Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 5/1945 und Nr. 33/1945 [Beneš-Dekrete], 19. Mai und 2. August 1945

5. Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Mai 1945

über die Ungültigkeit einiger vermögensrechtlicher Handlungen aus der Zeit der Unfreiheit und über die nationale Verwaltung von Vermögenswerten von Deutschen, Ungarn, Verräter und Kollaboranten sowie einiger Organisationen und Anstalten.

Auf Antrag der Regierung bestimme ich:

§ 1.

(1) Eigentumsübertragungen und vermögensrechtliche Handlungen jeder Art, die nach dem 29. September 1938 unter dem Druck der Okkupation oder nationaler, rassischer oder politischer Verfolgung, sei es das bewegliche oder unbewegliche, das öffentliche oder private Vermögen betreffend vorgenommen worden sind, sind ungültig.

(2) Die Art der Geltendmachung von Ansprüchen, die sich aus Absatz 1 ergeben, wird durch ein besonderes Dekret des Präsidenten der Republik geregelt werden, soweit dies nicht schon durch dieses Dekret geschieht.

§ 2.

(1) Das Vermögen staatlich unzuverlässiger Personen im Gebiete der Tschechoslowakischen Republik wird unter nationale Verwaltung nach den weiteren Bestimmungen dieses Dekrets gestellt.

(2) Als Vermögen staatlich unzuverlässiger Personen gilt auch das von diesen Personen nach dem 29. September 1938 übertragen Vermögen, es sei denn, daß der Erwerber nicht wußte, daß es sich um ein derartiges Vermögen handelte.

§ 3.

Die nationale Verwaltung wird über alle Unternehmungen (Werke) und über alle Vermögensmassen, wo dies die laufende Produktion und das Wirtschaftsleben es erfordern, insbesondere über verlassene Werke, Unternehmungen und Vermögensmassen, oder solche, die sich in Besitz, Verwaltung, Miete oder Pacht staatlich unzuverlässiger Personen befinden, verhängt.

§ 4.

Als staatlich unzuverlässige Personen gelten:

a) Personen deutscher oder ungarischer Nationalität.

b) Personen, die eine gegen die Souveränität, Selbständigkeit, Unversehrtheit, demokratisch-republikanische Staatsform, Sicherheit und Verteidigung der Tschechoslowakischen Republik gerichtete Tätigkeit ausgeübt haben, Personen, die zu einer derartigen Tätigkeit aufgereizt haben oder andere Personen hierzu zu verleiten versuchten und bewußt in welcher Weise immer die deutschen und ungarischen Besatzungsmächte unterstützt haben. Als solche Personen gelten zum Beispiel die Mitglieder der "Flagge" [Vlajka], der Heimwehr [Rodobrana], der Sturmabteilungen der Hlinkagarde, die führenden Funktionäre der Vereinigung für Zusammenarbeit mit den Deutschen, der Tschechischen Liga gegen den Bolschewismus, des Kuratoriums für Erziehung der tschechischen Jugend, der slovakischen Hlinka-Volkspartei, der Hlinkagarde, der Hlinkajugend, der Nationalen Angestellten Fachzentrale, des Verbandes für Land- und Forstwirtschaft, der Deutsch-Slovakischen Gesellschaft und anderer faschistischer Organisationen ähnlichen Charakters.

§ 5.

Von den juristischen Personen gelten diejenigen als staatlich unzuverlässig, deren Verwaltung absichtlich und bewußt der deutschen oder ungarischen Kriegführung, oder faschistischen und nazistischen Zwecken gedient haben.

§ 6.

Als Personen deutscher oder ungarischer Nationalität gelten Personen, welche sich anläßlich irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen oder ungarischen Nationalität bekannt haben oder Mitglied der Volksgruppen oder von deutschen oder ungarischen politischen Parteien geworden sind.

§ 7.

