Parteistatut der Russländischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki)

Die Partei der Bolschewiki, die sich in der Oktoberrevolution 1917 durchgesetzt hatte, etablierte eine politische Hegemonie, die sie bis zum Ende der 1980er Jahre wahren konnte. Das Rückgrat des politischen Systems bildete eine moderne Massenpartei, die bis 1952 den Namen „Allunions- Kommunistische Partei (der Bolschewiki)“ trug. Die VKP(b), die sich selbst als „Partei neuen Typs“ bezeichnete, verfügte in allen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Funktionen über ein Monopol: Kaderrekrutierung, Erzeugung von Ideologie, Formulierung von Politik sowie Lenkung von Verwaltung und Wirtschaft wurden in der Partei und durch die Partei organisiert. Das Parteistatut, das auf dem VIII. Parteitag 1919 verabschiedet wurde, markiert die erste Phase der Parteientwicklung nach der Oktoberrevolution. Im März 1919 hatte sich die Russische Kommunistische Partei (Bolschewiki) weitgehend durchgesetzt und das politische Monopol gesichert. Im Bürgerkrieg zeichnete sich ein Sieg über die „Weißen“ ab und die Partei richtete sich auf eine lange Phase der Alleinherrschaft ein. Das Statut von 1919 gibt der Parteiorganisation der zwanziger Jahre ihr Profil.
Die Russische Kommunistische Partei (Bolschewiki) – so die offizielle Bezeichnung seit dem VII. Parteitag 1918 – war im Revolutionsjahr 1917 rasch gewachsen. Die Mitgliederzahlen hatten sich in kurzer Zeit verzehnfacht: Allein zwischen Januar 1917 und Januar 1918 stiegen sie von 24 000 auf 250 000. Die Untergrundpartei, die bis dahin über keine funktionierende, landesweite Organisation verfügte, war nicht in der Lage, diesen Zustrom zu bewältigen. Die Mitgliederfluktuation war hoch, die Parteispitze hatte keinen klaren Überblick über den Mitgliederbestand und die Gliederung der eigenen Organisation. Ein dringendes Anliegen des 1919 verabschiedeten Statuts war es daher, den Zuwachs durch verschärfte Aufnahmebestimmungen zu regulieren und eine geeignete Führungsstruktur zu schaffen.
Ersteres geschah durch die Einführung des Kandidatenstatus. Neue Mitglieder, die von zwei Parteimitgliedern mit mindestens sechsjähriger Parteizugehörigkeit empfohlen werden mussten, hatten zunächst eine Probezeit zu absolvieren, die bei Arbeitern und Bauern zwei, bei anderen Personen sechs Monate dauern sollten. In dieser Zeit sollten sie sich gründlich mit Programm und Taktik der Partei vertraut machen. Ziel war es, „zufällige Elemente“ und Karrieristen aus der Organisation fernzuhalten und der Partei, die sich als Avantgarde verstand und danach strebte, die Leitung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in der Hand zu behalten, einen Elitecharakter zu geben.
Die innere Gliederung der Partei wurde an die staatliche Verwaltungsstruktur angepasst. Auf jeder administrativen Ebene sollte es eine entsprechende Parteiorganisation geben. Dabei unterstanden nach dem Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ die Parteigliederungen auf unterer Ebene jeweils dem höheren Parteiorgan: Die Parteizelle als Grundeinheit unterstand der Parteiorganisation des Amtsbezirks, diese wiederum den Kreiskomitees usw. Die Festlegung des hierarchischen Aufbaus taucht erstmals im Statut von 1919 auf – im Statut von 1917 (verabschiedet auf dem VI. Parteitag der SDRPR) war eine Organisation, die das ganze Land in allen Verwaltungsebenen durchzog, noch nicht vorgesehen.
