DIE GRÜNEN. Das Bundesprogramm von 1980 in der zweiten Fassung
Das erste „Bundesprogramm“ der Partei „Die Grünen“, das vom 21. bis 23. März 1980 in Saarbrücken verhandelt und verabschiedet wurde, einte vorläufig die sehr heterogenen politischen Gruppierungen aus dem linken Spektrum und den Neuen sozialen Bewegungen, die sich kurz zuvor, am 20. Januar 1980, in der neuen Partei zusammengeschlossen hatten. Zugleich wurde mit diesem Programm entschieden, dass die konservativen und bürgerlichen Ökologen, die die Grünen mitbegründet hatten, in der neuen Partei keine Zukunft fanden. Das Programm, das hier in der zweiten, leicht überarbeiteten Fassung von 1982 vorliegt, schuf die Grundlage für einen dauerhaften Platz der Grünen in der westdeutschen Parteienlandschaft. Erstmals drang damit wieder eine Partei in das seit den fünfziger Jahren geschlossene System der bundesdeutschen Parlamentsparteien ein. Vorläufig und unvollständig, wie das Programm blieb, bewahrte es doch die Vorstellungen, Forderungen, Träume und Utopien jener politischen Generation, die in den siebziger und achtziger Jahren aus der Einsicht in die Begrenztheit und Gefährdung gesellschaftlicher Existenz heraus das Leben in der Bundesrepublik Deutschland umfassend humanisieren wollte. Das Bundesprogramm formulierte Probleme, Perspektiven und Lösungsansätze, die in den folgenden Jahrzehnten für die Gesellschaft der Bundesrepublik allgemeine Bedeutung erlangten.
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Entstehungsgeschichte und Bedeutung für die Partei „Die Grünen“[ ]
Das „Bundesprogramm“ entstand in der turbulenten Anfangsphase der wenige Wochen zuvor gegründeten Bundespartei „Die Grünen“. So heterogen die dabei vertretenen Gruppierungen waren, so wenig geschlossen, präzise und zusammenhängend war das Programm. Auf dem Saarbrücker Programmparteitag wurde im Eiltempo verhandelt, der Entscheidungsprozess über das Programm war in vielerlei Hinsicht zufällig. Die Partei befand sich in einer Phase grundlegender Richtungsentscheidungen, sie hatte noch keine gefestigte Identität gefunden. Vielmehr war die Formulierung und Verabschiedung des Programms gerade ein Mittel dazu. Insofern ist die Bezeichnung „Bundesprogramm“ zutreffend, denn es ging weniger um das Grundsätzliche als um das Verbindende.
In der Gründungsphase der Bundespartei kämpften mehrere Richtungen sowie zahlreiche Gruppierungen und Vorgängerparteien in einem verwirrenden Hin und Her um die Vorherrschaft bei den Grünen.[1] Wichtig waren zum einen die bürgerlich-konservativen oder bürgerlich-national orientierten Ökologen. Zu ihren führenden Köpfen gehörten Herbert Gruhl, ehemaliger CDU-Politiker und Vorsitzender des „Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND), August Haußleiter mit der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD) sowie der rechtskonservative Biobauer Baldur Springmann.
Doch auch die so genannten bunten und alternativen Listen (AL) mit ihren insgesamt linken Positionen drängten in die neue Partei hinein. Diese Listen hatten sich vor allem in den Großstädten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Initiativen und politischer Gruppierungen zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Darunter waren Vertreter der Alternativkultur, Frauengruppen, verschiedenste Minderheitenorganisationen, Bürgerinitiativen und Ökologievertreter, soziale Selbsthilfegruppen, Gewerkschafter, aber auch Vertreter linker und kommunistischer Parteien. Deren eher undogmatische Richtung wurde im Prozess der Programmformulierung von Ernst Hoplitschek und Manfred Zieran vertreten, die links-dogmatischen Positionen von Jürgen Reents.
Aber auch Anthroposophen, die sich im „Achberger Kreis“ auf der Suche nach einem „Dritten Weg“ zusammengefunden hatten, rangen um Einfluss. Milan Horacek zählte sich ebenso dazu wie der Künstler Joseph Beuys mit seiner „Freien Internationalen Universität“. Auch christlich orientierte Personen, etwa Christa Nickels, engagierten sich.
Sieg und Niederlage der einzelnen Positionen im Programm blieben in den Bewertungen der Forschung umstritten: Sieht van Hüllen in nicht wenigen Punkten eine Verschiebung des endgültigen Programmtextes hin zu sozialistischen, gar marxistischen Positionen, so liegt das Programm für Wiesenthal auf einer ausgewogeneren Linie alternativ-ökologischer Orientierungen.[2]
Eindeutig war allerdings die Niederlage des bürgerlichen Parteiflügels, der in der Vor- und Gründungsgeschichte der Grünen seit 1977 eine maßgebliche Kraft gewesen war. Die Verabschiedung des Programms in der vorliegenden Fassung war einer der Wendepunkte für die Abkehr Gruhls und der Bürgerlichen von den Grünen und ihre spätere Formierung in der neuen Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Damit war es nicht gelungen, ökologisch orientierte Politik dauerhaft in nur einer Partei zu bündeln. Über die Programmformulierung verfestigte sich das politische Spektrum der Grünen als links, ökologisch und bunt-alternativ. Damit einher ging ein massiver Mitgliederaustausch in der jungen Partei. Bürgerliche und Konservative gingen, die Vertreter der bunten und alternativen Listen kamen.
Der Konflikt zwischen „Realos“ und „Fundis“, der die Grünen seit 1983 prägt, ist im Bundesprogramm von 1980 noch nicht ausgeprägt. Der spätere Konflikt zielte auf die taktische Frage einer Regierungskoalition mit der SPD, beruhte aber auf unterschiedlichen Grundauffassungen: Während die „Fundis“ um Rainer Trampert und Jutta Ditfurth von einer Systemkrise in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ausgingen, die letztlich einen Systemwandel als Lösungsstrategie erforderte, hielten die „Realos“, angeführt u.a. vom späteren Bundesaußenminister Joschka Fischer, die Ziele der Grünen durch eine Abfolge von Reformschritten für erreichbar. Das Bundesprogramm kennt diesen Gegensatz schon deshalb nicht, weil zum Zeitpunkt seiner Entstehung die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung noch in weiter Ferne lag.
Im Text werden systemische Ursachen der Krisen genannt oder schwingen zumindest implizit in vielen Passagen mit, ohne aber Zentrum eines einheitlichen Begründungsschemas zu sein. Der äußerst umfangreiche, oft ins Detail gehende Forderungskatalog des Programms mischt kleinere Einzelmaßnahmen, die im bundesrepublikanischen parlamentarischen System der achtziger Jahre prinzipiell durchsetzbar waren, mit Detailforderungen, die nur nach grundsätzlichen Umwälzungen des Rechts-, Wirtschafts- und Politiksystems der Republik einlösbar gewesen wären.
Diese Gegensätze wurden im Programm nicht thematisiert und blieben unausgetragen. Insofern bot das Bundesprogramm dem Konflikt zwischen „Realos“ und „Fundis“, der das folgende Jahrzehnt der Partei prägte, einen gemeinsamen Bezugsrahmen, er konnte sich in seinen Grenzen entwickeln. Erst der weitgehende innerparteiliche Sieg des Realo-Flügels in den neunziger Jahren mit Regierungsbeteiligungen in Ländern und im Bund führte nach 22 Jahren zu einem neuen Programm, dem „Grundsatzprogramm“ von 2002, in dem Systemumwälzungen keine Rolle mehr spielen.
Das Verhältnis zu den Neuen sozialen Bewegungen[ ]
Die Grünen sind vor allem aus den Neuen sozialen Bewegungen hervorgegangen, also aus der Umwelt- und Antiatomkraftbewegung, den Alternativen, der Frauenbewegung, der Dritte-Welt-Bewegung, der Friedensbewegung usw. Diese Bewegungen hatten sich aber keineswegs nur in den Grünen parteipolitisch organisiert, wenn sie überhaupt in die organisierte Politik gegangen sind. Anhänger der Bewegungen gingen auch in die SPD und in geringerem Maße in andere Parteien. Oft blieben sie weitgehend in die Gesellschaft der Bundesrepublik integriert, nur das Anliegen ihrer Bewegung drängte sie zum Aufbegehren und zu neuen Partizipationsformen im gegebenen politischen System.
Das Bundesprogramm von 1980 ist also nicht der programmatische Basistext der Neuen sozialen Bewegungen. Es ist es aber für den Teil von ihnen, der Lösungswege für die analysierten Probleme im parlamentarischen System sah und zugleich keine Integrationsmöglichkeiten in die bestehenden Parteien mehr empfand. Das Bundesprogramm steht für eine milieuartige Alternativkultur, die dennoch politisch beteiligungswillig war. In dieser Mischung lag die zeithistorische Bedeutung und Entwicklungsmöglichkeit der Grünen.
Wesensmerkmale des Programms[ ]
Das Bundesprogramm wirkt unfertig. Einzelne Themenfelder waren noch nicht ausgearbeitet; die Präambel wird als Entwurf bezeichnet. Die Ausführlichkeit und Fundiertheit der einzelnen Passagen variiert. Die argumentative Qualität der Abschnitte entspricht dem damaligen Stand der Arbeitsgruppen in der Partei und den beteiligten sozialen Bewegungen.[3] Dem Programm fehlte die durchgängig gestaltende, also zentrierende Kraft. Insofern spiegelt es den Aufbruch der Partei und die unentschiedenen Machtverhältnisse in ihr wider. Es markiert den Beginn, weniger die weitere Entwicklung eines neuen Segments im Parteiensystem der Bundesrepublik.
Dennoch und zugleich erhebt das Programm den Anspruch einer umfassenden Gesellschaftsanalyse und eines umfassenden Lösungskonzepts. Es umfasst tendenziell alle Bereiche, mit denen sich auch eine regierungstragende Fraktion auseinandersetzen müsste, und begründet damit von Anbeginn der Partei an deren Selbstverständnis, in machttragender Position die Gesellschaft umzugestalten. So sehr es aus einer inneren Oppositions- und Anti-Haltung heraus formuliert erscheint, so selbstbewusst, gestaltungsfordernd und wahrheitsüberzeugt ist es zugleich. Bei aller Brüchigkeit formt es einen dichten grün-alternativen Vorstellungskosmos, in dem sich der seit den sechziger Jahren entwickelnde Wertewandel der westdeutschen Gesellschaft verdichtet manifestiert erscheint.
Singulär in der Reihe der Parteiprogramme der Bundesrepublik ist das Bundesprogramm bis heute durch seinen umfassenden gesellschaftlichen Ansatz, der weit über das Politische hinausgeht: Viele der erhobenen Forderungen sind politisch gar nicht umsetzbar. Sie können nur von den Mitgliedern der Gesellschaft selbst erfüllt werden, wie etwa die Vermeidung diskriminierender Haltungen, partizipatorische Aktivität oder verändertes Konsumverhalten.
In eigenartigem Kontrast dazu, aber eigentlich komplementär dazu, erscheint die Staatsfixiertheit des Bundesprogramms: Zentrale politische Eingriffe sind das Standardmittel, mit dem die Gesellschaft verändert werden soll. Sie beruhen auf Mehrheitsentscheidungen der politisch Aufgeklärten, und hier liegt das Bindeglied zum individuellen Ansatz. Die Berufung auf den Staat und das politische System ist signifikant.
Wirtschaft, Wissenschaft und Militär erscheinen dagegen als jeweils monolithische Gegner, als das Andere, von dem sich die Partei abgrenzt und dem die Verursachung aller Krisen zugeschoben wird. Eigengesetzlichkeiten dieser gesellschaftlichen Subsysteme, aus denen sich Anforderungen oder Notwendigkeiten an Politik, Gesellschaft und Einzelnen ergeben, werden nicht gesehen oder thematisiert. Es geht durchgängig darum, alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche aus der Basissicht der Beteiligten oder Betroffenen heraus dem politischen Willen zu öffnen, sie steuerbar zu machen, um sie durch Reformen umfassend zu humanisieren. Diese Humanität entspricht der abendländischen Wertegeschichte, und ihre Besonderheit liegt nicht in ihren Inhalten, sondern in ihrer Unbedingtheit, losgelöst von gesellschaftlichen Umständen und Zwängen sowie Interessen.
Die Wirkungsgeschichte des Programms[ ]
Das Bundesprogramm selbst betont seinen vorläufigen Charakter und proklamiert eine kontinuierliche Programmdiskussion durch die Parteimitglieder. Tatsächlich sind dem Bundesprogramm bis heute in rascher Folge eine Vielzahl weiterer programmatischer Texte gefolgt, die die politischen Positionen in den einzelnen Politikfeldern immer wieder in andere Richtungen verschoben haben. Dabei wurden zum Teil aber auch die Positionen des Bundesprogramms wieder eingenommen.[4]
Auch der Umgang der Parteimitglieder und der Parteieliten selbst mit dem Programm blieb undogmatisch. Zwar bildeten die dort formulierten vier „Grundsätze“ – ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei – über zwanzig Jahre hinweg und mangels eines Nachfolgeprogramms einen Bezugspunkt zur Selbstvergewisserung. Allerdings hatten sich die Grünen vor allem in den neunziger Jahren von vielen Aussagen ihres Bundesprogramms verabschiedet, lange bevor das Grundsatzprogramm von 2002 eine neue programmatische Zusammenfassung brachte. Exemplarisch für diese Abläufe waren die Debatten und Beschlüsse über Militäreinsätze und Krieg, insbesondere die Debatte um den Kosovo-Einsatz im Jahr 1999. Überhaupt verhinderte schon die basisbezogene, unhierarchische politische Kultur der Grünen eine zentralisierende, disziplinierende und dauerhafte Wirkung des Bundesprogramms.
Spezifische Bedeutungen des Bundesprogramms für die deutsche Zeitgeschichte[ ]
So begrenzt die Bindung der Grünen an ihr Bundesprogramm von 1980 auch war, markiert es doch den Beginn jener Partei, der es als erste und einzige vor der Wende von 1989/90 gelang, in das seit den fünfziger Jahren stabilisierte und geschlossene System der bestehenden Parlamentsparteien einzudringen und sich in ihm zu behaupten. Diese grundlegende Veränderung des Parteiensystems, die weitreichende und tiefgreifende Auswirkungen auf alle anderen Parteien hatte, entschied über die politische Reintegration eines guten Teils der Generationen zwischen der 68er-Studentenbewegung und den Neuen sozialen Bewegungen. Hatten sich die politisch Aktiven der Jahrgänge 1945 bis 1965 zunächst in großer Zahl im Protest abgewandt, so begann mit den Grünen für sie die Rückkehr in den eingespielten repräsentativen Parlamentarismus der Bundesrepublik, wenn auch zunächst in Form einer „Anti-Parteien-Partei“. Unter diesem von Petra Kelly, einer der zentralen Gründungsfiguren der Partei, geprägten Begriff stellten die Grünen das etablierte Parteien- und Parlamentssystem massiv in Frage. Die Integration der Partei vollzog sich dann in einem zwanzigjährigen Weg der inneren Anpassung bis hin zum Grundsatzprogramm von 2002.
Das Bundesprogramm von 1980 setzte Themen und eine Agenda, die bis heute für alle Industrienationen relevant geblieben sind. Die humanistischen und ökologischen Forderungen wiesen gerade in ihrer ungestümen Unbedingtheit, wie sie in der Frühphase einer Partei üblich ist, auf Wahrnehmungslücken der damals etablierten Politik hin. Sie brachte unbearbeitete Probleme zurück in den öffentlichen Diskurs und eröffneten damit die Chance, Legitimationsdefizite des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Systems zu beheben, die in der sich modernisierenden bundesrepublikanischen Gesellschaft seit den fünfziger Jahren entstanden waren. Die Krisendiagnose im Programm ist in weiten Teilen bis heute gültig geblieben, die Debatten um die thematisierten Probleme halten an. Die Verbindung von Ökologie und Ökonomie, Frauenemanzipation, die Legitimität pluraler Lebensstile und der erhöhte Rechtfertigungsdruck für politische Akteure sowie die Öffnung politischer Verhandlungs- und Entscheidungsabläufe sind einige der Beispiele aus dem Beitrag der Grünen zum öffentlichen Diskurs, der zugleich zu einer freieren politischen Kultur in der Bundesrepublik beigetragen hat. Tatsächlich lassen sich viele der Detailforderungen des Bundesprogramms als inzwischen „erledigt“, als eingelöst abhaken. Erfolgreich war insbesondere auch die „Ökologisierung“ des Bewusstseins. Insofern erwies sich das Programm als realgeschichtlich wirkungsmächtig.
Zeittypisch und damit überholt erscheint dagegen die Katastrophenannahme, aus der heraus das Programm teilweise geschrieben wurde. Nicht durchgängig, aber immer wieder geht es von einer finalen Gesamtkrise der Industriegesellschaft der Bundesrepublik, ja der Menschheit aus. Die Unbedingtheit der eigenen Überzeugungen, der selbstverständliche Wahrheitsanspruch, der in linken Gruppierungen seit 1968 üblich, nach den achtziger Jahren aber kaum noch anzutreffen war, basiert auf dieser Krisensicht. Letztere gab dem Handeln grüner Akteure eine über demokratischen Mehrheitsentscheidungen stehende, lediglich selbst zugesprochene Legitimität.
Insgesamt konserviert das Bundesprogramm von 1980 die Träume und Hoffnungen, die Werte und Ziele jener jungen Generation, die in der Bundesrepublik wie in allen westlichen Ländern von einem grundlegenden Wertewandel geprägt war. Es ist damit ein hervorragender Spiegel des Sehnsuchts- und Seelenzustands in diesem Teil der westdeutschen Gesellschaft. Eigenartig verschränkt sich im Programm der in die Zukunft gerichtete, grenzenlose Glaube an die Gestaltungsfähigkeit der Gesellschaft zugunsten humaner Werte mit der seit den frühen siebziger Jahren hereingebrochenen Erfahrung, dass sowohl das industrielle Wachstum als auch die Belastbarkeit der Umwelt deutliche Grenzen besitzen. Erstmals lag einem parteipolitischen Programmtext die Überzeugung vom Ende traditioneller Wachstumserwartungen zugrunde.
Von den radikalen Forderungen, die aus den Neuen sozialen Bewegungen in das Programm von 1980 hineingetragen wurden, ist wenig geblieben. Das gilt insbesondere für die Forderung nach Unterordnung der Wirtschaft unter eine generelle Humanisierung der Gesellschaft. Die Grünen sind nach wie vor eine kleine Partei und Fraktion mit begrenzten Handlungsmöglichkeiten. Die Anpassung von Programm und Partei an die Mehrheitsgesellschaft der Bundesrepublik und deren seit 1980 unveränderte wirtschaftliche und politisch-institutionelle Grundstruktur überwiegt bei weitem den Einfluss der Grünen auf die Gesellschaft.[5]
Zur Forschung[ ]
Das Bundesprogramm wurde in der politikwissenschaftlichen Forschung vor allem in den achtziger Jahren diskutiert, bevor es durch den Schwenk der Gesamtpartei zum „Realo“-Kurs an Aufmerksamkeit verlor. Gute zeithistorische Einordnungen liegen aufgrund der Gegenwartsnähe der grünen Parteigeschichte hingegen noch nicht vor. Van Hüllen beschreibt den Entstehungsprozess des Programms wohl immer noch am detailliertesten und kritisiert seine Inhalte auf anregende, wenn auch politisch wertende Art.[6] Raschke, der die Neuen sozialen Bewegungen und die Grünen seit ihrer Entstehung politikwissenschaftlich begleitet hat, sieht in den Grünen eine „ideologische Rahmenpartei“ und wirft dem Programm vor, geringe analytische Tiefe und zu viele Formelkompromisse aufzuweisen.[7] Diese Kritik übersieht jedoch die spezifische Entstehungssituation des Programms und seine Funktion als erstes einigendes Band einer zunächst heterogenen politischen Sammlungsbewegung. Wiesenthal ordnet das Bundesprogramm von 1980 in die nachfolgende Programmentwicklung bis Anfang der neunziger Jahre ein und sieht in der Fragmentierung der programmatischen Entwicklungen der Partei eine Behinderung ihrer politischen Handlungsfähigkeit.[8] Das trifft zu, doch erscheint aus historischer Sicht die Entstehungs- und Reifungsgeschichte der Grünen als eher ungewöhnlich schnell und auf dem Wählermarkt, in den Parlamenten und Regierungen recht erfolgreich. Aus der Perspektive der Regierungsposition der Grünen seit 1998 betrachtet dann Egle das Programm von 1980 nur mehr als überholte Altlast.[9]
International erweisen sich Markovits und Gorski als sehr gute Kenner der Grünen. Ihre Beschreibung des Programms von 1980 erhellt durch den Blick von außen in besonderer Weise deutsche geistesgeschichtliche und politische Traditionen.[10] Grüne und ökologische Parteien sind ein internationales, inzwischen sogar ein weltweites Phänomen. Die deutschen Grünen waren dabei nicht die erste Partei, und gerade in der Transformationsperiode der osteuropäischen Länder seit 1989 spielten ökologische Bewegungen und Parteien oft eine wichtige, wenn auch meist kurzlebige Rolle.[11] Das Bundesprogramm von 1980 war das erste Programm jener grünen Partei, die im internationalen Vergleich die einflussreichste Position in ihrer Gesellschaft und ihrem politischen System erringen konnte. Dies hatte neben der Stärke der Neuen sozialen Bewegungen in Deutschland viele Ursachen, die über die Grünen hinausgehen: deutsche Geistestraditionen, der besonders scharfe Generationenbruch in Reaktion auf den Nationalsozialismus, Wahlrecht und -system, die vielfältigen parlamentarischen Chancen im deutschen Föderalismus und der Koalitionsmechanismus.
- ↑ Lilian Klotzsch/Richard Stöss, Die Grünen. In: Richard Stöss (Hrsg.), Parteien-Handbuch: die Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945–1980, Bd. II: FDP bis WAV. Westdeutscher Verlag, Opladen 1983, S. 1509–1598, hier S. 1513-1539.
- ↑ Rudolf van Hüllen, Ideologie und Machtkampf bei den Grünen: Untersuchung zur programmatischen und innerorganisatorischen Entwicklung einer deutschen „Bewegungspartei“. Bouvier, Bonn 1990, S. 263-274; H. Wiesenthal, Programme. In: Joachim Raschke, Gudrun Heinrich (Hrsg.), Die Grünen: Wie sie wurden, was sie sind. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a. M./Wien 1993, S. 95–130, hier S. 104-130.
- ↑ van Hüllen, op. cit., S. 265-281; Andrei S. Markovits/Philip S. Gorski, Grün schlägt rot: Die deutsche Linke nach 1945. Rotbuch, Hamburg 1997, S. 231-263.
- ↑ Wiesenthal, op. cit., S. 105-125.
- ↑ Joachim Raschke, Machtwechsel und soziale Bewegungen. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 11:1 (1998), S. 25–47.
- ↑ Van Hüllen, op. cit., S. 259-281.
- ↑ Raschke/Heinrich, op. cit., S. 131-139.
- ↑ Wiesenthal, op. cit., S. 95-130.
- ↑ Christoph Egle, Lernen unter Stress: Politik und Programmatik von Bündnis 90/Die Grünen. In: Christoph Egle, Tobias Ostheim u. a. (Hrsg.), Das rot-grüne Projekt: eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 93–116, hier S. 96.
- ↑ Markovits/Gorski, op. cit., S. 173-278.
- ↑ Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.), Die Grünen in Europa: Ein Handbuch. Westfälisches Dampfboot, Münster 2004.
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DIE GRÜNEN. DAS BUNDESPROGRAMM von 1980, 2. Auflage[ ]
I. Präambel (Entwurf)[ ]
Einleitung[ ]
Wir sind die Alternative zu den herkömmlichen Parteien. Hervorgegangen sind wir aus einem Zusammenschluß von grünen, bunten und alternativen Listen und Parteien. Wir fühlen uns verbunden mit all denen, die in der neuen demokratischen Bewegung mitarbeiten: den Lebens-, Natur- und Umweltschutzverbänden, den Bürgerinitiativen, der Arbeiterbewegung, christlichen Initiativen, der Friedens- und Menschenrechts-, der Frauen- und 3.-Welt-Bewegung. Wir verstehen uns als Teil der grünen Bewegung in aller Welt.
