht gerecht würde. Daher sollte man auf mittlere Sicht überlegen, ob nicht ein qualifizierter Absatz 2 für sogenannte terroristische Vereinigungen zu schaffen sei. Dieser würde es wiederum leichter machen, strafprozessuale Sonderbestimmungen anzuknüpfen und ganz auf die Terroristen auszurichten. Das hatte zum Ziel, die Funktionsfähigkeit des Staates auch für die Bereiche der Justiz und des Strafvollzugs zu gewährleisten, die man durch die Hungerstreiks und die Rolle der Verteidiger sowie die Prozeßverläufe beeinträchtigt sah. Hierin lag die zentrale Stoßrichtung des § 129 a StGB. Er schuf kein neues Strafmaß und keine rechtlich verstärkte Eingriffsmöglichkeit im Vergleich zum § 129 StGB. Einen anderen Schwerpunkt setzte einige Wochen später der bayerische Staatsminister Hillermeyer (CSU), demzufolge die Strafdrohung nach § 129 StGB nicht ausreichte, wenn die Vereinigung auf Mord, Totschlag und Geiselnahme gerichtet sei. Er kündigte einen eigenen Gesetzentwurf der CSU im Bundesrat an, woraufhin dort am 2. Mai ein Entwurf der Länder Bayern und Baden-Württemberg zu einem neuen § 129 a StGB ("Bildung schwerkrimineller Vereinigungen") einging. Die Strafdrohung aus § 129 StGB blieb aber für den neuen Gesetzesartikel erhalten. Auch der § 129 a StGB beließ es bei einer fünfjährigen Strafdrohung, wobei der spezifische Zuschnitt des Straftatbestandes sich auf die bis dato von den genannten Vereinigungen verübten Gewaltakte bezog.

Die Anknüpfungsnormen aus der Strafprozeßordnung, dem Strafvollzug und dem Gerichtsverfassungsgesetz erhielten durch diesen Paragraphen ihren genauen Zuschnitt, wodurch Verdächtige und Verurteilte nach § 129 a StGB im laufenden Verfahren besonderen Rechtsmaßnahmen unterzogen werden konnten. Dies betraf die Verteidigerzahl, die Fortsetzung der Gerichtsverfahren bei selbstverschuldetem Fernbleiben bis hin zu möglichen Überwachungsmaßnahmen und gesonderter Unterbringung während der Haft. Insbesondere erhielten der Generalbundesanwalt sowie das BKA und damit der Bund die unmittelbare Zuständigkeit bei der Strafverfolgung nach § 129 a StGB. Das Gesetz aus der sozialliberalen Ära hatte somit auch in der Rechtspraxis zunächst keine konkrete materiellrechtliche Bedeutung, d.h. es schuf keinen wirklich neuen Straftatbestand, sondern fungierte als Anknüpfungspunkt für die Sonderregelungen, führte demnach ein Sonderverfahrensrecht für Terroristen ein.

Um dem neuen Gesetz diese klare Eingrenzung im Rahmen der weiterhin zu gewährleistenden Grundrechte zu geben, hatten das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium in Koproduktion zunächst einmal alle Gesetze aus westlichen Staaten herangezogen, die auf ähnliche Sachverhalte wie die terroristische Vereinigung zugeschnitten waren. Damit übernahmen sie das Prinzip der Rechtsvergleichung zur Herstellung dieser rechtlichen Norm. Eine solche Orientierungshilfe sorgte für die westlich-transnationale Anschlußfähigkeit des neuen § 129 a StGB und garantierte in seiner Herstellung bereits die Anbindung an die grenzübergreifenden, westlichen Grund- und Menschenrechte, gegen die sämtliche Handlungen der Vereinigungen gerichtet waren.

