Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Lambsdorff-Papier)

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Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Lambsdorff-Papier)Отто Граф Ламбсдорф, концепция политики преодоления слабого роста и борьбы с безработицей
9. September 1982
сентябрь 9, 1982
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Beim „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“, kurz „Lambsdorff-Papier“, handelt es sich um eine wirtschaftspolitische Programmschrift, die im Bundeswirtschaftsministerium unter der Leitung von Otto Graf Lambsdorff (FDP) ausgearbeitet wurde. Das Papier ist als „Scheidungsbrief“ in die Geschichte eingegangen, weil seine Veröffentlichung am 9. September 1982 den Bruch der Regierungskoalition zwischen SPD und FDP auslöste. Sein Inhalt steht stellvertretend für die wirtschaftspolitische Umorientierung von der keynesianischen Nachfragesteuerung zur liberalen Angebotspolitik, die während der 1970er Jahre eingesetzt hatte. Da das neue wirtschaftspolitische Leitbild in der Folgezeit jedoch nur sehr unvollständig umgesetzt wurde, ist das Lambsdorff-Papier gleichzeitig ein Schlüsseldokument für die Beharrungskraft des westdeutschen Gesellschaftsmodells.



[Русская версия отсутствует]


von: Sabine Dworog, 2011 (aktualisiert 2024)


Entstehungskontext[ ]

Das westdeutsche Gesellschaftsmodell hatte sich als spezifische Balance zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet und war ein wichtiger Faktor für die Stabilisierung der jungen Bundesrepublik. Es beruhte auf der Kombination von Marktwirtschaft und Demokratie, war vom Individuum her gedacht und integrierte die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in den Steuerungsprozess. Insbesondere der Klassengegensatz konnte dadurch überwunden werden, dass permanentes Wirtschaftswachstum einen hohen Beschäftigungsgrad ermöglichte und die erzielten Überschüsse zur Umverteilung von oben nach unten eingesetzt werden konnten. Inspiriert von keynesianischen Steuerungsvorstellungen spielte der Staat eine besonders aktive Rolle bei der Koordinierung des sozialen Ausgleichs, die mit dem Beginn der Großen Koalition auch gesetzlich festgeschrieben wurde.

Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (1967) verpflichtete den Staat auf die Stabilisierung von vier makroökonomischen Kenngrößen: Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie Wachstum. Darüber hinaus sollte er durch antizyklisches Ausgabeverhalten die Konjunktur drosseln oder ankurbeln, um so ihren Verlauf zu verstetigen und gleichmäßiges Wachstum zu gewährleisten. Dieser Idee einer „Globalsteuerung“ lag die Überzeugung zugrunde, auf der Grundlage unabhängigen Expertenwissens gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge umfassend abbilden und vorhersagen zu können. Flankiert wurde das gesellschaftliche Konsensmodell durch die umfangreiche soziale Absicherung privater Lebensrisiken. Die Rentenreform 1957 markierte den Übergang zum Wohlfahrtsstaat, der insbesondere während der Kanzlerschaft Willy Brandts expandierte.

Weltwirtschaftliche Strukturveränderungen wie der Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse (Bretton-Woods-System), das Vordringen der Schwellenländer als neue Konkurrenten auf dem Weltmarkt sowie die erste Ölkrise (1973) erschütterten diese wirtschaftspolitische Vorstellungswelt zu Beginn der 1970er Jahre. Die Verteuerung des Rohöls führte auch in der Bundesrepublik zu einer Rezession. Erstmals stiegen die Inflation und die Arbeitslosigkeit gleichzeitig – eine Koinzidenz von Krisenphänomenen, die mit der herrschenden wirtschaftspolitischen Theorie nicht zu erklären war.

Anstöße für einen wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel kamen zunächst aus der Wissenschaft. Der „Rat von Sachverständigen für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ formulierte erstmals in seinem Jahresgutachten 1974/75 Elemente einer Angebotspolitik. Im Gegensatz zur links konnotierten keynesianischen Nachfragesteuerung wird diese dem Wirtschaftsliberalismus zugeordnet. Sie bezieht sich nicht auf die volkswirtschaftlichen Makrodaten, sondern zielt auf das individuelle Verhalten, um Wirtschaftswachstum zu stimulieren. In dieser Verschiebung der wirtschaftspolitischen Perspektive von der Makro- auf die Mikroebene liegt die Brisanz des wissenschaftlichen Paradigmenwechsels für Politik und Gesellschaft, da sie gravierende Konsequenzen für die staatliche Steuerung nach sich zog. So kommt dem Staat in der Vorstellung der Angebotsökonomie lediglich die Aufgabe zu, ein günstiges Investitionsklima für die Unternehmen zu schaffen, während sein eigenes Ausgabeverhalten langfristig stabil und berechenbar sein soll. Nicht vorhersehbare staatliche Ausgabenprogramme und eine antizyklische Steuerpolitik werden demgegenüber als Irritation eines auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesenen privaten Sektors verstanden. Dieser soll außerdem von übermäßigen Sozialabgaben und bürokratischen Vorschriften entlastet werden, was die Forderung nach entsprechenden Kürzungen der staatlichen Sozialtransfers zur Folge hat.

Unter den Wissenschaftlern konkurrierte diese Theorie während der zweiten Hälfte der 1970er Jahre noch mit keynesianischen Vorstellungen. Auch die Wirtschaftspolitik der SPD-FDP-Koalition unter Helmut Schmidt bot ein entsprechend uneinheitliches Bild. Während die Expansion des Wohlfahrtsstaates auf hohem Niveau stagnierte, die Ausgaben zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte empfindlich gekürzt wurden und die verbleibenden staatlichen Ausgabenprogramme teilweise bereits auf die Förderung privater Investitionen zielten, hatte die SPD große Schwierigkeiten, sich von der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage als Steuerungsgröße zu lösen. Währenddessen profilierte sich die FDP seit den späten 1970er Jahren immer stärker als Verfechterin der Angebotspolitik.

Als die Arbeitslosigkeit nach der zweiten Ölkrise (1978/79) abermals stieg, sich die Lage der öffentlichen Finanzen zuspitzte und eine ohnehin bereits hohe Staatsverschuldung den Handlungsspielraum der Regierung noch mehr lähmte, war der sozial- und wirtschaftspolitische Konsens zwischen den Regierungsparteien an sein Ende gelangt. Bereits ab Sommer 1981 spekulierte man offen über den Bruch der Koalition. Um die Positionen endgültig zu klären, forderte Helmut Schmidt den Wirtschaftsminister am 1. September 1982 auf, seine Ansichten schriftlich zu formulieren. Nur acht Tage später legte Otto Graf Lambsdorff sein Thesenpapier vor. Die Koalition hielt sich daraufhin nur noch eine gute Woche. Am 17. September kündigte Helmut Schmidt das Regierungsbündnis auf. Die FDP ging eine neue Koalition mit der CDU/CSU ein, die bis 1998 von Helmut Kohl geführt wurde. Lambsdorff selbst blieb bis 1984 im Amt.

Inhaltsanalyse[ ]

Das Thesenpapier, das in der Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums offenbar bereits längerfristig vorbereitet worden war, beginnt mit dem Befund einer „hartnäckige[n] Stabilitäts- und Anpassungskrise“ der gesamten Weltwirtschaft [Abschnitt I], die im Inland mit einer gravierenden Verschlechterung der wichtigsten makroökonomischen Kenngrößen einhergehe: dem Anstieg der Staatsquote auf knapp 50 Prozent, einer wachsenden Steuer- und Abgabenbelastung und einer strukturell hohen Verschuldung der öffentlichen Haushalte, einer hohen Zahl von Insolvenzen und einer rückläufigen gesamtwirtschaftliche Investitionsquote. Diese Bündelung von Krisenerscheinungen habe „in weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft“ zu „Resignation und Zukunftspessimismus“ geführt. Ein unklarer wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Kurs, der als „zu kurzatmig, zu vordergründig, zu unsystematisch und teilweise sogar als in sich widersprüchlich“ wahrgenommen worden sei,[1] habe die schlechte Stimmung noch verstärkt. Er sei somit für die Investitionszurückhaltung in der Privatwirtschaft unmittelbar verantwortlich zu machen. Diese ziehe wiederum die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit nach sich, deren Bekämpfung als „politische Aufgabe Nummer 1“ anerkannt werden müsse.[2] In der Wiederherstellung des Zukunftsvertrauens erkannte das Ministerium somit den Ansatzpunkt, um den Niedergang zu beenden: Sie sei die Voraussetzung für private Investitionen, die wiederum Beschäftigung und Wachstum nach sich zögen, auf deren Grundlage die staatlichen Haushalte saniert werden könnten – eine Argumentationskette, die der angebotspolitischen Vorstellungswelt genau entsprach. Kreditfinanzierte staatliche Ausgabenprogramme zur Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lehnten die Autoren demgegenüber ab.