Eine Neuerung war auch die Organisation der Führungsspitze. Parteitag und Zentralkomitee (CK) gab es zwar schon vorher, aber das Statut von 1919 führte nun drei neue Gremien ein: das politische Büro (Politbüro), das Organisationsbüro (Orgbüro) und das Sekretariat, geleitet von einem Sekretär, der zugleich Mitglied des Organisationsbüros sein sollte. Das Statut von 1917 hatte zwar vorgesehen, dass das CK aus seiner Mitte einen engeren Kreis bilden sollte, der die laufende Arbeit übernahm, doch wurde dies nicht institutionalisiert – es ergab sich praktisch aus der Autorität einzelner Parteiführer wie Lenin, Smirnov, Trockij oder Zinov'ev, die die Politik der Partei maßgeblich bestimmten. 1919 wurde dies formalisiert. Das Politbüro war für die laufende politische Arbeit verantwortlich, das Orgbüro für die organisatorische, während das Sekretariat vor allem eine technische Funktion wahrnehmen sollte.
Damit wurde eine Struktur eingeführt, die in der Folgezeit die Machtverteilung in der Führungsspitze der RKP(b) entscheidend beeinflussen sollte. Im April 1922 (nach dem X. Parteitag im März 1922) ernannte die Führung Iosif Stalin zum Generalsekretär, der zugleich Mitglied des Politbüros und des Orgbüros war und damit eine Schlüsselstellung einnahm. Es gelang Stalin, die organisatorisch-technische Funktion des Sekretärs in politische Macht umzusetzen, indem er seinen Einfluss auf Personalentscheidungen nutzte, um sich Mehrheiten in den wichtigsten Parteiorganisationen zu verschaffen. In den Flügelkämpfen der zwanziger Jahre verschaffte ihm dies eine überlegene Position, die er nutzte, um nacheinander alle politischen Konkurrenten auszuschalten.
Statut der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)
angenommen auf der VIII. Allrussischen Konferenz der KPR (B) (1919)
1. Als Parteimitglied gilt, wer das Programm der Partei anerkennt, in einer ihrer Organisationen mitarbeitet, sich den Beschlüssen der Partei unterordnet und die Mitgliedsbeiträge entrichtet.
2. Neue Mitglieder werden durch die örtlichen Parteikomitees aus den Reihen der Kandidaten aufgenommen und durch die nächste allgemeine Versammlung der betreffenden Organisation bestätigt.
Anmerkung: Auf Empfehlung von 2 Parteimitgliedern, die der Partei vor dem Oktober 1917 beigetreten sind, dürfen in Ausnahmefällen neue Mitglieder auch außerhalb der Reihen der Kandidaten gewonnen werden. Eine solche Ausnahme ist während der Durchführung einer Parteiwoche gemäß einer Instruktion des ZK zulässig.
3. Jedes Mitglied einer Organisation wird bei der Übersiedlung in den Tätigkeitsbereich einer anderen Organisation von dieser mit Zustimmung der früheren Organisation aufgenommen.
4. Über die Frage des Parteiausschlusses entscheidet die allgemeine Versammlung der Organisation, deren Mitglied der Betreffende ist. Der Beschluß über den Ausschluß tritt erst nach seiner Bestätigung durch das Gouvernementkomitee in Kraft, wobei der Betreffende bis zur Bestätigung des Ausschlusses aus der Parteiarbeit entfernt wird. Der Ausschluß von Parteimitgliedern wird in der Parteipresse unter Angabe des Grundes des Ausschlusses bekanntgegeben.
5. Jeder, der in die Reihen der Parteimitglieder einzutreten wünscht, macht eine Kandidatenzeit durch, die ein gründliches Vertrautmachen des Kandidaten mit dem Programm und der Taktik der Partei und die Prüfung der persönlichen Eigenschaften des Kandidaten bezweckt.
6. Neue Mitglieder werden als Kandidaten auf Empfehlung von 2 Parteimitgliedern mit 6jähriger Parteizugehörigkeit aufgenommen, nachdem das örtliche Parteikomitee deren Empfehlungen geprüft hat.
7. Arbeiter und Bauern müssen mindestens 2 Monate, andere Personen mindestens 6 Monate in den Reihen der Kandidaten verbleiben.
8. Die Kandidaten werden mit beratender Stimme zu den öffentlichen allgemeinen Versammlungen der Parteiorganisation zugelassen.
