Kommuniqué der Sondersitzung der Außen- und Verteidigungsminister der NATO in Brüssel (NATO-Doppelbeschluss)

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Kommuniqué der Sondersitzung der Außen- und Verteidigungsminister der NATO in Brüssel (NATO-Doppelbeschluss)
12. Dezember 1979
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Der NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 stand inmitten einer erheblichen Verschärfung der Ost-West-Beziehungen am Ende der 1970er Jahre. Über seinen konkreten militärisch-rüstungspolitischen Gehalt hinaus wurde er zu einer Grundsatzfrage sowohl im Verhältnis zwischen den Blöcken als auch innerhalb des westlichen Bündnisses stilisiert. Vor diesem Hintergrund konnten sich auch die massiven gesellschaftlichen Protestbewegungen vor allem in der Bundesrepublik nicht durchsetzen. Inwieweit der NATO-Doppelbeschluss zum Ende des Kalten Krieges beitrug, ist umstritten.


von: Andreas Rödder, 2011


Das Kommuniqué der Außen- und Verteidigungsminister vom 12. Dezember 1979 dokumentierte den Entschluss der NATO, im Bereich der atomaren Mittelstreckenwaffen gegenüber der Sowjetunion auf zwei „parallel laufenden und komplementären“ Wegen vorzugehen. Auf der einen Seite stand der „Modernisierungsbeschluss“ für die amerikanischen bodengestützten Systeme in Europa: 108 Abschussvorrichtungen für Pershing II und 464 bodengestützte Marschflugkörper (Cruise Missiles) sollten die weniger durchschlagskräftigen Pershing Ia und 1000 nukleare Gefechtsköpfe ersetzen. Auf der anderen Seite stand ein Angebot zu rüstungskontrollpolitischen Verhandlungen, um die Zahl der vorhandenen sowjetischen und der zu dislozierenden amerikanischen Waffen zu begrenzen.

Als Begründung für diesen Beschluss diente „der fortdauernde intensive militärische Aufwuchs auf Seiten des Warschauer Paktes“, vor allem die seit 1976 rasch voranschreitende Stationierung der mit Dreifachsprengköpfen ausgestatteten SS-20-Raketen. Seine Ursprünge lagen jedoch bereits vor den sowjetischen Rüstungsmaßnahmen: Zunächst waren auf militärtechnischer Ebene innerhalb der Militärbürokratie der NATO – vor allem auf US-amerikanischer Seite – reguläre rüstungspolitische Modernisierungen der vorhandenen Waffensysteme erwogen worden. Hinzu kam zweitens die Entwicklung im Bereich der Rüstungskontrolle: Die amerikanisch-sowjetischen Vereinbarungen über die strategischen Waffen (SALT I 1972 und eine Interimsvereinbarung für SALT II 1974) hatten die atomaren Langstreckensysteme beider Seiten limitiert und somit gegenseitig faktisch neutralisiert. Auf europäischer Seite weckte diese Parität die Furcht vor einer „Abkopplung“ der USA von den westeuropäischen Bündnispartnern und ihrer Bedrohung durch die sowjetischen Mittelstreckenwaffen. Verstärkt wurde diese Lücke im „Eskalationskontinuum“ – und hier kommen drittens die sowjetischen Rüstungsmaßnahmen der siebziger Jahre hinzu – durch wachsende „Disparitäten militärischer Kräfte sowohl auf konventionellem als auch taktisch-nuklearem Gebiet“.

So jedenfalls formulierte der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt den Befund in seiner Rede vor dem International Institute for Strategic Studies am 28. Oktober 1977.[1] Das westliche Bündnis, so Schmidts Konsequenz, müsse Gegenmaßnahmen ergreifen. Im günstigen Falle seien dies Rüstungskontrollvereinbarungen zur Herstellung des europäischen Kräftegleichgewichts. Andernfalls und bis dahin aber müsse die NATO „bereit sein, für die gültige Strategie ausreichende und richtige Mittel bereitzustellen“. Diese Rede wurde in den USA als Forderung Schmidts nach nuklearer Aufrüstung im Mittelstreckenbereich verstanden und verband sich mit den bereits laufenden Vorbereitungen zur Modernisierung des nuklearen Arsenals. Im Laufe des Jahres 1978 schwenkte dann auch US-Präsident Jimmy Carter, der sich zunächst abwartend verhalten hatte, auf eine Dislozierung amerikanischer Mittelstreckenraketen ein, um das eurostrategische Gleichgewicht wiederherzustellen.