Die in Bonn etablierten Parteien verhalten sich, als sei auf dem endlichen Planeten Erde eine unendliche industrielle Produktionssteigerung möglich. Dadurch führen sie uns nach eigener Aussage vor die ausweglose Entscheidung zwischen Atomstaat oder Atomkrieg, zwischen Harrisburg oder Hiroshima. Die ökologische Weltkrise verschärft sich von Tag zu Tag: Die Rohstoffe verknappen sich, Giftskandal reiht sich an Giftskandal, Tiergattungen werden ausgerottet, Pflanzenarten sterben aus, Flüsse und Weltmeere verwandeln sich in Kloaken, der Mensch droht inmitten einer späten Industrie[-] und Konsumgesellschaft geistig und seelisch zu verkümmern, wir bürden den nachfolgenden Generationen eine unheimliche Erbschaft auf.
Die Zerstörung der Lebens- und Arbeitsgrundlagen und der Abbau demokratischer Rechte haben ein so bedrohliches Ausmaß erreicht, daß es einer grundlegenden Alternative für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bedarf. Deshalb erhob sich spontan eine demokratische Bürgerbewegung. Es bildeten sich Tausende von Bürgerinitiativen, die in machtvollen Demonstrationen gegen den Bau von Atomkraftwerken antreten, weil deren Risiken nicht zu bewältigen sind und weil deren strahlende Abfälle nirgends deponiert werden können; sie stehen auf gegen die Verwüstung der Natur, gegen die Betonierung unserer Landschaft, gegen die Folgen und Ursachen einer Wegwerfgesellschaft, die lebensfeindlich geworden ist.
Ein völliger Umbruch unseres kurzfristig orientierten wirtschaftlichen Zweckdenkens ist notwendig. Wir halten es für einen Irrtum, daß die jetzige Verschwendungswirtschaft noch das Glück und die Lebenserfüllung fördere; im Gegenteil, die Menschen werden immer gehetzter und unfreier. Erst in dem Maße, wie wir uns von der Überschätzung des materiellen Lebensstandards freimachen, wie wir wieder die Selbstverwirklichung ermöglichen und uns wieder auf die Grenzen unserer Natur besinnen, werden auch die schöpferischen Kräfte frei werden für die Neugestaltung eines Lebens auf ökologischer Basis.
Wir halten es für notwendig, die Aktivitäten außerhalb des Parlaments durch die Arbeit in den Kommunal- und Landesparlamenten sowie im Bundestag zu ergänzen. Wir wollen dort unseren politischen Alternativen Öffentlichkeit und Geltung verschaffen. Wir werden damit den Bürger- und Basisinitiativen eine weitere Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Anliegen und Ideen eröffnen.
Grüne, bunte und alternative Listen hatten ihre ersten Wahlerfolge. Die 5%-Klausel und andere Erschwernisse können sie nicht mehr aufhalten. Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, die den zerstörerischen Kurs fortführt. Wir werden aber versuchen, in der Verfolgung unserer Ziele auch bei etablierten Parteien Unterstützung zu erhalten und Vorschlägen anderer Parteien, die unseren Zielen entsprechen, zustimmen.
Gegenüber der eindimensionalen Produktionssteigerungspolitik vertreten wir ein Gesamtkonzept. Unsere Politik wird von langfristigen Zukunftsaspekten geleitet und orientiert sich an vier Grundsätzen: sie ist ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei.
Ökologisch[ ]
Ausgehend von den Naturgesetzen und insbesondere von der Erkenntnis, daß in einem begrenzten System kein unbegrenztes Wachstum möglich ist, heißt ökologische Politik, uns selbst und unsere Umwelt als Teil der Natur zu begreifen. Auch das menschliche Leben ist in die Regelkreise der Ökosysteme eingebunden: [W]ir greifen durch unsere Handlungen ein und dies wirkt auf uns zurück. Wir dürfen die Stabilität der Ökosysteme nicht zerstören.
Insbesondere stellt ökologische Politik eine umfassende Absage an eine Wirtschaft der Ausbeutung und des Raubbaus an Naturgütern und Rohstoffen sowie zerstörerische Eingriffe in die Kreisläufe des Naturhaushalts dar. Unsere Überzeugung ist, daß der Ausbeutung der Natur und des Menschen durch den Menschen entgegengetreten werden muß, um der akuten und ernsten Bedrohung des Lebens zu begegnen.
Unsere Politik ist eine Politik der aktiven Partnerschaft mit der Natur und dem Menschen. Sie gelingt am besten in selbstbestimmten und selbstversorgenden überschaubaren Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten. Wir sind für ein Wirtschaftssystem, das sich an den Lebensbedürfnissen der Menschen und zukünftiger Generationen, an der Erhaltung der Natur und am sparsamen Umgang mit den natürlichen Reichtümern orientiert. Es geht um eine Gesellschaft, die demokratisch ist, in der die Beziehungen der Menschen untereinander und zur Natur zunehmend bewußter gehandhabt werden.
Um solche Veränderungen gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse durchzusetzen, bedarf es einer politischen Bewegung, in der menschliche Solidarität und Demokratie untereinander und die Absage an ein von lebensfeindlicher Konkurrenz bestimmtes Leistungs- und Hierarchiedenken grundlegend sind. Diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen können nur demokratisch und mit Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit erreicht werden.
Sozial[ ]
Eine zukünftige soziale Politik muß zum Ziele haben, ein stabiles Sozialsystem zu errichten, „Sozial“ hat vor allem eine ökonomische Komponente.
Durch ständige Preissteigerungen und staatliche Steuer- und Subventionspolitik werden bereits ungleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zwischen arm und reich noch verstärkt: Wir wenden uns gegen einen Arbeitsprozeß, in dem die wirtschaftliche Macht regiert, und der dazu führt, daß einzelne wenige nicht nur über das Arbeitsergebnis, sondern faktisch über die Existenz vieler entscheiden können. Arbeitslosigkeit auf der einen und unmenschliche Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite zeigen dies.
Die Vernichtung der Wohnumwelt, immer längere Wege zur Arbeit, die Kommerzialisierung des Naturgenusses und der Freizeit führen dazu, daß trotz steigender Einkommen eine reale Verarmung stattfindet, deren Opfer neben den Einkommensschwachen vor allem Kinder, Jugendliche, Alte und Behinderte sind.
Sowohl aus der Wettbewerbswirtschaft als auch aus der Konzentration wirtschaftlicher Macht in staats- und privatkapitalistischen Monopolen gehen jene ausbeuterischen Wachstumszwänge hervor, in deren Folge die völlige Verseuchung und Verwüstung der menschlichen Lebensbasis droht. Hier genau verbinden sich die Umweltschutz- und Ökologiebewegung mit der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Deshalb treten wir gemeinsam für eine Verkürzung der Arbeitszeit und für humane Arbeitsbedingungen ein.
Nur durch eine Selbstbestimmung der Betroffenen kann der ökologischen, ökonomischen und sozialen Krise entgegengetreten werden. Weil wir für die Selbstbestimmung, freie Entfaltung jedes Menschen sind und dafür, daß die Menschen ihr Leben gemeinsam und solidarisch in Übereinstimmung mit ihrer natürlichen Umwelt, ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen frei von äußerer Bedrohung kreativ gestalten können, treten wir radikal für die Menschenrechte und umfassende demokratische Rechte bei uns und anderswo ein.
Unsere gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren massenhaftes soziales und psychisches Elend. Besonders betroffen von dieser Situation sind ethnische, soziale, religiöse und sexuell diskriminierte Bevölkerungsteile. Das soziale System wird zunehmend unstabiler. Die Folgen sind steigende Kriminalität, erhöhte Selbstmordraten, Drogenkonsum und Alkoholismus.
Offensichtlich wird dieser gesellschaftliche Zustand auch durch die Tatsache, daß die Frauen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt und unterdrückt werden.
Basisdemokratisch[ ]
Basisdemokratische Politik bedeutet verstärkte Verwirklichung dezentraler, direkter Demokratie. Wir gehen davon aus, daß der Entscheidung der Basis prinzipiell Vorrang eingeräumt werden muß. Überschaubare, dezentrale Basiseinheiten (Ortsebene, Kreisebene) erhalten weitgehende Autonomie und Selbstverwaltungsrechte zugestanden. Basisdemokratie bedarf jedoch einer zusammenfassenden Organisation und Koordination, wenn ökologische Politik in der öffentlichen Willensbildung gegen starke Widerstände durchgesetzt werden soll. Wir setzen uns in allen politischen Bereichen dafür ein, daß durch verstärkte Mitbestimmung der betroffenen Bevölkerung in regionalen, landesweiten und bundesweiten Volksabstimmungen Elemente direkter Demokratie zur Lösung lebenswichtiger Planungen eingeführt werden.
Unser inneres organisatorisches Leben und unser Verhältnis zu den Menschen, die uns unterstützen und wählen, ist das genaue Gegenbild zu den in Bonn etablierten Parteien. Diese sind unfähig und nicht willens, neue Ansätze und Gedanken und die Interessen der demokratischen Bewegung aufzunehmen. Wir sind deshalb entschlossen, uns eine Parteiorganisation neuen Typs zu schaffen, deren Grundstrukturen in basisdemokratischer und dezentraler Art verfaßt sind, was nicht voneinander zu trennen ist. Denn eine Partei, die diese Struktur nicht besitzt, wäre niemals in der Lage, eine ökologische Politik im Rahmen der parlamentarischen Demokratie überzeugend zu betreiben. Kerngedanke ist dabei die ständige Kontrolle aller Amts- und Mandatsinhaber und Institutionen durch die Basis (Öffentlichkeit, zeitliche Begrenzung) und die jederzeitige Ablösbarkeit, um Organisation und Politik für alle durchschaubar zu machen und um der Loslösung einzelner von ihrer Basis entgegen zu wirken.
Gewaltfrei[ ]
Wir streben eine gewaltfreie Gesellschaft an, in der die Unterdrückung von Menschen durch den Menschen und Gewalt von Menschen gegen Menschen aufgehoben ist. Unser oberster Grundsatz lautet: Humane Ziele können nicht mit inhumanen Mitteln erreicht werden.
Gewaltfreiheit gilt uneingeschränkt und ohne Ausnahme zwischen allen Menschen, also ebenso innerhalb sozialer Gruppen und der Gesellschaft als Ganzem als auch zwischen Volksgruppen und Völkern.
Das Prinzip der Gewaltfreiheit berührt nicht das fundamentale Recht auf Notwehr und schließt sozialen Widerstand in seinen mannigfachen Varianten ein. Widerstand kann langfristig am wirksamsten auf soziale Weise geführt werden, wie das Beispiel der Anti- Atombewegung zeigt. Wir sind ebenso grundsätzlich gegen die Anwendung zwischenstaatlicher Gewalt durch Kriegshandlungen.
Deshalb treten wir in den internationalen Beziehungen für eine aktive Friedenspolitik ein. Aktive Friedenspolitik heißt auch, daß wir uns gegen die Besetzung von Staaten und die Unterdrückung von Volksgruppen wenden und für die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Volksgruppen in allen Staaten eintreten. Frieden ist untrennbar mit der Unabhängigkeit der Staaten und dem Vorhandensein demokratischer Rechte in ihnen verbunden. Es muß weltweit abgerüstet werden. Weltweit müssen die Atom-, biologischen und chemischen Waffen vernichtet werden, fremde Truppen müssen von fremden Territorien abgezogen werden.
Gewaltfreiheit schließt aktiven sozialen Widerstand nicht aus, bedeutet also nicht die Passivität der Betroffenen. Der Grundsatz der Gewaltfreiheit bedeutet vielmehr, daß zur Verteidigung lebenserhaltender Interessen von Menschen gegenüber einer sich verselbständigenden Herrschaftsordnung unter Umständen auch Widerstand gegen staatliche Maßnahmen nicht nur legitim, sondern auch erforderlich sein kann (z.B. Sitzstreiks, Wegesperren, Behinderung von Fahrzeugen).
II. Wirtschaft und Arbeitswelt[ ]
1. Die Krise des heutigen Wirtschaftssystems[ ]
Die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland werden heute durch die ökologische und ökonomische Krise der Industriegesellschaft bedroht. Sie ist gekennzeichnet durch die zunehmende Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen und andererseits durch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Der Raubbau an der Natur führt zu langfristigen Schäden, die zum Teil nie wieder gut zu machen sind. Sie werden aus kurzfristigen Profitinteressen in Kauf genommen. Die Lebensgrundlagen der Bevölkerung werden durch Atomanlagen, durch Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, durch Lagerung von gefährlichen Abfallstoffen und durch Rohstoffvergeudung gefährdet. Der Raubbau am Menschen wird ebenfalls schlimmer. Die körperlichen und psychischen Belastungen am Arbeitsplatz steigen, weil die Technologie von der Industrie ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen der Menschen entwickelt und eingesetzt wird. Die Produktion richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, sondern nach den Interessen des Großkapitals. Das ökologische Gleichgewicht wird dem Wachstumsstreben der Wirtschaft und der Verbesserung ihrer Wettbewerbs- und Gewinnchancen geopfert. In deren Folge droht die völlige Verseuchung und Verwüstung der menschlichen Lebensbasis sowie steigende Arbeitslosigkeit und eine wachsende soziale und psychische Verelendung. Hier genau müssen sich ökologische und Arbeiterbewegung verbinden.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik etablierten Parteien berücksichtigt weder ökologische Gesichtspunkte noch die langfristigen Interessen der Bevölkerung. Ihr Hauptziel ist ein zerstörerisches Wachstum der Wirtschaft. Dies fördert die zunehmende Konzentration der Wirtschaft, den weiteren Abbau von Arbeitsplätzen und somit Entzug der Existenzgrundlagen für kleinere und mittlere Betriebe. Durch ständige Preissteigerungen und staatliche Steuer- und Subventionspolitik werden bereits ungleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zwischen arm und reich noch verstärkt.
2. Grundlagen und Ziele grüner Wirtschaftspolitik[ ]
Wir sind für ein Wirtschaftssystem, das sich an den Lebensbedürfnissen der Menschen und zukünftigen Generationen, an der Erhaltung der Natur und am sparsamen Umgang mit den natürlichen Reichtümern orientiert. Es geht um eine Gesellschaft, in der die Beziehungen der Menschen untereinander und zur Natur zunehmend bewußt gemacht werden, in der die Beachtung ökologischer Kreisläufe, die Entwicklung und der Einsatz der Technologie, die Beziehung zwischen Produktion und Verbrauch zu einer Angelegenheit aller Betroffenen wird. Eine ökologisch fundierte Wirtschaft bedeutet keinen Verzicht auf Lebensqualität, sondern daß sich die Menschen für Produkte einsetzen, die ihren Bedürfnissen entsprechen und mit der natürlichen Umwelt verträglich sind.
Es geht im Kern darum, daß die Betroffenen selbst Entscheidungen darüber treffen, WAS, WIE oder WO produziert wird. Die Menschen sollen bei der Arbeit und in der Freizeit ihre vielseitigen Fähigkeiten und Initiativen frei entfalten können.
Wir sind grundsätzlich gegen jegliches quantitatives Wachstum, ganz besonders dann, wenn es aus reiner Profitgier vorangetrieben wird. Aber wir sind für qualitatives Wachstum, wenn es mit gleichem oder geringerem Einsatz von Energie und gleicher oder geringerer Verarbeitung von Rohstoffen möglich ist, (d.h. bessere Ergebnisse erzielt oder bessere Erzeugnisse hergestellt werden können). Wir sind für soziales Wachstum, besonders für die eindeutig Benachteiligten unserer Gesellschaft. Die für dieses soziale Wachstum notwendigen Maßnahmen sind durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen, wie etwa Steuerfreibetraege, Niedrigsätze bei den Sozialabgaben zu ergreifen.
So ergeben sich die ökologischen Zielsetzungen:
Sparsamer Umgang mit Energie und Rohstoffen
Herstellung dauerhafter, reparaturfähiger Gebrauchsgüter
Verarbeitung wiederverwertbarer Naturprodukte
Wiederverwendung gebrauchter Waren und Abfälle
Verzicht auf Stoffe und Verfahren, die das ökologische Gleichgewicht nachhaltig stören und Leben und Gesundheit bedrohen
Volle Ausschöpfung und Erweiterung bestehender Umweltschutzgesetze.
Die sozialen Zielsetzungen sind:
Versorgung mit gebrauchsgerechten Waren und sozialen Dienstleistungen
Sicherung eines ausreichenden Einkommens für alle und gerechte Verteilung der geschaffenen Werte zur Steigerung der Lebensqualität sozial benachteiligter Bevölkerungsteile
Sinnvolle und menschenwürdige Arbeit und Aufgaben für alle
Weiterentwicklung der Technik zum Wohle des Menschen bei Erhaltung der Natur und der Lebensgrundlagen.
Wir halten die folgenden Maßnahmen für nötig:
Ersatz der auf Verbrauchermanipulation und Verbrauchssteigerung ausgerichteten privatwirtschaftlichen Werbung durch eine objektive Verbraucherinformation, die in den Medien von unabhängigen Institutionen (z.B. Stiftung WarentestStiftung Warentest) betrieben wird.
Als Sofortmaßnahme ist zu verbieten jede Fernseh- und Hörfunkwerbung sowie die Werbung für folgende Produkte: Zigaretten, Süßwaren, Spirituosen, Pharmazeutika für landwirtschaftliche Nutztiere (Antibiotika, Ruhigsteller usw.) außer in Fachzeitschriften für Tierärzte, industrielle Landwirtschaftsgifte (Schädlingsvernichtungsmittel, Pflanzenschutzmittel usw.) und industriellen Kunstdünger.
Das Patentrecht ist neu zu fassen, so daß patentrechtlich geschützte Neuerungen nicht von Interessengruppen aufgekauft und blockiert werden können.
Diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen können nur demokratisch und mit Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit erreicht werden. Um solche Veränderungen gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse durchzusetzen, bedarf es einer politischen Bewegung, in der menschliche Solidarität und Demokratie und die Absage an ein Hierarchiedenken grundlegend sind. Ökologische Politik und Demokratie bilden eine Einheit.
3. Eine ökologisch und sozial ausgerichtete Wirtschaft (dynamische Kreislaufwirtschaft)[ ]
Wir wenden uns gegen eine Wirtschaftsordnung, in der die wirtschaftlich Mächtigen über den Arbeitsprozeß, das Arbeitsergebnis und die Existenzbedingungen der großen Mehrheit der Bevölkerung bestimmen. Eine grundsätzliche Neuorientierung des kurzfristig bestimmten wirtschaftlichen Zweckdenkens, die mit einschneidenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Veränderungen einhergehen muß, ist notwendig, um ein ökologisches und soziales Wirtschaften sicherzustellen.
Die GRÜNEN unterstützen alle Bewegungen, die sich für dezentrale und überschaubare Produktionseinheiten, sowie eine demokratisch kontrollierbare veränderte Anwendung der Technik einsetzen.
Die Großkonzerne sind in überschaubare Betriebe zu entflechten, die von den dort Arbeitenden demokratisch selbstverwaltet werden. Kleine, mittlere und vor allem alternative Betriebe sind zu erhalten, einzurichten und zu fördern.
Es ist eine regional-spezifische Mischwirtschaft zu fördern, z.B. ökologische Land- und Forstwirtschaft mit Weiterverarbeitung der Produkte.
Die betroffene Bevölkerung benötigt die politischen Befugnisse (Wirtschafts- und Sozialräte), um die wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmungen zu kontrollieren und sie ökologischen Bedingungen und sozialen Verpflichtungen zu unterwerfen.
Dazu ist es notwendig, daß neben der Finanzbuchhaltung eine öffentlich kontrollierbare „ökologische Buchhaltung“ in den Betrieben eingeführt wird. Es soll dadurch sichergestellt werden, daß die von den einzelnen Betrieben ausgehenden Belastungen für Mensch und Umwelt bewertet werden können. Produktionen mit verhältnismäßig hoher Belastung der Arbeitskräfte und der Umwelt müssen eingedämmt und ausgeschaltet werden können.
Bevor neue Technologien eingeführt werden sollen, ist eine Bewertungsphase vorzusehen, in der diese Technologien auf Umweltverträglichkeit, sparsame Energieverwendung und humane Gestaltung der Arbeitsplätze geprüft werden. Dazu sollte eine gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse, in der alle Folgekosten bilanziert sind, durchgeführt werden.
Investitionen in der Wirtschaft müssen in den nächsten Jahren darauf gerichtet werden, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und Energie und Rohstoffe einzusparen.
4. Arbeitswelt und Technologie[ ]
Durch Wirtschaftskrisen, den systematisch betriebenen Kapitalexport und den Einsatz neuer Technologien ist mit einer steigenden Arbeitslosigkeit zu rechnen. Arbeiter und Angestellte, die nicht der Arbeitslosigkeit zum Opfer fallen, sind wachsenden psychologischen und physiologischen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Die Arbeitswelt ist geprägt durch eine ständige Angst, gegen andere Arbeiter und Angestellte oder gegen Maschinen ausgetauscht zu werden.
Der arbeitende Mensch bestimmt nicht den Gang der Maschinen, sondern diese diktieren seine Arbeitsschritte und sein Arbeitstempo. Computern werden wesentliche Arbeitsaufgaben übertragen, während den Menschen nur noch eine sinnentleerte Teilfunktion überlassen bleibt. Die Arbeitsplätze genügen in der Regel nicht den geringsten ergonomischen Ansprüchen. Mit der Entwertung des Arbeitsplatzes werden schließlich Lohnrückstufungen begründet.
Darüber hinaus werden Überwachung und Leistungskontrolle der arbeitenden Menschen durch auswertbare technologische Systeme der Leistungsbeurteilung, der Zeiterfassung und der Personenkontrolle verschärft.
Durch den Einsatz moderner Technologien wird heute vielfach eine Arbeitsproduktivität erreicht, die es bereits jetzt ermöglichen würde, die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich erheblich zu verringern. Dies ist um so eher möglich durch den Abbau der Wegwerf- und Rüstungsproduktion. Voller Lohnausgleich ist angesichts der Entwicklung der verfügbaren Löhne und der rasch steigenden Verbraucherpreise (Miete, Strom, Gas, Heizöl usw.) lebensnotwendig für breite Schichten der arbeitenden Bevölkerung.
Aus dieser Situation ergeben sich folgende Forderungen:
Fortschreitende Verkürzung der Wochenarbeitszeit (als Einstieg die 35-Stunden-Woche) bei vollem Lohnausgleich, zur Verhinderung weiterer Massenarbeitslosigkeit, und zwar ohne Intensivierung der Arbeit.
Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch längere Ausbildung und Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze bei vollem Rentenausgleich sowie Schaffung der Möglichkeit des schrittweisen Abbaus der Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer.
Verkürzung der Jahresarbeitszeit durch Verlängerung des bezahlten Urlaubs, Möglichkeit des unbezahlten Urlaubs.
Bundesweite Einführung des Bildungsurlaubs.
Abbau von Überstunden und Sonderschichten.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für Frauen und Männer, für Deutsche und Ausländer. Keine Arbeitseinkommen unter den öffentlichen Sozialhilfesätzen, die an den wirklichen Lebensbedürfnissen zu orientieren sind.
Abschaffung der Leichtlohngruppen.
Wirksamer Schutz vor Abgruppierung.
Die Freisetzung von Arbeitskräften durch Rationalisierung ist durch eine innerbetriebliche Umverteilung der Arbeit zu vermeiden, die das Ziel einer Entlastung der Gesamtbelegschaft verfolgt.
Bei rationalisierungsbedingten Entlassungen Fortzahlung des alten Lohnes bis zur Aufnahme gleichwertiger anderer Arbeit oder während einer Umschulung.