9. Die Kandidaten zahlen den üblichen Mitgliedsbeitrag an die Kasse des örtlichen Parteikomitees.
10. Leitendes Prinzip des organisatorischen Aufbaus der Partei ist der demokratische Zentralismus.
11. Die Partei ist auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus nach dem Territorialprinzip aufgebaut; eine Organisation, die einen bestimmten Bereich umfaßt, gilt als höhere gegenüber allen Organisationen, die Teile des betreffenden Bereichs umfassen.
12. Alle Parteiorganisationen sind in der Entscheidung örtlicher Fragen autonom.
13. Höchstes leitendes Organ jeder Organisation ist die allgemeine Versammlung, die Konferenz oder der Kongreß.
14. Die allgemeine Versammlung, die Konferenz oder der Kongreß wählt ein Komitee, das ihr Vollzugsorgan ist und die gesamte laufende Arbeit der örtlichen Organisation leitet.
15. Das Organisationsschema der Partei ist nachfolgendes:
a) Territorium der RSFSR - Allrussischer Kongreß, ZK;
b) Gebiete [oblasti] und Sowjetrepubliken, die zur RSFSR gehören - Gebietskonferenzen, Gebietskomitees;
c) Gouvernements [gubernii] - Gouvernementkonferenzen, Gouvernementkomitees;
d) Kreise [uezdy] - Kreiskonferenzen, Kreiskomitees;
e) Amtsbezirke [volosti] - Amtsbezirksversammlungen, Amtsbezirkskomitees;
f) Betriebe, Ortschaften, Truppenteile der Roten Armee, Institutionen - allgemeine Versammlungen der Zellen, Zellenbüros.
16. Die Reihenfolge der Unterordnung, der Rechenschaftslegung, der Weiterleitung und Anfechtung aller Parteibeschlüsse ist folgende (von der höchsten Instanz zur niederen): Allrussischer Kongreß, ZK, Gebietskonferenz, Gebietskomitee, Gouvernementkonferenz usw.
17. Für besondere Formen der Parteiarbeit werden Spezialabteilungen geschaffen (nationale Abteilungen, Abteilungen für die Arbeit unter den Frauen, unter der Jugend usw.). Die Abteilungen bestehen bei den Komitees und sind ihnen unmittelbar untergeordnet. Die Organisation der Abteilungen wird durch besondere Instruktionen geregelt, die vom Zentralkomitee bestätigt werden.
18. Alle unteren Organisationen bis zu den Kreisorganisationen werden durch die Kreiskomitees mit Genehmigung des Gouvernementkomitees bestätigt, die Kreisorganisationen durch das Gouvernementkomitee mit Genehmigung des Gebietskomitees oder - falls ein solches nicht vorhanden ist - des ZK, die Gouvernementorganisationen durch das Gebietskomitee mit Genehmigung des ZK oder - falls ein Gebietskomitee nicht vorhanden ist - unmittelbar durch das ZK.
19. Jede Organisation hat nach ihrer endgültigen Bestätigung das Recht, eine eigene Pressestelle einzurichten, jedoch nur mit Genehmigung der entsprechenden höheren Parteiinstanz.
20. Oberstes Parteiorgan ist der Kongreß. Ordentliche Kongresse werden jährlich einberufen. Außerordentliche Kongresse werden vom Zentralkomitee auf eigene Initiative oder auf Verlangen von mindestens einem Drittel aller Mitglieder einberufen, die auf dem letzten Parteikongreß vertreten waren. Die Einberufung des Parteikongresses und die Tagesordnung werden spätestens anderthalb Monate vor dem Kongreß bekanntgegeben. Der außerordentliche Kongreß wird innerhalb einer Frist von 2 Monaten einberufen. Der Kongreß gilt als beschlußfähig, wenn auf ihm mindestens die Hälfte aller Parteimitglieder vertreten ist, die auf dem letzten ordentlichen Kongreß vertreten waren. Die Vertretungsquoten für den Parteikongreß werden vom ZK und von der vor dem Kongreß tagenden ordentlichen Konferenz festgesetzt.
21. Beruft das Zentralkomitee den außerordentlichen Kongreß nicht innerhalb der im Punkt 20 angegebenen Frist ein, so haben die Organisationen, die ihn verlangt haben, das Recht, ein Organisationskomitee zu bilden, dem hinsichtlich der Einberufung des Kongresses alle Rechte des Zentralkomitees zustehen.