Das westliche Bündnis sah sich dabei sowohl nach außen als auch nach innen in der Defensive. Zum einen empfand man im Westen die sowjetische Rüstung in zunehmendem Maße als überlegen und wähnte die Sowjetunion und die kommunistischen Bewegungen „überall auf dem Vormarsch“ (Henry Kissinger) – nicht zuletzt angesichts der amerikanischen Führungsschwäche im Gefolge des Vietnamkrieges, des Scheiterns der Präsidentschaft Richard Nixons 1974 und dann auch durch die Politik Jimmy Carters. Letzterer hatte zum anderen eine schwere Krise innerhalb des westlichen Bündnisses ausgelöst, als er 1977 zunächst für die Einführung der Neutronenbombe plädiert und die europäischen Alliierten gegen erhebliche Widerstände auf Kurs gebracht hatte, dann aber 1978 unversehens von diesem Projekt wieder abrückte.

Vor diesem Hintergrund wurde die Frage der atomaren Mittelstreckenwaffen in Europa auf Seiten der NATO zu einer Grundsatzfrage stilisiert, zu einem Test der Handlungsfähigkeit sowohl gegenüber der Sowjetunion als auch innerhalb des eigenen Bündnisses. Ihre Bedeutung ging weit über ihren militärtechnischen Gehalt hinaus und drängte inhärente Widersprüche des NATO-Doppelbeschlusses (etwa zwischen den Zielen der Modernisierung und „Ankopplung“ auf der einen und der Rüstungskontrolle auf der anderen Seite) zurück.

Zugleich spiegelte dieser Vorgang die Mechanismen des Ost-West-Konflikts im Zeichen der atomaren Abschreckung wider: Denn solange der atomare Einsatz als Test auf die materielle Substanz der Vernichtungsdrohung unterblieb – und gerade darum ging es der atomaren Abschreckung –, wurde die Realität der direkten Ost-West-Beziehungen wie in einem Spiegelkabinett durch Perzeptionen, Selbstinszenierungen und antizipierten Fremdperzeptionen konstituiert. Was dabei zu vermitteln war, waren erstens die Verfügbarkeit über die Mittel und zweitens die Entschlossenheit zu ihrem Einsatz, selbst wenn eben seine Verhinderung das Ziel war. Die entscheidende Kategorie in diesem Kommunikationsprozess war Glaubwürdigkeit.

Angesichts dieser Rückführung des NATO-Doppelbeschlusses auf das Grundsätzliche – obendrein vor dem Hintergrund des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan zwei Wochen nach dem NATO-Doppelbeschluss – hatten die gesellschaftlichen Protestbewegungen, die sich vor allem in der Bundesrepublik artikulierten, keine Chance, sich politisch durchzusetzen. Obwohl die Friedensbewegung mit Massendemonstrationen und erheblicher massenmedialer Präsenz Meinungsbildungsprozesse weit in die Gesellschaft hinein beeinflusste, und obwohl darüber die Regierung Schmidt ihre innere Basis verlor, resultierte daraus nicht eine Regierung, die ihre Forderungen erfüllt hätte. Im Gegenteil praktizierte die neue Bundesregierung unter der Führung von Helmut Kohl demonstrative Loyalität mit der NATO und den USA und nahm somit die Anpassung der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik an die gewandelten Umstände des „zweiten Kalten Krieges“ (Fred Halliday) und den Kurs der NATO vor.

Die Regierung Kohl trug auch das Scheitern der amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen in Genf mit und setzte die daran anschließende Stationierung der Pershing II und Cruise Missiles in der Bundesrepublik im Herbst 1983 gegen erhebliche gesellschaftliche Widerstände durch. Zu diesem Zeitpunkt, als die Ost-West-Beziehungen einen Tiefpunkt erreichten, war nicht abzusehen, dass keine zwei Jahre später erneut sowjetisch-amerikanische Verhandlungen aufgenommen würden, die vier Jahre nach dem Beginn der Stationierung in einer Vereinbarung über den vollständigen Abbau der beiderseitigen atomaren Mittelstreckenraketen enden würden – und erst recht war nicht abzusehen, dass zwei weitere Jahre später der gesamte Ostblock zusammenbrechen würde.