Ausbildung und Arbeit für jeden Jugendlichen bei existenzsicherndem Lohn.
Die Arbeitenden müssen über Arbeitsplanung, Arbeitsdurchführung und Arbeitsergebnis selbst bestimmen.
Festlegung der Bezugsgrößen für die Leistungserbringung und das Leistungsergebnis sowie der Lohnfindungssysteme unter der Beteiligung der betroffenen Belegschaften.
Der Einsatz von neuen Technologien darf nicht zu Lasten der betroffenen Belegschaft gehen, sondern muß das Ziel haben, die Arbeit menschengerechter zu gestalten. Die Arbeitsmonotonie, die psychische Belastung am Arbeitsplatz und der Mangel an Kommunikation haben sich aber durch den Einsatz der neuen Technologien noch verschlimmert.
Die inhumanen Arbeitsbedingungen sind nicht länger als angeblich unvermeidbare technisch-ökonomische Sachzwänge hinzunehmen. Vielmehr sind bereits bei der Entwicklung von Technologien und Arbeitsorganisationen die Eigenschaften und Bedürfnisse der Menschen zu berücksichtigen, da nachträgliche Veränderungen von inhumanen Arbeitsbedingungen durch die Bindung der Arbeitsorganisation an die bereits eingesetzte Produktionstechnik nur begrenzt möglich sind.
Wir fordern:
Sämtliche Investitionen, die rationalisierungsbedingte Entlassungen zur Folge haben, müssen sozialabgabepflichtig gemacht werden.
Abbau von Akkord- und Fließbandarbeit und anderen Formen des Leistungsdrucks.
Abschaffung von Nacht- und Wechselschichtarbeit, soweit möglich.
Festlegung von Mindesterholzeiten und Zeiten für persönliche Bedürfnisse während der Arbeitszeit.
Festlegung von sinnvollen Arbeitsinhalten in Verbindung mit einer qualifizierten Ausbildung.
Aufhebung unnötiger Arbeitsteilung und Spezialisierung. Möglichst umfassende Qualifizierung aller Beschäftigten. Kein ausschließlicher Einsatz in rein mechanischen Tätigkeiten, sondern abwechselnd in Planung, Ausführung und Überwachung nach gemeinsamer Entscheidung der Beteiligten.
Strenge gesetzliche Vorschriften für Arbeitssicherheit, Lärmschutz und für den Umgang mit Giftstoffen, damit Leben und Gesundheit der Betroffenen wirksam geschützt werden. Der zunehmenden Freisetzung von Arbeitskräften durch weitere Rationalisierung, vor allem in den Ballungsgebieten, steht ein wachsender Bedarf an Fachkräften gegenüber. Er wird sich weiter verstärken durch den Übergang auf dezentrale, arbeitsintensive Produktion in Klein- und Mittelbetrieben sowie für den ökologischen Landbau, den sozialen Bereich und handwerkliche Betriebe. Um Arbeitslosigkeit auf der einen, Fachkräftemangel auf der anderen Seite zu vermeiden, sind folgende Maßnahmen notwendig:
rechtzeitige Umschulung zu qualifizierten Fachkräften,
Entflechtung der Ballungsräume, um eine ökologisch tragbare industrielle Produktion zu ermöglichen.
Das zur Zeit real existierende Mitbestimmungsgesetz trägt nicht dazu bei, die Fremdbestimmung im Betrieb abzubauen. Sie ist weniger als nichts, zumal „Arbeitnehmer“ zwar die Verantwortung mittragen sollen, tatsächliche Mitbestimmung jedoch nicht stattfindet.
Die sich daraus ergebende Forderung:
Kurz- bis mittelfristig ist eine qualifizierte Mitbestimmung anzustreben. Langfristig jedoch ist eine wirkliche Beteiligung der „Arbeitnehmer“ am Produktivvermögen und die daraus resultierende wirkliche Mitbestimmung und dann auch Mitverantwortung anzustreben.
Um diese Forderung durchsetzen zu können, um Entlassungen, steigender Arbeitshetze und dem Abbau von Sozialleistungen entgegentreten zu können, brauchen die Arbeiter und Angestellten in der Industrie wie im öffentlichen Dienst und in allen anderen Bereichen demokratische Rechte.
Deshalb treten wir ein:
Für uneingeschränktes Streik- und Koalitionsrecht.
Für das Verbot der Aussperrung.
Gegen schwarze Listen und Schnüffeleien des Verfassungsschutzes in den Betrieben.
Für Kündigungsschutz gewerkschaftlicher Vertrauensleute.
Für Verstärkung der Basisdemokratie in den Gewerkschaften.
Für eine freie gewerkschaftliche und politische Betätigung in den Betrieben und während der Ausbildung.
Für Tarifverträge auf der Basis von Festbeträgen.
Für ein einheitliches Personalrecht im öffentlichen Dienst.
Für Abschaffung der Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz, die zur Beschränkung der Rechte von Belegschaften und Betriebsräten und zur Beschränkung des Streikrechtes dienen, wie z.B. Schweige- und Friedenspflicht der Betriebsräte.
Für eine Ausweitung der Rechte von Betriebs- und Personalversammlungen sowie von Arbeitseinheiten (z.B. Buchhaltung, Montageabteilung) mit dem Ziel der betrieblichen Selbstverwaltung.
Keine Rationalisierungen und Massenentlassungen gegen den Willen der Mehrheit der Belegschaft und der Vertrauensleutekörper.
5. Steuern, Währung und Finanzen[ ]
Dieser Programmteil wird noch überarbeitet
6. Energie[ ]
Die Energiepolitik ist ein wesentlicher Teil des Programms der GRÜNEN. Der Energiefluß ist ein objektiver Maßstab für den Zustand eines ökologischen Systems und unterliegt den auch klimatisch bedingten Wachstumsgrenzen. Hier wird die Unmöglichkeit, den Wachstumswahn fortzuführen, am deutlichsten sichtbar. Eine Fortsetzung des unbegrenzten Energiewachstums sprengt alle natürlichen Grenzen und führt zur Selbstzerstörung des ökologischen Systems. Darum ist die energiepolitische Entwicklung der nächsten zwanzig Jahre von existentieller Bedeutung für die Menschheit.
Die bisherige Energiepolitik stand im Zeichen ständiger Konsumsteigerung. Sie stützt sich dabei auf Hochrechnungen der Wachstumsraten der letzten Jahrzehnte und legte entsprechende Zubauraten für Kraftwerke und Energieversorgungsanlagen fest. Diese Art von Energiepolitik ist eine Politik, die sich an überholten Denkmodellen, nämlich des unbegrenzten Wachstums, orientiert. Sie führt zwangsläufig in wenigen Jahrzehnten zur Erschöpfung der Brennstoffreserven, zur Schädigung des Klimahaushalts sowie zu Vergiftungen und radioaktiver Verseuchung unserer Umwelt.
Neben diesen Schädigungen unserer Umwelt hat die bisherige Energiepolitik auch außenpolitisch zu einer Verschärfung der Probleme geführt. Die bisherige Politik der ständigen Steigerung des Energieverbrauchs hat die Abhängigkeit der Industrieländer mit dem höchsten Verbrauch von der Importenergie laufend erhöht und die weltweite Ungerechtigkeit bei der Energieverteilung und die Ausbeutung der Länder der „Dritten Welt“ laufend verschärft. Die Industrieländer umfassen 30 Prozent der Erdbevölkerung und verbrauchen gegenwärtig 85 Prozent der Gesamtenergie.
Diese Länder mit dem höchsten Energiekonsum fordern den meisten Mehrbedarf, obwohl sie bereits heute ihren Energiehunger in hohem Prozentsatz durch Import und durch Ausbeutung der Rohstofflager fremder Länder stillen.
Eine weitere Verschärfung dieses Energieimperialismus wird zu politischen und militärischen Konflikten, zum Zusammenbruch des internationalen Handels und insbesondere der Wirtschaft der Industrieländer führen. Die Fortsetzung der bisherigen Energiepolitik mit massivem Ausbau der Atomenergie einschließlich der Wiederaufarbeitungsanlagen und der Plutoniumbrüter stellt eine fundamentale Bedrohung unserer Demokratie dar. Die unangefochtenen Monopole der zentralisierten Energieversorgungsunternehmen entziehen sich bereits heute nahezu jeder demokratischen Kontrolle und unterwerfen die Gesellschaft in Teilbereichen einer „Diktatur aus der Steckdose“. Im vollausgebauten Atomstaat sind aus zwingenden Gründen demokratische Grundrechte und bürgerliche Freiheiten nicht mehr möglich.
Den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken lehnen wir ab.
Atomenergie ist nicht sicher, da der Betrieb der Atomanlagen zur schleichenden Strahlenverseuchung führt und das Katastrophenpotential der Atomkraftwerke und anderer atomarer Anlagen ein nicht verantwortbares Risiko darstellt und da der Atommüll bisher nicht beseitigt werden kann.
Atomkraftwerke sind nicht wirtschaftlich, selbst wenn nur ein Teil der echten Kosten des gesamten Brennstoffkreislaufs und die langfristigen Folgekosten in Rechnung gestellt wird [sic!]. Hohe Investitionssummen für atomare Anlagen blockieren finanzielle Mittel, die für alternative Energiequellen dringend gebraucht werden.
Atomkraftwerke sind überflüssig, wenn anstelle der programmierten Energieverschwendung eine Politik der gezielten Energieeinsparungen, des sparsamen Umgangs mit der Energie und eine Verbesserung der Wirkungsgrade bei der Energieumwandlung betrieben wird [sic!].
Atomkraftwerke vernichten Arbeitsplätze, da der verstärkte Einsatz einer besonderen kapitalintensiven Energieform unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen zum vermehrten Einsatz von Maschinen und zur Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen führt.
Atomkraftwerke sind kein Ausweg aus der Energieverknappung, da die Energiebasis Uran, genau wie die übrigen Energieträger, nur in begrenzten Mengen zur Verfügung steht und keine ständige Energieversorgung sichern kann.
Die Atomenergie bedroht die Zukunft allen Lebens, da die produzierten radioaktiven Spaltprodukte für Jahrtausende das Leben gefährden.
Der Einsatz der Atomenergie, der die Demokratie und die menschlichen Grundrechte bedroht, verstärkt die vorhandenen Tendenzen zu einem Polizei- und Überwachungsstaat. Mit den hohen sozialen Sicherheitsrisiken und Störanfälligkeiten der Atomanlagen wird der Marsch in den Atomstaat gerechtfertigt.
Der Export von atomaren Anlagen in alle Länder der Welt schafft neue militärische Risiken und unterläuft die internationale[n] Bemühungen, die Verbreitung von Atomwaffen einzudämmen.
Wir GRÜNEN fordern:
1. Einen sofortigen Planungs-, Bau- und Betriebsstop für alle Wiederaufbereitungs- und Anreicherungsanlagen.
2. Sofortigen Genehmigungs- und Baustop für Atomkraftwerke und Betriebsstop für bereits in Betrieb befindliche Atomanlagen.
3. Ein völliges Exportverbot für Atomkraftwerke und sonstige gefährliche Atomanlagen.
4. Höchsten Sicherheitsstandard bei der Entsorgung und Endlagerung des bereits vorhandenen Atommülls ohne Plutoniumfabrikation bzw. Wiederaufbereitungsanlagen.
5. Keine Förderung der Nukleartechnologie, stattdessen optimale Förderung alternativer Energietechnologien und rationeller Energieverwendung.
6. Abbau der vorhandenen Nuklearanlagen unter Berücksichtigung schärfster Sicherheitsvorkehrungen.
Ziele grüner Energiepolitik
Durch die heute hauptsächlich genutzten fossiler Brennstoffe ist die „Erzeugung“ von Energie nur über Verbrennungsprozesse möglich. Dabei werden umweltschädliche Substanzen wie Schwefel- und Stickoxide erzeugt.
Es besteht somit ein eingebauter Konflikt zwischen der Biologie des Ökosystems und der Thermodynamik der gegenwärtigen Energiefreisetzung.
Ebenso ist Atomenergie eine Energiequelle, die gegen die Lebensgrundlagen gerichtet ist. Deshalb ist ein radikaler Wandel des Energiesystems notwendig. Die „Energieerzeugung durch Verbrennungsprozesse“ muß ersetzt werden durch die „Energienutzung aus umweltfreundlichen, regenerativen Energiequellen“ (Sonne, Wind, Wasser).
Eine zukunftsorientierte ökologische Energiepolitik muß alle Möglichkeiten nutzen, die zu einer Verringerung des Energiebedarfs führen und die optimale Verwendung bereits vorhandener Energien gewährleisten. Wir sind uns bewußt, daß demokratische Freiheiten und Menschenrechte nur dann eine Zukunft haben, wenn wir uns rechtzeitig gegen die Gigantomanie zentralistischer Energieversorgungsmonopole wehren und den Marsch in den totalitären Atomstaat vermeiden. Das vorhandene technische und wissenschaftliche Potential muß für die Entwicklung der sanften Energie verwendet werden. Ökologische Energiepolitik strebt eine Stabilisierung des Energieverbrauchs im Rahmen der Umweltverträglichkeit an.
Kurz- und mittelfristig kann diese erreicht werden durch sparsamen Umgang mit den vorhandenen Energieträgern, Verbesserung der Wirkungsgrade bei Verbrennung fossiler Brennstoffe und bei der Umwandlung in verschiedene Nutzenergieformen sowie durch dezentrale, verbrauchsangepasste Energieerzeugung (Wärmekraftkoppelung).
Langfristig muß die gesamte Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen erfolgen.
Dazu schlagen wir GRÜNEN folgende Maßnahmen vor:
1. Gründung und Förderung einer Energiegesellschaft mit dem Ziel, die Umstrukturierung in Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten und die Erstellung eines gesamten Energiekonzeptes auf internationaler Ebene.
2. Stop der Energieverschwendung durch Abbau der Tarifvergünstigungen für Energiegroßverbraucher und Nachtspeicheröfen; Einführung gezielter Energiesteuern und progressiver Energietarife sowie Wegfall der Grundgebühr zur Stabilisierung des Energieverbrauches und zur Arbeitsplatzsicherung.
3. Verbot der Energieverschwendung durch Elektroheizgeräte für Raum- und Wassererwärmung.
4. Verbot der Stromwerbung. Dadurch freigesetzte Gelder der Energieunternehmen sollen zur gezielten Aufklärung der Haushalte zum energiesparenden Verbrauch dienen.
5. Deutlich sichtbare Angabe des Verbrauchs und des Wirkungsgrades auf allen energieverbrauchenden elektrischen Geräten.
6. Energieeinsparung durch Ersatz veralteter Heizanlagen, durch bessere Wärmeisolation, Sonnenenergienutzung (z.B. zur Warmwasserbereitung), Verwendung von Werkstoffen, die mit geringerem Energieverbrauch erzeugt werden können (z.B. Jute statt Plastik) und energie- und materialsparende Verfahrenstechniken (z.B. Aluminium-Recycling).
7. Förderung von Müll-Rohstoff-Rückgewinnungsanlagen oder Pyrolyseanlagen.
8. Bessere Energienutzung durch bessere Verbrennung fossiler Energieträger (Wirbelschichtkraftwerke) und verstärkten Einsatz von Wärmekraftkoppelung und Blockheizkraftwerken.
9. Erhebung einer Abgabe für Schadstoffbelastungen und für ungenutzte Abwärme von Kraftwerken und Industrieanlagen, die zur Aufheizung von Flüssen und zur Belastung des örtlichen Klimas führt.
l0. Aufhebung der Monopolstellung von Energieversorgungsunternehmen und Einleitungsrecht in das öffentliche Netz für industrie- und privaterzeugten Strom.
11. Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und aller rechtlichen Vorschriften, die einem dezentralen, regenerativen Energiesystem im Wege stehen.
12. Förderung dezentraler Energieerzeugung, wie z.B. Biogasanlagen, Pyrolyseanlagen und die Nutzung kleiner Wasserkraftanlagen.
13. Sofortige Nutzung der Windenergie besonders zur Stromversorgung. Diese Technik ist seit langem ausgereift und wirtschaftlich einsetzbar.
14. Förderung von Gezeitenkraftwerken und geothermischen Energiekraftwerken.
15. Zügige Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie und der Energiespeichersysteme.
16. Ausbau des Fernwärmenetzes in Ballungsgebieten.
17. Allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung im Straßenverkehr, stufenweise Reduktion von 130 km/h auf 100 km/h Höchstgeschwindigkeit; Herabsetzung der zulässigen Geschwindigkeiten in Wohngebieten.
18. Energieeinsparungen durch Verlagerung des individuellen Personenverkehrs sowie des LKW-Fernlastverkehrs auf die Schiene.
19. Breit gestreute Information und Aufklärung über umweltschonende Energieverwertung in Bildungseinrichtungen, Massenmedien und am Arbeitsplatz.
7. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei[ ]
7.1. Landwirtschaft
Die bisherige Landwirtschaftspolitik hat uns in eine Sackgasse geführt: in den letzten Jahren wurden 350% mehr Kunstdünger und 130% mehr Biozide eingesetzt, um eine Ertragssteigerung von 50% zu erreichen. Auf dem Gebiet der Umweltverderbnis kann sich die Landwirtschaft mittlerweile mit der Industrie messen: der intensive Kunstdüngereinsatz zerstört auf die Dauer die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens. Ausgeschwemmte Phosphate gefährden das Gleichgewicht der Gewässer, Nitrate im Trinkwasser fördern die Krebssterblichkeit. Nichtabbaubare Pestizide reichem sich in der Nahrungskette bis hin zur Muttermilch an, wo die Toleranzgrenze bereits erheblich überschritten ist.
Die Einsicht, daß unsere Existenz von der landwirtschaftlichen Erzeugung vorrangig – vor der industriellen Produktion – abhängt, ist ein wesentlicher Bestandteil grüner Politik.
Die der Landwirtschaft durch Vorenthaltung ausreichender Preise aufgezwungenen industrialisierten und chemisierten Produktionsmethoden sind durch gemeinsame Anstrengungen aller rückgängig zu machen. Der Landwirtschaft sind für Produkte aus biologischem Anbau kostendeckende Erzeugerpreise zuzugestehen.
Die gegenwärtige überwiegend industrialisierte und chemisierte landwirtschaftliche Produktion schädigt langfristig alle Beteiligten. Die auf diese zerstörerische Weise erzielten Überschußprodukte aber sind nicht verkäuflich. Sie werten teils vernichtet, teils mit enormen Kosten in Lagerhäusern gespeichert.
Gleichzeitig geht die Zahl der Höfe ständig zurück. Industrialisierte Großbetriebe werden gefördert, bäuerliche Mittel- und Kleinbetriebe bleiben auf der Strecke. Landflucht und Arbeitslosigkeit nehmen zu. Die Landwirtschaft entwickelt sich zu einem hochgradig energie- und rohstoffabhängigen Wirtschaftszweig, der im Fall einer Krise ebenso anfällig ist wie andere spezialisierte einfuhrabhängige Industrien. Die Schuld für diese Entwicklung trifft die auf einseitiges ökonomisches Denken festgelegten Agrarpolitiker, aber auch Agrarwissenschaftler, Agrarjournalisten und Verbandsfunktionäre, die zum Teil mit der Großchemie verfilzt sind.
Die Alternativen der GRÜNEN:
Oberstes Ziel der Landwirtschaftspolitik muß eine gesunde Ernährung der Bevölkerung sein. Voraussetzung dafür sind gesunde Nahrungsmittel, die auf lange Sicht nur auf einem gesunden Boden erzeugt werden können. Das ist nur durch schrittweisen Übergang zu einer ökologisch orientierten Produktionsweise zu erreichen. An die Stelle der spezialisierten Betriebe (Massentierhaltung, Monokulturen) muß eine vielfältige Hofwirtschaft treten. Wo Viehhaltung und Anbau in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, kann auf den Zukauf von Dünge- und Futtermittel weitgehend verzichtet werden. Ferner sind geeignete Standort- und Sortenwahl, Fruchtwechsel und Mischkulturen, Schutzbepflanzungen zugunsten des Kleinklimas und der Tierwelt, Gründüngung und Kornpostwirtschaft Voraussetzung für eine gesunde und rentable Landwirtschaft auf ökologischer Basis.
Nur eine ökologische und damit von Einfuhr und Industrie weitgehend unabhängige Landwirtschaft kann im Falle einer Versorgungskrise eine ausreichende Ernährung der Bevölkerung sicherstellen. Deshalb müssen landwirtschaftliche Nutzflächen möglichst uneingeschränkt erhalten bleiben.
Landwirten, die auf ökologische Produktionsweise umstellen wollen, sind Übergangshilfen zu gewähren.
Wir wenden uns gegen eine Subventionspolitik, die nur den Gewinn der Verarbeitungsindustrie und der großen Agrarunternehmer sichert.
Wir treten dafür ein, daß landwirtschaftliche Überschüsse ab sofort nicht mehr vernichtet werden. Wenn es vom Produkt her möglich ist, soll eine Ausfuhr in Hungergebiete ohne Rücksicht auf EG-AusfuhrzoelleEG-Ausfuhrzoelle durchgeführt werden. Lieferungen von Nahrungsmitteln in Dritte-Weltländer sollen nur stattfinden, wenn dadurch die eigene Produktion von Nahrungsmitteln dieser Länder nicht verdrängt wird. Produkte, die durch Ausnutzung von Notlagen in anderen Ländern verbilligt werden, dürfen nicht eingeführt werden.
Chemische Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel müssen schließlich aus Landwirtschaft und Gartenbau verschwinden, um Nahrungsmittel und Böden nicht mehr zu vergiften. Aber auch in den Jahren der Umstellung sind ihrer Anwendung bereits strengere gesetzliche Grenzen zu setzen, deren Einhaltung umfassend zu kontrollieren ist. Die Höchstgrenzen sind herabzusetzen, insbesondere mit Rücksicht auf Kinder, Ungeborene und Kranke. Bei jeder Ware muß kenntlich gemacht werden, mit welchen Mitteln sie behandelt und erzeugt wurde. Die Schadstoffrückstände in Nahrungsmitteln müssen umfassend kontrolliert und Überschreitungen der Höchstmengen so hart bestraft werden, daß das Risiko für die Anbauer bzw. die Importeure bedeutend größer wird als der zu erwartende Gewinn.
Das Angebot von Produkten der ökologischen Landwirtschaft ist zu fördern (einschließlich der Selbstvermarktung durch die Bauern). Dazu sind wissenschaftliche Qualitätskriterien notwendig. Erzeuger und Verbraucher sind über die gesundheitliche Bedeutung solcher Qualitätsprodukte zu informieren. Alle Nahrungsmittel müssen wertschonend verarbeitet werden. Die Verarbeitungsweisen sind entsprechend zu bewerten und auf der Ware anzugeben.
Ein großer Teil des Energiebedarfs eines landwirtschaftlichen Betriebes kann aus eigenen Abfallprodukten gedeckt werden: die Milchabwärme eignet sich zur Warmwasserbereitung, verarbeitetes Stroh für die Gebäudeheizung, Biogas u.a. als Treibstoff. Die Umstellung auf solche Energiequellen ist zu fördern.
Das landwirtschaftliche Beratungswesen muß ausgebaut werden, um die notwendigen Kenntnisse über den ökologischen Landbau zu vermitteln. An den Landwirtschaftsschulen muß „ökologischer Landbau“ Pflichtfach werden.
Über die ökologischen und ökonomischen Probleme hinaus gesehen hat die Landwirtschaft aber auch soziale und kulturelle Aufgaben von großer Dringlichkeit:
Ökologisch wirtschaftende Landwirte sollten für ihre landschaftserhaltenden Maßnahmen eine produktionsunabhängige Vergütung erhalten, da sie für die Gesellschaft Werte schaffen und Kosten für Schadensbeseitigung ersparen.
Da die ökologische Landwirtschaft arbeitsintensiver ist als die industrialisierte, werden dort mehr Arbeitsplätze entstehen, andererseits werden Energien und Rohstoffe gespart.