22. Der Kongreß:
a) nimmt die Rechenschaftsberichte des ZK, der Revisionskommission und der übrigen zentralen Institutionen entgegen und bestätigt sie;
b) überprüft und ändert das Parteiprogramm;
c) bestimmt die taktische Linie der Partei in den laufenden Angelegenheiten;
d) wählt das ZK und die Revisionskommission usw.
23. Das Zentralkomitee wird in der Zusammensetzung von 19 Mitgliedern (12 Kandidaten) gewählt. Scheiden Mitglieder des ZK aus, so wird das ZK aus dem Kreise der vom Kongresse gewählten Kandidaten in der vom Kongresse festgesetzten Reihenfolge ergänzt.
24. Das Zentralkomitee vertritt die Partei im Verkehr mit anderen Parteien und Institutionen, organisiert die verschiedenen Parteiinstitutionen und leitet ihre Tätigkeit, setzt die Redaktionen der Zentralorgane ein, die unter seiner Kontrolle arbeiten, organisiert und leitet Unternehmungen, die für die Gesamtpartei von Bedeutung sind, verteilt die Kräfte und Mittel der Partei und verwaltet die Zentralkasse.
Das Zentralkomitee lenkt die Arbeit der zentralen Sowjet- und gesellschaftlichen Organisationen durch die Parteifraktionen.
Das Zentralkomitee hält mindestens 2 Plenartagungen im Monat an vorher bestimmten Tagen ab.
25. Das Zentralkomitee bildet für die politische Arbeit das Politische Büro, für die organisatorische Arbeit das Organisationsbüro und das Sekretariat mit dem Sekretär an der Spitze, der Mitglied des Organisationsbüros des ZK ist.
26. Das ZK beruft einmal in 3 Monaten eine Parteikonferenz aus Vertretern der Gouvernement- und Hauptstadtkomitees der Partei ein.
27. Das ZK stellt den Gouvernement- und Hauptstadtkomitees einmal im Monat einen schriftlichen Tätigkeitsbericht zu.
28. Die Revisionskommission besteht aus 3 Mitgliedern, überprüft regelmäßig die Kasse und alle Unternehmungen des ZK und erstattet dem nächsten Parteikongreß Bericht.
V. Die Gebietsorganisationen
29. Die Parteiorganisationen können sich mit Erlaubnis des ZK zu Gebieten zusammenschließen. Das Gebietskomitee wird auf der Gebietskonferenz gewählt. Die Grenzen des Gebiets werden von der Gebietskonferenz festgelegt und vom Zentralkomitee bestätigt.
30. Die Parteiorganisationen, die Bundesteile der RSFSR umfassen, sind den Gebietsorganisationen der Partei in jeder Hinsicht gleichgestellt, d. h. sie unterstehen völlig dem ZK der KPR (B).
31. Die ordentliche Gebietskonferenz wird durch das Gebietskomitee alle 6 Monate einberufen, die außerordentliche auf Beschluß des Gebietskomitees oder der Hälfte aller Mitglieder der Organisationen, die zu dem Gebiete gehören. Die Vertretungsquote für die Gebietskonferenz wird vom Gebietskomitee im Einverständnis mit den Gouvernementkomitees festgesetzt, die zu dem Gebiete gehören. Die Gebietskonferenz nimmt die Rechenschaftsberichte des Gebietskomitees, der Revisionskommission und der übrigen Gebietsinstitutionen entgegen und bestätigt sie und wählt das Komitee und die Revisionskommission.
32. Das Gebietskomitee wird auf der ordentlichen Konferenz gewählt.
Für die laufende Arbeit wählt das Komitee ein Präsidium mit mindestens 3 Mitgliedern. Das Gebietskomitee organisiert die verschiedenen Parteiinstitutionen im Bereiche des Gebiets, leitet ihre Tätigkeit, setzt die Redaktion des Gebietsparteiorgans ein, das unter seiner Kontrolle arbeitet, organisiert und leitet Unternehmungen, die für das Gebiet von allgemeiner Bedeutung sind, verteilt im Bereiche des Gebiets die Kräfte und Mittel der Partei und verwaltet die Gebietskasse. Das Gebietskomitee lenkt die Tätigkeit der Exekutivorgane der Sowjets durch die Parteifraktionen und erstattet dem ZK der KPR alle 3 Monate einen ausführlichen Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit. Das Gebietskomitee tritt zweimal im Monat an einem bestimmten Tage zusammen.