Inwiefern die entschlossene Haltung des Westens im „zweiten Kalten Krieg“, auf die schon Carter eingeschwenkt war und die sein Nachfolger Ronald Reagan seit 1981 noch einmal erheblich verstärkte, zu dieser Entwicklung beitrug, zählt zu den kontroversesten Fragen der Cold War History. Dass der Westen die Sowjetunion mit Hilfe des NATO-Doppelbeschlusses zugrunde gerüstet habe, wie häufig geurteilt wird, lässt sich in dieser Eindeutigkeit allerdings nicht verifizieren. Denn es waren nicht neuerliche Rüstungsanstrengungen im Gefolge des NATO-Doppelbeschlusses, die Michail Gorbačev nach seinem Amtsantritt im März 1985 bewogen, eine zunächst genuin ökonomische Politik der Reformen einzuschlagen. Damit leitete der sowjetische Staatschef einen Prozess ein, der nicht zuletzt durch seine außenpolitischen Weiterungen des Verzichts auf den eigenen Herrschaftsbereich und durch eine zunehmend unkontrollierbare Eigendynamik zum Zusammenbruch des Ostblocks und schließlich auch der Sowjetunion 1989/91 führte.

Da sich die Sowjetunion bereits zuvor in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise befand, ist dem NATO-Doppelbeschluss also keine unmittelbar verursachende Wirkung für den Zusammenbruch des Ostblocks zuzuschreiben. Allerdings spricht manches dafür, dass die entschiedene rüstungspolitische Reaktion des Westens die offensiven Anstrengungen der Sowjetunion in den siebziger Jahren im Rüstungsbereich sowie in der „Dritten Welt“ konterkarierte und somit den ideologischen Zerfallsprozess in Moskau beförderte. Indem diese starke westliche Haltung die Entscheidungsträger zudem davon abhielt, sich auf einen neuerlichen Rüstungswettlauf einzulassen, und sie stattdessen zum Abbruch der Systemkonkurrenz bewog, trug sie in der Tat zum Zusammenbruch des Ostblocks bei, dessen erste Ursachen allerdings in der aus vielen Gründen überforderten Sowjetunion selbst lagen.

  1. Siehe: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 8. November 1977, S. 1014.

Kommuniqué der Sondersitzung der Außen- und Verteidigungsminister der NATO in Brüssel, 12. Dezember 1979[ ]

1. Die Außen- und Verteidigungsminister trafen am 12. Dezember 1979 in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen.

2. Die Minister verwiesen auf das Gipfeltreffen vom Mai 1978, bei dem die Regierungen ihre politische Entschlossenheit zum Ausdruck brachten, der Herausforderung zu begegnen, die der fortdauernde intensive militärische Aufwuchs auf seiten des Warschauer Paktes für ihre Sicherheit darstellt.

3. Im Laufe der Jahre hat der Warschauer Pakt ein großes und ständig weiterwachsendes Potential von Nuklearsystemen entwickelt, das Westeuropa unmittelbar bedroht und eine strategische Bedeutung für das Bündnis in Europa hat. Diese Lage hat sich innerhalb der letzten Jahre in besonderem Maße durch die sowjetischen Entscheidungen verschärft, Programme zur substantiellen Modernisierung und Verstärkung ihrer weitreichenden Nuklearsysteme durchzuführen. Insbesondere hat die Sowjetunion die SS 20-Rakete disloziert, die durch größere Treffgenauigkeit, Beweglichkeit und Reichweite sowie durch die Ausrüstung mit Mehrfachsprengköpfen eine bedeutende Verbesserung gegenüber früheren Systemen darstellt, und sie hat den „Backfire-Bomber“ eingeführt, der wesentlich leistungsfähiger ist als andere sowjetische Flugzeuge, die bisher für kontinentalstrategische Aufgaben vorgesehen waren. Während die Sowjetunion in diesem Zeitraum ihre Überlegenheit bei den nuklearen Mittelstreckensystemen (LRTNF) sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgebaut hat, ist das entsprechende Potential des Westens auf demselben Stand geblieben. Darüber hinaus veralten diese westlichen Systeme, werden zunehmend verwundbarer und umfassen zudem keine landgestützten LRTNF-Raketensysteme.