(1) Zur Verhängung der nationalen Verwaltung sind zuständig:

a) bei Geldinstituten und -Unternehmungen der Landes-Nationalausschuß, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat,

b) bei Grubenunternehmen der für das Revier zuständige Kreis-Nationalrat, bei den Zentralorganen der Bergwerksgesellschaften der zuständige Landes-Nationalausschuß, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat,

c) bei Industrie-Handels- und anderen gewerblichen Unternehmung

aa) bei einer Beschäftigtenzahl bis 20 der Orts-Nationalausschuß,

bb) bei einer Beschäftigtenzahl von 21 bis 300 der Kreisnationalausschuss,

cc) bei einer höheren Beschäftigtenzahl der Landes-Nationalausschuss, in der Slowakei der Slowakische N.R.

Für die Feststellung der Beschäftigtenzahl ist der normale Betrieb im Jahre 1943 maßgebend.

d) Bei land- und forstwirtschaftlichem Besitz:

aa) Bei einem Ausmaß bis zu 50 ha der Orts-Nationalausschuss,

bb) bei einem Ausmaß über 50 ha bis 100 ha der Kreisnationalausschuss,

cc) bei einem 100 ha übersteigenden Ausmaß der Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat.

e) Bei Wohnhäusern und Bauparzellen der Orts-Nationalausschuss; übersteigt jedoch der Wert 5.000.000 K, der Kreisnationalausschuss.

f) Bei jedwedem anderen Besitz:

aa) Bei einem Wert bis zu 500.000 K der Orts-Nationalausschuss,

bb) bei einem Wert von mehr als 500.000 K, aber unter 5 Millionen Kronen der Kreis-Nationalausschuss,

cc) bei einem Wert von mehr als 5 Millionen Kronen der Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat.

g) Sind die unter a) bis f) angeführten Unternehmungen und Besitztümer im ganzen Staatsgebiet tätig, so wird die nationale Verwaltung vom ressortmäßig zuständigen Ministerium verhängt.

(2) Ist der Wert der Besitztümer, unter Buchstabe e) und f), über die nationale Verwaltung verhängt ist, streitig, so wird er mit endgültiger Wirkung vom übergeordneten Organ bestimmt.

(3) In Gemeinden und Kreisen, wo anstelle von National-Ausschüssen Verwaltungskommissionen bzw. Verwaltungskommissare ernannt werden, obliegt diesen die Verhängung der nationalen Verwaltung.

§ 8.

(1) Die Entscheidungen gemäß § 7 werden bei den in § 7 Buchst. a), b), c), d) anfgeführten Unternehmen im Einvernehmen mit dem Betriebsausschuss (Betriebsrat) oder mit anderen Arbeitnehmervertretern der Betriebe getroffen. Kommt es zu keiner Einigung, so entscheidet das übergeordnete Organ.

(2) Bei 50 ha übersteigenden land- und forstwirtschaftlichen Besitztümern erfolgt die Entscheidung nach Anhörung der zuständigen Orts-Nationalausschüsse.

§ 9.

Bei Gefahr im Verzuge - besondere dann, wenn es sich um ein verlassenen Betrieb handelt oder wenn staatlich unzuverlässige Personen in den Besitz oder Betrieb eingreifen, sind die Kreis-Nationalausschüsse auch bei sonstiger Unzuständigkeit berechtigt, einen einstweiligen Nationalverwalter bis zur Entscheidung nach § 7 zu bestellen.

§ 10.

(1) Der zuständige Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat, kann nach Anhörung des Betriebsausschusses, wenn es das öffentliche Interesse erfordert, von amtswegen die Entscheidung des Kreis-Nationalausschusses oder Orts-Nationalausschusses über die Verhängung von nationaler Verwaltung oder die Bestellung von Nationalverwaltern abändern oder andere Maßnahmen treffen.

(2) Der zuständige Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat, trifft auch Maßnahmen zur Verhängung nationaler Verwaltung dort, wo sie der Kreis- oder Orts-Nationalausschuss dies nicht getan hat oder nicht tun konnte.

§ 11.

Die nationale Verwaltung wird aufgehoben, wenn die Gründe, die zu ihrer Verhängung geführt haben, weggefallen sind. Sie wird von der gleichen Stelle, die sie verhängt hat, aufgehoben.