Der mittelbäuerliche Betrieb bietet gute Voraussetzungen für die ökologische Landwirtschaft. Daneben sind auch die Klein- und Nebenerwerbsbetriebe förderungswürdig, da sie die Selbständigkeit der Bevölkerung verstärken und zur dezentralisierten Versorgung beitragen. Genossenschaftlich organisierte Betriebe und Kooperativen sind zu fördern.
Industrialisierung und steigender Leistungsdruck in der Landwirtschaft haben zu einer kulturellen Verarmung des bäuerlichen Lebens geführt. Ländliche Kulturinitiativen sind deshalb zu fördern.
7.2. Forstwirtschaft
Die Hauptaufgabe der Forstwirtschaft besteht darin, eine ökologische Stabilität des Waldes herzustellen. Diesem Ziel muß sich die gewinnorientierte Holzproduktion unterordnen.
Forstliche Monokulturen sind einzuschränken, zugunsten naturnaher, vielfältig zusammengesetzter Waldbestände (Mischwald) vorwiegend mit heimischen Holzarten. Waldzerstörende Großmaschinen dürfen nicht eingesetzt werden.
Statt Kahlschlag fordern wir Einzelstammauslese. So entsteht eine nutzungsfähige Dauerbestückung aus stufigen Beständen mit vielfältiger Struktur.
Chemische Mittel dürfen bis zum Erreichen des gesicherten Gleichgewichtes nur noch therapeutisch angewandt werden und sind nach halber Umtriebszeit zu verbieten.
Wir fordern die Erhaltung und Ausweitung des Waldes, vor allem zur biologischen Reinigung der Luft, zur Sicherung des Wasserhaushaltes und zur Erholung.
Die Rot- und Rehwildbestände sind ohne weitere Verzögerung auf ein Maß zu reduzieren, welches die Erhaltung und Wiederverjüngung gesunder, artenreicher Mischwälder ohne Zaunschutz ermöglicht.
7.3. Fischerei
Die moderne Fischerei hat sich in ein Netz von „Sachzwängen“ verstrickt. Durch starke internationale Konkurrenz ist der Reeder gezwungen, mit minimalen Personalkosten maximale Erträge zu erwirtschaften. Die Abfischung der küstennahen Gewässer erzwingt längere Fangfahrten und damit die Benutzung von hochtechnisierten Fabrikschiffen.
Da der moderne Fischfang nicht nach ökologischen Gesichtspunkten betrieben wird (der kurzfristige Gewinn steht vor der langfristigen Nahrungsversorgung), ist er gekennzeichnet durch hohen Energieverbrauch, Vernichtung von Arbeitsplätzen und Raubbau an den Fischbeständen.
Aus diesem Dilemma kann nur ein sofortiges Umdenken und Umschwenken herausführen, damit uns auch künftig eine wichtige Nahrungsquelle und der Natur ein funktionierender Lebensraum mehr erhalten bleibt.
Erste Maßnahmen müßten sein:
Unverzüglicher Abschluß von Fischereiverträgen, die dahingehend überprüft werden müssen, ob sie unzumutbare Härten für Anrainerstaaten beinhalten.
Sofortige Reduzierung der Fangquoten für gefährdete Fischarten, damit sich die Bestände erholen können.
Konsequente Überwachung der Fanggebiete, Schutzzonen, Maschengröße, Schonzeiten.
Förderung kleiner und mittlerer Fangtechnologien, die von kleinen und mittleren Reedereien (Familienbetriebe) eingesetzt werden können.
Keine Verschwendung von Speisefischen und Fischprodukten. Jungfische dürfen nicht als Fischmehlrohware gefangen werden.
Sofortiges Fang- und Jagdverbot für alle Wale. Ausnahmen sind nur da zulässig, wo mit traditionellen Jagdmitteln Wale zum unmittelbaren Nahrungserwerb gejagt werden. Produkte der Walindustrie sollten einem generellen Einfuhrverbot unterliegen.
8. Raumordnungs-, Siedlungspolitik und Verkehr[ ]
8.1. Raumordnungs- und Siedlungspolitik
Die Lebensbereiche Wohnen, Arbeit, Erholen, Sich-Bilden, Einkaufen müssen in sinnvoller Weise räumlich miteinander verbunden werden. Das bedeutet Dezentralisierung: Förderung vielseitiger, möglichst selbständiger Einheiten anstelle einförmiger und umweltfeindlicher Großgebilde. Den Folgen der sogenannten Ballungsräume muß entgegengewirkt werden.
Folgen der menschenfeindlichen Politik in Ballungsräumen sind: Stadtzerstörung durch Bodenspekulation und Mietwucher; Wohnraumvernichtung durch Vertreibung der Bevölkerung aus gewachsenen Wohnvierteln in deprimierende Trabantenstädte; Bau von Hochhäusern und Bürogebäuden; Anlage breiter Schnellstraßen und Autobahnen durch die stadtnahen Erholungsgebiete und mitten in die Wohngebiete hinein; Ausdehnung der bebauten Flächen auf Kosten der natürlichen Umwelt. Dies hatte auch verheerende Auswirkungen auf die klimatischen Bedingungen in den Ballungsgebieten: Windschneisen wurden zugebaut und dadurch die Frischluftzufuhr abgeschnitten. Wiesen und Wälder, die im Sommer für die Umgebung wichtige Kältespeicher darstellen, wurden überbaut und damit die Temperaturbedingungen verschlechtert.
Für die Siedlungspolitik fordern wir GRÜNEN:
Eine menschenfreundliche, soziale und umweltfreundliche Architektur, u.a. sollen Hochhäuser nicht mehr gebaut werden.
Keine Vernichtung gut erhaltenen Wohnraums; Instandsetzung hat Vorrang vor Abriß und Neubau. Nach einer baulichen Sanierung müssen die Mieten für die bisherigen Bewohner annehmbar sein.
Erhaltung von geschichtlich gewachsenen Stadtvierteln, Entflechtung von Ballungszentren ohne Strukturzerstörung.
Keine Umwidmung von Wohngebieten in Dienstleistungs- und Gewerbegebiete.
Die Vertreibung der Wohnbevölkerung aus gewachsenen Stadtvierteln muß endlich aufhören.
Schaffung überschaubarer Einheiten bei allen Sanierungsvorhaben, Mischung von nicht störenden Arbeitsstätten, vor allem von Reparaturbetrieben mit Wohngebieten.
Bevorzugter Bau von zwei- bis dreigeschossigen Wohnformen auch im Mietwohnungsbau.
Erhaltung und Erweiterung innerstädtischer Grün- und Erholungsflächen ohne konsumorientierte Freizeitangebote.
Erhaltung und Erweiterung von Kleingartenanlagen, Verwendung von ungenutzten Flächen für neue Kleingärten.
Verbesserung von Spielmöglichkeiten in der Nähe von Wohnungen, Umgestaltung von Hinterhöfen und von geeigneten Straßen.
Erhaltung bzw. Erweiterung von Einkaufsmöglichkeiten im Wohnbereich, zumindest für den Tages- und Wochenbedarf.
Einrichtung kleinerer Gemeinschaftstreffpunkte, die von Wohngebieten aus gut erreicht werden können.
Weitere Siedlungsmaßnahmen sollen zunächst auf bereits erschlossenen Gebieten durchgeführt werden. Bei der Ausweisung neuer Bauflächen außerhalb der bestehenden Siedlungsgebiete sind die Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen.
Bei der Planung von Siedlungsgebieten muß Ghettobildung (wie Altenheime, Gastarbeiterviertel, Einfamilien-Reihenhaus-Steppen) verhindert werden, indem man eine Mischung unterschiedlicher Wohnformen plant und Stätten nachbarschaftlicher Begegnung als Vorbedingung für eine menschliche sozial-kommunizierende Gemeinschaft vorsieht.
Umfassende Information und wirkliche Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger an allen Planungen.
Eindämmung der inflationstreibenden Bodenspekulation.
Ersetzen des Maklerwesens durch kostenfreie örtliche Wohnungsvermittlung der Gemeinden.
Keine Verstädterung der Dörfer.
8.2. Verkehr
Die wachstumsorientierte und konzentrationsfördernde Politik hat zu einer übermäßigen Trennung der Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten, Erholen, Sich-Bilden und Einkaufen geführt. Die Folge ist ein gigantisches Verkehrsaufkommen. Dieses größtenteils überflüssige und sinnlose Verkehrsaufkommen – vorwiegend mit dem individuellen Kraftfahrzeug – führt Jahr für Jahr zum Tode von über 14.000 Menschen, davon 2.500 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Eine halbe Million Verletzte und Verstümmelte bleiben auf der Strecke. Millionen Bürger können bei dem Lärm nicht ruhig schlafen und werden durch die Abgase in ihrer Gesundheit geschädigt. Stadtteile und Landschaften werden von Betonschneisen zerschnitten und zerstört. Das Ergebnis ist eine für Erwachsene wie für Kinder bedrohliche lebensfeindliche Umwelt.
Dagegen setzen die GRÜNEN eine humane Verkehrspolitik, die auf den folgenden drei Grundsätzen aufbaut:
1. Reduzierung des Verkehrs einerseits auf wirklich notwendige Wegstrecken, was nur durch eine andere Raumordnung und Infrastruktur erreicht werden kann, und andererseits muß das Umsteigen vom individuellen Verkehr auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr begünstigt werden.
2. Förderung und optimale Nutzung des jeweils die Umwelt am wenigsten belastenden Verkehrsmittels.
3. Fahrzeuge aller Art, insbesondere solche mit Verbrennungsmotoren, müssen durch gesetzliche und fördernde Maßnahmen umgehend verbessert werden, und zwar im Hinblick auf Energieverbrauch, Lärm- und Abgasemission, aktive und passive Sicherheit sowie Reparaturfreundlichkeit und Haltbarkeit.
Unsere Forderungen für den Nahverkehr sind:
Absoluter Vorrang der Schiene vor der Straße, ob Straßenbahn, S-Bahn oder Bundesbahn.
Haushaltstechnische Übertragbarkeit der Mittel für den Straßenverkehr auf Schienenprojekte.
Bau neuer Trassen für die Bundesbahn und den regionalen Nahverkehr.
Alle Trassen müssen in das ökologische System integriert werden.
Reduzierung des Lärmpegels von Schienenfahrzeugen durch Verwendung neuer Techniken.
In Wohngebieten ist der Kraftfahrzeugverkehr durch verkehrsfreie und verkehrsberuhigte Zonen möglichst einzuschränken. Eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h ist dort einzuführen. Der LKW-Durchgangsverkehr durch Wohngebiete ist grundsätzlich zu verbieten. An Alten- und Behindertenwohnstätten sowie Kindergärten und Schulen sind geeignete Möglichkeiten zum Überqueren der Fahrbahn zu schaffen.
Der zulässige, maximale Benzinverbrauch ist zu begrenzen und stufenweise zu senken. Der Einbau von Filteranlagen sowie eine Motorkapselung zur Lärmsenkung sind vorzuschreiben.
Langfristig ist Benzin durch Methanol bzw. Wasserstoff zu ersetzen.
Straßenbaumaßnahmen sind im wesentlichen auf die notwendige Erhaltung und Abrundung des bestehenden Straßennetzes zu begrenzen. Der Bau neuer Autobahnen und Schnellstraßen wird eingestellt, das Personal der Neubauämter kann statt dessen für Maßnahmen des Landschaftsschutzes, Umweltschutzes und der Energieeinsparung umgeschult werden. Der Bau neuer Verkehrswege – gleich welcher Art – durch ökologisch erhaltenswerte Räume ist zu verhindern.
Ausbau eines dichten Netzes unbehinderter Straßenbahnen, anstelle kostspieliger U-Bahnen mit großmaschigen Netzen und wenig Haltestellen.
Förderung des Fahrradverkehrs durch ein dichteres, wesentlich verbessertes Radwegenetz. Ebenso muß Fahrrädern derselbe Verkehrsraum wie Kraftfahrzeugen eingeräumt werden, d.h. sie dürfen nebeneinander fahren.
Kein weiteres Streuen von Salz auf den Straßen, statt dessen verstärkte Nutzung von Splitt und Sand.
Der öffentliche Nahverkehr muß behindertengerecht beschaffen sein, und auch so, daß das Fahrrad ohne Aufpreis mitgeführt werden kann.
Erleichterung für den Fußgängerverkehr durch breitere Gehwege und „Grüne Wellen“, wenn mehrere Fahrbahnen zu überqueren sind.
Verbesserung der Verkehrsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr, z.B. durch dichtere Zugfolge, besondere Busspuren, bessere Anbindung von Siedlungen, vor allem im ländlichen Bereich.
Einführung des Rufbus-Systems und Organisation von Fahr-mit-Systemen.
Einrichtung von Verkehrsverbundsystemen im gesamten Bundesgebiet.
Unsere Forderungen für den Fernverkehr:
Keine weitere Streckenstillegungen bei Eisenbahnen, Offenhaltung der Möglichkeit, stillgelegte Strecken wieder in Betrieb zu nehmen.
Einhaltung und Modernisierung des Eisenbahnnetzes, Verbesserung des Angebotes der Eisenbahn für Container-Transporte anstelle von Lastkraftwagen-Verkehr.
Einführung von Güterverkehrstarifen, die einer ökologisch orientierten Wirtschaft entsprechen.
Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen.
Weitgehende Verlegung des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene.
Der Bau von weiteren Großflughäfen ist überflüssig und umweltschädigend.
Abschaffung von Steuerfreiheit für Flugzeugbenzin.
Das bedeutet für alle Bereiche des öffentlichen Verkehrs: Statt einer reinen Benzinkostenrechnung muß auch im Verkehrswesen eine gesamtgesellschaftliche und ökologische Kostenrechnung vorgenommen werden. Daraus folgt [sic!] eine drastische Reduzierung der Fahrpreise für den Schienenfernverkehr und der Nulltarif für den Nahverkehr. Als erste Maßnahme fordern wir die sofortige Einfrierung der Fahrpreise für den öffentlichen Nahverkehr.
9. Für partnerschaftliche Wirtschaftsbeziehungen mit den Völkern der „Dritten Welt“
Obwohl die Industrienationen seit Jahrzehnten sogenannte Entwicklungshilfe leisten, wird der Abstand zwischen den armen und den reichen Völkern immer größer. Millionen Menschen müssen verhungern, während bei uns viele an Überernährung leiden und in großen Mengen hochwertige Nahrungsmittel verfüttert werden oder verderben.
Durch die Übertragung unserer Lebensweise zerstören wir die Kulturen dieser Staaten, durch die technischen und landwirtschaftlichen Großprojekte gefährden wir das ökologische Gleichgewicht und die gewachsenen ökonomischen Strukturen. Dadurch wird die Abhängigkeit der unterentwickelt gehaltenen Ländern [sic!] von den Industrieländern noch größer.
Die Ursachen dieser Entwicklung sind einzig und allein Profitinteressen.
Aufgrund dieser Abhängigkeit müssen diese Staaten uns Nahrung, Rohstoffe und Dienstleistungen zu Tiefstpreisen liefern und erhalten dafür Waren, deren Preise gegenüber ihren Leistungen stark überhöht sind.
Echte Partnerschaft mit den Völkern der „Dritten Welt“ muß deshalb davon ausgehen, daß diese Völker für ihre Arbeit und Produkte einen gerechten Preis bekommen. Dann werden Zahlungen, die wir wie Almosen ausstreuen, weitgehend überflüssig werden.
Echte Partnerschaft darf auch nicht dazu führen, daß die eigenständigen Kulturen der Menschen in der „Dritten Welt“ zerstört werden und durch unsere Kulturen und Wertvorstellungen ersetzt werden.
Jede Hilfe muß immer Hilfe zur Selbsthilfe sein!
Daraus ergeben sich für uns als wichtigste Aufgaben:
Unterstützung der Bevölkerung der „Dritten Welt“ bei Erkennung und Lösung all ihrer jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme.
Aufbau einer modernen ökologischen Landwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung des örtlichen Bedarfs, Klimas, Bodens usw.
Unterstützung bei der Ausbildung, vor allem in der Landwirtschaft und im Handwerk. Forderung von dezentralen Produktions-, Absatz- und Vermarktungs-Organisationen (vorrangig auf genossenschaftlicher Basis) sowie von Lebensmittelkooperativen.
Verlagerung der staatlichen Entwicklungshilfe von Groß- und Prestigeobjekten, die erfahrungsgemäß nicht der unterprivilegierten Bevölkerung zugute kommen, auf gemeinnützige und kirchliche Organisationen, die vor Ort entwicklungspolitisch tätig sind.
Die Kapital- und Kredithilfen dürfen nicht mit Lieferbedingungen versehen sein.
Einstellung jeglicher Militärhilfen.
Zur Schaffung eines partnerschaftlichen Bewußtseins gehört eine verstärkte entwicklungspolitische Bewußtseinsbildung. Die Bundesregierung muß deshalb neben der eigenen Öffentlichkeitsarbeit im gleichen Maße die pädagogische Arbeit der „Dritte-Welt-Gruppen“ in der Bundesrepublik Deutschland fördern.
Entwicklung zu echter Partnerschaft mit den Völkern der „Dritten Welt“ ist nicht nur eine Frage der Moral nach jahrhundertelanger Ausbeutung, sondern eine Notwendigkeit zum Überleben für uns alle!
III. Außen- und Friedenspolitik[ ]
1. Weltpolitik[ ]
Das Weiterleben auf unserem Planeten Erde wird nur gesichert werden können, wenn es zu einer Überlebensgemeinschaft aller Menschen und Völker kommt. Darum ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen Völkern der Welt der oberste Grundsatz unserer Außenpolitik.
Obwohl wir zweifellos alle in einer Welt leben, so widerspräche es doch völlig den Grundsätzen einer ökologischen Politik, wenn man alle Probleme einheitlich und zentralistisch lösen wollte.
Unser Ziel ist es, den einzelnen Regionen der Erde auch dann ihre Lebensfähigkeit zu erhalten, wenn sie auf sich selbst gestellt sind. Dies entspricht unserem Prinzip der Dezentralisierung im innerstaatlichen Bereich.
Jedes Volk und jede Bevölkerungsgruppe soll die ökologisch gemäße Wirtschaft entwickeln und jedes Volk die ihm eigentümliche Kultur bewahren können. Wir verurteilen die Anmaßung der Industrieländer, aufgrund wirtschaftlicher Interessen ihre technisch-materialistische Einheitszivilisation allen Menschen aufdrängen zu wollen. Die bisherige Politik der Industriestaaten gegenüber der „Dritten Welt“ war überwiegend an ihrem eigenen Nutzen orientiert und ist damit abzulehnen.
Da viele große Zukunftsaufgaben nur durch eine weltweite Organisation bewältigt werden können, treten wir GRÜNEN für eine Stärkung der Vereinten Nationen ein. Die erste Institution für alle Nationen muß zu einem wirksamen Instrument der Friedenspolitik im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker ausgebaut werden. Deshalb lehnen wir das Vetorecht in der UN grundsätzlich ab.
Die zusätzlich gewaltige Aufgabe der Vereinten Nationen ist die Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts auf diesem Planeten.
Dazu gehört insbesondere:
Weltweite Abrüstungsverhandlungen, Rüstungs- und Waffenhandelskontrolle.
Kontrolle über die Einhaltung von Menschenrechten (insbesondere Minderheiten-, Frauen- und Kinderrechte), Veröffentlichung von Verstößen gegen die Menschenrechte.
Die Erhaltung und Wiederanpflanzung der Wälder in allen Kontinenten, so z.B. im Amazonasbecken, als Grundlage der Bodenfruchtbarkeit, der Wasser- und Sauerstoffkreisläufe sowie des Klimas rund um den Erdball.
Der kontrollierte Schutz der Weltmeere vor Abfall und Vergiftung, die Erhaltung, besser Vermehrung, der Fischbestände statt ihrer Vernichtung durch Überfischung, Meeresbergbau und Ölverseuchung.
Die Weltraumprojekte müssen der strengen Kontrolle der Vereinten Nationen unterstellt werden; insbesondere ist der militärische Mißbrauch zu verhindern.
Die übervölkerten Länder müssen auf Wunsch alle Hilfen zur Geburtenkontrolle erhalten, weil sonst die Probleme unlösbar werden. Eine wesentliche Ursache des Hungers in der „Dritten Welt“ ist deren Zwang, Exporteinnahmen aus Nahrungsmittelverkäufen bzw. Exportgüterherstellung zu erzielen. Die hier zu leistende Entwicklungshilfe darf diese Länder nicht in Abhängigkeit bringen, sondern muß deren Autonomie fördern.
Die Bodenschätze der Erde müssen als gemeinsames – nicht erneuerbares – Erbe der Menschheit höchst sparsam verwendet werden, damit die Bedürfnisse der Völker und kommender Generationen auch noch einen Anteil erhalten können.
Die Befriedigung der Grundbedürfnisse, insbesondere die Ernährung der Armen und der unterentwickelt gehaltenen Länder, kann nur gesichert werden, wenn ihnen die ökologisch jeweils gemäße Hilfe zur Selbsthilfe gewährt wird. Das können nur sanfte, angepaßte Technologien sein, die die Fruchtbarkeit des Landes dauerhaft erhalten und die die reichlich vorhandene Sonnenenergie nutzen.
Die berufliche Ausbildung der weniger entwickelten Völker muß gefördert werden, aber nicht, um ihnen das gescheiterte Konzept der Industrieländer zu vermitteln, sondern, damit sie ihre Probleme mit ihren und ihrer Umwelt gemäßen Mitteln selbst bewältigen können.
2. Europäische Friedenspolitik[ ]
Ökologische Außenpolitik ist gewaltfreie Politik. Der Krieg hat mit der Einführung atomarer Waffensysteme eine völlig neue Dimension erreicht; er ist durch die Möglichkeit der mehrfachen Vernichtung der ganzen Erde zum reinen Mord an Völkern und zum Verbrechen am Leben überhaupt geworden.
Friedenspolitik ist gegen alle Formen der Aggression, des Militarismus nach innen und außen, des Wettrüstens und Rüstungswahns gerichtet und orientiert auf friedliches und solidarisches Zusammenleben der Menschen.
Friedenspolitik ist gerichtet auf gesellschaftliche Verhältnisse, die im Innern der Länder Selbstbestimmung und Freiheit gegenüber jetzt herrschenden Gewaltverhältnissen bedeuten. Wir wollen, daß alle Völker und Länder ihren eigenen Entwicklungsweg nehmen und selbst bestimmen können, daß alle Möglichkeiten zur Nutzung ihrer Fähigkeiten und Ressourcen ausgeschöpft werden können und wenden uns vor allem bezogen auf die „Dritte Welt“, aber auch auf alle Staaten und auf Volksgruppen und Minderheiten gegen alle Formen, sei es politisch, wirtschaftlich, militärisch oder kulturell, der Bevormundung, Einmischung, Besetzung und Ausplünderung.
Nur wenn das Recht an die Stelle der Gewalt tritt, kann die Menschheit überleben. Diese Forderung müssen besonders wir Deutschen erheben, da uns jeder sogenannte „Ernstfall“ den Untergang bringen würde. Die „atomare Abschreckung“ ist zu einer unwirksamen Drohung geworden, da sie die atomare Selbstvernichtung einschließt. „Frieden und Abrüstung“ muß deshalb zum Leitsatz der deutschen Außenpolitik und Strategie werden.
Gewaltfreiheit bedeutet nicht Kapitulation, sondern Sicherung des Friedens und des Lebens mit politischen Mitteln statt mit militärischen und durch soziale Verteidigung. Soziale Verteidigung bedeutet, daß sich die Gesellschaft in der Bundesrepublik so organisiert und umorientiert (in Richtung auf Zivilcourage, Widerstand, alternative und dezentrale Strukturen), daß einer aggressiven fremden Macht von vornherein deutlich wird, daß der Versuch der Besetzung und Beherrschung ihr mehr Schwierigkeiten und Belastung als Machtzuwachs und Gewinn bringen würde.