33. Die ordentliche Gouvernementparteikonferenz wird durch das Gouvernementkomitee einmal in 3 Monaten, die außerordentliche auf Beschluß des Gouvernementkomitees oder eines Drittels aller Mitglieder der Organisationen einberufen, die zum Gouvernement gehören. Die Gouvernementkonferenz nimmt die Rechenschaftsberichte des Gouvernementkomitees, der Revisionskommission und der übrigen Gouvernementinstitutionen entgegen und bestätigt sie, wählt das Komitee und die Revisionskommission.
34. Das Gouvernementkomitee wird von der Konferenz gewählt, wobei unter seinen Mitgliedern Funktionäre sowohl aus der Gouvernementhauptstadt als auch aus den übrigen großen Arbeiterzentren des betreffenden Gouvernements sein müssen. Das Gouvernementkomitee tritt zweimal im Monat an einem bestimmten Tage zusammen. Das Gouvernementkomitee bildet aus seiner Mitte für die laufende Arbeit ein Präsidium von mindestens 5 Mitgliedern.
35. Das Gouvernementkomitee bestätigt die Kreis- oder Bezirksorganisationen des Gouvernements mit Genehmigung des Gebietskomitees oder des ZK, organisiert die verschiedenen Parteiinstitutionen im Bereiche des Gouvernements, leitet ihre Tätigkeit, setzt die Redaktion des Gouvernementparteiorgans ein, das unter seiner Kontrolle arbeitet, organisiert alle Unternehmungen, die für das Gouvernement von Bedeutung sind, verteilt im Bereiche des Gouvernements die Kräfte und Mittel der Partei und verwaltet die Gouvernementkasse. Das Gouvernementkomitee lenkt die Tätigkeit des Sowjets, der Gewerkschaften und Genossenschaftsvereinigungen durch die entsprechenden Parteifraktionen. Das Gouvernementkomitee erstattet dem ZK jeden Monat einen ausführlichen Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit und die Tätigkeit der Kreiskomitees.
36. In der Zeit zwischen den Konferenzen leiten die Gouvernementkomitees der allgemeinen Versammlung oder der Konferenz der Stadtorganisation regelmäßig Informationsberichte zu; außerdem berufen die Gouvernementkomitees monatlich Gouvernementberatungen aus Vertretern der Kreis- und Stadtorganisationen ein.
37. In den Gouvernementstädten können nur mit Erlaubnis der Gouvernementkomitees und mit Genehmigung des ZK Stadtkomitees gebildet werden, die den Gouvernementkomitees unterstehen.
Anmerkung: In Petersburg und in Moskau sind die Stadtkomitees den Gouvernementkomitees in jeder Hinsicht gleichgestellt.
38. Die Kreiskonferenz nimmt den Rechenschaftsbericht des Kreiskomitees, der Kreisrevisionskommission entgegen und bestätigt ihn und wählt das Komitee und die Revisionskommission. Die Konferenz tritt mindestens einmal in 3 Monaten zusammen.
39. Das Kreiskomitee wird auf den Kreiskonferenzen in der Besetzung von 5 bis 9 Mitgliedern gewählt.
Das Kreiskomitee bildet aus seiner Mitte ein Präsidium von 3 Mitgliedern, von denen der Sekretär von jeglicher Arbeit, außer der Parteiarbeit, befreit sein muß.
40. Das Kreiskomitee bestätigt die Amtsbezirksorganisationen und die Zellen im Kreis mit Genehmigung des Gouvernementkomitees, organisiert die verschiedenen Parteiinstitutionen im Bereiche des Kreises, leitet ihre Tätigkeit, organisiert alle Unternehmungen, die für den Kreis von Bedeutung sind, veranstaltet Beratungen aus Vertretern der Amtsbezirkszellen und verwaltet die Parteikasse des Kreises.