§ 12.

(1) Nationale Verwaltung auf Zeit ist zu verhängen bei allen genossenschaftlichen Unternehmungen und Organisationen (landwirtschaftliche, Konsum-, Geld- usw.) Diese nationale Verwaltung sichert neben der ordentlichen Führung dieser Unternehmungen innerhalb von 4 Wochen die Durchführung von Wahlen der neuen Verwaltung.

(2) Nationale Verwaltung auf Zeit verhängt bei Genossenschaften, deren Betätigungsfeld das Ortsgebiet nicht überschreitet, der Orts-Nationalausschuss, bei Genossenschaften, deren Betätigungsfeld das Orts- aber nicht Kreisgebiet überschreitet, der Kreis-Nationalausschuss, bei allen anderen Genossenschaften der Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat.

(3) Vor der Verhängung der nationalen Verwaltung auf Zeit sind nach Möglichkeit die Genossenschafter zu hören.

(4) Die nationale Verwaltung auf Zeit wird beendet, sobald die Genossenschafter eine neue Verwaltung gewählt haben.

§ 13.

Aus wichtigen Gründen kann der zuständige Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat, eine nationale Verwaltung auch in Fach-, Wirtschafts-, Kultur- und Interessenorganisationen verhängen.

§ 14.

(1) Die Entscheidungen über die Verhängung nationaler Verwaltung und deren Aufhebung und über die Bestellung und Abberufung von Nationalverwaltern müssen schriftlich ergehen.

(2) Eine Abschrift der Entscheidung ist dem Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei dem Slovakischen Nationalrat, zuzustellen

§ 15.

Aufgrund einer Entscheidung nach § 14 nimmt von amtswegen vor:

a) Bei Grundstücken, das zuständige Grundbuchgericht die Anmerkung der nationalen Verwaltung im Grundbuch.

b) Bei Berggerechtssamkeiten das zuständige Gericht bzw. Amt, die Anmerkung der nationalen Verwaltung in die Bergbücher bzw. Verzeichnisse.

c) Bei Unternehmungen (Betrieben), die in das Handels- (Genossenschafts-) Register, in der Slovakei in das Firmenregister eingetragen sind, das zuständige Gericht die Anmerkung der nationalen Verwaltung in das Handels- (Gesellschafts-) Register, in der Slowakei in das Firmenregister.

§ 16.

(1) Zu Nationalverwaltern sollen nur Personen bestellt werden, die über die erforderlichen Fach- und praktischen Kenntnisse verfügen und moralisch einwandfrei und staatlich zuverlässig sind.

(2) In der Regel soll zum Nationalverwalter weder ein Schuldner noch ein Gläubiger des Unternehmens (Betriebs) oder der Vermögensmasse bestellt werden, es sei denn, dass das nach § 7 zuständige Organ begründet anders entscheidet.

(3) Die nationale Verwaltung soll in der Regel von geeigneten Arbeitnehmern des betreffenden Betriebes durchgeführt werden.

(4) Zu Nationalverwaltern dürfen Mitglieder der nach § 7 zuständigen Nationalausschüsse nicht bestellt werden.

§ 17.

(1) Bei kleineren Besitztümern, Kleinbetrieben, bei kleineren gewerblichen Betriebsstätten u. ä. kann ein einziger Verwalter für mehrere Unternehmen bzw. Vermögensmassen bestellt werden.

(2) Erfordert dies der Umfang der nationalen Verwaltung, so kann das nach § 7 zuständige Organ als Nationalverwalter ein bis zu 4 Köpfen starkes Gremium bestellen, welches die Verwaltung nach dem Mehrheitsprinzip führt.

§ 18.

Vor Amtsantritt leisten die Nationalverwalter dem nach § 7 zuständigen Organ das Gelöbnis, daß sie ihre Verpflichtungen gewissenhaft und nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns im Einklang mit den wirtschaftlichen, nationalen und anderen öffentlichen Interessen erfüllen werden.

§ 19.