Entsprechend ist auch der wirtschaftspolitische Maßnahmenkatalog gestaltet, der den größten Teil des Papiers ausmacht und in vier große Bereiche unterteilt ist: Erstens sollen öffentliche Haushalte angebotspolitisch in die Pflicht genommen werden, indem sie investive Ausgaben, beispielsweise für Infrastrukturprojekte, stärken, Sozialausgaben jedoch zurückfahren. Auf dem Gebiet der Steuerpolitik ist zweitens vorgesehen, die Gewerbe- und die Vermögenssteuer, die Unternehmen besonders belasten, schrittweise zu beseitigen und die Einnahmeausfälle mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auszugleichen. Drittens lassen die sozialpolitischen Vorschläge die Maxime erkennen, private Lebensrisiken weniger umfassend als zuvor staatlich abzusichern. Sie sehen unter anderem eine höhere Eigenbeteiligung an den Leistungen der Krankenversicherung vor, strengere Berechtigungskriterien für den Empfang von Sozialleistungen sowie Einschnitte beim Mutterschaftsgeld, beim BAFöG und beim Wohngeld. Der vierte Teil enthält Maßnahmen zur Wettbewerbsförderung und Deregulierung. So sollen öffentliche Leistungen privatisiert, Existenzgründungen gefördert und der Unternehmergeist bereits in den Schulen gestärkt werden. Unternehmen seien von bürokratischen Verpflichtungen zu entlasten, während Arbeitsschutz, Mitbestimmung, Produzentenhaftung und Datenschutz auf keinen Fall weiter ausgedehnt werden sollen.

Eine Einschätzung dieses Pakets lieferten die Autoren bereits selbst. Die Überlegungen gingen „über den konventionellen Rahmen der bisher als durchsetzbar angesehenen Politik hinaus“.[3] Betont wurde außerdem die Dramatik der Situation: Falls die vorgeschlagenen Leitlinien nicht befolgt würden, drohe „durch das Zusammentreffen von staatlicher Nachfragekürzung und ansteckendem Pessimismus in der Privatwirtschaft“ ein „circulus vitiosus in Richtung Depression“.[4] Die Beibehaltung des derzeitigen staatlichen Leistungsniveaus bedeute eine „Eskalation in den Umverteilungsstaat“, weiter sinkende Leistungsbereitschaft und „Anspruchsdenken“ und am Ende „die Krise des politischen Systems“.[5] Insofern verstanden die Autoren ihr Papier auch nicht als ein rein wirtschaftspolitisches Konzept. Es handele sich vielmehr um eine „Gesamtpolitik, deren Aktionsfelder weit über den Bereich der traditionellen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hinausgehen“.[6]

Mit diesem hohen Gestaltungsanspruch grenzte sich das Papier nicht nur von einzelnen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der bisherigen Regierung ab. Formuliert war hier vielmehr der Abschied vom Nachkriegskonsens, wie er in den 1960er Jahren ausgeprägt worden war. Dies betraf insbesondere die Idee der Umverteilung, der umfassenden sozialen Absicherung, der umfangreichen demokratischen Teilhabe und des Ausgleichs zwischen den sozialen Gruppen.

Allerdings ist das Papier nicht ausschließlich als Bruch mit westdeutschen Traditionen zu verstehen. Auch dem neoliberalen Denken bot das „Modell Deutschland“ positive Anknüpfungspunkte. Trotz der wirtschaftlichen Probleme hatte die Bundesrepublik die Krisen der 1970er Jahre im internationalen Vergleich verhältnismäßig gut bewältigt. Dies schien die Überlegenheit des Konzepts der „sozialen Marktwirtschaft“ zu bestätigen, auf deren Grundlage die Erfolgsgeschichte in den 1950er Jahren begonnen hatte. Lambsdorff selbst, der seit 1955 bei Banken und Versicherungen tätig gewesen war und dort leitende Positionen innegehabt hatte, bevor er 1972 in den Bundestag gewechselt war, war in dieser Erfolgsgeschichte tief verwurzelt. Auch das Thesenpapier nimmt hierauf Bezug: Es gelte die „frühere Eigendynamik“ der deutschen Wirtschaft wiederherzustellen[7] und mit Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative an die Tugenden der Wiederaufbauzeit anzuknüpfen.

Wenn das Thesenpapier die wirtschaftliche Krise in erster Linie als Investitions- und Wachstumsschwäche deutete, strukturelle Faktoren jedoch ausblendete, so ist darin außerdem die ordoliberale Lehre zu erkennen, die der Wirtschaftspolitik der 1950er Jahre zugrunde lag. In ihr war die Ursachenbestimmung für wirtschaftliche Krisenerscheinungen nämlich bereits enthalten: Wenn die Wirtschaft ins Stocken geriet, dann musste der Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung verletzt worden sein. Auf liberaler und konservativer Seite herrschte zu Beginn der 1980er Jahre daher die Vorstellung, dass man nur die sozialpolitischen „Sündenfälle“ der sozialliberalen Ära ausmerzen müsse, um wieder zur früheren Zugkraft des deutschen Modells zurückkehren zu können.

Nach wie vor gründete diese Vorstellung auf den Denkkategorien von Nationalstaat und Industriegesellschaft. Die weltwirtschaftlichen Verschiebungen der 1970er Jahre wurden demgegenüber lediglich als Krisenphänomene, nicht jedoch als strukturelle Einflussfaktoren auf das Wirtschaften und Regieren gedeutet. So spricht aus dem „Gesamtkonzept“ das ungebrochene Vertrauen in die Fähigkeit einer nationalen Regierung, durch die Ausgestaltung des Ordnungsrahmens unternehmerische Tätigkeit befördern und in die gewünschte Richtung lenken zu können.

Reaktionen und Wirkung[ ]

Im Gegensatz zur ideengeschichtlichen Bedeutung sowie zur fulminanten Wirkung für die Bonner Regierungskonstellation fiel die sachpolitische Wirkung der Lambsdorffschen Thesen bescheiden aus. Dies lag insbesondere an ihrer geringen Akzeptanz. Nicht nur die Sozialdemokraten verurteilten das Papier als „Verrat“ an den Grundzügen der bis dahin gemeinsam getragenen Politik. Selbst in der FDP fand es keine ungeteilte Zustimmung. Die Parteispitze stand zwar hinter Lambsdorff. Nachdem die Partei erst ein gutes Jahrzehnt zuvor ihr sozialliberales Profil ausgeprägt hatte, war aber ein großer Teil der Gefolgschaft nicht bereit, die abermalige Wende hin zu einer wirtschaftsliberalen Ausrichtung mitzuvollziehen, zumal damit nicht zuletzt ein Teil jener Bürgerrechte gefährdet war, über die sich der sozialliberale Flügel definierte. Bis 1985 verlor die FDP rund ein Viertel ihrer Mitglieder. Somit ging der Riss quer durch die ehemaligen Regierungsparteien, während sich die CDU unbeeindruckt davon auf die Punkte konzentrieren konnte, die mit ihrem eigenen Konzept einer „geistig-moralischen Wende“ vereinbar waren.

Die Koalitionsvereinbarungen der neuen Regierung folgten im wirtschaftspolitischen Teil den Leitlinien des Lambsdorff-Papiers, und ihre Umsetzung in den frühen Jahren der Kohl-Regierung führte zunächst zu beachtlichen Erfolgen: Das Bruttoinlandsprodukt wuchs bereits 1983 wieder um 2,5 Prozent, die Inflationsrate sank und die Staatsverschuldung konnte vermindert werden. Das drängende Problem der Arbeitslosigkeit bekam aber auch die neue Regierung nicht in den Griff. Um mögliche soziale Verwerfungen abzufedern, wich der angebotspolitische Kurs ab Mitte der 1980er Jahre wieder den bekannten sozial- und wirtschaftspolitischen Kompromissen. In der Rückschau ist somit eher eine wirtschaftspolitische Kontinuität über den Regierungswechsel 1982 hinaus zu erkennen denn eine fundamentale Wende. Ein Vergleich mit dem einschneidenden Kurswechsel in Großbritannien und den USA macht dies noch deutlicher.


Text: CC BY-SA 4.0

  1. Otto Graf Lambsdorff, Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In: Neue Bonner Depesche 9/82 (Beilage „Dokumentation“), S. 3.
  2. Ebd., S. 5.
  3. Ebd., S. 11.
  4. Ebd., S. 3.
  5. Ebd., S. 11.
  6. Ebd., S. 6.
  7. Ebd., S. 4.

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Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit[ ]

I.

Nach der Besserung wichtiger Rahmenbedingungen (Lohn- und Zinsentwicklung, Leistungsbilanz) und der leichten Aufwärtsbewegung der Produktion im ersten Quartal 1982 haben sich seit Ende des Frühjahrs die Wirtschaftslage und die Voraussetzungen für einen baldigen Aufschwung erneut verschlechtert:

• Unerwartet starker Rückgang der Auslandsnachfrage bei stagnierender und zuletzt wieder rückläufiger Binnennachfrage

• Verschlechterung des Geschäftsklimas und der Zukunftserwartungen in der Wirtschaft (Ifo-Test)

• Einschränkung der gewerblichen Produktion

• Anstieg der Arbeitslosigkeit und Zunahme der Insolvenzen.