Anmerkung: Das Recht zur Herausgabe eines Parteiorgans und von Parteiliteratur im Kreis steht nur dem Kreiskomitee zu.
41. Das Kreiskomitee lenkt durch die Parteifraktion die Arbeit des Kreisexekutivkomitees, des Sowjets und aller Gemeindesowjets sowie der Gewerkschaftsorganisationen, der Genossenschafts- und anderen Vereinigungen im Bereiche des Kreises.
42. Höchstes Organ der Amtsbezirks ist die allgemeine Versammlung der Parteimitglieder im betreffenden Amtsbezirk.
Anmerkung: In größeren Amtsbezirken, wo die Einberufung einer allgemeinen Versammlung schwierig ist, kann an die Stelle der allgemeinen Versammlung die Amtsbezirkskonferenz treten.
43. Die allgemeine Versammlung des Amtsbezirks tritt mindestens einmal im Monat zusammen. Die allgemeine Versammlung: a) nimmt Parteimitglieder auf und schließt sie aus; b) wählt das Amtsbezirkskomitee und die Revisionskommission; c) erörtert und bestätigt die Rechenschaftsberichte des Amtsbezirkskomitees und der Revisionskommission; d) wählt die Delegierten zu den Gouvernement-, Kreis- und anderen Konferenzen; e) erörtert und bestätigt den Rechenschaftsbericht der Fraktion des Amtsbezirksexekutivkomitees.
44. Das Amtsbezirkskomitee wird auf der allgemeinen Versammlung (oder der Konferenz) in der Besetzung von 3 oder 5 Mitgliedern auf die Dauer von 3 Monaten gewählt.
45. Das Amtsbezirkskomitee lenkt und leitet die Arbeit aller Organisationen, die zum Amtsbezirk gehören, führt eine Registratur aller Parteimitglieder, organisiert die Verbreitung von Literatur, veranstaltet Kundgebungen, Vorträge usw., organisiert neue Zellen und schlägt sie dem Kreiskomitee zur Bestätigung vor, verwaltet die Parteikasse des Amtsbezirks, erstattet dem Kreis-, Gouvernement-, Gebiets- und Zentralkomitee einmal im Monat Rechenschaft über seine Tätigkeit und lenkt die Arbeit des Gemeindesowjets und des Exekutivkomitees durch die Parteifraktion.
46. Die Revisionskommission überprüft einmal im Monat die Amtsbezirkskasse.
47. Grundlage der Parteiorganisation ist die Parteizelle. Die Zelle wird durch das Kreis-, Stadt- oder Bezirkskomitee bestätigt, wenn mindestens 3 Mitglieder vorhanden sind.
Anmerkung: Eine Zelle, die einen größeren Umfang erreicht hat, kann mit Erlaubnis des entsprechenden Komitees in mehrere Zellen aufgeteilt werden, die einen Unterbezirk bilden.
48. Die Zelle ist die Organisation, die die Arbeiter- und Bauernmassen mit dem leitenden Parteiorgan der betreffenden Gegend verbindet. Die Aufgabe der Zelle ist: 1. die Verwirklichung der Losungen und Beschlüsse der Partei unter den Massen; 2. die Anwerbung neuer Mitglieder; 3. die Unterstützung des örtlichen Komitees in seiner organisatorischen und agitatorischen Arbeit; 4. die aktive Teilnahme als Parteiorgan am wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes.
49. Zur Erledigung der laufenden Arbeit wählt die Zelle ein Büro mit 3 Mitgliedern auf die Dauer eines Monats.
50. Straffste Parteidisziplin ist die erste Pflicht aller Parteimitglieder und Parteiorganisationen. Die Beschlüsse der zentralen Parteiinstanzen müssen schnell und genau ausgeführt werden. Gleichzeitig ist innerhalb der Partei die Erörterung aller Streitfragen des Parteilebens völlig frei, solange über sie noch kein Beschluß gefaßt worden ist.