4. Gleichzeitig hat die Sowjetunion auch ihre Nuklearsysteme kürzerer Reichweite modernisiert und vermehrt und die Qualität ihrer konventionellen Streitkräfte insgesamt bedeutend verbessert. Diese Entwicklungen fanden vor dem Hintergrund des wachsenden Potentials der Sowjetunion im interkontinental-strategischen Bereich und der Herstellung der Parität mit den Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet statt.

5. Diese Entwicklungen haben im Bündnis ernste Besorgnis hervorgerufen, da – falls sie fortdauern sollten – die sowjetische Überlegenheit bei den Mittelstreckenwaffen die bei den interkontinentalen strategischen Systemen erzielte Stabilität aushöhlen könnte. Durch diese Entwicklungen könnte auch die Glaubwürdigkeit der Abschreckungsstrategie des Bündnisses dadurch in Zweifel gezogen werden, daß die Lücke im Spektrum der dem Bündnis zur Verfügung stehenden nuklearen Reaktionen auf eine Aggression stärker akzentuiert würde.

6. Die Minister stellten fest, daß diese jüngsten Entwicklungen konkrete Maßnahmen des Bündnisses erfordern, wenn die NATO-Strategie der flexiblen Reaktion glaubwürdig bleiben soll. Nach intensiven Beratungen auch über alternative Ansätze und deren Wert und nach Kenntnisnahme der Haltung bestimmter Bündnispartner, kamen die Minister überein, daß dem Gesamtinteresse der Allianz am besten dadurch entsprochen wird, daß die zwei parallelen und sich ergänzenden Ansätze: LRTNF-Modernisierung und -Rüstungskontrolle verfolgt werden.

7. Die Minister haben daher beschlossen, das LRTNF-Potential der NATO durch die Dislozierung von amerikanischen bodengestützten Systemen in Europa zu modernisieren. Diese Systeme umfassen 108 Abschußvorrichtungen für Pershing II, welche die derzeitigen amerikanischen „Pershing I a“ ersetzen werden, und 464 bodengestützte Marschflugkörper (GLCM). Sämtliche Systeme sind jeweils mit nur einem Gefechtskopf ausgestattet. Alle Staaten, die zur Zeit an der integrierten Verteidigungsstruktur beteiligt sind, werden an diesem Programm teilnehmen. Die Raketen werden in ausgewählten Ländern stationiert und bestimmte Nebenkosten werden im Rahmen von bestehenden Finanzierungsvereinbarungen der NATO gemeinsam getragen werden. Das Programm wird die Bedeutung nuklearer Waffen für die NATO nicht erhöhen. In diesem Zusammenhang kamen die Minister überein, daß als integraler Bestandteil der TNF-Modernisierung so bald wie möglich 1 000 amerikanische nukleare Gefechtsköpfe aus Europa abgezogen werden. Weiterhin beschlossen die Minister, daß die 572 LRTNF-Gefechtsköpfe innerhalb dieses verminderten Bestands untergebracht werden sollen. Dies impliziert notwendigerweise eine Gewichtsverlagerung mit der Folge, daß die Zahl der Gefechtsköpfe von Trägersystemen anderer Typen und kürzerer Reichweite abnimmt. Zusätzlich haben die Minister mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Nukleare Planungsgruppe (NPG) eine genaue Untersuchung vornimmt über Art, Umfang und Grundlage der sich aus der LRTNF-Dislozierung ergebenden Anpassungen und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Ausgewogenheit von Aufgaben und Systemen im gesamten nuklearen Arsenal der NATO. Diese Untersuchung wird Grundlage eines substantiellen Berichts an die Minister der NPG im Herbst 1980 sein.

8. Die Minister messen der Rüstungskontrolle als Beitrag zu einem stabileren militärischen Kräfteverhältnis zwischen Ost und West und zur Förderung des Entspannungsprozesses eine große Bedeutung bei. Dies spiegelt sich wider in einem breit angelegten Spektrum von Initiativen, die im Bündnis geprüft werden mit dem Ziel, die Weiterentwicklung von Rüstungskontrolle und Entspannung in den achtziger Jahren zu fördern. Die Minister betrachten die Rüstungskontrolle als integralen Bestandteil der Bemühungen des Bündnisses, die unverminderte Sicherheit seiner Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die strategische Lage zwischen Ost und West auf einem beiderseits niedrigeren Rüstungsniveau stabiler, vorhersehbarer und beherrschbarer zu gestalten. In dieser Hinsicht begrüßen sie den Beitrag, den der SALT II-Vertrag zur Erreichung dieser Ziele leistet.