Der Ausbau einer am Leitwert Frieden ausgerichteten Zivilmacht muß mit der sofort beginnenden Auflösung der Militärblöcke, vor allem der NATO und des Warschauer Paktes einhergehen. Damit wird die Grundlage geschaffen, um die Teilung Europas und damit auch die deutsche Spaltung zu überwinden.
Als erste notwendige Schritte einer aktiven deutschen Friedenspolitik schlagen wir vor:
Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Friedensordnung mit dem Ziel, alle festgefahrenen Abrüstungsverhandlungen innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen durch konkrete und durchführbare Vorschläge zu Ergebnissen zu bringen. Dazu gehören erste kalkulierte Schritte der BRD, z.B. keine Einführung neuer Waffensysteme. Sofortige Abrüstung weltweit! Die Abrüstung muß dabei im eigenen Land beginnen, und sollte andere Länder veranlassen, ebenfalls abzurüsten. Die einseitige Abrüstung sollte bezwecken die Friedensbewegung zu stärken, um einer weltweiten Abrüstung, vor allem der USA und der UdSSR, zum Durchbruch zu verhelfen.
Weltweite Abrüstungsverhandlungen, Rüstungs- und Waffenhandelskontrolle.
Verbot der Lagerung und Produktion atomarer, chemischer und biologischer Waffen in aller Welt.
Keine Produktion und Stationierung von NATO-Mittelstreckenraketen (wie Pershing II und Cruise Missile) und Abschaffung der Warschauer-Pakt-Mittelstreckenraketen (wie SS 20).
Schaffung einer waffenfreien Zone in Ost- und Westeuropa.
Abzug aller fremden Truppen von fremden Territorien.
Verbot des Waffenhandels und der Ausfuhr atomarer Technologien und Anlagen, da atomare Kreisläufe und Atombombenbau nicht voneinander zu trennen sind.
Abbau der deutschen Rüstungsindustrie und deren Umstellung auf friedliche Produktion, z.B. auf neue Energiesysteme und Fertigungen für den Umweltschutz.
Überprüfung aller wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen daraufhin, ob sie irgendwo in der Welt Konflikte verschärfen oder abbauen helfen.
Abbau der Bundeswehr und des staatlich verordneten Ersatzdienstes; Förderung freiwilliger sozialer Dienste.
Langfristig wird eine Abschaffung des Militärdienstes erwartet.
Reduzierung der Manövergebiete und ökologisch verantwortbare Rekultivierung des verwüsteten Geländes.
„Soziale Verteidigung“ anstelle des Wettrüstens, das zum Dritten Weltkrieg führt.
Erziehungs- und Aufklärungsprogramme für gewaltfreies Handeln.
Verbot der Bundeswehr, an Schulen für sich zu werben.
Verbot des Verkaufs von Kriegsspielzeug und gewaltverherrlichenden Büchern und Filmen.
Ausbau und größere finanzielle Unterstützung der Friedens- und Konfliktforschung.
Unterstützung aller Verbände, die antimilitaristische Arbeit leisten.
Das Recht auf Recht auf Kriegsdienstverweigerung muß uneingeschränkt Gültigkeit haben, das bedeutet die Abschaffung des diskriminierenden Gewissensprüfungsverfahrens und Verkürzung des Zivildienstes auf die Dauer der Wehrdienstzeit.
Gleichberechtigte Behandlung von Zivil- und Kriegsdienstleistenden.
Freie politische und gewerkschaftliche Betätigung für Soldaten und Zivildienstleistlende.
Aufhebung der Kasernenpflicht für Soldaten und Zivildienstleistende.
Freie Wahl der Arbeitsstelle durch den Zivildienstleistenden nach Möglichkeit und kein Abbau von Planstellen zugunsten des Einsatzes von Zivildienstleistenden.
Weltweite Anprangerung aller Politiker, Wissenschaftler, Militärstrategen und Militärtechniker, welche zu Massenvernichtung und Völkermord anwendbare Techniken wie Waffensysteme planen, errichten, betreiben oder unterstützen. Im Anwendungs- oder Kriegsfalle Verantwortung vor einem internationalen Gerichtshof, für dessen Einrichtung wir uns bemühen wollen.
3. Partnerschaft mit den Völkern der „Dritten Welt“[ ]
Für die Bevölkerung in der „Dritten Welt“ besteht eine doppelte Abhängigkeit, die von den Industrieländern und die von der eigenen Oberschicht in ihrem Land. Daher streben wir Lösungen auf beiden Ebenen an, einmal Verbesserungen in den Beziehungen Industrieländer – „Dritte Welt“ und zum anderen Stärkung der Emanzipation der Völker in der „Dritten Welt“.
Es kann keine realistische Hoffnung auf einen stabilen Weltfrieden geben, solange es keine Hoffnung für die Armen in der Welt gibt und solange ein erbarmungsloser Kampf aller Industriestaaten in Ost und West um Rohstoffe und Weltmärkte stattfindet. Was die Industriegesellschaft „Wachstum“ nennt, beruht in Wirklichkeit auf einem weltweiten Verdrängungswettbewerb der Starken gegen die Schwachen, der schließlich mit dem Untergang aller enden muß. Die Beherrschung des Weltmarktes durch die Großkonzerne führt zu einer zunehmenden Verarmung der Länder der „Dritten Welt“ und muß letztendlich in einem Zusammenbruch der heutigen Weltwirtschaftsordnung enden.
Private Investitionen in unterentwickelt gehaltenen Ländern müssen daran gemessen werden, ob sie dem Entwicklungsland wirklich helfen. Dabei muß der wirtschaftliche Gesichtspunkt den ökologischen und sozialen Grundsätzen untergeordnet werden.
Wiederherstellung der ökologischen Lebensgrundlagen für Mensch, Tier und Pflanze ist unerläßlich, weil nur diese letztlich das Wohlergehen eines Volkes bestimmen.
Erst wenn die Industriestaaten auf ihre ständige industrielle Expansion verzichten, können sie ein neues Verhältnis zu den Ländern der „Dritten Welt“ gewinnen. Wir wenden uns mit Nachdruck dagegen, daß unter „Entwicklung“ lediglich Wirtschaftswachstum verstanden wird auf Kosten von unwiederbringlichem Natur- und Kulturkapital. Dieses Entwicklungsmodell und auch die sogenannte Entwicklungshilfe führen dazu, daß die Länder der „Dritten Welt“ von den Industriestaaten ausgebeutet, ihrer eigenen Lebensformen und Ressourcen beraubt werden. Statt dessen werden wir mit den Ländern der „Dritten Welt“ gemeinsam jene neuen ökologischen Verhaltensformen zu entwickeln versuchen, die davor bewahren, zu Opfern der heraufziehenden Weltkrise zu werden.
Wir wenden uns ganz entschieden gegen Rohstoffraubkriege, aus denen eines Tages der Dritte Weltkrieg entstehen kann. Wir werden notfalls die Bevölkerung zum Widerstand gegen solche grundgesetzwidrigen Angriffskriege aufrufen. Ebenso verurteilen wir jede militärische und geheimdienstliche Intervention in der „Dritten Welt“.
Wir fordern größere Hilfe für die Länder der „Dritten Welt“ mit dem Ziel, deren eigenständige Entwicklung zu fördern. Wir sehen in diesen Völkern freie Partner einer Menschheit, die untergehen wird, wenn sie nicht innerhalb der Grenzen unseres Planeten ein sinnvolles, für alle erträgliches, gemeinsames Leben zu organisieren vermag.
Es ergeben sich als wichtigste Aufgaben und Forderungen:
Die Mittel der staatlichen Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland müssen ab sofort auf mindestens 0,7% des Bruttosozialproduktes (UN-Empfehlung) erhöht werden.
Abzweigung eines wesentlich höheren Anteils des Bruttosozialproduktes der Industrieländer an die Völker der „Dritten Welt“.
Wenn Entwicklungshilfe gewährt wird, dürfen daran keine einschränkenden Bestimmungen und Rückforderungen der Gelder geknüpft sein. Die Entwicklungshilfegelder müssen für Kleinprojekte eingesetzt werden, die die Versorgung der Bevölkerung sichern und die nicht für den Export arbeiten.
Ein Schuldenmoratorium (Aufschieben der Rückzahlungsfrist) bzw. Streichung der Schulden.
Keine offenen oder versteckten Koppelungsgeschäfte, bei denen Kredite vergeben werden, mit denen nur Industrieprodukte aus der BRD gekauft werden können.
Garantie gerechter Preise für Waren und Dienstleistungen.
Verbot der Ausbeutung von Arbeitern in sogenannten Billiglohnländern durch deutsche Firmen.
Verbot des Raubbaus an ausländischen Bodenschätzen durch deutsche und multinationale Firmen.
Kein Import landwirtschaftlicher Produkte aus unterentwickelt gehaltenen Ländern, die keine ausreichende Nahrungsmittelproduktion besitzen.
Schrittweiser Abbau großwirtschaftlicher Verflechtungen (Multis) mit Ländern der „Dritten Welt“.
Selbstversorgung und eine sinnvolle weltweite Arbeitsteilung müssen so kombiniert werden, daß dabei insbesondere die Interessen der ärmsten und armen Länder berücksichtigt werden.
Umverteilung der Verfügungsgewalt über Rohstoffe und Produktionsmittel zugunsten der Völker der „Dritten Welt“.
Umverteilung des Landes zugunsten der Kleinbauern.
Hilfe bei der Entwicklung einer Wirtschaftsordnung, die den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung entspricht und ökologische Grundbedingungen berücksichtigt.
Schaffung von Möglichkeiten, daß die Länder der „Dritten Welt“ sich vom Weltmarkt abkoppeln können, der sich für sie mehr nachteilig als vorteilhaft erweist.
Anerkennung und Unterstützung von Genossenschaften als direkte Partner der Bevölkerung, die eine wichtige wirtschaftliche, innen- und außenpolitische Funktion haben.
Hilfe zur Selbsthilfe, auch für die schulische und berufliche Ausbildung sowie für die medizinische Versorgung der Bevölkerung.
Keine Behinderung selbständiger Entwicklungen in der „Dritten Welt“.
Kein Uranabbau in der „Dritten Welt“ und auch nicht anderswo.
Keine Wirtschafts- und Finanzhilfe an Regierungen, die Menschenrechte mißachten.
Wir befürworten die friedliche Unterstützung des Widerstandes der Völker gegen Regime, die offene oder strukturelle Gewalt ausüben.
Unterstützung von Befreiungsbewegungen.
Keine wirtschaftliche, militärische, waffentechnische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit faschistischen und rassistischen Regimen. Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder allermindestens Befolgung von UN-Sanktionsbeschlüssen.
Ethnische und rassische Minderheiten (Mehrheiten) werden in vielen Staaten der Erde unterdrückt und verfolgt; ihre Sprache, Kultur und Identität wird bedroht, ihr Land wird enteignet oder zersiedelt. Wir unterstützen darum Organisationen, Bürgerrechtsbewegungen, Genossenschaften, kulturelle, wirtschaftliche, politische und soziale Institutionen und Zeitungen solcher Minderheiten, deren Arbeit sich an den Grundsätzen der wirtschaftlichen Eigenständigkeit, kulturellen und organisatorischen Selbstbestimmung orientiert.
IV. Umwelt und Natur[ ]
1. Umweltschutz[ ]
Die Einengung der natürlichen Lebensräume und die Ausrottung von Tier und Pflanzenarten zerstören das Gleichgewicht in der Natur und damit unsere Lebensgrundlage. Eine biologisch intakte Umwelt muß erhalten oder wiederhergestellt werden, wenn ein menschenwürdiges Überleben unserer zukünftiger [sic!] Generationen gesichert werden soll. Ein allseitiges Umdenken ist notwendig. Die Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts durch eine hemmungslose industrielle Wachstumspolitik muß gestoppt werden, bevor es zu spät ist.
Wir sind beunruhigt und werden es nicht hinnehmen:
daß Boden, Wasser und Luft so verantwortungslos behandelt werden wie ein Wegwerfprodukt,
daß die natürliche Vegetation einer gewachsenen Landschaft überwiegend nach kommerziellen Gesichtspunkten abgeschätzt, vermarktet und vernichtet wird,
daß den ästhetischen Wirkungen der Natur der Erlebniswert genommen wird,
daß durch Vernichtung von Lebensräumen die Zahl der ausgerotteten und bedrohten Tier- und Pflanzenarten ständig zunimmt,
daß Luft, Wasser und Boden durch die Radioaktivität und durch die konzentrierte chemische Industrie verseucht werden und
daß durch Kahlschlag in Waldgebieten zugunsten von Verkehrsstraßen, Industrieansiedlungen und durch Zersiedlung unserer natürlichen Umwelt Klimaverschlechterungen, Bodenerosionen und teilweise auch Versteppungen eintreten.
Die Kenntnis der Abhängigkeiten des eingespielten Gleichgewichts und der Kreisläufe der Natur sowie aller Folgen der menschlichen Eingriffe ist die Voraussetzung einer ökologisch orientierten Politik.
Unser vorrangiges Ziel ist daher die Aufklärung der Bevölkerung über die Zusammenhänge. Noch wird das dringend notwendige gemeinsame Vorgehen ökologisch orientierter Politik durch mächtige wirtschaftliche Interessen verhindert. An die Stelle des uns beherrschenden ökonomischen Zweckdenkens muß eine von langfristigen und ökologischen Zielvorstellungen getragene Politik treten. Wir müssen die Vergewaltigung der Natur aufgeben, um mit ihr zu überleben.
Künftig können ökonomische Ziele nur im Rahmen ökologischer Notwendigkeiten verwirklicht werden. Oberstes Gebot muß eine möglichst geringe Veränderung der natürlichen Abläufe sein. Unser Handeln muß darauf gerichtet sein, die heutige Störung der Ökosysteme rückgängig zu machen. Bürgerinitiativen, Natur- und Lebensschutzverbände setzen sich seit langem für den Schutz der natürlichen Umwelt ein und streben auf ökologischen Prinzipien basierende alternative Technologien und Lebensweisen an.
Um die im folgenden aufgeführten Ziele durchzusetzen, fordern wir ein Umweltministerium.
Wir fordern:
Die sofortige Anwendung des Verursacherprinzips.
Die Erhaltung und Ausweitung des Waldes, vor allem zur biologischen Reinigung der Luft, zur Sicherung des Wasserhaushaltes und zur Erholung.
Produktionsverfahren, die Giftmüll erst gar nicht produzieren.
Im Prinzip sollen alle „Abfälle“ so beschaffen sein, daß sie als Rohstoffe wiederverwendbar sind.
Die Menge des Mülls sollte durch Ersetzen von Einwegpackungen und kurzlebigen Konsumgütern durch genormte Verpackungen und langlebige Güter verringert werden.
Die kommunale Müllabfuhr sollte ihr Schwergewicht nicht auf die Ablagerung des Mülls, sondern auf das Aussortieren verwertbarer Rohstoffe legen (Recycling). Organische Abfälle, auch Klärschlamm sollte kompostiert und der Landwirtschaft zur Erhaltung eines Nährstoffkreislaufes zur Verfügung gestellt werden. Dabei muß jedoch sichergestellt sein, daß dieser Kompost nicht durch Gifte oder z. B. Schwermetalle aus Industrieabwässern verunreinigt ist.
Abfälle, die nicht wiederverwendet werden können, müssen so aufbereitet sein, daß sie in den Kreislauf des Ökosystems wieder eingehen können, ohne Ungleichgewichte oder Schäden hervorzurufen.
Verbot der Giftmülleinfuhren aus dem Ausland zur Einlagerung oder Beseitigung gegen Bezahlung in Giftmülldeponien oder Beseitigungsanlagen.
2. Natur- und Landschaftsschutz[ ]
Eine abgestimmte Raumplanung ist nicht nur für die Industrieansiedlungen nötig, sondern künftig auch zu Erhaltung großräumiger Naturreservate. Diese dienen nicht nur dem Menschen, sondern auch der Erhaltung pflanzlicher und tierischer Arten, die sonst dem sicheren Untergang geweiht wären. Sollte ein Naturschutzgebiet seinen eigentlichen Schutzcharakter verloren haben, so ist es durch Pflegemaßnahmen wieder in den schutzwürdigen Zustand zu versetzen.
Der traditionelle Naturschutz, der nur einzelne Arten oder Gebiete vor dem industriellen Zerstörungsprozeß bewahrt, reicht bei weitem nicht aus. Naturschutz darf nicht nur in entlegenen Naturlandschaften seinen Platz haben, sondern auch und gerade da, wo Menschen leben, in Dörfern und Städten und ihrer Umgebung.
Für folgende Ziele setzen wir GRÜNEN uns ein:
Es darf keine Sondergenehmigung zur Aufhebung des Natur- und Landschaftsschutzes geben.
Dem Luft- und Wasserhaushalt wie der Natur überhaupt durch Bauten entzogene Grün- und Waldflächen sind immer voll zu ersetzen.
Feuchtgebiete sind als Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und neu anzulegen. Weitere Drainagemaßnahmen sind zu unterbinden.
Umfassender Schutz des Wattengebietes sowie der angrenzenden Salzwiesen.
Die Anlage von Großmülldeponien in Landschaftsschutzgebieten und anderen schützenswerten Gebieten und in Verbindung mit dem Grundwasser darf nicht erfolgen (z. B. Grube Messel bei Darmstadt).
Flurbereinigungen sollten nur noch unter Hinzuziehung ökologischer Beiräte stattfinden.
Bebauung darf nicht in Erholungsflächen auswuchern.
In kommunalen Bebauungsplänen müssen obligatorische Schutzzonen einbezogen werden (z.B. Parks, Grünanlagen, Quellenschutzgebiete).
Ökologische Gründe sprechen gegen neue Verkehrsgroßprojekte wie Großflughäfen, Großkanäle und Autobahnstrecken.
Natur- und Umweltschutzämter (bis hin zu einem Bundesumweltministerium) mit qualifiziertem Personal (Landschaftspfleger) und angemessenen technischen Möglichkeiten müssen auf Länder- und Bundesebene beraten und kontrollieren.
Natur- und Umweltschutzverbände und Initiativen müssen bei Raumordnungsverfahren beteiligt werden und ein Verbandsklagerecht erhalten.
Wir fordern die Verwirklichung der „offenen Planung“ und der Öffentlichkeit des gesamten Entscheidungsprozesses.
Gutachter von Verbänden und Initiativen haben Anspruch auf Beteiligung an Planungsverfahren und auf Kostenerstattung.
3. Wasser[ ]
In unserer Industriegesellschaft verdoppelte sich der Wasserverbrauch alle 10 bis 20 Jahre. Doch die Niederschlagsmenge bleibt gleich. Das Flußwasser büßt zudem durch die enorme Belastung mit Schmutz- und Schadstoffen zunehmend an Qualität ein. Das Grundwasser, welches heutzutage einen Großteil des Wasserbedarfs liefert, hat auf diese Weise sowie durch Maßnahmen der Wasserwirtschaft und Agrarwissenschaft und durch Landschaftsüberbauung bei uns bereits einen erschreckend niedrigen Stand erreicht. Unsere Gewässer werden durch Abwässer aus Industrie, Haushalt und Gewerbe belastet, dazu kommt die Aufheizung durch steigende Mengen an Kühlwasser aus der Energieerzeugung, ausgespülte Düngemittel und Gifte aus der Landwirtschaft, sich niederschlagende Abgase, Gift aus Großunfällen (z.B. Öltankerkatastrophen).
In dieser Lage treten wir GRÜNEN für folgende Ziele ein:
Grundsätzlich sollten Produktionsverfahren und Produkte so gewählt werden, daß nur minimale, ökologisch verträgliche Abwässer entstehen, z.B. durch geschlossene industrielle Abwässerkreisläufe.
Prinzipiell sind Firmen und Gemeinden dazu verpflichtet, für alle Abwässer Kläranlagen zu bauen. Diese müssen künftig neben der biologischen, auch die chemisch-physikalische Reinigungsstufe haben.
Abwässer müssen prinzipiell oberhalb der Entnahmestelle eingeleitet werden.
Das AbwasserabgabengesetzAbwasserabgabengesetz muß endlich in Kraft treten. Die vorgegebenen Gebühren müssen entsprechend dem Verursacherprinzip wesentlich höher angesetzt werden.
Zur Herabsetzung der Phosphatbelastung in Gewässern müssen Waschmittel künftig ohne Phosphat hergestellt werden. – Im Rahmen der ökologischen Landwirtschaft kann man auf Düngephosphate weitgehend verzichten.
Das Grundwasser kann nicht die verunreinigten Oberflächengewässer ersetzen. Größte Sparsamkeit im Umgang mit Wasser ist daher geboten:
a) Gebühren für überhöhten Wasserverbrauch in Gewerbe und Haushalt. Industriebetriebe müssen ihr Wasser nach Möglichkeit im eigenen Kreislauf aufbereiten.
b) Das kostbare Trinkwasser darf künftig nicht mehr zum Spülen von Toiletten oder Waschen von Autos vergeudet werden. Darum müssen getrennte Trink- und Brauchwassernetze eingerichtet werden.
Verbot von Florierung des Trinkwassers.
Betonierungen, Begradigungen und Vertiefungen von Flußbetten sind zu stoppen und – wo möglich – wieder rückgängig zu machen, um die biologische Selbstreinigung und die Feuchtgebiete zu erhalten.
Große Grundwassereinzugsgebiete sind notwendig.
Die Bodenoberflächen dürfen nicht durch Beton oder Asphalt versiegelt werden.
Unsere Flüsse und Seen sowie die Nord- und Ostsee müssen nicht nur des ökologischen Gleichgewichts wegen sauber gehalten werden, sie sind auch wichtige Nahrungsquellen.
Baden in Flüssen und Seen muß wieder möglich werden.
4. Luft[ ]
In der Bundesrepublik werden jährlich gigantische Mengen von gesundheitsgefährdenden Abgasen und Stäuben in die Luft abgegeben, u.a. Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, sowie Staub und Ruß. In Smog-Katastrophen sind weltweit bereits tausende von Menschen ums Leben gekommen. Das Zusammenwirken verschiedener Schadstoffe (Synergismus) und die Anreicherung von Giften über Nahrungsketten […] führen zu verstärkten gesundheitlichen Schäden der Lebewesen. Luftverunreinigungen können effektiv nur beim Erzeuger bekämpft werden.
Wir GRÜNEN fordern daher:
Umgehende wirksame Maßnahmen zur Verminderung des Schadstoffausstoßes von Industrie, Kraftwerken, Kraftfahrzeugen, Flugzeugen, Müllverbrennungsanlagen sowie der privaten und öffentlichen Heizungen.
Scharfe Emissionsauflagen für Kraftfahrzeuge, benzol- und bleifreies Benzin. Stufenweises Ersetzen von Benzin durch Methanol, langfristig durch Wasserstoff.
Absolutes Verbot von Ausstoß und Verteilung krebserregender Schadstoffe. Beschleunigte Erstellung von Gutachten über die gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Schadstoffbelastung der Luft (z.B. Krebsgefährdung).
Um die Belastung der Luft durch Auto- und Industrieabgase zu verringern, muß der Einbau von Filteranlagen Vorschrift werden, und zwar nach dem Grundsatz: nicht der billigste, sondern der ökologisch wirksamste Filter ist einzusetzen.
Drastische Senkung der bisher geltenden Emissions- und Immissionsgrenzwerte und Festsetzung von Grenzwerten für alle Schadstoffe.
Internationale Kontrolle von Emissionen und Internationale Vereinbarungen von Höchstwerten.
Senkung der Grenzwerte für die Auslösung des Smogalarms.
Umgehender, flächendeckender Ausbau des Luftgütemeßnetzes.
Fluorkohlenwasserstoffe als Treibgas in Sprühdosen sind zu verbieten, da sie die Ozonschicht der Atmosphäre schädigen. Unschädliche Techniken, die an ihre Stelle treten können, sind bereits entwickelt.
5. Lärm[ ]
Lärm ist eine der Hauptursachen von Streß und führt damit zu Erkrankungen in dicht besiedelten, übertechnisierten Regionen. Lärm kann nur an der Quelle bekämpft werden. Die Verminderung von Verkehrs- und Baulärm ist nicht mehr so sehr ein technisches als ein finanzielles Problem. Jegliche vermeidbare Lärmbelästigung (z.B. durch Motorsportflug, Motorboot- und Motorfahrzeugsport in Hörweite von Wohn- und Erholungsgebieten) ist umgehend zu beenden.