51. Die Nichtdurchführung von Beschlüssen der höheren Organisationen und andere Vergehen, die von der öffentlichen Meinung der Partei als Vergehen angesehen werden, haben zur Folge: für die Organisation - Tadel, Einsetzung eines provisorischen Komitees von oben und allgemeine Umregistrierung (Auflösung der Organisation); für einzelne Parteimitglieder - Parteitadel, öffentlichen Tadel, zeitweilige Entfernung aus der verantwortlichen Partei- und Sowjetarbeit, zeitweilige Entfernung aus jeglicher Partei- und Sowjetarbeit, Ausschluß aus der Partei und Ausschluß aus der Partei unter Mitteilung des Vergehens an die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden.
52. Jedes Komitee ist berechtigt, Sitzungstage eigens zur Behandlung der verschiedenartigen Disziplinarvergehen anzuberaumen und Sonderkommissionen zu bilden, darf diese jedoch keinesfalls in ständige Parteigerichte verwandeln.
53. Die Disziplinarvergehen werden von den Komitees und den allgemeinen Versammlungen im üblichen Verfahren und auf dem festgesetzten Instanzenweg behandelt.
54. Die Geldmittel der Organisationen setzen sich aus den Mitgliedsbeiträgen, den Zuwendungen höherer Parteiorganisationen und anderen Einkünften zusammen.
55. Die Mitgliedsbeiträge werden auf mindestens 1/2 Prozent des Arbeitslohnes festgesetzt. Je nach der Höhe des Verdienstes werden vier Kategorien von Mitgliedsbeiträgen festgesetzt. Die erste Kategorie zahlt 'li Prozent, die zweite 1 Prozent, die dritte 2 Prozent und die vierte 3 Prozent. Die absoluten Zahlen der beitragspflichtigen Gehälter werden durch eine Instruktion festgesetzt.
56. Neue Mitglieder zahlen einen Aufnahmebeitrag in Höhe von 5 Rubeln.
57. Die Mitgliedsbeiträge für Personen, die ein unbestimmtes Einkommen haben, z. B. Bauern, werden vom örtlichen Gouvernementkomitee nach den allgemeinen Normen festgesetzt.
58. Parteimitglieder, die 3 Monate hindurch ohne triftige Gründe keine Mitgliedsbeiträge entrichtet haben, gelten als aus der Organisation ausgeschieden, was der allgemeinen Versammlung zur Kenntnis gebracht wird.
59. Alle örtlichen Organisationen müssen an das ZK 10 Prozent aller Mitgliedsbeiträge und der übrigen Geldeingänge abführen, die keine besondere Zweckbestimmung haben. Die Amtsbezirksorganisationen führen - einschließlich der 10 Prozent für das ZK - 60 Prozent an die Kasse des Kreiskomitees, das Kreiskomitee 30 Prozent an die Kasse des Gouvernementkomitees ab. 10 Prozent aller Einnahmen des Gouvernementkomitees werden an die Kasse des ZK überwiesen.
60. Auf allen außerparteilichen Kongressen, Beratungen, in allen außerparteilichen Institutionen und Organisationen (Sowjets, Exekutivkomitees, Gewerkschaften, Kommunen usw.) mit mindestens 3 Parteimitgliedern werden Fraktionen organisiert, deren Aufgabe es ist, den Einfluß der Partei allseitig zu stärken, im außerparteilichen Kreise ihre Politik und die Parteikontrolle über die Arbeit aller genannten Institutionen und Organisationen durchzuführen.
61. Zur Behandlung von Fragen im Komitee, die eine Fraktion berühren, entsendet diese ihre Vertreter mit beratender Stimme in die Plenarsitzung des entsprechenden Komitees. Für die laufende Arbeit kann die Fraktion ein Büro wählen.
62. Die Fraktionen unterstehen, unabhängig von ihrer Bedeutung, ganz der Partei. Die Fraktionen sind verpflichtet, sich in allen Fragen, zu denen rechtmäßige Beschlüsse der entsprechenden Parteiorganisation vorliegen, streng und konsequent an diese Beschlüsse zu halten. Das Komitee ist berechtigt, jedes beliebige Mitglied in die Fraktion einzugliedern oder aus ihr abzuberufen, wobei es verpflichtet ist, der Fraktion die Gründe einer solchen Maßnahme mitzuteilen. In den Fragen ihres inneren Lebens und der laufenden Arbeit ist die Fraktion autonom. Tritt zwischen dem Parteikomitee und der Fraktion eine wesentliche Meinungsverschiedenheit über eine Frage auf, die in die Zuständigkeit der Fraktion gehört, so ist das Komitee verpflichtet, diese Frage ein zweites Mal mit den Vertretern der Fraktion zu behandeln und einen endgültigen Beschluß zu fassen, den die Fraktion unverzüglich durchzuführen hat.