Die Nationalverwalter haben in Ausübung ihrer Tätigkeit die Stellung von öffentlichen Organen im Sinne des § 68 des StGB vom 27. Mai 1852 Nr. 117 RGBl., § 461 Ges. Art. V/1878 bzw. § 5 Ges. Art. XI/1914.

§ 20.

(1) Rechtsgeschäfte von Eigentümern, Besitzern und Vermögensverwaltern von unter nationale Verwaltung fallenden Besitztümern, die deren Bestand berühren und die nach Inkrafttreten dieses Dekrets vorgenommen werden, sind ungültig.

(2) Die bisherigen Eigentümer, Besitzer und Vermögensverwalter der der nationalen Verwaltung unterliegenden Werte sind verpflichtet, sich jedweder Eingriffe in die Verwaltung des Nationalverwalters zu enthalten.

§ 21.

Der Nationalverwalter verwaltet das unter nationale Verwaltung fallende Gut und ist berechtigt und verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die zur ordentlichen Verwaltung erforderlich sind. Er ist verpflichtet, wie ein ordentlicher Kaufmann zu handeln und haftet für jeden Schaden, der infolge Vernachlässigung seiner Pflichten entsteht.

§ 22.

(1) Der Nationalverwalter ist verpflichtet, den nach § 7 zuständigen Organen über seine Tätigkeit zu den von diesen gesetzten Fristen Rechnung zu legen und jederzeit alle erforderlichen oder angeforderten Berichte und Erläuterungen abzugeben.

(2) Zu Maßnahmen, die nicht zum ordentlichen Geschäftsbetrieb gehören und für alle besonders wichtigen Handlungen, zur Vermietung oder Verpachtung, zur Aufnahme von Darlehen, zu grundbücherlichen Belastung, zur Liquidation u. ä. bedarf er der Zustimmung des nach § 7 zuständigen Organs.

(3) Das nach § 7 zuständige Organ überwacht die Geschäftsgebarung des Nationalverwalters.

(4) Der Nationalverwalter ist verpflichtet, Richtlinien, die ihm das nach § 7 zuständige Organ oder der übergeordnete Landes-Nationalausschuss, in der Slovakei der Slovakische Nationalrat, bzw. bei Unternehmen (Betrieben) mit gesamtstaatlichem Betätigungsfeld das zuständige Ressort-Ministerium erteilt, zu befolgen.

§ 23.

Der Nationalverwalter hat Anspruch auf Ersatz seiner Barauslagen und auf eine Vergütung, deren Höhe das nach § 7 zuständige Organ bestimmtt. Diese Kosten gehen zu Lasten der verwalteten Masse.

§ 24.

(1) Unter nationale Verwaltung genommener Besitz von Arbeitern, Landwirten, Gewerbetreibenden, kleinen und mittleren Unternehmern, Beamten, Angehörigen der freien Berufe und Personen ähnlicher sozialer Stellung, die den Besitz im Zuge nationaler, politischer oder rassischer Verfolgung verloren haben, wird – soweit es sich nicht um in § 4 angeführte Personen handelt, von der nationalen Verwaltung ausgenommen und sofort den ehemaligen Eigentümern bzw. deren Erben zurückzugeben.

(2) Auch die in § 4 Abs. a) genannten Personen können, soweit es sich um Arbeiter, Landwirte, Gewerbetreibende, kleine und mittlere Unternehmer, Beamte, Angehörige der freien Berufe und Personen in ähnlicher sozialer Stellung bzw. deren Erben handelt, Antrag auf Befreiung ihres Besitzes von der nationalen Verwaltung und dessen Rückgabe stellen, wenn sie glaubwürdig nachweisen, daß sie Opfer politischer oder rassischer Verfolgung waren und der demokratisch-republikanischen Staatsgedanken der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind.

(3) Hierüber entscheidet auf Antrag das nach § 7 zuständige Organ.

(4) Der übrige sichergestellte Besitz verbleibt bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung unter nationaler Verwaltung.

§ 25.