Der § 129 a StGB bot somit eine Orientierungshilfe für Juristen, Politiker und die Gesellschaft insgesamt, um sich selbst der eigenen Grundwerte zu versichern und zu wissen, gegen wessen Angriffe die Bürgerrechte in erster Linie zu schützen waren. Mit der kodifizierten Terrorismusdefinition wurden die Feinde der offenen Gesellschaft benannt, die sich nicht durch ihre Ideen, sondern durch ihr konspirativ-kriminelles Verhalten außerhalb der Gesellschaft stellten. Der neue Paragraph 129 a StGB markierte die äußersten Grenzen der rechtsstaatlichen Toleranz innerhalb der Gesellschaft, zu der auch "normale kriminelle Vereinigungen" gehörten. Die aufgeführten Tatbestände zeugten daneben vom spezialpräventiven Charakter des Gesetzes, da es nicht nur die Gründung und Mitgliedschaft sowie Unterstützung unter Strafe stellte, was faktisch immer an bereits begangene Taten gekoppelt war, sondern mehr noch die Werbung für eine solche kriminelle Vereinigung pönalisierte.

Hierum entbrannte dann auch der öffentliche Disput um sogenannte Sympathisanten, die mitunter ihre "klammheimliche Freude" über einen Mord zum Ausdruck brachten. Hier lag aber auch die Achillesferse des Gesetzes, da es Möglichkeiten bot, sehr weit in das Vorfeld einer eigentlichen Tat einzugreifen und dies mit der gleichen Strafe zu belegen, auch wenn eine solche "Werbung" erfolglos bleiben konnte. Zum zentralen Problem des Gesetzes sollte aber etwas anderes werden. Hatten in den 1970er Jahren einige Kritiker geunkt, mit den neuen Gesetzesregelungen sei man auf dem Weg in ein Orwellsches 1984 – hierauf hatte ihnen Werner Maihofer noch entgegengehalten, daß die Regelungen ausschließlich für das Feld des Terrorismus zu gelten hätten und für die übrige Kriminalität somit maßlos überzogen seien – erwies sich in den 1980er Jahren, inwiefern dieser Unkenruf auch realistische Dimensionen erhalten konnte. 1986 reagierte die Regierung Kohl auf weitere Anschläge, wie etwa auf Alfred Herrhausen mit einer Verschärfung des § 129 a StGB, die es letztlich ermöglichte, den Vorwurf einer terroristischen Vereinigung auch gegen Kernkraftgegner und somit gegen unliebsame Demonstranten zu wenden, die öffentliche Einrichtungen sabotierten oder blockierten. Neben der Strafmaßverschärfung von 5 auf 10 Jahre und der Regelung, daß Rädelsführer nicht unter drei Jahren bestraft werden durften (somit fiel die Bewährungsstrafe weg), wurden weitere gemeingefährliche Delikte in den Katalog einer terroristischen Vereinigung aufgenommen. Hierzu zählten der gefährliche Eingriff in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr gemäß § 315 Abs. 1 StGB und die Störung öffentlicher Betriebe nach § 316 Abs. 1 oder 3 StGB. Man mag darüber spekulieren, inwiefern die Angst vor einem Reaktorunfall wie in jenem Jahr in Tschernobyl mit zu einer solchen Ausweitung des § 129 a StGB beigetragen hat.

In den späten 1970er Jahren verwies die Kritik noch auf die durch die Liberalisierungen zu Beginn des Jahrzehnts geschürten Erwartungen. Gesellschaft hatte demnach noch gänzlich frei von staatlichen Eingriffen zu sein, womit die Attacken auf die Präventionspolitik begannen, die sich durch die neuen technischen Möglichkeiten im Polizei- und Justizsektor entwickelt hatten. Diese sollten vermeiden, daß sich die historischen Probleme deutscher Staatlichkeit wiederholten, weckten aber gleichzeitig neue Aversionen gegen die vermeintliche Kontinuität eines Polizei- und Obrigkeitsstaates. In den 1980er Jahren blieb Kritik weitgehend aus, was auf eine gewandelte Stimmung in der Gesellschaft und ein mehrheitliches Bedürfnis nach Sicherheit schließen läßt, das sich in der Gegenwart noch verschärft haben dürfte.