Der Zinssenkungsprozeß ist zwar – nach zeitweiliger Unterbrechung – zuletzt wieder in Gang gekommen; das Zinsniveau ist aber trotz der insgesamt angemessenen Geldpolitik der Bundesbank immer noch vergleichsweise hoch. Diese erneute Verschlechterung der Lage ist zum Teil Reflex von Vorgängen im internationalen Bereich (anhaltende Schwäche der Weltkonjunktur, ungewisse Konjunktur- und Zinsentwicklung in den USA, amerikanisch-europäische Kontroversen). Die gesamte Weltwirtschaft steht offensichtlich in einer hartnäckigen Stabilisierungs- und Anpassungskrise. Bei immer noch hohen Inflationsraten und weiter zunehmender Arbeitslosigkeit hält die Wachstumsschwäche in Nordamerika und Europa nun schon ungewöhnlich lange an; auch Japan ist inzwischen in ihren Sog geraten.

Diese weltweite Wachstumsschwäche darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die derzeitigen weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten die Summe einzelstaatlicher Fehlentwicklungen sind und daß ein wesentlicher Teil der Ursachen unserer binnenwirtschaftlichen Probleme auch im eigenen Lande zu suchen ist.

Eine Hauptursache für die seit Jahren anhaltende Labilität der deutschen Wirtschaft liegt zweifellos in der weitverbreiteten und eher noch wachsenden Skepsis im eigenen Lande. Die seit über zwei Jahren andauernde Stagnation, die immer neu hervortretenden Strukturprobleme, die wachsende Arbeitslosigkeit, die große Zahl von Insolvenzen, das Bewußtwerden internationaler Zinsabhängigkeit sowie nicht zuletzt die Auseinandersetzungen und die Unklarheit über den weiteren Kurs der Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik haben in weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft zu Resignation und Zukunftspessimismus geführt. Dieser offenkundige Mangel an wirtschaftlicher und politischer Zuversicht dürfte auch ein wesentlicher Grund dafür sein, daß die kräftige Expansion der Auslandsnachfrage im vergangenen Jahr – entgegen aller bisherigen Erfahrung – nicht zu einer Aufwärtsentwicklung der Binnenwirtschaft geführt hat.

Mit den Operationen '82 und '83 sowie der Gemeinschaftsinitiative sind zwar wichtige Schritte in richtiger Richtung unternommen worden. Bisher ist es jedoch dadurch nicht gelungen, die pessimistische Grundstimmung zu überwinden und die wirtschaftlichen Zukunftserwartungen zu bessern. Die bisherigen Beschlüsse sind in der Wirtschaft vielfach als zu kurzatmig, zu vordergründig, zu unsystematisch und teilweise sogar als in sich widersprüchlich angesehen worden. Die Skepsis hinsichtlich einer grundlegenden Problemlösung konnte jedenfalls dadurch nicht überwunden werden. Eine die Wirtschaft nicht überzeugende Konsolidierungspolitik kann aber keine neuen Unternehmensinitiativen wecken; sie kann sogar durch das Zusammentreffen von staatlicher Nachfragekürzung ansteckendem Pessimismus in der Privatwirtschaft einen noch gefährlicheren circulus vitiosus in Richtung Depression auslösen. Es besteht nämlich dann die Gefahr, daß immer mehr Unternehmen ihre Investitionen einschränken und unrentable Betriebsteile abstoßen, um ihre Liquidität zu sichern.

II.

Die gegenwärtig besonders deutliche Vertrauenskrise ist nicht kurzfristig entstanden. Sie muß im Zusammenhang mit tiefgreifenden gesamtwirtschaftlichen Veränderungen gesehen werden, die zwar zumeist schon in einem längeren Zeitraum eingetreten sind, deren volle Problematik aber teilweise erst in den letzten Jahren – nicht zuletzt im Zusammenhang mit den neuen internationalen Herausforderungen aufgrund der zweimaligen Ölpreisexplosion, des Vordringens der Schwellenländer und der Stabilisierungspolitik wichtiger Partnerländer – deutlich geworden ist. Es handelt sich hierbei vor allem um:

• einen gravierenden Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Investitionsquote (Anteil der Anlageinvestitionen am BSP) von durchschnittlich 24,1 % in den 60er Jahren auf durchschnittlich 20,8 % in der zweiten Hälfte der 70er Jahre (nach einem leichten Wiederanstieg zwischen 1976 und 1980 seither erneuter Rückgang auf unter 21 %); die Ursachen hierfür dürften nicht zuletzt in der schon seit längerem tendenziell sinkenden Kapitalrendite der gewerblichen Wirtschaft (bei gleichzeitigem Anstieg der Umlaufrendite der festverzinslichen Wertpapiere) und damit zusammenhängend in der geringeren Eigenkapitalausstattung der Unternehmen sowie in den vielseitig gewachsenen Risiken und in den zunehmenden Hemmnissen gegenüber gewerblichen Investitionen liegen.

• den besonders in der ersten Hälfte der 70er Jahre entstandenen starken Anstieg der Staatsquote (Anteil aller öffentliche Ausgaben incl. Sozialversicherung am BSP) um über 10 %-Punkte von rd. 39 % auf 49,5 % (seither bewegt sie sich zwischen 48 % und fast 50 %); dieser strukturelle Anstieg des Staatsanteils am Sozialprodukt ist ausschließlich zustandegekommen durch die überaus expansive Entwicklung der laufenden Ausgaben zwischen 1970 und 1975, insbesondere für den öffentlichen Dienst, die Sozialleistungen (einschließlich Sozialversicherungsleistungen) und auch die Subventionen an Unternehmen. Die staatliche Sozialleistungsquote allein (Anteil der öffentlichen Sozialleistungen am BSP) nahm in den 70er Jahren um rd. 6 %-Punkte zu, während die öffentliche Investitionsquote (Anteil der öffentlichen Investitionen am BSP) im gleichen Zeitraum rückläufig war; nach den bisherigen Haushaltsplanungen wird die öffentliche Investitionsquote auch in den nächsten Jahren weiter sinken.

• den tendenziellen Anstieg der Abgabenquote (Anteil der Steuer- und Sozialabgaben am BSP) in den 70er Jahren um 5 %-Punkte von knapp 36 % auf rd. 41 %; dieser Anstieg ist nahezu ausschließlich auf die Anhebung der Sozialbeiträge insbesondere in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zurückzuführen. Die gesamtwirtschaftliche Steuerlastquote ist dabei zwar weitgehend konstant geblieben; die direkte Steuerbelastung durch Lohn- und Einkommensteuer hat jedoch – trotz mehrmaliger Steuersenkungen – deutlich zugenommen, während die indirekte Steuerbelastung insbesondere bei den Verbrauchsteuern rückläufig war.

• den tendenziellen Anstieg der Kreditfinanzierungsquote der öffentlichen Haushalte (Anteil der öffentlichen Defizite am BSP) seit Ende der 60er Jahre um rd. 5 %-Punkte, wobei dieser Anstieg durch die vorübergehenden Bundesbankablieferungen an den Bundeshaushalt noch unterzeichnet ist. Trotz der bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen dürfte der überwiegende Teil dieser Defizite struktureller und nicht konjunktureller Natur sein.

Diese fundamentalen gesamtwirtschaftlichen Veränderungen haben zusammen mit einer Vielzahl von gesetzlichen, bürokratischen und tarifvertraglichen Verpflichtungen sowie mit tiefgreifenden Verhaltensänderungen in der Gesellschaft (z. B. gegenüber dem technischen Fortschritt, der wirtschaftlichen Leistung, der Eigenverantwortung) wesentlich dazu beigetragen,

• die Anpassungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft an binnenwirtschaftliche und weltweite Marktänderungen zu schwächen,

• die frühere Eigendynamik und das Selbstvertrauen der deutschen Wirtschaft zu erschüttern,

• die Unternehmen in ihren Investitionsdispositionen zu verunsichern und die Bereitstellung von Risikokapital zu mindern (verfügbare Geldmittel sind in den letzten Jahren offenbar in weit größerem Maße als bisher in Form von Geldvermögen oder im Ausland angelegt worden).

Ähnliche, ja zum Teil noch weitergehende gesamtwirtschaftliche Strukturprobleme gibt es zwar auch in einer Reihe von anderen Industrieländern. Insofern handelt es sich hierbei sicherlich auch um generelle Veränderungen und Schwierigkeiten in hochentwickelten Volkswirtschaften mit ausgebauten Sozialsystemen. Diese Erkenntnis ist jedoch angesichts der sich auftürmenden Probleme am Arbeitsmarkt, in den öffentlichen Haushalten und den sozialen Sicherungssystemen kein wirklicher Trost; und sie entbindet vor allem nicht von der Notwendigkeit ihrer Lösung durch eigene Anstrengungen.