Wir GRÜNEN setzen uns ein für:
Die Herabsetzung der Lärmgrenzwerte nach gesundheitlichen und nicht nach finanziellen Gesichtspunkten (Mehraufwendungen zur Lärmverminderung werden durch Kostenersparnisse im Gesundheitswesen mehr als ausgeglichen).
Zuschüsse für Lärmschutzmaßnahmen und für den Einbau von Schallschutzfenstern.
Minderung des Verkehrslärm[s] durch stufenweise Einführung von gekapselten Motoren bei Kraftfahrzeugen, durch Entwicklung und Einsatz leiserer Motoren für Autos, Motorräder und Flugzeuge und leisere Fahrwerke für Schienenfahrzeuge; Einschränkung des Flugverkehrs und Nachtflugverbot.
Minderung des Verkehrslärms in Wohngebieten durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, sowie durch Verringerung des innerstädtischen Verkehrs und durch Geschwindigkeitsbeschränkungen.
6. Tier- und Pflanzenwelt (Artenschutz)[ ]
Als Folge schrankenlosen menschlichen Handelns wird immer schneller eine steigende Anzahl der Tier- und Pflanzenarten ausgerottet, der Artenreichtum unwiederbringlich vermindert und das ökologische Gleichgewicht mehr und mehr gestört.
Wir Grünen fordern:
Einhaltung und Wiederherstellung von Urlandschaften und Wiedereinbürgerung hierzulande ausgerotteter Tiere und Pflanzen.
Der Schutz heimischer Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen Umwelt muß vor wirtschaftlichen Entwicklungsplänen Vorrang bekommen. Die natürliche Umwelt der Tiere und Pflanzen muß durch einen umfassenden Biotopschutz gewährleistet werden. Für den Artenschutz auf internationaler Ebene soll die Bundesrepublik eintreten z.B. für ein Verbot der grausamen Robbenjagd, für eine Initiative gegen den Vogelmord in Italien, gegen den industriell ausgerichteten Walfang.
Der Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten und Erzeugnissen daraus muß verboten werden. Als Sofortmaßnahme fordern wir eine Genehmigungspflicht für solche Produkte (z. B. Pelze) und ein Verbot der Einfuhr und des Verkaufs von Robbenfellen. Strenger Schutz der Vögel vor Jagd, Bioziden und Biotopvernichtung.
Die chemische Schädlingsbekämpfung soll durch biologische Methoden abgelöst werden. Als Sofortmaßnahme müssen Naturschutzämter streng kontrollieren, daß Pflanzen- und Insektengifte nur angewendet werden, wenn sie das Ökosystem nicht länger als ein Jahr belasten.
Strengere Baumschutzmaßnahmen sind erforderlich, insbesondere in den Städten, aber auch auf dem Lande. Auf das Salzstreuen muß verzichtet werden.
Kleingehölze und Hecken müssen bei Flurbereinigungen und Bauplanungen erhalten bleiben oder neu angepflanzt werden.
Es soll ein Artenkataster für Tiere und Pflanzen eingeführt werden, um Bestand und Umfang dieser Lebewesen zu überblicken.
Naturschutzbehörden müssen einen starken Einfluß erhalten. Qualifizierte Ökologen und Landschaftspfleger sollen die Artenzusammensetzung eines Gebietes überwachen (Biotopkartierung).
Schaffung großräumiger, siedlungsfreier Naturreservate[,] in denen eine wirtschaftliche Nutzung nur noch zum Zweck ihrer Erhaltung durchgeführt werden darf.
7. Tierschutz[ ]
In der Viehzucht hat die Einführung industrieller Methoden, die bereits dem jetzigen Tierschutzgesetz widersprechen, zu verstärkter Tierquälerei geführt: Massentierhaltung bei Hühnern, Mastkälbern, Schweinen oder Pelztieren.
Für die Wissenschaft werden täglich Tausende von Tieren zu Tode experimentiert, z.B. Tierversuche zur Erprobung von Chemikalien, Waffen, Arzneien und Kosmetika.
Wir GRÜNEN setzen uns für folgende Ziele ein:
Tiere dürfen juristisch nicht weiterhin als „Sachen“ betrachtet werden, sondern müssen einen besonderen Rechtsstatus erhalten. Tierquälerei ist streng zu bestrafen.
In der Landwirtschaft sind die Nutztiere art- und naturgemäß zu halten.
Tierquälerische Massentierhaltungen sind endlich abzuschaffen. Als Sofortmaßnahme fordern wir eine Erklärungspflicht für die Herkunft tierischer Produkte, auch wenn diese importiert werden (z. B. „Batterie“- oder Freilandhaltung bei Hühnern bzw. deren Eiern).
Eine artgerechte Tierhaltung liegt auch im Eigeninteresse der Landwirtschaft, besonders der kleineren Höfe, da deren Arbeitsplätze durch die Konkurrenz der industriemäßig rationalisierten Tierproduktion beseitigt werden.
Im Heimtierhandel sind strenge Vorschriften zur Gewährleistung artgerechter Tierhaltung zu erlassen und von Fachleuten behördlich zu kontrollieren. Entsprechend muß mit privaten und öffentlichen Tierschaugehegen verfahren werden.
Transportvorschriften für Tiere – auch für Schlachtvieh – müssen unter stärkerer Berücksichtigung des Tierschutzes neu geregelt werden.
Zum Tierversuch fordern wir erwiesenermaßen gangbare Alternativmethoden (z. B. mit Zellkulturen oder Simulationscomputern im organisch-medizinischen Bereich).
Es muß eine Rechtsgüterabwägung zwischen dem zu erwartenden Nutzen und dem Lebensrecht der Tiere stattfinden. Auch Tierversuche, die von der psychologischen Forschung durchgeführt werden, sind höchst fragwürdig.
Durch eine Veröffentlichungspflicht und zentrale Erfassung alle[r] genehmigten Tierversuche sind sinnlose Versuchswiederholungen zu vermeiden.
Genmanipulationen an Tieren und Menschen lehnen wir ab.
Wir werden dafür sorgen, daß die Zuständigkeit für den Tier- und Pflanzenschutz vom Landwirtschaftsminister auf ein Umweltministerium übertragen wird.
V. Mensch und Gesellschaft[ ]
1 Demokratie und Recht[ ]
Wir stehen gegenwärtig mitten in einer entscheidenden Auseinandersetzung um den Erhalt und die Durchsetzung demokratischer Rechte: [E]s gibt starke Tendenzen zu einem autoritären Maßnahmen- und Überwachungsstaat.
Freie und uneingeschränkte Ausübung demokratischer Grundrechte ist für alle Bürger unabdingbare Voraussetzung, um ihre sozialen Interessen vertreten und politisch handeln zu können. Ohne den Erhalt und die Erweiterung demokratischer Rechte können wir nicht erfolgreich angehen gegen die Zerstörung der Umwelt und für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung.
Die Politik der etablierten Parteien hat mit Berufsverboten, Bespitzelung und polizeilicher Überwachung ein Klima in unserem Lande geschaffen, das Duckmäusertum und Anpassung hervorruft, welches freie politische Betätigung, Wahrnehmung demokratischer Freiheiten einschneidend behindert und jede Form des Widerstandes gegen Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit und politische Unterdrückung einschüchtert.
Der Abbau demokratischer Rechte ist keine vereinzelte Erscheinung, er vollzieht sich umfassend und in vielen Bereichen. Deshalb ist es nötig, gegen die Gesamtheit der bisher ergriffenen Maßnahmen umfassend und nicht selektiv anzutreten.
Wir wenden uns gegen jede politische Unterdrückung in der gesamten Welt und unterstützen alle Völker und Volksgruppen, die für ihre Freiheit und demokratische Selbstbestimmung, gegen Diktatur, koloniale Unterdrückung und Fremdherrschaft eintreten.
1.1 Meinungsfreiheit
Die zunehmende Einschränkung von Grundrechten durch eine Reihe von strafrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die sog. „Gewaltbefürwortung“ (§§ 88 a ff StGB), die Staatsverunglimpfung (§ 90 a StGB) und eine Artikel 5 des Grundgesetzes mißachtende Auslegung der Beleidigungsbestimmungen (§§ 185 ff StGB) ist der Justiz die Möglichkeit eröffnet worden, freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren.
Direkte und indirekte Einschränkung der Meinungsfreiheit gibt es auch im Bereich der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens, des Theaters und der Büchereien.
Aus diesen Gründen fordern die GRÜNEN:
Aufhebung der staatlichen Eingriffe in die verbrieften Rechte der Meinungsfreiheit: Streichung von §§ 88a, 90a sowie 130a (politische Zensur) des Strafgesetzbuches (StGB).
Die Möglichkeit der unzensierten Selbstdarstellung von Minderheiten und kritischen Meinungen in den Medien muß gewährleistet sein.
Keine Kontrolle der Ausleihkarteien und keine Einziehungen von Büchern aus öffentlichen Büchereien.
1.2 Demokratisierung von Staat und Verwaltung
Die Überbürokratisierung einer hierarchischen Verwaltung mit all ihren Nebenwirkungen unterbindet die Eigeninitiative der Bürger. Die Undurchschaubarkeit, hinter der sich wirtschaftliche und politische Einzelinteressen verbergen, wird zu einer Gefahr für die Demokratie.
Die GRÜNEN fordern deshalb:
Die Verfilzung zwischen Parlamenten, Regierungen, Bürokratie und der Wirtschaft durch Beraterverträge, Zuwendungen, Aufsichtratsitzen ist zu unterbinden.
Den Aufbau demokratisch kontrollierter, bürgernaher Selbstverwaltung, anstelle zunehmender Monopolisierung wirtschaftlicher Macht und ständig wachsender zentraler Verwaltungsapparate.
Konsequente Dezentralisierung und Vereinfachung der Verwaltungseinheiten.
Die Verwaltungs- und Selbstbestimmungsrechte und der Anteil an Finanzmitteln für Länder, Regionen, Kreise, Kommunen und Stadtteile sind zu stärken.
Rückhaltlose, rechtzeitige und verständliche Information des Bürgers über alle Verwaltungsmaßnahmen.
Initiativen und Verbände müssen das Recht haben, in ihrem Bereich von Verwaltungen und Parlamenten gehört zu werden und Informationen zu erhalten. Außerdem sollten sie das Klagerecht gegen Verwaltungsmaßnahmen, auch über Ländergrenzen hinweg, erhalten.
Die unübersehbare Flut des Beiratsunwesens ohne Bürgernähe und klar definierte Zuständigkeit ist durch die Schaffung von Beratungs- und Entscheidungsgremien (Wirtschafts- und Sozialräte) auf allen Ebenen zusammenzufassen und zu ersetzen. Diese Gremien müssen überall (Kommune, Landkreis, Bezirk, Land und Bund) bei volkswirtschaftlich wichtigen Planungen und Entscheidungen gehört werden. Sie haben Entscheidungen zu treffen über die öffentliche Investitionspolitik und sind im Zusammenwirken mit dem jeweiligen politischen Gremium für den wirtschaftlichen Bereich des Haushalts zuständig.
Aufhebung der 5 %-Klausel.
Volksbegehren und Volksentscheid zur Stärkung der direkten Demokratie.
1.3 Innerparteiliche Demokratie
Die bundesrepublikanischen Parteien geben derzeit kein Beispiel für lebendiges demokratisches Verhalten.
Deshalb stellen wir Forderungen für ein neues Parteiengesetz, die wir in unserer eigenen Partei jetzt schon verwirklichen:
Mitgliederoffenheit der Sitzungen und Gremien auf allen Ebenen.
Zeitliche Begrenzung aller politischen Ämter (Rotierendes System), eine einmalige Wiederwahl ist möglich.
Minderheitenschutz in Kreis-, Landes- und Bundesverband, d. h. Minderheiten sollen angemessen berücksichtigt werden und bei Meinungsbildungsprozessen nicht übergangen werden.
Ämterhäufung, d.h. gleichzeitige Vorstandstätigkeit auf Kreis-, Landes- und Bundesebene sind untersagt, ebenso eine gemeinsame Wahrnehmung von Amt und Mandat.
Politische Ämter sind ehrenamtlich. Ausgenommen davon sind Aufwandsentschädigungen, deren Höhe von der Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung festgelegt werden.
Abgaben von Diäten etwaiger Abgeordneter müssen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse von der Parteibasis entschieden werden.
Abgeordnete dürfen keine Beraterverträge in der Privatwirtschaft haben. Abgeordnete, Vorstände und Delegierte haben über ihre Arbeit ihren Wählern Rechenschaft zu geben und ihrer Informationspflicht auftragsgemäß nachzukommen.
Vertreter von Gruppen und Initiativen, die im Bereich Umweltschutz, Lebensschutz und Wahrung demokratischer Rechte arbeiten, wird in Arbeitsgruppen und bei Versammlungen das Rede- und Antragsrecht eingeräumt.
1.4 Demonstrationsfreiheit
Die großen Demonstrationen gegen die Atomkraftwerke haben die massiven Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und des Demonstrationsrechtes gezeigt, wie sie von den Landesregierungen und der Bundesregierung vorangetrieben werden. Stellvertretend für die gesamte Anti-AKW-Bewegung wurden einzelne Teilnehmer kriminalisiert und sogar zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Aus Sorge um die grundgesetzlich garantierten Rechte der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit fordern die GRÜNEN deshalb:
Eine uneingeschränkte Ausübungsmöglichkeit des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes, die nicht durch mittelbare oder unmittelbare Eingriffe der Ordnungskräfte behindert wird.
Die Abschaffung der absurden Ausführungsbestimmungen zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit durch den Begriff der „passiven Waffen“.
Die sofortige Aufhebung aller Urteile gegen Atomkraftgegner und die Einstellung jeglicher Verfolgungsmaßnahmen, z. B. von Atomkraftgegnern.
1.5 Berufsverbote und staatliche Überwachung
Trotz aller in- und ausländischen Kritik, trotz vieler Zusicherungen und Versprechen[,] den „Radikalenerlaß“ abschaffen zu wollen, sind seit 1972 Tausende von Mitbürgern aus politischen Gründen nicht eingestellt bzw. entlassen worden. Die Zahl der Überprüfungen der Verfassungstreue nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter hat weit die Millionengrenze überschritten. Tausende wurden zu „Anhörungen“ geladen, bei denen ihre politische Einstellung in erniedrigender Weise überprüft wurde.
Freie Berufswahl und die Respektierung unterschiedlicher Weltanschauungen sind für die GRÜNEN Grundrechte, die nicht eingeschränkt werden dürfen.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen Berufsverbote und gegen das Prinzip, das [sic!] politische Ansichten, Aktivitäten und Organisationszugehörigkeit zur Beurteilung für die Anstellung im öffentlichen Dienst herangezogen werden.
Im engeren Zusammenhang mit der Praxis der Berufsverbote wurde in den Verfassungsschutzämtern ein Überwachungsapparat aufgebaut, der sich inzwischen wuchernd auf andere Bereiche ausdehnt. Der riesige Aufwand an Überwachung hat zur Ausbreitung eines Klimas von Einschüchterung und Unterwürfigkeit geführt. Es scheint, daß der Staat seine Bürger für ein Sicherheitsrisiko hält.
Wir fordern u. a. die vorhandenen Überwachungsdateien zu vernichten und keine neuen anzulegen.
1.6 Gefangene und Verteidigungsrechte
Auch Gefangene haben ein Recht auf menschenwürdige Behandlung. Die minimalen Schutzgesetze für Gefangene, die immer schon stark eingeschränkt waren, werden nunmehr durch Kontaktsperregesetz, Einführung der Trennscheibe und andere Maßnahmen fast vollständig außer Kraft gesetzt.
Eine Flut von Gesetzen zur Beschränkung der Verteidigung machen [sic!] es dem Anwalt nahezu unmöglich, die Rechte des Angeklagten wahrzunehmen. Der Strafvollzug ist oft noch gekennzeichnet durch die reine „Verwahrung“ der Strafgefangenen.
Wir fordern deshalb:
Wiedereingliederungskonzepte, die mit intensiver psychologischer Beratung und Betreuung arbeiten und dem Gefangenen Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Strafgefangene müssen ihre bürgerlichen Ehrenrechte behalten.
Die zum Teil unzureichende medizinische Versorgung in vielen Haftanstalten muß sofort verbessert werden.
Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit dürfen den Strafgefangenen nicht länger vorenthalten werden.
Die Resozialisierung von Strafgefangenen soll die Möglichkeit der beruflichen Aus- und Weiterbildung beinhalten, außerdem sollte der Gefangene die Möglichkeit haben, während seiner Haftzeit eine sinnvolle Arbeit aufzunehmen, die nach allgemein gültigen Tarifen entlohnt wird.
Die Anwendung der „chemischen Keule“ ist generell zu verbieten, die Besuchsüberwachung in Haftanstalten aufzuheben.
Die Mitsprache der Gefangenenvertretungen sollte erweitert werden, um auf dem Wege der Selbstverwaltung fähig zu werden, künftig ein Leben als mündiger und kritischer Mensch zu führen.
1.7 Polizeigesetze
Wesentliche Verschärfungen der Polizeigesetzgebung haben neben anderen Überwachungsmaßnahmen die Grundrechte ausgehöhlt. Da Gesetzesanträge zum bundeseinheitlichen Polizeigesetz noch einen Schritt weitergehen, antworten die GRÜNEN mit folgenden Forderungen:
Wir sind gegen Ermächtigung der Polizei zum gezielten Todesschuß und befürworten im Gegenteil eine schußwaffenlose Polizei wie in Großbritannien.
Wir lehnen Hausdurchsuchungen und beliebige Beschlagnahmungen ohne richterliche Anordnung ab (auch nicht bei „Gefahr im Verzug“).
Wir lehnen den Einsatz von chemischen Kampfmitteln ab.
V.2 Frauen[ ]
Seit Jahrtausenden werden Frauen besonders unterdrückt und ausgebeutet, sind sie Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen ausgesetzt. Frauen werden tagtäglich daran gehindert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. Das geschieht durch doppelte Arbeitsbelastung, durch eine Formung zur „passiven Weiblichkeit“ und durch gesellschaftliche Vorurteile und Diskriminierung von Frauen, die sich gegen ihre Unterdrückung auflehnen.
Die Frauen sehen nicht mehr schweigend zu, wie die Herren in den großen und kleinen Parlamenten ihre Interessen mißachten. Seit jeher haben die Frauen die Funktion einer verfügbaren und billigen Reservearmee: [Z]u Zeiten der Hochkonjunktur sollen sie „gleichberechtigt“ und berufstätig sein, wobei natürlich nie außer Zweifel steht, daß sie gleichzeitig liebende Gattin und sorgende Mutter zu sein haben. Heute sind es die Frauen, die zuerst entlassen werden. In Zeiten großer Arbeitslosigkeit, in der Frauen stets stärker betroffen sind als die Männer, werden Frauen an ihre „eigentliche Bestimmung“ verstärkt erinnert und zurück ins Haus und in die Familie gedrängt. Erst dann wird von einer Anerkennung des „Arbeitsplatzes Haushalt“ gesprochen. Viele Frauen müssen aber beiden Arbeitsplätzen gerecht werden.
Ziel der GRÜNEN ist eine humane Gesellschaft, aufgebaut auf der vollen Gleichberechtigung der Geschlechter im Rahmen einer ökologischen Gesamtpolitik. Um diese Überlebenspolitik durchführen zu können, bedarf es des höchsten Einsatzes der Frauen, um gemeinsam mit den Männern im politischen Raum das Leben der nächsten Generation zu sichern.
Der beispielhafte Einsatz von Frauen in den Bürgerinitiativen ist ein Signal! Auch bei den GRÜNEN ist die politische Willensbildung bereits heute wesentlich von Frauen mitbestimmt, erheblich mehr als in allen anderen Parteien. Diese Tendenz wird noch zunehmen in dem Maße, in dem Frauen bereit sein werden, mehr politische Verantwortung zu übernehmen und ihnen dieser [sic!] Verantwortungs- und Handlungskompetenz nicht länger abgesprochen wird.
1. Ausbildung und Arbeit
In der Erziehung in Schule und Familie werden auch heute noch immer qualitative Unterschiede gemacht. Mädchen werden auf „ihren Bereich“, das Haus und die Familie, die Jungen werden auf Anforderungen in Beruf und Gesellschaft vorbereitet. Für einen Großteil aller Frauen endet die Ausbildung mit der Beendigung der Pflichtschulzeit – nur ein kleiner Teil kann eine Lehre machen – davon die Mehrheit sogar nur eine Kurzausbildung.
Darum fordern wir:
Gleiche schulische und berufliche Ausbildung für Mädchen und Jungen.
Gleiche Ausbildungschancen für Mädchen und Jungen.
Haushaltsführung und Erziehungslehre als Pflichtfächer an Schulen für beide Geschlechter.
Mehr und bessere Ausbildungsmöglichkeiten, die es den Frauen freistellen, in welchen Berufen sie tätig sein wollen.
Frauen sollten in allen Berufen tätig sein können, für die sie sich interessieren, auch in „Männerberufen“. Uneingeschränkte Möglichkeit der Umschulung und Fortbildung für Frauen, insbesondere auch für Hausfrauen.
Die gesellschaftliche Diskriminierung, Benachteiligung und Ausbeutung der Frau beruht zum Teil auf ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit und Abhängigkeit. Wir fordern deshalb, daß die Arbeit in Haushalt und Erziehung für die Frau oder Mann als voll entlohnter Beruf mit Rentenanspruch anerkannt wird. Dieses Erziehungsgeld ist unabhängig vom Kindergeld.
Frauen werden auch bei gleichwertiger Ausbildung und Fähigkeit auf minderwertige Arbeitsplätze abgeschoben. „Leichte“ Fließbandarbeiten im „Akkordzeitalter“ werden fast ausschließlich von Frauen geleistet. Durch die Doppelbelastung sind berufstätige Frauen, und besonders Mütter, einem unerträglichen Streß ausgesetzt. In Krisenzeiten werden Frauen zuerst entlassen; z. Zt. sind doppelt so viele Frauen wie Männer arbeitslos gemeldet.
Darum fordern wir:
Frauen dürfen nicht länger zu Reservearmee gemacht werden, die auf dem Arbeitsmarkt beliebig hin- und hergeschoben wird.
Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit.
Abschaffung der Leichtlohngruppen.
Gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen wie für Männer.
Schaffung von Teilzeitbeschäftigungen für Frau und Mann auf allen Berufsebenen bei gleichbleibendem Lohnniveau.
Besondere Arbeitsplatzsicherung und Kündigungsschutz für alleinstehende Frauen/Männer mit Kindern.
Weg mit der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz.
Keine Diskriminierung arbeitsloser Frauen.
Die Doppelbelastung der Frau als Berufstätige und Hausfrau muß überwunden werden. Männer und Frauen müssen fähig und bereit sein, gemeinsam den Haushalt zu bewältigen.
Die Dienstleistung in Haushalt und Erziehung muß als Vollberuf anerkannt und sozial abgesichert werden.
2. Rente
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 3,4 Millionen Rentnerinnen, die allein leben; über die Hälfte von ihnen mußten 1975/76 mit weniger als 600 Mark auskommen. Viele der alten Frauen arbeiteten jahrelang für Mann und Kinder; diese Arbeit wurde nie besonders honoriert oder bezahlt. Witwen bekommen nur 60 % von der Rente ihres Mannes als Witwenrente.
Deshalb fordern wir:
Staatliche Rentenbeitragszahlung während der Ausfallzeiten, die durch Kinderbetreuung und Haushalt notwendig sind.
Gleiche Rentenbemessungsgrundlage für Männer und Frauen.
Hinterbliebenenrente für jede Witwe in voller Höhe der entsprechenden Rente des Ehemannes.
Bekommen beide Ehepartner Rente, so ist bei Tod eines Partners die größere weiterzuzahlen.