Der § 129 a StGB zeigte aber noch eine andere wichtige Dimension gewandelten politisch-gesellschaftlichen Handelns in den 1970er Jahren auf. Der Inhalt des Gesetzes hatte keine politisch-nationalstaatlichen Implikationen mehr. Er war aufgrund seiner Grundrechtsgebundenheit euroatlantisch anschlußfähig. Dies erleichterte einerseits Auslieferungsvorhaben, andererseits und viel wichtiger noch zeigte er den transnationalen Charakter auf, den die Reaktionen auf den Terrorismus mit sich brachten und der für grenzübergreifenden Rechtskonsens sorgte.

§ 129 a StGB stellte das bundesdeutsche Kernelement der Terrorismusbekämpfung dar, die im europäischen und westlichen Horizont zu einem neuartigen und zentralen politischen Feld erwachsen war. Die sozialliberale Regierung, und hier stachen die liberalen Innen- und Außenminister hervor, investierte aber noch größere Energie in die generelle Zusammenarbeit zwischen den europäischen Partnern auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit und betteten sich damit in eine Entwicklung ein, die bereits frühzeitig angedacht worden war und seither verstärkt der Praxis zugeführt werden sollte: Der Rechtsstaat als zentrale Bastion des Westens spezialisierte und professionalisierte sich und dehnte seine Handlungsfähigkeit aus.

Auf diesem Verständnis basierte schließlich auch die Europäische Terrorismuskonvention von 1977. Sie verschmolz ebenso wie der neue § 129 a StGB westeuropäische Rechtsfundamente zu einem einigenden und transnational wirkmächtigen Institut, das bis 1981 in 17 der 21 EG-Staaten nationales Recht wurde. Das Gesetz hatte durch seine ausschließliche Wertgebundenheit territoriale und hoheitsrechtliche Kategorien, die den Hoch- bzw. Landesverrat kennzeichneten, ignoriert. Dieser Befund muß dabei nicht zuletzt in den historischen Kontext des Ost-West-Gegensatzes eingeordnet werden, der die prononcierte Hervorhebung des Schutzes von individuellen Freiheits- und Menschenrechten westlicherseits beförderte, zugleich aber neuerliche Folgen hinsichtlich der Verfolgung reeller oder vermeintlicher Terroristen nach sich zog. Die zweite Seite der Medaille muß daher die deutlich eingegrenzte Anwendung des "Anti-Terror-Gesetzes" und seiner Anknüpfungsregelungen ins Gedächtnis rufen. Hier liegt der Grenzstein zwischen der Verteidigung und der Verletzung von Freiheits- und Menschenrechten, um den sich staatliche Politik stets drehen muß und der von der sozialliberalen Koalition in den 1970er Jahren im Terrorismus-Diskurs freigelegt wurde. Dabei darf nicht vernachlässigt werden, daß der § 129 a StGB seine Effektivität in Bezug auf inhaftierte Terroristen durchaus unter Beweis gestellt hat. Sie blieben selbst in Gefängnissen gesellschaftlich weitestgehend isoliert und Resozialisierungsgedanken wurden an sie bis in die 1990er Jahre nicht verschwendet. Erst die Kinkel-Initiative von 1992 reduzierte den Status der nach § 129 a StGB Verurteilten auf jenen normaler Verbrecher, was im engen Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Ostblocks zu bewerten ist. Die Beurteilung der Terrorismusbekämpfung sowohl auf dem legislativen als auch auf dem polizeilichen und juristischen Sektor insgesamt muß jedoch differenzierter erfolgen, da der Terrorismus mit den Maßnahmen nicht unmittelbar verschwand und auch gegenwärtig nicht durch Gesetze zu bezwingen ist, sofern man nicht fundamentale Bürger- und Menschenrechte zur Disposition stellen will. Auf solche Ideen gibt aber das Grundgesetz eine klare Antwort.

Stephan Schneiper