Die derzeitige weltweite Stagnation erschwert natürlich die Lösung der binnenwirtschaftlichen Probleme, wie ihre Überwindung umgekehrt auch davon abhängt. Die weltweiten Probleme können nämlich – zumindest nachhaltig – nur dann überwunden werden, wenn die Ursachen der Anpassungsschwierigkeiten in den einzelnen Ländern selbst behoben werden. Das gilt besonders für die großen Industrieländer und damit nicht zuletzt für die Bundesrepublik Deutschland. Zwar sind die Anpassungserfordernisse im privaten und vor allem öffentlichen Sektor bei uns bislang weniger schwerwiegend als in den meisten Industrieländern; sie sind aber auch in unserem Lande inzwischen in eine erhebliche Dimension hineingewachsen. Unabhängig davon, wie lange die internationale Wachstumsschwäche noch andauert, kann und muß deshalb in der Bundesrepublik das erforderliche Mindestmaß sozialer Anpassungsbereitschaft mobilisiert werden, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen und die Beschäftigungschancen eines neuen Wachstumsprozesses in der Weltwirtschaft auch tatsächlich nutzen zu können.

III.

Die derzeitig verfügbaren Informationen schließen zwar nicht aus, daß im Herbst doch noch Anzeichen für eine gewisse konjunkturelle Erholung erkennbar werden. Da die Wachstums-, Beschäftigungs- und Budgetprobleme in der Bundesrepublik jedoch nicht primär konjunktureller Natur sind (die zweijährige Stagnation steht im Widerspruch zu allen früheren konjunkturzyklischen Erfahrungen), ist die Gefahr sehr groß, daß die Aufwärtsbewegung nur schwach und relativ kurzfristig ausfällt. Sie wird jedenfalls aller Voraussicht nach allein nicht ausreichen, die derzeitigen und erst recht die sich für die nächsten Jahre (schon aufgrund der demographischen Entwicklung) abzeichnenden Arbeitsmarkt- und Finanzierungsprobleme zu lösen.

Wirkliche Erfolge bei der Lösung der Beschäftigungsprobleme und bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen können nur erreicht werden, wenn es gelingt, einen hinreichend starken und über längere Zeit anhaltenden Wachstumsprozeß zu erreichen. Das notwendige Wirtschaftswachstum muß dabei durchaus nicht im Widerspruch zu den ökologischen Anforderungen stehen. Die Umweltpolitik kann sogar, wenn ihre Kosten bei der Einkommensverteilung berücksichtigt sowie unnötige Friktionen und Unsicherheiten vermieden werden, Innovations- und Investitionstätigkeit stimulieren und damit positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte auslösen.

Ein solcher Wachstumsprozeß kann nur auf der Grundlage einer breitangelegten privaten Investitionstätigkeit erreicht und gesichert werden. Die oft zu hörende These, für mehr Investitionen fehle sowohl kurz- als auch längerfristig die notwendige Absatzperspektive verkennt dreierlei:

• Für Investitionsentscheidungen sind weniger kurzfristige Absatzerwartungen als vielmehr längerfristige Rentabilitätsperspektiven ausschlaggebend.

• Es gibt zwar auf Einzelmärkten Sättigungserscheinungen, keinesfalls kann aber von einer generellen Marktsättigung gesprochen werden.

• Investitionen verändern auch selbst direkt und indirekt die Marktperspektiven; sie sind der eigentliche Motor der Wirtschaftsentwicklung.

Bei der notwendigen Investitionstätigkeit haben nicht nur die Großunternehmen sondern vor allem auch die mittleren und kleinen Unternehmen eine zentrale Rolle zu spielen. Die Erfahrung zeigt, daß ihre Initiativkraft für den wirtschaftlichen Fortschritt von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die mit den privaten Investitionen häufig verbundenen Rationalisierungseffekte stehen dabei keineswegs im Gegensatz zu den beschäftigungspolitischen Erfordernissen. Auch Rationalisierungsinvestitionen dienen der Sicherung vorhandener Arbeitsplätze; sie fördern zudem über die damit verbundenen Nachfrage- und Einkommenseffekte die Beschäftigung in anderen Bereichen. Die von Rationalisierungsinvestitionen ausgehenden Veränderungen der Beschäftigungsstruktur können und müssen dabei durch intensive Bemühungen um berufliche Weiterbildung und Umschulung erleichtert und gefördert werden.

Gegenwärtig wieder verstärkt in die Diskussion kommende Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung können zwar bei richtiger Ausgestaltung (z. B. dauerhaften Verzicht auf Lohnausgleich bzw. einen Teil der Rente) und möglichst branchendifferenzierter Anwendung (Bestandteil der Tarifverhandlungen) bei der Bewältigung der Beschäftigungsprobleme in den 80er Jahren in begrenztem Umfang eine flankierende Rolle spielen; das gilt insbesondere für geeignete Formen einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit (befristete Regelung mit vollem versicherungsmathematischen Abschlag). Ohne eine nachhaltige Belebung des Wirtschaftswachstums ist jedoch weder eine Lösung der Beschäftigungsprobleme noch erst recht der Finanzierungsprobleme im öffentlichen Gesamthaushalt (einschließlich Sozialversicherung) möglich. Wachsende Arbeitslosigkeit, unkontrollierbare Eskalation der Haushaltsprobleme und mangelnde Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme können aber leicht den Boden für eine politische Systemkrise bereiten.

IV.

Angesichts der Komplexität der Ursachen für die derzeitige Beschäftigungs- und Wachstumskrise gibt es sicherlich kein einfaches und kurzfristig wirkendes Patentrezept für ihre Überwindung. Wichtig ist aber, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als die politische Aufgabe Nummer 1 in den nächsten Jahren allgemein anerkannt wird und daß daraus die notwendigen Schlußfolgerungen gezogen werden. Dieser vordringlichen Aufgabe haben sich andere Wünsche und Interessen unterzuordnen, mögen sie für sich betrachtet noch so wichtig erscheinen. In der politischen und öffentlichen Diskussion ist dies noch nicht deutlich genug geworden. Zwar wird allenthalben die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen gefordert. In Wirklichkeit werden aber von politischen und gesellschaftlichen Gruppen, von Verbänden und auch von Ressorts die jeweiligen Sonderinteressen nach wie vor immer wieder vorangestellt.

Auch die derzeit wieder verstärkt zu hörende Forderung nach einer Politik der forcierten staatlichen Nachfragestützung durch zusätzliche mehrjährige kreditfinanzierte öffentliche Ausgabenprogramme verkennt, daß dadurch allein (schon wegen der damit verbundenen Folgekosten) die strukturellen Probleme in den öffentlichen Haushalten eher noch vergrößert würden. Der damit ausgelöste Nachfrageeffekt dürfte zudem angesichts der pessimistischen Grundstimmung weitgehend verpuffen, zumal auch der Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Anlageinvestitionen nur 16 % ausmacht. Die Erwartungen der privaten Investoren hinsichtlich der künftigen Zins- und Abgabenbelastung würden dagegen weiter verunsichert und die private Investitionstätigkeit dadurch eher gedämpft als stimuliert werden. Deswegen dürfte zumindest eine isolierte Politik zusätzlicher staatlicher Nachfragestützung nach wie vor eher kontraproduktiv sein. Das bedeutet allerdings nicht, daß die weitere Entwicklung der staatlichen Nachfrage – insbesondere im investiven Bereich – im Rahmen eines Gesamtkonzepts nicht auch eine wichtige Rolle zu spielen hat.

Auch die Fortsetzung der in den letzten Jahren eingeleiteten Politik der schrittweisen und partiellen Korrekturen im Rahmen von Gesamtkompromissen und ohne ein von der Gesamtkoalition akzeptiertes Grundkonzept könnte sich in der derzeitigen Lage insgesamt eher als problemverschärfend denn als problemlösend erweisen. Wenn in der Öffentlichkeit immer wieder von Kurzatmigkeit, Halbherzigkeit sowie systemlosen bzw. gar in sich widersprüchlichen Kompromissen gesprochen wird, so verhindert dies nicht nur die notwendige Vertrauensbildung; es kumulieren sogar die unmittelbaren negativen Effekte staatlicher Nachfragekürzung mit neuer Unsicherheit für den privaten Bereich.

Notwendig und allein erfolgversprechend ist wohl nur eine Politik, die

• im Rahmen eines in sich widerspruchsfreien Gesamtkonzeptes,

• das auf mehrere Jahre hin angelegt und in seinen Eckwerten soweit wie möglich durch gesetzliche Entscheidungen im voraus abgesichert ist,

• schrittweise auf einen Abbau der dargelegten gesamtwirtschaftlichen Strukturprobleme hinarbeitet,

• die Investitionsbedingungen zuverlässig verbessert und

• der Wirtschaft damit wieder den Glauben an die eigene Leistung und die eigene Zukunft gibt.

Wesentliche Kriterien dieser Politik müssen dabei ihre Glaubwürdigkeit, Verläßlichkeit und innere Konsistenz sein. Inhaltlich muß die Politik vor allem darauf ausgerichtet sein, dem Privatsektor in der Wirtschaft wieder mehr Handlungsraum und eine neue Zukunftsperspektive zu verschaffen; und innerhalb des Staatssektors muß sie die Gewichte von der konsumtiven in Richtung der investiven Verwendung verlagern

Ein solches zukunftsorientiertes Gesamtkonzept der Politik muß sich auf folgende Bereiche konzentrieren:

1. Festlegung und Durchsetzung einer überzeugenden marktwirtschaftlichen Politik in allen Bereichen staatlichen Handelns mit einer klaren Absage an Bürokratisierung. Wirtschaftsrelevante Forschung und Entwicklung sind primär Aufgabe der Wirtschaft selbst. Die Politik muß jedoch dafür generell möglichst günstige Bedingungen schaffen und in besonderen Fällen auch gezielte Hilfen geben.