9. Die Minister sind der Auffassung, daß auf der Grundlage des mit SALT II erreichten und unter Berücksichtigung der die NATO beunruhigenden Vergrößerung des sowjetischen LRTNF-Potentials nun auch bestimmte amerikanische und sowjetische LRTNF in die Bemühungen einbezogen werden sollten, durch Rüstungskontrolle ein stabileres umfassendes Gleichgewicht bei geringeren Beständen an Nuklearwaffen auf beiden Seiten zu erzielen. Dies würde frühere westliche Vorschläge und die erst kürzlich geäußerte Bereitschaft des sowjetischen Staatspräsidenten Breschnew aufnehmen, solche sowjetischen und amerikanischen Systeme in Rüstungskontrollverhandlungen einzubeziehen. Die Minister unterstützen voll die als Ergebnis von Beratungen im Bündnis getroffene Entscheidung der Vereinigten Staaten, über Begrenzungen der LRTNF zu verhandeln und der Sowjetunion vorzuschlagen, so bald wie möglich Verhandlungen auf der Grundlage der folgenden Leitlinien aufzunehmen, die das Ergebnis intensiver Konsultationen innerhalb des Bündnisses sind:

a) Jede künftige Begrenzung amerikanischer Systeme, die in erster Linie für den Einsatz als TNF bestimmt sind, soll von einer entsprechenden Begrenzung sowjetischer TNF begleitet sein.

b) Über Begrenzungen von amerikanischen und sowjetischen LRTNF soll Schritt für Schritt bilateral im Rahmen von SALT III verhandelt werden.

c) Das unmittelbare Ziel dieser Verhandlungen soll die Vereinbarung von Begrenzungen für amerikanische und sowjetische landgestützte LRTNF-Raketensysteme sein.

d) Jede vereinbarte Begrenzung dieser Systeme muß mit dem Grundsatz der Gleichheit zwischen beiden Seiten vereinbar sein. Die Begrenzungen sollen daher in einer Form vereinbart werden, die de jure Gleichheit sowohl für die Obergrenzen als auch für die daraus resultierenden Rechte festlegt.

e) Jede vereinbarte Begrenzung muß angemessen verifizierbar sein.

10. Angesichts der besonderen Bedeutung dieser Verhandlungen für die Sicherheit des Bündnisses insgesamt wird zur Unterstützung der amerikanischen Verhandlungsbemühungen ein besonderes, hochrangiges Konsultationsgremium Innerhalb des Bündnisses gebildet. Dieses Gremium wird die Verhandlungen kontinuierlich begleiten und den Außen- und Verteidigungsministern berichten. Die Minister werden die Entwicklung dieser und anderer Rüstungskontrollverhandlungen bei ihren halbjährlichen Konferenzen bewerten.

11. Die Minister haben sich zu diesen beiden parallel laufenden und komplementären Vorgehensweisen entschlossen, um einen durch den sowjetischen TNF-Aufwuchs verursachten Rüstungswettlauf in Europa abzuwenden, dabei jedoch die Funktionsfähigkeit der Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie der NATO weiterhin zu erhalten und damit die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten weiterhin zu gewährleisten.

a) Ein Modernisierungsbeschluß, einschließlich einer verbindlichen Festlegung auf Dislozierungen, ist erforderlich, um den Abschreckungs- und Verteidigungsbedürfnissen der NATO gerecht zu werden, um in glaubwürdiger Weise auf die einseitigen TNF-Dislozierungen der Sowjetunion zu reagieren und um das Fundament für ernsthafte Verhandlungen über TNF zu schaffen.

b) Erfolgreiche Rüstungskontrolle, die den sowjetischen Aufwuchs begrenzt, kann die Sicherheit des Bündnisses stärken, den Umfang des TNF-Bedarfs der NATO beeinflussen und im Einklang mit der grundlegenden NATO-Politik von Abschreckung, Verteidigung und Entspannung – wie sie im Harmel-Bericht niedergelegt wurde – Stabilität und Entspannung in Europa fördern. Der TNF-Bedarf der NATO wird im Licht konkreter Verhandlungsergebnisse geprüft werden.

Hier nach: Bulletin des Presse- und Informationsdienstes, 1979, Nr. 154, 18. Dezember, S. 1409f.



Hier nach: Bulletin des Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung, 1979, Nr. 154, 18. Dezember, S. 1409-1410.

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