3. Militärdienst
Im Sinne unserer Friedenspolitik wehren wir uns gegen jeden Militärdienst Frauen.
Frauen zum Bund – Nein Danke!
4. Gewalt gegen Frauen
In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich ca. 4 Millionen Frauen geschlagen und mißhandelt. Sie sind Opfer einer Gesellschaft, in der Macht und Unterdrückung tagtäglich ausgeübt und ertragen werden. Frauenhäuser, die diese Frauen mit ihren Kindern aufnehmen, bekommen in der Regel keine bedingungslose staatliche Unterstützung. Die Zunahme der Vergewaltigungen von Frauen ist erschreckend.
Deshalb fordern wir:
Finanzielle Unterstützung autonomer und selbstverwalteter Frauenhäuser sowie Anerkennung von Frauenhausvereinen als Trägern.
Keine Kontrolle und keine Eingriffe in das Konzept autonomer Frauenhäuser.
Diskriminierung von Frauen muß unter Strafe gestellt werden. Einzurichten ist eine Institution unter Vorsitz einer Beauftragten für Frauenfragen, gegen Diskriminierung und Benachteiligung im Arbeitsleben und in der Gesellschaft. Sie hat das Recht und die Pflicht, Diskriminierungsmaßnahmen aufzuheben, notfalls über die Gerichte. Jede Frau kann sich an diese Stelle wenden.
Gerichtsverfahren unter dem Vorsitz von weiblichen Richtern zum Schutz der betroffenen Frauen, die oft noch unter dem Schock der Straftat stehen. Strafrechtliche Verfolgung der Vergewaltigung und Gewalt in der Ehe. Nur weibliche Beamte sollten die Vernehmungen durchführen.
Zur medizinischen Versorgung müssen auch nachts Frauenärztinnen im Notdienst zur Verfügung stehen.
5. Kinder
Die Mütter oder Väter, die sich aus erzieherischer Verantwortung überwiegend ihren Kindern widmen, gegebenenfalls unter Verzicht auf die Ausübung ihres Berufes, leisten eine Arbeit von größter gesellschaftlicher Bedeutung. Damit die spätere Entwicklung des Kindes ungestört verlaufen kann, sollte in den ersten Jahren möglichst kein Wechsel der Bezugspersonen stattfinden. Darum fordern wir entsprechende Angebote hauswirtschaftlicher und pädagogischer Ausbildung und ein Erziehungsgehalt. Zusätzlich fordern wir eine Lockerung der Adoptionsgesetze.
Berufstätige[n] Eltern, deren Kinder krank sind, stehen im Jahr nur wenige Tage bei vollem Lohnausgleich zur Pflege ihrer Kinder zur Verfügung. So bleibt der Mutter oder dem Vater häufig keine andere Möglichkeit, als ihren Urlaub zu opfern oder Lohneinbußen hinzunehmen, um das Kind zu Hause zu versorgen.
Darum fordern wir:
Entsprechende hauswirtschaftliche und pädagogische Ausbildung.
Ein Erziehungsgehalt für den Elternteil, der zugunsten eines Kleinkindes auf die Berufsausübung verzichtet.
Die Möglichkeit für Mütter und Väter, ihre kranken Kinder bei vollem Lohn- bzw. Gehaltsausgleich zu pflegen.
Den Ausbau ausreichender und für kleine Einkommen kostenloser Kindertagesstätten.
Staatliche Unterstützung von Eltern/Kind-Initiativen.
Einrichtung von Beratungsstellen und Elternseminaren.
6. Mutterschutz
Der knapp bemessene Mutterschutz von 6 Monaten bietet den berufstätigen Frauen bei der heutigen Arbeitsbelastung keinen ausreichenden Schutz.
Deshalb fordern wir:
Zeitliche Ausweitung des Mutterschutzes.
Die Möglichkeit für einen der beiden Elternteile, 18 Monate bei vollem Lohnausgleich sich der Erziehung des Kindes zu widmen.
Bessere medizinische und klinische Betreuung und Versorgung von schwangeren Frauen, von Müttern und Säuglingen.
Schaffung von mehr Beratungsstellen, verstärkte Ausweitung der Schwangerschaftsberatung und Verbesserung der Untersuchungen.
Kostenlose Aufklärung und Tests auch vor der Schwangerschaft.
Die Förderung des Tages-Mütter-Väter-Modells.
Umfassende gesellschaftliche Hilfen für alleinerziehende Mütter und Väter.
14-tägigen Bildungsurlaub für Teilnahme an Kursen für berufstätige Mütter und Väter zur Vorbereitung auf das zu erwartende Kind.
7. Schwangerschaft (§218)
In der Frage der Schwangerschaftsunterbrechung geraten zwei wesentliche Ziele der GRÜNEN in Widerspruch miteinander: einerseits entschieden für das volle Selbstbestimmungsrecht von Frau und Mann einzutreten, andererseits das menschliche Leben in allen Bereichen zu schützen.
Sich für den Schutz des Lebens, an erster Stelle dem menschlichen, einzusetzen, für die Weiterentwicklung der Menschheit Sorge zu tragen, das macht aber zugleich notwendig, sich dafür einzusetzen, daß das werdende Leben in eine möglichst glückliche und menschenwürdige Zukunft hineinwachsen kann. Dies sicherzustellen darf nicht nur von den Möglichkeiten der einzelnen Familie abhängig sein, sondern erfordert umfangreiche gesellschaftliche und staatliche Unterstützungsmaßnahmen.
Die Schwangerschaftsunterbrechung kann als eine Frage der moralischen Einstellung und der persönlichen Lebensumstände nicht Gegenstand juristischer Verfolgung sein. Sie sollte durch Aufklärung, materielle und gesellschaftliche Hilfen sowie durch Einführung weiterer Methoden der Geburtenkontrolle überflüssig gemacht werden.
Wir fordern:
Volle Übernahme der Abtreibungskosten durch die Krankenkasse.
Sichere und unschädliche Verhütungsmittel für Frau und Mann und deren kostenlose Abgabe.
Keine Bevormundung und Diskriminierung der Frauen durch Staat und Ärzte.
Keine Strafverfolgung und Einschüchterung von Frauen und Ärzten, die abgetrieben haben.
V.3 Kinder und Jugendliche (Dieser Teil des Programms wird noch überarbeitet.)[ ]
V.4 Alte Menschen[ ]
Abschieben in Altersheime, Isolierung von der sozialen Umwelt und zweitklassige Behandlung ist heute das Schicksal vieler alter Menschen.
Wir treten ein für ein menschenwürdiges Altwerden:
Rechtliche, soziale und auch bauliche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um ein Zusammenleben von verschiedenen Generationen zu ermöglichen.
Für die Eingliederung der kranken älteren Menschen ist die stationäre Versorgung in Wohnnähe nötig und ein Heimhelferdienst, der sie ambulant und medizinisch pflegt, berät und soziale Hilfe bietet.
Für die Einrichtung von Tagesstätten, in denen ältere Menschen sich schöpferisch betätigen können und wo ebenfalls eine medizinische Behandlung möglich ist.
Für eine flexible Altersgrenze ab 55 Jahren sowie für eine vorherig gestaffelte Herabsetzung der Arbeitszeit für ältere Menschen. Um einen „Pensionsschock“ zu vermeiden, muß auch eine Tätigkeit über die Altersgrenze hinaus möglich sein.
Rentner sollen ein unversteuertes Einkommen erhalten, das den Mindestlohn für Arbeitnehmer nicht unterschreitet.
V.5 Soziale Randgruppen[ ]
Konsequentes Eintreten für die Belange der Minderheiten in unserer Gesellschaft ist ein Hauptanliegen der GRÜNEN. Vorurteile und Diskriminierungen, wie sie heute noch in vielen Gesetzen und Ausführungsbestimmungen von Behörden und Verwaltungen existieren, basieren einerseits auf Unkenntnis und andererseits auf bewußter Unterdrückung sog. Randgruppen.
Neben dem Recht auf Selbstverwirklichung nationaler Minderheiten, die u.a. ihre kulturellen und religiösen Eigenarten auch durch eine Selbstverwaltung erhalten sollten, treten wir ein gegen die Benachteiligung von Ausländern, Behinderten und Kranken, die aus der Gesellschaft ausgegliedert werden und lediglich als Kostenfaktor Berücksichtigung finden und wie die alten Menschen in Heime abgeschoben werden. Homosexuelle werden in allen Bereichen des Lebens diskriminiert und ebenso wie ehemalige Strafgefangene und Roma/Sinti („Zigeuner“) in Außenseiterpositionen gedrängt.
Die Gruppen, die im folgenden erwähnt werden, sind nur beispielhaft aufgeführt, sie lassen sich um eine beliebige Zahl benachteiligter Gruppen erweitern.
Die GRÜNEN sind gegen jede Form gesellschaftlicher Benachteiligung und treten für das Recht auf Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Selbstverwirklichung ein.
1. Gegen die Diskriminierung von Ausländern
Für die GRÜNEN sind die vielen ausländischen Arbeiter und ihre Familienangehörigen in der BRD ein wichtiger und ebenbürtiger Teil der hiesigen Bevölkerung. Wir wenden uns gegen ihre Benachteiligung, wie z. B. durch zeitlich begrenzte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis.
Wir fordern, daß die ausländischen Kollegen und ihre Familien auf Wunsch mit allen Bürgerrechten unserer Gesellschaft ausgestattet werden (Freizügigkeit, freie Wahl des Arbeitsplatzes, freie politische Betätigung).
Weiter fordern die GRÜNEN:
Dem Treiben skrupelloser Menschenhändler, die mit der Anwerbung und Vermittlung ausländischer Arbeiter Geschäfte machen, muß per Gesetz Einhalt geboten werden.
Keine Eingriffe in laufende Arbeitsverhältnisse, Gleichberechtigung mit Deutschen bei der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung durch die Arbeitsämter.
Freie politische Betätigung für alle demokratischen Organisationen von Ausländern.
Keine Abschiebung oder Abweisung von politisch verfolgten Ausländern. Keine Zusammenarbeit westdeutscher und ausländischer Geheimdienste zur Bespitzelung von Ausländern, sondern Unterbindung aller Aktivitäten ausländischer Geheimdienste in der Bundesrepublik.
Verbot aller Aktivitäten von faschistischen und anderen Terrororganisationen.
Ungehinderte Selbstorganisation der Ausländer und freie Arbeit ihrer Vertretungsorgane. Wir treten für eine ungehinderte und gleichberechtigte Mitarbeit ausländischer Kollegen in den Gewerkschaften ein.
Die GRÜNEN fordern das Wahlrecht für ausländische Mitbürger im kommunalen Bereich von Beginn ihres Aufenthaltes an. Auf Landes- und Bundesebene sollte das Wahlrecht (aktiv und passiv) nach fünf Jahren Aufenthalt in der BRD zuerkannt werden.
Der Benachteiligung ausländischer Kinder in den deutschen Schulen durch die verschiedensten Faktoren, z.B. Sprachschwierigkeiten, muß endlich ein Ende gesetzt werden.
Ausländische Kinder sollten zusätzlich Unterricht in ihrer Muttersprache bekommen.
Ausländische Kinder sollen das Recht bekommen, auf Antrag die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben.
2. Gegen die Diskriminierung von Roma/Sinti („Zigeuner“)
Nach den Verfolgungen während des „Dritten Reiches“ war die Lage der Roma/Sinti nach dem Zweiten Weltkrieg durch Behördenwillkür, Vorenthaltung von demokratischen Rechten und Zwangsansiedlung gekennzeichnet. Um dieser Minderheit in Zukunft den Erhalt ihrer Eigenart zu garantieren und ihnen eine ihrer Kultur entsprechende Selbstverwirklichung zu ermöglichen, fordern die GRÜNEN:
Rückhaltlose Entschädigung der Roma/Sinti für erlittenes Unrecht während des „Dritten Reiches“ und in den Konzentrationslagern.
Keine Zwangsansiedlung der Roma/Sinti, denn dadurch würden die Eigenarten dieses Volkes vollends zerstört werden.
Die Beendigung der zum Teil schikanösen Behandlung durch Verwaltungen und Behörden und der polizeilichen Überwachung.
In allen Ausschüssen und Institutionen, in denen Entscheidungen über Roma/Sinti getroffen werden, sollen Angehörige der Volksgruppe paritätisch beteiligt sein.
Einrichtung von Organen, in denen neben Vertretern der nomadisierenden Roma/Sinti Vertreter von Regierungen und Verwaltungen sitzen, um über die Verbesserung der sozialen und gesundheitlichen Lage zu beraten.
Förderung der Zusammenschlüsse und kultureller Aktivitäten der deutschen Roma/Sinti. Daneben Anerkennung als ethnische Minderheit mit eigener Sprache, Kultur und Tradition, die seit Jahrhunderten in Deutschland lebt.
Schulmöglichkeiten zu schaffen, die der Lebensweise der nomadisierenden Roma/Sinti gerecht werden.
Hilfe zur Selbsthilfe für bedürftige Roma/Sinti, die sich an den kulturellen Eigenarten orientiert.
Ergänzung der Gesetze, so daß Fahrende die gleiche soziale Sicherheit erhalten könne wie Ansässige.
3. Gegen die Diskriminierung von sexuellen Außenseitern
In unserer Gesellschaft gibt es nicht nur eine Unterdrückung und Tabuisierung von Homosexualität, sondern von Sexualität überhaupt. Aufgrund der Erkenntnisse der modernen Sexualwissenschaft sind wir jedoch ebenso wie eine wachsende Anzahl aufgeschlossener Menschen der Auffassung, daß Homosexualität und Heterosexualität gleichwertige Ausdrucksformen menschlicher Sexualität sind. Eine strafrechtliche Sonderbehandlung lehnen wir daher grundsätzlich ab.
Insbesondere fordern wir:
Der entgegen weit verbreiteter Ansicht noch immer bestehende § 175 muß ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.
Da es aber seit Anfang dieses Jahrhunderts bereits im strafrechtlichen Vorfeld die sog. „Rosa Listen“ gibt, in denen Homosexuelle erfaßt werden, fordern wir die sofortige Vernichtung dieser Listen bei den einschlägigen Behörden und das Verbot von Razzien zur Erfassung Homosexueller. Darüber hinaus müssen die überlebenden schwulen KZ-Opfer, die sog. „Rosa Winkel-Häftlinge“, endlich rehabilitiert und unverzüglich entschädigt werden. Die Geschichte verpflichtet uns aber auch, Ausländern, die heutzutage noch wegen ihrer sexuellen Orientierung in ihrer Heimat existentiell bedroht werden, ebenso wie politisch Verfolgten Asylrecht zu gewähren.
Demgegenüber sind homosexuelle Frauen von anderen Formen der Diskriminierung betroffen. Sie werden zwar nicht strafrechtlich verfolgt, hingegen gesellschaftlich doppelt diskriminiert: als Lesben und als Frauen. Neben der sozialen Ächtung, die auch homosexuelle Männer täglich erleben, werden sie – wie andere Frauen – z.B. im Beruf benachteiligt. Darüber hinaus wird die weibliche Sexualität schlechthin in unserer Gesellschaft nicht als gleichwertig akzeptiert.
Homosexuelle Männer und Frauen haben oft Schwierigkeiten im Elternhaus, bei der Wohnungssuche und auch am Arbeitsplatz, wenn ihre Homosexualität dort „entdeckt“ wird. Um dazu beizutragen, daß mit jeglicher Benachteiligung nur wegen der sexuellen Orientierung Schluß gemacht wird, fordern wir als ersten Schritt die Schaffung von Antidiskriminierungsgesetzen, u.a. mit den folgenden Punkten:
a) Die sexuelle Orientierung und offenes Auftreten als Schwuler oder als Lesbe darf kein Kündigungsgrund in Miet- und Arbeitsverhältnissen sein.
b) Keinerlei Benachteiligung für Unverheiratete im Familien-, Erb-, Steuer- und Strafrecht.
c) Lesbischen Müttern und schwulen Vätern darf nicht bei der „Entdeckung“ ihrer Homosexualität das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden.
d) Scheidungserleichterung für Lesben, wenn sie ihre Homosexualität feststellen.
e) Keine Diskriminierung bei Adoptionswunsch von Schwulen und Lesben.
f) Um antihomosexueller Hetze zu begegnen, müssen Betroffene Möglichkeiten der Selbstdarstellung in den Medien erhalten.
g) Streichung des Krankheitsbegriffs „Homosexualität“ aus den deutschen Registern der Glossar:Weltgesundheitsorganisation (WHO), in denen sämtliche Krankheiten verzeichnet sind.
Die geistige Grundlage dieser Gesetze sollte auch Eingang ins Grundgesetz finden. Deshalb fordern wir folgende Änderung des Artikels 3, Abs. III, GG:
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, SEINER SEXUELLEN ORIENTIERUNG, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Weil Homosexuelle oft als Kranke angesehen werden, wird ärztlicherseits immer noch versucht, sie mit Psychochirurgie, Elektroschocks u.ä. zu „heilen“. Wir lehnen diese „Therapien“ grundsätzlich ab und fordern vielmehr, daß ärztliche Behandlung darauf gerichtet ist, die Selbstbejahung der Betroffenen zu fördern. Eben dieses Ziel verfolgen auch die vielfältigen Schwulen- und Lesbengruppen. Ihre Selbsthilfeeinrichtungen gilt es, privat und öffentlich zu unterstützen.
Da die gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber der Homosexualität bereits in der Erziehung der Kinder angelegt werden und z.B. im Sexualkundeunterricht Homosexualität – wenn überhaupt – meist unter dem Thema „Perversionen“ abgehandelt wird, fordern wir eine Sexualerziehung, die die Kinder und Jugendlichen dazu befähigen soll, ihre Sexualität frei und ohne Ängste zu entwickeln. Heterosexualität, Ehe und Familie dürfen nicht als einzig mögliche Lebensform dargestellt werden.
Anmerkung zum Beschlußtext zu den §§ l74 und 176:
[„]Zu diesem Beschluß konnte leider auf dem Parteitag nicht gemeinsam diskutiert werden. Auch an der Parteibasis ist diese Frage bisher teilweise nicht oder nur wenig diskutiert worden. Dies ist weder im Sinne der Betroffenen, noch der Antragsteller, noch der Partei insgesamt. Deshalb meinen wir, daß Abs. 521 folgendermaßen zu verstehen ist: [E]r ist ein Auftrag an die Partei in allen Gliederungen, sich mit den Auswirkungen dieser Straftatbestände intensiv auseinanderzusetzen. Durch diesen Auftrag ist das Ergebnis dieser Diskussion natürlich nicht festgelegt. Es wird eine Kommission gebildet, die Hilfestellung bei der Diskussion gibt. Gerade im Hinblick auf die berechtigten Sorgen und Ängste, die sich mit diesem Themenbereich verbinden, halten wir es für notwendig, daß auf einem der nächsten Parteitage unter Beteiligung von Betroffenen und Fachleuten dieses Thema ausführlich behandelt wird.“
Der Beschlußtext lautet:
- Die §§ 174 und 176 StGB sind so zu fassen, daß nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses bei sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen sind.
V.6 Bildung und Forschung[ ]
1. Bildung
Schule bietet heute Notendruck, Konkurrenz, Duckmäusertum, Schulstreß, Lernunwilligkeit, Angst vor dem Versagen und Auswirkungen bis zum Selbstmord, überfüllte Schulklassen und Unterrichtsausfall bei gleichzeitiger Lehrerarbeitslosigkeit. Die gegenwärtige Schul- und Hochschulbildung, die den Typ des angepaßten Bürgers und Technokraten fördert, muß verstärkt um Bereiche ergänzt werden, die für die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit unerläßlich sind. Dazu gehört die geistige, soziale und ethische Bildung und auch die Entwicklung der praktischen, körperlichen und insbesondere der schöpferischen Fähigkeiten, die der seinem Wesen nach auf Kreativität angelegte Mensch braucht. Dazu gehört auch die Erziehung zu ökologisch bewußtem und darüber hinaus zu sozialem und demokratischem Handeln, zu Solidarität und Toleranz gegenüber Mitmenschen und anderen Völkern.
Wir GRÜNEN setzen uns für folgende Ziele ein:
Strukturen der Schulen
Überschaubare Schulen, die Eltern, Lehrer und Schüler gleichermaßen verantwortlich gestalten.
Gleichberechtigung aller Schulen in freier Trägerschaft bzw. Alternativschulen (Waldorfschulen, Glossar:Glocksee-Schule, Glossar:Tvind usw.), um die positiven Erfahrungen dieser Schulen auch in staatlichen Schulen zu nutzen. Die Gesetze und behördlichen Auflagen müssen für die Errichtung von Alternativschulen vereinfacht werden.
Ein einheitliches, integriertes Schulwesen, d.h. alle Jugendlichen werden bis zur 10. Klasse ausgebildet, alle erhalten einen einheitlichen Abschluß, zu dem hin sie individuell gefördert werden.
Kleinere Klassen, was kurzfristig dadurch erreicht werden kann, daß arbeitslose Lehrer angestellt werden.
Ausbau der Erwachsenenbildung bis zu anerkannten Abschlüssen, mit ausreichender finanzieller Förderung.
Lehrinhalte der Schulen
Praxisbezogenes Lernen für Lehrer und Schüler in Handwerk, Industrie und Landwirtschaft, um die Trennung von Lern- und Arbeitswelt zu verringern.
Die Schüler müssen aus der Schule raus – lebendige Wirklichkeit in die Schule rein! Die Trennung von Schule und Freizeit muß aufgehoben werden. Musik, Theater, Malen, Werken und Spiel müssen ihren Platz in der Schule finden.
Denken in vernetzten Systemen als durchgängiges Unterrichtsziel, um das Verständnis von ökologischen Kreisläufen und sozialen Zusammenhängen und Gegensätzen zu fördern. Die Schule soll die Schüler in die Lage versetzen, die den gesellschaftlichen und individuellen Konflikten zugrunde liegenden Interessen zu durchschauen. Sie sollen die Fähigkeit bekommen, zwischenmenschliche Konflikte auf solidarische Weise zu lösen, eigene Interessen zu formulieren und ihnen durch gemeinsames Handeln Nachdruck zu verleihen.
Freies Lernen und Lehren
Erhaltung und Erweiterung der Möglichkeiten zu einer vielseitigen Bildung und Ausbildung für alle Menschen ohne Rücksicht auf Herkunft, Geschlecht und Lebensalter.
Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse von Lehrenden und Lernenden in allen Bundesländern.
Vollständiger Abbau der Zulassungsbeschränkungen an Hochschulen.
Förderung von politischen Aktivitäten der Schüler (Schülerzeitung, politische Gruppen usw.).
2. Forschung
Die Ergebnisse der Forschungen in den zweckgebundenen oder angewandten Wissenschaften haben die Umwelt so verändert, daß die Grenzen unserer Möglichkeiten zunehmend aufgezeigt werden. Die angewandten Wissenschaften dürfen nicht nur vordergründigen Wirtschaftsinteressen dienen. Die Verfilzung von Interessen vor allem der Großindustrie mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft muß energisch abgebaut werden.
Das Hochschulrahmengesetz schreibt die politische Disziplinierung der Studenten und ihrer Vertretungsorgane, die totale Verschulung des Studiums sowie die Verschlechterung der sozialen Lage der Studenten fest.
Die GRÜNEN setzen sich ein für:
Mitbestimmungsrechte für alle Wissenschaftler an staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen.
Die Einrichtung von Kommissionen von Wissenschaftlern und Bürgervertretern, die Informationen darüber erarbeiten sollen, welche Folgen einzelne Projekte langfristig für Ökologie und Leben haben. Die Tendenzen der Forschung und technischen Entwicklung müssen verstärkt für die Öffentlichkeit durchschaubar gemacht werden, um so eine fundierte politische Willensbildung auch in dieser Hinsicht zu ermöglichen.
Stärkere Förderung der Erforschung ökologischer Zusammenhänge und sozialer Strukturen und deren wechselseitige Beziehungen durch unabhängige Institute.