2. Festlegung und Durchsetzung eines mittelfristig angelegten und gesetzlich abgesicherten überzeugenden Konsolidierungskonzeptes für die öffentlichen Haushalte, das eine Erhöhung der Gesamtabgabenbelastung ausschließt und das durch seine verläßliche Festlegung finanzielle Unsicherheiten abbaut und die Voraussetzungen für weitere Zinssenkungen schafft.

3. Festlegung und Durchsetzung einer mittelfristig angelegten und möglichst gesetzlich abgesicherten Umstrukturierung der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen von konsumtiver zu investiver Verwendung, um die private und öffentliche Investitionstätigkeit nachhaltig zu stärken und die wirtschaftliche Leistung wieder stärker zu belohnen.

4. Festlegung und Durchsetzung einer Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an die veränderten Wachstumsmöglichkeiten und eine längerfristige Sicherung ihrer Finanzierung (ohne Erhöhung der Gesamtabgabenbelastung), um das Vertrauen in die dauerhafte Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherung wieder herzustellen und zugleich der Eigeninitiative und der Selbstvorsorge wieder größeren Raum zu geben.

Eine solche Gesamtpolitik, deren Aktionsfelder weit über den Bereich der traditionellen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hinausgehen, kann trotz der damit in der Übergangszeit verbundenen Einschränkungen für die öffentliche und private Nachfrage wesentlich dazu beitragen, in der Wirtschaft neues Vertrauen zu schaffen und den Mut zur Zukunft und damit zur Investition zu stärken.

Ihr Erfolg wird allerdings nicht zuletzt davon abhängen, ob die Lohnpolitik auch bei einer solchen Orientierung der staatlichen Politik die notwendige Verbesserung der Ertragsperspektiven sowie die relative Verbilligung des Faktors Arbeit zuläßt. Sicherlich wird es bei einer solchen Politik zu Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften kommen, die sich auch negativ auf das Stimmungsbild auswirken können. Die Gewerkschaften selbst müssen jedoch vorrangig an einer Lösung der Beschäftigungsprobleme interessiert sein. Es wird deswegen sehr darauf ankommen, daß Bundesregierung und Bundesbank übereinstimmend die beschäftigungspolitische Mitverantwortung der Tarifparteien deutlich machen. Der notwendige soziale Konsens kann dauerhaft nur gesichert werden, wenn die Arbeitslosigkeit konzentriert und nachhaltig bekämpft wird.

Wer bei einer solchen Politik den – in der Sache vordergründigen – Vorwurf einer „sozialen Unausgewogenheit“ oder einer Politik „zu Lasten des kleinen Mannes“ macht, dem kann und muß entgegengehalten werden, daß nur eine solche Politik in der Lage ist, die wirtschaftliche Grundlage unseres bisherigen Wohlstandes zu sichern und die Wachstums- und Beschäftigungskrise allmählich und schrittweise zu überwinden. Die notwendigen Korrekturen müssen auch vor dem Hintergrund des außerordentlich starken Anstiegs der Sozialleistungsquote (Anteil der Sozialleistungen am BSP) in den letzten beiden Jahrzehnten gesehen werden. Die schlimmste soziale Unausgewogenheit wäre eine andauernde Arbeitslosigkeit von 2 Millionen Erwerbsfähigen oder gar noch mehr.

V.

Das erforderliche Gesamtprogramm für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollte insbesondere folgende Aktionsbereiche (die in einem inneren sachlogischen Zusammenhang zueinander stehen) umfassen:

A. Wachstums- und beschäftigungsorientierte Haushaltspolitik

Leitlinien:

• Festhalten und Absichern des bisher vorgesehenen mittelfristigen Ausgaberahmens für den Bundeshaushalt


1983 1984

(in Mrd. DM)

1985
250,5 258,0 266,0
(+ 2 %) (3 %) (3 %)


• Mehrjährige Verstärkung der wachstums- und beschäftigungsfördernden Ausgaben (möglichst ohne Folgekosten) bei gleichzeitiger weiterer Kürzung der konsumtiven Ausgaben (Umstrukturierung)

• Ausgleich von unvorhergesehenen, unvermeidlichen Mehrausgaben durch Einsparungen an anderen Stellen des Haushalts

• Ausgleich von Mindereinnahmen, die sich trotz vorsichtiger Steuerschätzung aufgrund der ungewöhnlich langen Fortdauer der Konjunkturschwäche ergeben, teilweise auch durch vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme

• Anerkennung der politischen Führungsaufgabe des Bundes gegenüber Ländern und Gemeinden bei der Konsolidierung und Umstrukturierung, jedoch keine neue Mischfinanzierung.

Ansatzpunkte für konkrete haushaltspolitische Maßnahmen

1. Zusätzliche wachstums- und beschäftigungsfördernde Ausgaben (möglichst ohne Folgekosten) im Bundesbereich für etwa drei Jahre (Finanzierung vgl. Ziff. 2) für z. B.

• Verstärkung von Infrastrukturmaßnahmen im Umweltschutz (z. B. Gewässerschutz)

• Wiederaufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsförderung“ sowie „Agrarstruktur und Küstenschutz“

• Verstärkung der Mittel für Existenzgründung (vgl. D 2)

• Erhöhung der Mittel für Fernwärmeprogramm Bund/Länder

• Überwindung von Engpässen im Straßenbau (Bundesfernstraßen, kommunaler Straßenbau) und im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)

• Zeitgerechten Ausbau der für die Stahlindustrie benötigten Bundeswasserstraßen (z. B. Saar-Ausbau)

• Ausbau und Modernisierung der Deutschen Bundesbahn, wenn ein umfassendes Rationalisierungskonzept des neuen Vorstandes verwirklicht werden kann.

Diese Maßnahmen des Bundes sollten flankiert werden durch entsprechende, in eigener Verantwortung zu entscheidende wachstums- und beschäftigungsfördernde Aktionen der Länder und Gemeinden.

Geprüft werden sollte darüber hinaus,

• ob und inwieweit die Deutsche Bundespost ihre Investitionen (z. B. im Bereich der Verkabelung) noch verstärken kann

• ob durch Neuauflage eines zeitlich begrenzten Bausparzwischenfinanzierungsprogramms der noch immer stockende und steuerlich inzwischen eher benachteiligte Eigenheimbau unterstützt werden sollte

• ob durch ein auf die nächsten Jahre (starke Schulabgängerjahrgänge) befristetes Programm in Zusammenarbeit mit den Kammern zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen für solche Jugendliche durchgeführt werden können, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt des jeweiligen Jahres keinen Ausbildungsvertrag abschließen konnten.

2. Weitere Einschränkung konsumtiver bzw. eindeutig nicht wachstums- und beschäftigungsfördernder Ausgaben

• zur Absicherung der noch bestehenden Haushaltsrisiken (z. B. für 1983: Bundesanstalt für Arbeit, Kindergeldregelung Bund/Länder, Zinsaufwand, Wohngeld, Bundesbahn),

• zur Finanzierung der unter Ziff. 1 genannten Mehrausgaben sowie

• zum Ausgleich für die unter B. genannten Steuermaßnahmen insoweit sie nicht durch Umstrukturierung des Steuersystems abgedeckt werden.

a) Öffentlicher Dienst

(hätte auch Auswirkung für die Haushalte von Ländern und Gemeinden)

- Im Voraus festgelegte Begrenzung des Anstiegs der Beamtenbesoldung für z. B. 3 Jahre. (Jedes % weniger für Beamte, Soldaten und Versorgungsempfänger bei Bund [plus Bahn und Post], Ländern und Gemeinden: rd. 1,23 Mrd./Jahr; davon Bund: 0,24 [plus Bahn: 0,13, Post: 0,14], Länder: 0,63 und Gemeinden: 0,10 Mrd. DM)

- Neugestaltung der Beihilferegelung z. B. durch Einschränkung der erstattungsfähigen Ausgaben, Begrenzung der Erstattung auf 100 % und eventueller Absenkung der Beihilfesätze oder Einführung zusätzlicher Eigenbeteiligung

- Generelle Herabstufung der Eingangsbesoldung bzw. -vergütung, insbesondere für Akademiker.

b) Finanzhilfen (Subventionen) und steuerliche Vergünstigungen

(vgl. auch Teil D)

Notwendig ist ein weiterer Abbau von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen (allerdings ohne Anhebung der Gesamtabgabenbelastung).

Dies kann am besten durch eine weitere gezielte Reduzierung im Rahmen eines mehrjährigen Stufenplanes geschehen.

Angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten könnte aber auch ein genereller linearer Abschlag von 5 % bzw. 10 % (nach Schweizer Muster) gewählt werden, wobei dann einige wenige Bereiche ausgenommen werden könnten.