63. Für alle wichtigsten Stellungen in der Institution oder in der Organisation, in denen eine Fraktion arbeitet, werden die Kandidaten von der Fraktion gemeinsam mit der Parteiorganisation aufgestellt. Auf die gleiche Weise erfolgt die Versetzung aus einer Stellung in eine andere.
64. Alle Fragen, die politische Bedeutung haben und von der Fraktion zu behandeln sind, müssen in Anwesenheit von Vertretern des Komitees beraten werden. Die Komitees sind verpflichtet, ihre Vertreter auf den ersten Antrag der Fraktion zu entsenden.
65. Jede Frage, die von der außerparteilichen Organisation zu entscheiden ist, in der die Fraktion arbeitet, muß vorher auf der allgemeinen Versammlung oder im Büro der Fraktion beraten werden.
66. Alle Mitglieder der Fraktion sind verpflichtet, auf der allgemeinen Versammlung einer außerparteilichen Organisation über jede Frage, die in der Fraktion der betreffenden Organisation entschieden worden ist, einstimmig abzustimmen. Wer diese Regel verletzt, unterliegt Disziplinarmaßnahmen im üblichen Verfahren.
Rev. Übersetzung hier nach: Brunner, G., Das Parteistatut der KPdSU 1903-1961, Köln 1965 (= Dokumente zum Studium des Kommunismus. Hrsg. vom Bundesinstitut zur Erforschung des Marxismus-Leninismus (Institut für Sowjetologie), Bd. 2), S. 116-122.
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RGASPI, f. 42, оp. 1, d. 3, l. 116-122. Entwurf. Gemeinfrei (amtliches Werk).
Georg Brunner, Das Parteistatut der KPdSU 1903–1961 (=Dokumente zum Studium des Kommunismus 2). Bundesinstitut zur Erforschung des Marxismus-Leninismus (Institut für Sowjetologie), Köln 1965.
Petr N. Fedoseev/Konstantin U. Černenko (Hrsg.), Kommunističeskaja Partija Sovetskogo Sojuza v rezoljucijach i rešenijach s“ezdov, konferencij i plenumov CK (1898–1970). 10 Bde [Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Entscheidungen von Parteikongressen und CK-Plenums 1898–1970]. 8. Aufl., Politizdat, Moskva 1970ff.
Manfred Hildermeier, Geschichte der Sowjetunion, 1917–1991: Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates (=Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung). 2., überarb. und erw. Aufl., C.H.Beck, München 2017.
Robert Hatch McNeal, Guide to the decisions of the Communist Party of the Soviet Union, 1917–1967. Univ. of Toronto Press, Toronto 1972.
Boris Meissner, Das Parteiprogramm der KPdSU 1903 bis 1961 (=Dokumente zum Studium des Kommunismus 1). Wissenschaft und Politik, Köln 1962.
Boris N. Ponomarev (Hrsg.), Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. 3. Aufl., Marxistische Blätter, Frankfurt a. M. 1971.
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Hans-Henning Schröder, Arbeiterschaft, Wirtschaftsführung und Parteibürokratie während der Neuen Ökonomischen Politik: Eine Sozialgeschichte der bolschewistischen Partei 1920–1928 (=Historische Veröffentlichungen 31). Harrassowitz, Wiesbaden 1982, Online.
Hans-Henning Schröder, Industrialisierung und Parteibürokratie in der Sowjetunion: ein sozialgeschichtlicher Versuch über die Anfangsphase des Stalinismus (1928–1934) (=Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte 41). Osteuropa-Institut, Berlin 1988.
Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen und Plenen des ZK 1898–1954. 10 Bde. Berlin (O) 1957.