(1) Gegen Entscheidungen des Orts-Nationalausschusses ist Berufung an den Kreis-Nationalausschuß zulässig, der endgültig entscheidet.

(2) Gegen die Entscheidungen des Kreis-Nationalausschusses als erste Instanz ist Berufung an den Landes-Nationalausschuß, in der Slovakei zum Slovakischen Nationalrat zulässig.

(3) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung.

§ 26.

Wenn es sich nicht um eine strenger zu bestrafende Handlung handelt, so wird als Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und Geldstrafe bis zu 10 Millionen Kronen, eventuell mit gänzlichem oder teilweisen Vermögensverfall bestraft:

a) jeder, der die Bestimmungen dieses Dekrets verletzt oder umgeht, insbesondere wer die Tätigkeit des Nationalverwalters behindert oder unmöglich macht,

b) der Nationalverwalter, der vorsätzlich oder grobfahrlässig irgendeine Pflicht, die ihm durch die vorstehenden Bestimmungen auferlegt ist, verletzt.

§ 27.

Die Regierung wird ermächtigt, die finanziellen Mittel zur Sicherstellung des Betriebs der unter nationaler Verwaltung stehenden Unternehmen (Betriebe), deren Weiterführung im Interesse des wirtschaftlichen Lebens geboten ist, bereitzustellen.

§ 28.

(1) Dieses Dekret wird mit seiner Verkündung wirksam.

(2) Mit seiner Durchführung wird die Regierung beauftragt.

Dr. Edvard Beneš e.h.

Zd. Fierlinger e.h.

Gottwald e.h., Svoboda e.h., Šrámek e.h., Nejedlý e.h., David e.h., V. Kopecký e.h., Ján Ursíny e.h., Gen. Hasal e.h., Široký e.h., Frant. Hála e.h., Václ. Nosek e.h., J. Stránský e.h., Dr. V. Šrobár e.h., V. Majer e.h., Pietor e.h., B. Laušman e.h., Dr. H. Ripka e.h., Dr. V. Clementis e.h., auch für Minister J. Masaryk, J. Ďuriš e.h., Dr. Šoltész e.h., Gen. Dr. Ferjenčík e.h., A. Procházka e.h., J. Lichner e.h.

33. Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945

über die Regelung der Staatsbürgerschaft von Personen deutscher und magyarischer Nationalität.

Auf Antrag der Regierung und in Abstimmung mit dem Slowakischen Nationalrat verordne ich:

§ 1.

(1) Tschechoslowakische Staatsbürger deutscher oder magyarischer Nationalität, die nach den Vorschriften einer ausländischen Besatzungsmacht die deutsche oder magyarische Staatsangehörigkeit erlangt haben, haben mit dem Tag der Erwerbung dieser Staatsangehörigkeit die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren.

(2) Andere tschechoslowakische Staatsbürger deutscher oder magyarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an dem Tag, an dem dieses Dekrets in Kraft tritt.

(3) Dieses Dekret bezieht sich nicht auf Deutsche und Magyaren, die sich zur Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (§ 18 des Dekrets des Präsidenten der Republik vom 19. Juni 1945, Nummer 16 Slg., über die Bestrafung nazistischer Verbrecher, Verräter sowie deren Gehilfen und über außerordentliche Volksgerichte) in amtlicher Meldung als Tschechen oder Slowaken meldeten.

(4) Tschechen, Slowaken oder Angehörige anderer slawischer Nationen, die sich zu dieser Zeit, genötigt durch Druck oder durch besondere berücksichtigungswerte Umstände, als Deutsche oder Magyaren gemeldet habe, werden nach diesem Dekret nicht als Deutsche oder Magyaren angesehen, sofern das Innenministerium die Beglaubigung der nationalen Zuverlässigkeit anerkennt, die der zuständige Kreisnationalausschuss (Kreisverwaltungskommission) nach der Überprüfung der angegebenen Fakten erteilt.

§ 2.

(1) Den Personen, die unter die Bestimmung von §1 fallen und nachweisen, dass sie der Tschechoslowakischen Republik treu waren, sich niemals am tschechischen und slowakischen Volk vergangen haben und sich entweder aktiv am Kampf für ihre Befreiung beteiligten, oder unter den nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben, bleibt die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten.