Den bekannten Nachteilen des linearen Abschlags steht der Vorteil einer großen Breitenwirkung und einer Gleichbehandlung aller Betroffenen gegenüber. Außerdem wird im Vergleich zur gezielten Kürzung die „Beweislast“ umgekehrt.

c) Arbeitsförderungsgesetz

- Verringerung der Leistungen:

Verringerung des Leistungssatzes für Arbeitslosengeld am Anfang der Bezugsdauer (z. B. erste drei Monate nur 50 % des letzten Nettoeinkommens, evtl. Mehrstufenregelung)

oder

Generelle Senkung des Arbeitslosengeldes für Alleinstehende (ohne Unterhaltsverpflichtung); anknüpfen an frühere Regelung

oder/und

Einführung von Karenztagen bei der Zahlung von Arbeitslosengeld (Beiträge zur Krankenversicherung werden jedoch durch Bundesanstalt gezahlt)

- Begrenzung des Arbeitslosengeldbezuges auf maximal 1 Jahr, auch bei Krankheit; kein Entstehen von neuen Arbeitslosengeldansprüchen durch Teilnahme an Maßnahmen der Bundesanstalt (erhebliche Einsparungen zu erwarten)

- Anpassung der Leistungsgrundsätze für Teilnehmer an Rehabilitationsmaßnahmen an die niedrigeren Leistungssätze für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und bei Abbruch oder Beendigung der Maßnahme keine Weiterzahlung des Übergangsgeldes

- Keine Kumulation mit alten Ansprüchen auf Arbeitslosengeld, wenn zwischenzeitlich gearbeitet wird

- Überprüfung von extrem verwaltungs- und damit personalaufwendigen AFG-Leistungen (z. B. 16jährigen-Regelung für Kindergeld, Mehrfachberechnungen der Fahrtkostenzuschüsse für Unterhaltsempfänger, Bagatellbeträge bei Widerspruchs- und Sozialgerichtsverfahren, Verfolgung der Ansprüche aus Konkursausfallgeld, übertriebene Härteregelungen)

- Überprüfung der Kosten für Träger der Maßnahmen von Unterhaltsgeld und Rehabilitation.

d) Mutterschaftsurlaubsgeld

(Umfang der Leistungen: 1981: 913 Mio. DM

Zahl der Leistungsbezieher: 1981: 320 000)

- Ersatzlose Streichung, mindestens aber mehrjährige Aussetzung.

e) BAföG (Einsparung auch für die Länder wegen 35 %-Beteiligung)

- Streichung der Schüler-BAFöG (rd. 1 Mrd. DM) .

- Umstellung des BAFöG für Studenten auf (Voll-)Darlehen mit einer neugefaßten, verwaltungseffizienten Härteklausel (je nach Ausgestaltung allerdings größere Einsparung erst bei Rückzahlung).

f) Wohngeld

- Änderung des Einkommensbegriffes (z. B. Anrechnung von Grundrenten)

- Absenken der überhöhten Pauschalen bei der Einkommensberechnung. (z. B. 30 % wegen Belastung durch Steuern und Sozialabgaben; 12,5 % bei Bezug von Lohnersatzleistungen) auf die tatsächlichen durchschnittlichen Belastungen durch Steuern und Abgaben

- Reduzierung der maximal bezuschussungsfähigen Wohnfläche.

B. Investitions- und leistungsfördernde Steuerpolitik

Die gegenwärtige und mehr noch die für die Zukunft erwartete Steuerbelastung ist für Investitionsentscheidungen zweifellos von erheblicher Bedeutung; mindestens ebenso bedeutsam sind jedoch die Erwartungen des Investors hinsichtlich der künftigen Lohn-, Arbeitszeit-, Sozial-, Umwelt-, Rechts- sowie Wirtschafts- und Finanzpolitik schlechthin. Insofern darf die Wirkung isolierter Steuermaßnahmen nicht überschätzt werden.

Leitlinien:

• Vermeidung eines Anstiegs der gesamtwirtschaftlichen Steuerlastquote; kein Ausweichen in parafiskalische Regelungen (Pfennigabgaben)

• Leistungs- und investitionsfreundlichere Gestaltung des Steuersystems durch Beseitigung bzw. Reduzierung folgender Strukturprobleme (macht gezielte Investitionsanreize weniger dringlich):

- übermäßige Belastung durch ertragsunabhängige Steuern (Gewerbesteuer und Vermögensteuer) und deren negative Folgen für Investitionsbereitschaft und Eigenkapitalbildung, vor allem in ertragsschwachen Phasen.

(Nach einer Untersuchung des Ifo-Instituts schneidet die Bundesrepublik bei der Kapitalbesteuerung im internationalen Vergleich ungünstig ab.)

- übermäßige Belastung der Löhne und sonstiger Einkommen durch „normale“ und „inflationsbedingte“ Progressionswirkung und deren negative Folgen für Leistungsbereitschaft, Steuermoral (Steuerverkürzung, Schwarzarbeit etc.) und Lohnpolitik

• Weitgehende Kompensation der Steuermindereinnahmen (im Zusammenhang mit der Lösung der genannten Steuerstrukturprobleme) durch Anhebung insbesondere der Mehrwertsteuer; jedoch nicht für die ohnedies notwendige Rückgabe der heimlichen Steuererhöhungen („inflationsbedingter Progressionseffekt“)

• Baldige inhaltliche Festlegung der Steuermaßnahmen, jedoch schrittweise Realisierung im Rahmen eines vorangekündigten Terminplanes

• Als Ergänzung für eine Übergangsphase evtl. zusätzliche steuerliche Investitionsanreize.

Ansatzpunkte für konkrete steuerpolitische Maßnahmen im Rahmen eines mehrjährigen, verbindlich festgelegten Stufenplanes

1. Schrittweise Abschaffung der Gewerbesteuer

• In einem ersten Schritt Halbierung der Gewerbesteuerbelastung der gewerblichen Wirtschaft nach DIHT-Modell (formale Beibehaltung der Gewerbesteuer, jedoch halbe Anrechnung bzw. Erstattung der gezahlten Gewerbesteuer bei der Umsatzsteuer, Problem: verbleibende Hebesatz-Autonomie der Gemeinden zu Lasten des Umsatzsteueraufkommens für Bund und Länder; daher Einschränkung der Hebesatz-Autonomie durch Höchstbetrags- bzw. Koppelungsvorschriften notwendig)

• In einem zweiten Schritt Abschaffung der Gewerbesteuer und Umsetzung der dann notwendigen Neuordnung des Finanzausgleichs unter Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen nach einem noch zu findenden Schlüssel (z. B. Vorschlag des Instituts „Finanzen und Steuern“).

2. Partielle Entlastung des gewerblich genutzten Vermögens von der Vermögensteuer

• Beseitigung der Doppelbelastung durch Anrechnungsmethode oder Halbierung der Bemessungsgrundlage auf Ebene der Kapitalgesellschaft und Anteilseigner.

Denkbare kleinere Lösungen:

- Übernahme der Ertragsteuerwerte in die Vermögensaufstellung

- Herabsetzung der Grenze für das Schachtelprivileg (z. B. auf 10 %).

3. Entlastung der Lohn- und Einkommensbezieher

(und damit auch der Personen-Unternehmen)

vor allem durch Abflachung der Tarifkurve im extrem steilen mittleren Progressionsteil.

4. Steuerliche Anreize für Investitionen und Anlage in Risikokapital

(evtl. nur für Übergangszeit)

Einkommensteuerliche Begünstigung der längerfristigen Anlage in Risikokapital im Inland, z. B. von Einzahlungen in Beteiligungsfonds (wie in Österreich) bei mindestens 10jähriger Festlegung, jedoch vorzeitiger steuerunschädlicher Verwendungsmöglichkeit zur Existenzgründung (vgl. D 2). Durch Einbeziehung nicht nur von Aktien, sondern auch von stillen Beteiligungen und GmbH-Anteilen Stärkung der Eigenkapitalbildung auch der mittelständischen Wirtschaft.

5. Anhebung der Mehrwertsteuer zum Ausgleich für investitions- und arbeitsplatzfördernde Steuerentlastungen

(nicht jedoch für Rückgabe „heimlicher“ Steuererhöhungen)

Probleme:

• Preiserhöhungseffekte mit möglicher Rückwirkung auf Lohn- und Sozialpolitik

• Neuer Druck zur Abwanderung in die Schattenwirtschaft (allerdings kaum stärker als bei bisheriger Steuerstruktur).

C. Konsolidierung der sozialen Sicherung sowie beschäftigungsfördernde Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

Leitlinien:

• Dauerhafte Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme ohne Anhebung von Beiträgen bzw. Einführung von Abgaben

• Stärkere Berücksichtigung der Prinzipien der Selbstvorsorge und Eigenbeteiligung sowie der Subsidiarität (soweit wie möglich dezentralisierte Hilfe, Stärkung der Eigenhilfe durch die Familie z. B. bei der Pflege älterer Menschen) in allen Bereichen der Sozialpolitik

• Erleichterung der Flexibilisierung der Arbeitszeit, jedoch keine staatlich verordnete oder geförderte Arbeitszeitverkürzung

• Generell keine weitere Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Unternehmen sowie Überprüfung der bestehenden gesetzlichen Regelung auf ihre Wirkungen für die Beschäftigung.