Alle Bestrebungen und Initiativen, die eine freie politische und wissenschaftliche Betätigung an den Hochschulen und eine Wissenschaft im Dienst von Mensch und Natur durchsetzen wollen.
V.7 Kultur[ ]
Die Voraussetzungen für kulturelles Tun und Erleben der Menschen sind sehr unterschiedlich und von folgenden Bedingungen wesentlich abhängig:
a) Die Arbeitswelt kann das Verhältnis zur Kultur fördern (in kreativen, abwechslungsreichen, anregenden und kommunikativen Berufen), sie kann ihr unbestimmt gegenüberstehen oder sie kann sie zerstören (bei eintönigen, einseitigen und ermüdenden Arbeitsbedingungen).
b) Um Zugang zu den vielfältigen und recht unterschiedlichen Formen der Kultur zu gewinnen, muß man angemessen über sie informiert und zu ihrem Verständnis angeleitet worden sein.
Soll also jeder gleiche Chancen im kulturellen Bereich haben, so müssen gleich gute Bedingungen in der Arbeitswelt und gleich gute Bildung für alle angestrebt werden.
Die staatlich geförderte Kultur hat wenig mit den Lebensbedürfnissen und Interessen der Menschen zu tun. Zudem sind die Kultureinrichtungen in den Zentren der Ballungsräume konzentriert, so daß die Menschen in den Stadtteilen und vor allem auf dem Land von ihrer Nutzung nahezu abgeschnitten sind. Was über die Massenmedien an Kultur angeboten wird, hat überwiegend sehr wenig mit ihren konkreten Interessen zu tun und fördert nicht die Phantasie und den Spaß der Menschen an eigener kultureller Tätigkeit.
Besonders negativ zu beurteilen ist die Entwicklung einer Kulturindustrie:
weil sie die Verbindung zwischen Kulturschaffenden und -aufnehmenden abreißt und so den bloßen „Kulturkonsum“ entwickelt,
weil sie sich mit kultureller Unterentwicklung durch harte Arbeitsbedingungen und Bildungsrückstand arrangiert,
weil sie eine große Zahl von Menschen in weitgehender Passivität hält,
und weil sie den Starkult und die Kulturvermarktung fördert.
Neben dem professionellen Kulturbetrieb besteht eine demokratische kulturelle Bewegung an der Basis: sie ist für viele gesellschaftliche Gruppen eine wichtige Möglichkeit, sich zu artikulieren. Viele Menschen in dieser Bewegung beginnen sich auch dagegen zu wehren, bloße Konsumenten des staatlichen Kulturbetriebs zu sein. Sie haben begonnen, z.B. in den Freundschaftshäusern, auf Stadtteilfesten usw. eigene Musik, Bilder, eigenes Theater zu machen; Sachen, die ihnen Spaß bereiten und Ihnen [sic!] nützen. Ein wichtiges Merkmal der Basiskultur ist aber das Bestreben, die Trennung zwischen Produzenten und „Kultur-Konsumenten“ aufzuheben. Dieser Arbeit werden zu wenig Mittel zur Verfügung gestellt und sie ist oftmals Gegenstand von Behinderungsversuchen durch Kulturpolitiker aus den etablierten Parteien und durch etablierte Presseorgane.
Wenn Kulturarbeit einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Selbstverwirklichung der gesellschaftlich Benachteiligten leisten soll, muß sie aber frei sein von Unterdrückungsmechanismen.
Die Forderungen und Ziele der GRÜNEN sind:
Die klassischen Kulturinstitute wie Museen, Bibliotheken, Theater, Konzertsäle usw., ergänzt durch kommunale Kinos, müssen mehr als bisher die Bedürfnisse und Alltagsprobleme der Bevölkerung berücksichtigen und ihre Aktivitäten aus toten, unbewohnten Großstadtzentren mehr in lebendige Stadtteilzentren bzw. ländliche Zentren verlegen.
Da die Bewohner ländlicher Gebiete nach wie vor im Nachteil sind, müssen erheblich mehr Mittel als bisher in die Arbeit von Wanderausstellungen, mobiler Bibliotheken und Spielotheken, Wandertheater, kommunaler Wanderkinos und reisender Musikgruppen und Orchester investiert werden. Alternative Kulturarbeit, die dazu anregt, über kulturelle Formen und Inhalte nachzudenken, bei der möglichst viele Menschen beteiligt sind, bei der zwischen Akteuren und Aufnehmenden rege Mitteilungen stattfinden und die von kommerziellen Interessen unabhängig ist, muß stark gefördert werden. Dies gilt besonders für sich entwickelnde Kommunikationszentren in Stadtteilen und ländlichen Zentren.
Besondere Förderung soll Kulturarbeit erhalten, die Kinder, Jugendliche, Frauen und ältere Menschen sowie Ausländer, Haftentlassene, Suchtgefährdete und andere Minderheiten einbezieht und anspricht.
Der Schwerpunkt der Denkmalspflege soll mehr als bisher vor der Erhaltung nur einzelner historischer Kostbarkeiten auf die Erhaltung und Pflege ganzer Kulturlandschaftsteile und Straßenzüge übergehen, zu deren Geschichtlichkeit und Bedeutung die Menschen der Umgebung ein Verhältnis gewinnen können. Die Beteiligung der Bewohner an der Planung und der Informationsaustausch mit ihnen über historische Hintergründe muß verstärkt werden. Entsprechendes gilt für Kunst im öffentlichen Raum.
Kulturelle Tätigkeit darf in keinem Fall staatlich behindert, zensiert oder verfolgt werden.
Der Kulturetat zur vorrangigen Förderung der „Basiskultur“ und zur Schaffung eines breiten und dezentralen kulturellen Angebotes für die Bevölkerung muß wesentlich erhöht werden.
V.8 Medien[ ]
Der Artikel 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ muß uneingeschränkt für alle Menschen in diesem Lande gelten. Alle Gesetze, die die Freiheit des Wortes einschränken, müssen abgeschafft werden. Jede Demokratie muß sich an der Verwirklichung dieses Grundrechts messen lassen.
Marktwirtschaftliche Prinzipien in der Presse führen dazu, daß kleinere Zeitungen von großen kapitalstarken Blättern verdrängt werden, oder daß unabhängige Blätter sich zu Informations- und Verlagsgemeinschaften zusammenschließen müssen. Eine umfassende und kritische Berichterstattung findet immer weniger statt. Um eine tatsächliche Meinungsvielfalt wieder herzustellen, muß ein besonderes Kartellrecht geschaffen werden, das Monopole und Vereinheitlichungen bei Zeitungen verhindert. Es soll auch rückwirkend angewendet werden können. Die staatliche Hilfe für notleidende Zeitungen muß ausgeweitet werden. Wir werden die lokale alternative Presse unterstützen.
Die Unabhängigkeit von Zeitungsredaktionen von Weisungen der Verleger muß gesetzlich garantiert werden (Redaktionsstatut). Die Möglichkeiten zur Kündigung von Redakteuren müssen erheblich erschwert werden, damit nicht von daher Druck auf die Meinungsfreiheit der Redakteure ausgeübt werden kann.
Der Einfluß von wirtschaftlich starken Gruppen wie von politischen Parteien auf die Programmgestaltung von Funk und Fernsehen wie auf den Inhalt der Zeitungen muß verringert werden.
Das System der öffentlich-rechtlichen Medien muß grundsätzlich erhalten bleiben. Funk- und Fernsehsender in privater Hand bleiben verboten. Der muß auch für zukünftiges Kabelfernsehen gelten. Der NDR muß in seiner zur Zeit bestehenden Form erhalten bleiben.
Die öffentlich-rechtlichen Medien (Funk und Fernsehen) sollen allen Gruppen der Gesellschaft geöffnet werden. Auch Minderheiten sollen verstärkt über die Medien auf ihre Probleme und Interessen aufmerksam machen können. Vorstellungen zur Verwirklichung wäre ein System wie in den Niederlanden, wo bis auf Nachrichten und politische Informationssendungen ein Großteil des Programms von Sendevereinen erteilt wird, die jedermann gründen und auf nicht-kommerzieller Basis betreiben kann.
Die öffentlich-rechtlichen Medien müssen auf Werbung ganz verzichten.
Die zentrale Nachrichtenversorgung durch nur wenige Agenturen überall in der Welt hat zu einem ausgeprägten Informationsmonopol geführt. Wir halten es für bedenklich, wenn neue Satztechniken eingeführt werden, die Nachrichten per Funk direkt setzen und dadurch die Vereinheitlichungen von Nachrichten weiter fördern. Zudem zerstören sie Arbeitsplätze. Gleiche Gefahren drohen von der Einführung der Bildschirmzeitung.
Durch Subventionspolitik und gesetzliche Regelungen muß der Druck von Zeitungen allmählich weitgehend auf Umweltschutzpapier erfolgen.
Langfristig müssen alle Zeitungsverlage eine Beteiligung der Beschäftigten einführen.
V.9 Umwelt und Gesundheit[ ]
1. Gesundheitspolitik
Die ökologischen Bedingungen haben sich qualitativ verschlechtert mit der Vergiftung der Umwelt, der Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände und durch den Kraftfahrzeugverkehr. Auch die Belastungen des Industrielebens mit seiner Nacht-, Schicht- und Akkordarbeit sind durch die heute praktizierte Medizin nicht mehr in den Griff zu bekommen.
Bereits heute stirbt jeder vierte Mensch an Krebs, verursacht im wesentlichen durch die Umweltverseuchung der 50er und 60er Jahre.
Entgegen anderslautender Auslegung der offiziellen Statistiken sinkt die Lebenserwartung. Chronische Krankheiten machen inzwischen den größten Teil aller Krankheiten aus.
Das wird wesentlich mitverursacht:
durch eine menschenfeindlich angewandte Technik in Büro und Betrieb;
durch Störung ökologischer Gleichgewichte, durch Luft- und Wasserverschmutzung, radioaktive Strahlung, Lebensmitteldenaturierung, falsche Ernährung, Schwächung der Selbstheilungskräfte durch Symptomtherapie, seelischen Streß, Entfremdung von sinngebenden menschlichen Beziehungen, übermäßigen Arzneimitteleinsatz und Drogenmißbrauch.
Die heutige Gesundheitspolitik vermag viele Krankheiten nicht auszuheilen, sondern kann sie mit medizinischen Methoden und Medikamenten höchstens unterdrücken und nimmt dabei zusätzlich die letzten Abwehrkräfte. Sie dient in den meisten Fällen dazu, die Menschen kurzfristig wieder „fit“ zu machen. Immer mehr Maschinen bestimmen den Ablauf der Diagnostik und Therapie. Die Bedienung dieser Maschinen wird schon wichtiger genommen als die Betreuung kranker Menschen. Der kranke Mensch ist das Objekt, ohne Einfluß, hilflos dieser Gesundheitspolitik ausgeliefert.
Die Kräfte, die unsere Gesundheit und eine gesunde Umwelt zerstören, sind die gleichen, die das gegenwärtige wirtschaftliche System antreiben.
Das Gesundheitswesen ist in den letzten Jahrzehnten zum Industriegiganten entwickelt worden. Gefördert wird zur Zeit nur, was rationelle, apparative, automatisierungsfähige Dienstleitungen und Gewinn verspricht. Gesundheitsprobleme dürfen nicht losgelöst von der Umwelt, den Arbeits-, Wohn-, Freizeit- und Lebensbedingungen betrachtet werden. Umweltbedingungen sind heute Ursachen von vielen Massenerkrankungen: Lungenkrankheiten, Erkrankungen der Bewegungsorgane, Lärmschwerhörigkeit, Haut-, Magen- und Darmerkrankungen, Infektionskrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes und diese Krankheiten nehmen immer mehr zu.
Der Mensch muß in den Mittelpunkt einer anzustrebenden Ganzheitsmedizin gerückt werden. Noch wichtiger ist eine Gesundheitsvorsorge durch gezielte Aufklärung des einzelnen, der durch verbesserte Kenntnisse und durch konsequente Hilfe zur Selbsthilfe für seine Gesundheit verantwortlich werden kann. Vorbeugen ist besser als heilen!
Eine vorbeugende ökologische Medizin beruht auf der Erkenntnis, daß der größte Teil der zivilisationsbedingten Massenerkrankungen auf äußere, d.h. Umwelt und gesellschaftlich bedingte Einflüsse zurückzuführen ist. Vorbeugung kann nur betrieben werden, wenn die Ursachen von Krankheiten im ökologischen Sinne geändert werden. Daneben muß eine Gesundheitsaufklärung über die wirklichen Ursachen hauptsächlich in der Schule und am Arbeitsplatz geleistet werden.
Eine vorbeugende Medizin muß sich befreien von wirtschaftlichen Eigeninteressen, wie sie z.B. zum Ausdruck kommen durch die Pharmaindustrie, die Werbung für Suchtmittel, durch starke Standesorganisationen und einer Medizin, die den Menschen entmündigt und auch seine Gesundheit beeinträchtigt.
Oberstes Ziel muß die Erhaltung von Gesundheit und nicht die Besserung von Krankheit sein. Verstärkt zu fördern sind daher sozial, ökologisch und individuell bedingte Lebensbedingungen, Lebensumstände und Verhaltensweisen, die die Gesundheit begünstigen.
Wichtigster Umweltfaktor ist die Nahrung. Die Ernährung soll nicht zu Übergewicht führen. Anstelle des bisherigen Angebots, stark denaturierter Lebensmittel, wie z.B. Industriezucker und Feinmehl[,] ist das Angebot natürlicher Lebensmittel zu fördern, wie z.B. natürliches Gemüse und Vollkornbrot.
Strengere Kontrollen gegen Mißbrauch von Pflanzen“schutz“mitteln und Tierpharmaka, gegen Nebenwirkungen von Medikamenten und chemischen Produkten sind unerläßlich.
Die Aufklärung über die Gefahren durch unnötigen Arzneimittelverbrauch, Alkohol- und Nikotinmißbrauch ist zu verstärken. Die Werbung hierfür ist zu verbieten.
Durch eine genügende körperliche Betätigung (z.B. Breitensport) sollte die Leistungsfähigkeit möglichst lange erhalten bleiben.
Der Biologieunterricht an den Schulen muß der Gesundheitserziehung breiten Raum geben. Kurse an Volkshochschulen, in Kurbädern und am Arbeitsplatz sind besonders geeignet, die erwachsene Bevölkerung zu erreichen.
Gesetzgeber und Behörden sind aufgerufen, der schleichenden Vergiftung von Umwelt und Lebensmitteln Einhalt zu gebieten. Dies gilt ebenso für radioaktive Strahlung durch Atomanlagen wie für chemische Schadstoffe in Industrie und Landwirtschaft.
Die Arbeitsplätze müssen humanisiert werden durch Abbau von Streß, Lärm, schädlichen Stoffen oder Nachtarbeit.
Im Mittelpunkt einer umfassenden Gesundheitspflege steht der ganze hilfsbedürftige Mensch!
Ökologische Medizin ist eine ganzheitliche Medizin. Der kranke Mensch muß als verschiedenen Umweltbedingungen ausgesetztes Wesen behandelt und als selbstbewußte, selbstbestimmende Persönlichkeit gestärkt und in das Zentrum der Bemühungen gestellt werden.
Ökologische Medizin steht für Behandlungsmethoden, die die Abwehrkräfte der Menschen fördern. Die Behandlung darf nicht, entsprechend der Auffassungen der herrschenden Medizin, nur das einzelne Organ betreffen.
Der Patient darf weder ein Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie noch ein Gegenstand für die Rentabilität kostspieliger Apparate sein.
Ökologische Medizin muß daher vermeiden: Überkonsum von Arzneimitteln, unnütze chirurgische Eingriffe, übertechnisierte Großkrankenhäuser.
Eine ökologische Medizin wird sich auch einsetzen müssen für menschlichere Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern.
Im Gegensatz zu den Pflegeformen, die wir mit einer ökologischen Medizin verbinden, entzieht die zunehmende Arbeitsteilung, Spezialisierung und Arbeitshetze (z. B. durch zu wenig Planstellen) dem Pflegepersonal im Krankenhaus die Möglichkeit einer ganzheitlichen Pflege zum Wohl des Patienten und zur eigenen beruflichen Selbstverwirklichung.
Ebenso treten wir ein für eine Veränderung der ambulanten medizinischen Versorgung, die u. a. zum Ziel hat, eine gleichmäßigere und bessere medizinische Versorgung zu gewährleisten – gerade auf dem Land und in ärmeren Stadtteilen. Das heißt auch, daß es mehr Ärzte geben muß, die anders, d. h. den Menschen ganzheitlich betrachtend, ausgebildet sind. Gerade die ambulante medizinische Versorgung muß die soziale und psychische Seite von Kranksein zu ihrem Bestandteil machen. Außerdem ist es auch ihre Aufgabe, zu einem Arzt-Patienten-Verhältnis beizutragen, das nicht von Unwissenheit und der Abhängigkeit des Kranken geprägt ist.
Das Vertrauen darf nicht durch Speicherung von personenbezogenen Patientendaten in Computern gestört werden, die nicht sicher gegen Mißbrauch geschützt werden können.
Ökologische Medizin wird sich einsetzen für den Ausbau kleiner, bevölkerungsnaher Krankenhäuser, für ausreichende Ambulatorien, für die Förderung von alternativen medizinischen und pflegerischen Projekten und Behandlungsmethoden, für natürliche Heilmethoden, für den radikalen Abbau des Konsums von chemischen Arzneien und die Anregung zu gesundheitserhaltenden Lebensgewohnheiten.
Wir fordern die Erforschung des „Kunstfehlergeschehens“ in der Medizin und die Untersuchung seiner sozialen Folgekosten.
Wir sind für die Einführung eines/einer bürgernahen Patientenombudsmannes/-frau in Städten und Kreisen. Sie helfen bei der Klärung der Sachlage und Vermittlung von Gutachtern im Falle ärztlicher Fehler. Sie sind nur dem Landtag verantwortlich und können sich an die Öffentlichkeit wenden.
Wir fordern die verstärkte Erforschung der Krankheitsursachen und Möglichkeiten der Krankheitsbewältigung. Eine zentrale Gesundheitsstatistik ist notwendig (z. B. Krebskataster).
Alle wirksamen Richtungen alternativer Medizin und Naturheilkunde auch psychischer Behandlungsmethoden sind zu erforschen und zu nutzen. Hierzu gehört die Aufnahme entsprechender Fächer in die Medizinausbildung und die Einrichtung alternativ arbeitender Kliniken.
Wir fordern eine Verbesserung der Ausbildung und Weiterbildung der Allgemeinärzte, die den gewachsenen Anforderungen einer Basisversorgung gerecht wird.
Arzt und Patient tragen in kritischer Partnerschaft zur Heilung bei!
Der Patient darf umfassende Aufklärung erwarten. Kritische Aufmerksamkeit bei der Behandlung ermöglicht ihm erst, hinreichend an seiner Heilung und Gesunderhaltung mitzuwirken.
Der Patient hat ein Recht darauf, daß er oder ein von ihm benannter Vertreter jederzeit Einsicht in die Behandlungsunterlagen nehmen kann.
2. Psychiatrie
Die Zerstörung von Nachbarschaftskontakten, leblose Neubaugebiete, sinnentleerte Arbeit, wachsender Konkurrenzdruck durch drohende Arbeitslosigkeit, immer höhere Leistungsanforderungen in der Schule, autoritärer [sic!] Erziehung (oft aus Hilflosigkeit), immer weniger Möglichkeiten andere Menschen kennenzulernen, und damit wachsende Isolation; all dies führt zu einer Zunahme der psychosozial bedingten Krankheiten (Alkoholismus, sogenannte Neurosen, sogenannte Psychosen und sogenannte psychosomatische Krankheiten).
Eine Psychiatrie im ökologischen Sinne fordert eine Verbesserung der ambulanten psychosozialen Versorgung, u.a. durch mehr Beratungsstellen.
Betroffene sollen nicht in eine passive Patientenrolle gedrängt, sondern ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, zur Selbsthilfe zu finden.
Oft werden Patienten willkürlich in psychiatrische Anstalten und in geschlossene Abteilungen eingewiesen, weil sie psychische Schwierigkeiten haben. Durch die Zustände in diesen Anstalten wird dazu beigetragen, daß solche Menschen erst wirklich psychisch krank werden. So werden Menschen in geschlossene Abteilungen eingewiesen, ohne sich überhaupt dagegen wehren zu können. Ihre Rechte werden stark eingeschränkt.
Eine Psychiatrie im ökologischen Sinne wird Maßnahmen ergreifen, die verhindern, daß Menschen mit psychischen Problemen in die Landeskrankenhäuser abgeschoben werden. Landeskrankenhäuser und „Irrenanstalten“ sollten überflüssig gemacht werden durch Schritte zur Eingliederung in die Stadtteile und Gemeinden. Möglichkeiten hierzu bieten Wohngemeinschaften und integrierte Therapiezentren, in denen gewährleistet wird, daß die psychisch kranken Menschen intensiv betreut werden und gleichzeitig der notwendige Kontakt zur Gesellschaft gewährleistet wird.
3. Arzneimittel
Aus reiner Gewinnsucht werden Bevölkerung und Ärzte mit verantwortungsloser Werbung der Arzneimittelindustrie überschüttet. Durch Konkurrenzkampf und den weltweiten Expansionsdrang der Pharmaindustrie kommen ständig neue Medikamente auf den Markt, deren negative Nebenwirkungen häufig ihre Heilkraft übertreffen. Die unsinnig hohe Zahl von gleichwirkenden Medikamenten verhindert eine gezielte Anwendung. Krankenhäuser und Arztpraxen sind oft Experimentierfeld für Medikamentenversuche an Patienten. Durch den Einfluß der Arzneimittelindustrie werden Versuche unternommen, die medizinisch nicht mehr verantwortet werden können. Heute müssen wir feststellen, daß ein immer größerer Anteil des Forschungsetats der Arzneimittelfirmen in Wahrheit Werbekosten enthält und daß es keine unabhängigen Einrichtungen zur Kontrolle von Arzneimitteln gibt. Zusätzlich fordern wir mehr Forschung über alternative Heilmittel.
Eine ökologische Medizin wird sich dafür einsetzen, daß Ärzte die Möglichkeit haben, sich alternativ und umfassend über Therapien – auch unabhängig von Arzneimitteln – zu informieren.
Eine ökologische Medizin wird für eine schärfere und umfassende Kontrolle von Arzneimitteln und gleichzeitig für die Kontrolle der Preispolitik der Pharmaindustrie eintreten und die Arzneimittelflut einschränken. Für Schäden, die aufgrund von nicht erforschten oder gesundheitlichen Nebenwirkungen entstehen, muß der Hersteller haften.
4. Behinderte
Die geistig und körperlich Behinderten gehören zu unserer Gesellschaft und müssen ihren Platz in unserer Gesellschaft ausüben können. Sie dürfen nicht länger aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen werden. Wir wollen mit ihnen zusammenleben.
Deshalb treten wir ein:
Für das gemeinsame Wohnen mit Behinderten.
Für ausreichende Ausbildungs- und Arbeitsplätze behinderter Menschen in allen Betrieben und Behörden, auch in eigens dafür eingerichteten Werkstätten.
Für die Gestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel und aller Gebäude, so daß sie mühelos für Behinderte zugänglich sind.
Für die großzügige Förderung des Behindertentransports, der kulturellen Bedürfnisse und die Einrichtung eines Helferdienstes.
DIE GRÜNEN. Das Bundesprogramm von 1980. 2. überarbeitete Fassung von 1982, Archiv Grünes Gedächtnis, Bibliothek, 041-1 (1981).
DIE GRÜNEN. Das Bundesprogramm von 1980. 2. überarbeitete Fassung von 1982 [DIE GRÜNEN. Федеральная программа 1980 г. 2-я пересмотренная версия 1982 г.], Archiv Grünes Gedächtnis, Bibliothek, 041-1 (1981).
Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung (AGG), Eldenaer Str. 35, 10247 Berlin (Sammlung des gesamten Schriftguts der Partei sowie von Dokumenten aus den Neuen sozialen Bewegungen).
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