(2) Ein Antrag zur Feststellung, dass die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten bleibt, kann innerhalb von sechs Monate ab dem Zeitpunkt, da dieses Dekret seine Wirksamkeit erlangt, beim zuständigen örtlichen Kreisnationalausschuss (Kreisverwaltungskommission) oder, sofern der der Antragssteller im Ausland wohnt, bei der Auslandsvertretung eingereicht werden. Darüber entscheidet das Innenministerium auf Vorschlag des Landesnationalausschusses, in der Slowakei der Nationalrat. Bis zur Klärung des Antrags sind diese Personen als tschechoslowakische Staatsbürger zu betrachten, sofern ihnen der Kreisnationalausschuss (Kreisverwaltungskommission) oder die Auslandsvertretung eine Bescheinigung zu den Umständen, die in den vorangehenden Absatz angeführt wurden, erteilt hat.

(3) Über den Erhalt der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft von Angehörigen tschechoslowakischer Militäreinheiten, die deutscher oder magyarischer Nationalität sind, entscheidet von Amtswegen in kürzester Zeit das Innenministerium auf Antrag des Ministeriums für Nationale-Verteidigung. Bis zur Entscheidung durch die Behörden sind sie als tschechoslowakische Staatsbürger zu betrachten.

§ 3.

(1) Personen, die nach § 1 die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit verloren haben, können bis zu sechs Monate von dem Tag an, der durch Bekanntmachung des Innenministerium bestimmt und in der Sammlung von Gesetzen und Verordnungen veröffentlicht wird, beim zuständigen örtlichen Kreisnationalausschuss (Kreisverwaltungskommission) oder der Auslandsvertretung ihre Wiedererteilung beantragen. Über einen solchen Antrag befindet nach freiem Ermessen das Innenministerium auf Antrag des Landesnationalausschuss, in der Slowakei der Slowakische Nationalrat; dem darf nicht entsprochen werden, wenn der Antragssteller die Pflichten eines tschechoslowakischen Staatsbürgers verletzt hat. Sofern nicht anders durch eine Regierungsverordnung geregelt, gelten auch in diesen Fällen die allgemeinen Vorschriften für den Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft.

§ 4.

(1) Für die Zwecke dieses Dekretes werden Ehefrauen und minderjährige Kinder gesondert beurteilt.

(2) Anträge nach § 3, die Ehefrauen und minderjährige Kinder tschechoslowakischer Staatsbürger stellen, sind wohlwollend zu beurteilen. Bis zur Entscheidung sind die Antragssteller als tschechoslowakische Staatsbürger anzusehen.

§ 5.

Tschechen, Slowaken und Angehörige anderer slawischer Nationen, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik, (§ 18 des Dekretes des Präsidenten der Republik Nr. 16/1945 Sog.) ohne dass sie durch Druck oder besondere Umstände dazu gezwungen waren, um die Erteilung der deutschen oder magyarischen Staatsbürgerschaft bemüht haben, büßen an dem Tag, an dem dieses Dekret in Kraft tritt, ihre tschechoslowakische Staatsbürgerschaft ein.

§ 6.

Dieses Dekret tritt mit dem Tag der Verkündung in Kraft; vollstreckt wird es vom Innenministerium in Absprache mit den Ministerien für Auswärtige Angelegenheit und der Nationalen Verteidigung.

Dr. Beneš e.h.

Fierlinger e.h.

Masaryk e.h., Gen. Svoboda e.h., Nosek e.h.

Hier nach: 1.) Sbírka zákonů a nařízení státu Československého, Jg. 1945, Teil 4, herausgegeben am 23. Mai 1945, S. 7–10; Übersetzung: Leo Witrzens; 2.) Sbírka zákonů a nařízení republiky Československé, Jg. 1945, Teil 17, herausgegeben am 10. August 1945, S. 57-58; Übersetzung: Benjamin Müller.