Ansatzpunkte für konkrete sozial- und arbeitsmarktpolitische Regelungen

1. Rentenversicherung (incl. Knappschaft und landwirtschaftliche Altershilfe)

a) Mittelfristige Maßnahmen (bis Ende der 80er Jahre)

- Sicherung der Aufwandsneutralität der 84er Reform und Verzicht auf ausgabensteigernde Maßnahmen

- Anhebung der Beteiligung der Rentner an den Kosten ihrer Krankenversicherung über die bisher für 1986 vorgesehenen 4 %-Punkte hinaus bis zur Höhe des Arbeitnehmer-Anteils zur gesetzlichen Krankenversicherung (z.Z. rd. 6 %)

- Keine Einschränkung der bisher vorgesehenen Bundeszuschüsse

- Einschränkung des Aufwands für Kuren (größere Selbstbeteiligung)

- Verschärfung der Bedingungen für die Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente.

b) Längerfristige Maßnahmen (ab Ende der 80er Jahre)

- Einführung eines kostendeckenden Abschlags bei der Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze

- Berücksichtigung des steigenden Rentneranteils in der Rentenformel

- Anhebung der Altersgrenze

(einzige Möglichkeit, weiter steigender Belastung durch Steigerung der Lebenserwartung zu begegnen).

2. Krankenversicherung (GKV)

• Verstärkte Kostendämpfung bei Leistungserbringern, z. B. Einführung eines gespaltenen bzw. degressiven Krankenhaus-Pflegesatzes und Abschaffung des Kostenersatzprinzips (Wiederzulassung von Gewinn/Verlust-Möglichkeit)

• Ausbau der Selbstbeteiligung im Krankenversicherungsbereich (z. B. bei Arzneimitteln und Arztbesuchen)

• Neben der Selbstbeteiligung bei Kuren auch Teilanrechnung auf den Urlaub.

3. Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle

(lt. BMA Aufwand 1980: 27,15 Mrd. DM)

Auch in diesem Bereich wäre die Einführung von Maßnahmen der Selbstbeteiligung (Karenztage, Abschläge, Änderung des Finanzierungsmodus) angebracht; sie stößt allerdings auf erhebliche Probleme (finanzielle Entlastung z. T. fraglich, Vorrang von Tarifverträgen, Alimentationsprinzip bei Beamten).

Positive Signale könnten aber auch schon von kleineren Korrekturen ausgehen. Z. B.:

• Ausschluß von Prämien/Überstundenzuschlägen aus dem Entgeltbegriff

• Wegfall der Leistungen bei Ausübung von Nebentätigkeiten

• Einführung einer Teil-Arbeitsunfähigkeit

• Verstärkte Bekämpfung medizinisch unbegründeter Krankschreibungen (z. B. Vertrauensarzt).

4. Schwerbehindertengesetz

• Restriktivere Regelung für das Anerkennungsverfahren (Kriegsopferversorgung läuft ohnedies aus) sowie Überprüfung des Behindertenbegriffs und des Leistungskatalogs

• Stärkere beschäftigungspolitische Orientierung durch den Wegfall des Mitzählens der Auszubildenden bei der Schwerbehinderten-Pflichtquote von 6 v. H. der Arbeitsplätze.

• In Klein- und Mittelbetrieben Anrechnung des schwerbehinderten Arbeitgebers auf die Pflichtzahl.

5. Sozialhilfe

Begrenzung ist wichtig für Kommunalhaushalte. Wegen des starken Anstiegs der Sozialhilfe fallen die Gemeinden als Hauptträger der öffentlichen Investitionen mehr und mehr aus. Gemeinden zahlen Sozialhilfe zu Lasten des Kreises, soweit nicht Regreß bei anderen Personen oder Stellen; indirekt ist das Land über Finanzausgleich beteiligt. Aufwand für Sozialhilfe 1980 insgesamt 13,3 Mrd. DM; Sozialhilfeempfänger 2,1 Millionen.

• Mehrjährige Minderanpassung (gegenüber derzeitigem Verfahren) bzw. zeitweiliges Einfrieren der Regelsätze.

(Besonderes Problem bei Sozialhilfe: relativ hohe Familienleistungen im Vergleich zu übrigen Familienleistungen bzw. Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe)

oder

• Überprüfung des für die Bemessung der Regelsätze relevanten Warenkorbs auf Angemessenheit

und

• Strengere Regelung für die Zumutbarkeit einer dem Hilfesuchenden möglichen Arbeit

• Überprüfung, ob nicht Arbeitslosenhilfe (die keine Versicherungsleistung ist und inzwischen vom Bund getragen wird) auch von Sozialämtern, die auf Prüfung der Bedürftigkeit spezialisiert und ortsnäher sind, verwalten zu lassen. Zudem wird Arbeitslosenhilfe häufig durch Sozialhilfe aufgestockt.

6. Arbeitsschutz-, Kündigungsschutz-, Arbeitsrecht und Jugendschutz

• Keine Belastung der Unternehmen (insbesondere der mittleren und kleineren) im Rahmen der geplanten Novellierung des Arbeitsschutzes

• Keine Änderungen des Arbeitszeitrechts, welche die betriebliche Flexibilität einschränken (z. B. keine gesetzliche Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden)

• Praxisbezogene Auflockerung des Jugendarbeitsschutzes (z. B. flexible Arbeitszeitregelung, Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten)

• Keine Erweiterung des Kündigungsschutzrechtes

• Entwicklung und Propagierung von sozialpolitisch vertretbaren Job-Sharing-Modellen

• Keine staatliche Beteiligung bei Tarifrenten-Regelungen (ausschließlich Sache der Tarifpartner).

7. Antidiskriminierungsgesetz

• Verzicht auf eine Verschärfung der Regelungen des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes.

8. Ausländerpolitik

• Beibehaltung des Anwerbestopps und möglichst enge Begrenzung des Familiennachzugs

• Schärfere Eingrenzung der aufenthaltsbeendenden Tatbestände (z. B. bei längerer Arbeitslosigkeit)

• Verdeutlichung der Rechte und Pflichten für diejenigen, die Integration anstreben.

9. Europäische Sozialpolitik

• Ablehnung gemeinschaftlicher Regelungen, insbesondere Richtlinien, die bereits im Stadium der Beratungen (und nicht erst bei der Umsetzung in innerstaatliches Recht) das Investitionsklima belasten (z. B.: Vredeling-Richtlinie mit ihren Auswirkungen auf Mitbestimmung, Betriebsverfassung und Vertrauensschutz in der Wirtschaft; Einschränkungen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung; Gemeinschaftsregelungen zur Arbeitszeitverkürzung)

• Ausgleich der Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft durch Harmonisierungen im Arbeitsschutz (ohne Verschärfungen des innerstaatlichen Rechts).

D. Politik zur Förderung von Marktwirtschaft, Wettbewerb und wirtschaftlicher Selbständigkeit

Die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft wird entscheidend bestimmt durch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und die Vielfalt der unternehmerischen Initiativen. Insbesondere die kleineren und mittleren Unternehmen sind infolge ihrer Kreativität, ihres unternehmerischen Wagemutes und ihrer Anpassungsfähigkeit unverzichtbare Träger des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts. Deswegen muß der Förderung der wirtschaftlichen Selbständigkeit und der Bereitstellung von Risikokapital in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit gelten.

Leitlinien:

• Abbau von unnötiger Reglementierung und Bürokratie in allen Bereichen der Wirtschaft und stärkere Verlagerung bisher öffentlich angebotener Leistungen auf den privaten Bereich; enge Begrenzung des Postmonopols (kein Vordringen in den Endgerätemarkt).

• Trotz der schwierigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage keine Lockerung der Wettbewerbspolitik und keine Gewährung von Erhaltungssubventionen; Fortsetzung des Kampfes gegen die Unternehmenskonzentration, auch um die Wiederholung von Sanierungsfällen wie AEG zu vermeiden.

• Verstärkte materielle und immaterielle Förderung der wirtschaftlichen Selbständigkeit, insbesondere der gewerblichen Existenzgründung.

• Neuorientierung der Vermögenspolitik durch relativ stärkere Förderung der Beteiligung am Produktivkapital.

Konkrete Ansatzpunkte für Maßnahmen

1. Verstärkte Förderung der wirtschaftlichen Selbständigkeit und insbesondere der gewerblichen Existenzgründung

• Breit angelegte Informationskampagnen über Wert und Möglichkeiten der wirtschaftlichen Selbständigkeit (Schulbücher, Lehrpläne, Medien etc.)

• Gezielte Förderung der gewerblichen Existenzgründung durch

- wesentlich attraktivere Ausgestaltung des Eigenkapitalhilfeprogramms (evtl. zeitlich begrenzt) als Anreiz für Unternehmensgründungen und -übernahmen auch im industriellen Bereich (Aufstockung der Förderhöchstbeträge, deutliche Verbesserung der Zinskonditionen, Vereinfachung des Antragverfahrens)

- Einführung von zuschußbegünstigten Ansparverträgen für Existenzgründungen, die zunächst neben, später ggf. an die Stelle des Eigenkapitalhilfeprogramms treten könnten (vgl. hierzu auch B, 4)

- Verbesserung der Beratungshilfe für Existenzgründungen.

2. Steuerliche Erleichterungen bei der Übernahme insolventer bzw. insolvenzbedrohter Unternehmen oder Betriebe

Zur Berücksichtigung des erhöhten Risikos Gewährung einer befristeten steuerfreien Rücklage in bestimmter Höhe der Anschaffungskosten; stufenweise Auflösung nach einigen Freijahren durch (Genehmigung durch Länderbehörden mit Bescheinigungsverfahren) – als Ergänzung zur bestehenden § 6 b-Regelung, die nur bei Finanzierung des Anteilserwerbs durch Veräußerung anderer Beteiligungswerte greift.

3. Weiterer Abbau der Reglementierung in der Wohnungswirtschaft

• Weitergehende Liberalisierung des Mietrechts z. B. durch

- Ermittlung der Vergleichsmieten nur anhand von Neumieten (z. B. nur Mieten der letzten 2 oder 3 Jahre)

- Zulassung von Staffelmieten auch für den Wohnungsbestand

- Nachweis bei Mieterhöhungsverlangen auch durch Mieten aus dem eigenen Bestand.

• Auflockerung des Kündigungsschutzes (über die Zeitmietverträge hinaus) durch weitgehende Zulassung der Änderungskündigung (vom Wissenschaftlichen Beirat beim BMWi vorgeschlagen).

Denkbare Lösungen:

- Abdingbarkeit aller Kündigungsschutzbestimmungen bei Aufrechterhaltung des Vollstreckungsschutzes (vertragliche Vereinbarung des Kündigungsschutzes möglich)

- Aufhebung bzw. Abdingbarkeit nur von § 524 BGB (Vermieter muß bisher bei Kündigung „berechtigtes Interesse“ nachweisen), aber Beibehaltung der Sozialklausel gemäß § 556 a BGB („soziale Gründe“ können Kündigung entgegenstehen)

• Verstärkung der Bemühungen um eine Vereinfachung des Baurechts (primär allerdings Ländersache).

4. Vermögenspolitik

Neuorientierung der bisherigen Vermögenspolitik durch weitere Verlagerung der Förderung von Geldkapital zu Produktivkapital; Ansatzpunkte hierfür:

• Erweiterung des Anlagekatalogs für Produktivkapital im 624-DM-Gesetz

• Verbesserte Rahmenbedingungen für betriebliche Vermögensbildung durch Lohntarifvertrag (entsprechend Vorschlag der IG-Textil)

• Beibehaltung des Systems der individuellen, betrieblichen und tariflichen Vermögensbildung, keine gewerkschaftlich beherrschten Tariffonds.

5. Weiterentwicklung der Umweltpolitik

Zwischen den wirtschaftspolitischen und den umweltpolitischen Zielen besteht durchaus kein prinzipieller Widerspruch. Die Umweltpolitik kann sogar bei richtiger Ausgestaltung zum wirtschaftlichen und technischen Fortschritt beitragen. Allerdings müssen die Aufwendungen für die Produktion des Gutes „Umwelt“ bei den Einkommensforderungen und der Zeitbedarf für die Anpassung der Wirtschaft bei der Festlegung von Normen und Auflagen berücksichtigt werden. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist deshalb besonders wichtig:

• Längerfristige Orientierung der Umweltpolitik

• Frühzeitige Festlegung neuer Normen (zur Erleichterung der Anpassung und zur Stimulierung des technischen Fortschritts)

• Prüfung, inwieweit die bisherigen Instrumente des Umweltschutzes stärker durch ökonomische Anreize ergänzt werden können.

6. Konsequente Fortsetzung der Energiepolitik

Die marktwirtschaftlich orientierte Energiepolitik muß weitergeführt werden. Der Anpassungsprozeß von Wirtschaft und Verbrauchern sowie an den Energiemärkten verläuft zwar in raschem Tempo; in Teilbereichen ist jedoch eine weitere Unterstützung durch die Wirtschaftspolitik notwendig. Deswegen

• Fortsetzung der an der Eigenverantwortung von Verbrauchern und Wirtschaft orientierten Einsparpolitik (vgl. Maßnahmen in der Fortschreibung des Energieprogramms)

• Weitere Absicherung der Versorgung mit der für Wachstum und Beschäftigung erforderlichen, möglichst umweltfreundlichen Energie zu wirtschaftlichen Bedingungen

- Im Mineralölbereich Anpassung der Kapazitäten an den veränderten Bedarf durch die Mineralölwirtschaft; dabei Erhaltung der bewährten Struktur des deutschen Mineralölmarktes wichtig

- Fortsetzung der Absicherung des Versorgungsbeitrages der deutschen Kohle; zur Sicherung des Absatzes und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte dabei verstärkter Beitrag des Bergbaus durch Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Kostensenkung notwendig.

- Fortsetzung der Umstrukturierung der deutschen Kraftwerke – auch unter Berücksichtigung umweltpolitischer Erfordernisse; unerläßlich dabei bedarfsgerechter Zubau von kostengünstigen Kernkraftwerken im Grundlastbereich entsprechend der Dritten Fortschreibung. Gleichzeitig notwendig: Intensivierung der Anstrengungen zur Verwirklichung des Entsorgungskonzeptes auf der Grundlage der erreichten Fortschritte.

7. Verzicht auf eine weitere Verschärfung von Rechtsvorschriften für den Unternehmenssektor (evtl. mehrjähriges Moratorium)

• Keine weitergehende Verschärfung der Produzentenhaftung

• Keine weitere Verschärfung der Mitbestimmung

• Keine weitere Ausdehnung der Bilanzierungsvorschriften

• Keine Verschärfung des Datenschutzrechts.

8. Weitere Durchforstung der geltenden Rechtsvorschriften, bestehenden Auflagen und statistischen Meldepflichten

9. Appell an Länder und Gemeinden zu verstärkten Anstrengungen bei der Verlagerung bisher öffentlich angebotener Leistungen auf den privaten Bereich mit dem Ziel einer effizienteren Aufgabenerfüllung und Entlastung der Haushalte sowie einer Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik.

10. Verteidigung und Stärkung des offenen, multilateralen Welthandelssystems

• Aktives Vorgehen gegen protektionistische Bestrebungen, handelsverzerrende Praktiken und Renationalisierung der Märkte

• Stärkung des GATT.

VI.

Diese Überlegungen gehen über den konventionellen Rahmen der bisher als durchsetzbar angesehenen Politik hinaus. Die politischen Schwierigkeiten ihrer Durchsetzung werden nicht übersehen. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit gebietet es aber, daß die Politik für die Wirtschaft einen neuen Anfang setzt und eine Zukunftsperspektive gibt, die frei ist von entbehrlichen staatlichen Belastungen, so daß Investitionen in neue Arbeitsplätze und zur Sicherung vorhandener Arbeitsplätze wieder vertretbar und lohnend erscheinen.

Worauf es jetzt ankommt, steht im Leitsatz der Regierungserklärung vom 24. November 1980: „... entschlossenes gemeinschaftliches Handeln in Konzentration auf die wichtigen Aufgaben.“

Es kann im wirtschaftlichen und sozialen Bereich derzeit keine wichtigere Aufgabe geben, als die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, durch neues Wirtschaftswachstum wieder mehr Beschäftigung und auch eine allmähliche Lösung der öffentlichen Finanzierungsprobleme zu ermöglichen und damit schließlich alle Bürger am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt teilnehmen zu lassen. Wir stehen vor einer wichtigen Wegkreuzung. Wer eine solche Politik als „soziale Demontage“ oder gar als „unsozial“ diffamiert, verkennt, daß sie in Wirklichkeit der Gesundung und Erneuerung des wirtschaftlichen Fundaments für unser Sozialsystem dient. „Sozial unausgewogen“ wäre dagegen eine Politik, die eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit und eine Finanzierungskrise der sozialen Sicherungssysteme zuläßt, nur weil sie nicht den Mut aufbringt, die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu ordnen und der Wirtschaft eine neue Perspektive für unternehmerischen Erfolg und damit für mehr Arbeitsplätze zu geben.

Die Konsequenz eines Festklammerns an heute nicht mehr finanzierbare Leistungen des Staates bedeutet nur die weitere Verschärfung der Wachstums- und Beschäftigungsprobleme sowie eine Eskalation in den Umverteilungsstaat, der Leistung und Eigenvorsorge zunehmend bestraft und das Anspruchsdenken weiter fordert – und an dessen Ende die Krise des politischen Systems steht.

Hier nach: Neue Bonner Depesche 9/82 (Beilage „Dokumentation“), S. 3-11.


[Русская версия отсутствует]




Neue Bonner Depesche 9/82 (Beilage "Dokumentation"), S. 1-11. Liberal Verlag -Universum Kommunikation und Medien AG, Berlin.

Neue Bonner Depesche 9/82 (Beilage "Dokumentation") [Нойе Боннер Депеш 9/82 (Дополнение «Документация»)], S. 1-11. Liberal Verlag -Universum Kommunikation und Medien AG, Berlin.

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