Rede Ludwig Erhards während der 14. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am Main

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Rede Ludwig Erhards während der 14. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am MainВыступление Людвига Эрхарда на 14-м общем собрании Экономического совета Единого экономического пространства во Франкфурте-на-Майне
21. April 1948
апрель 21, 1948
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In seiner Rede vom 21. April 1948 verkündete der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft und spätere Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard vor dem Plenum des bizonalen Wirtschaftsrates sein wirtschaftspolitisches Programm, das zur Grundlage der westdeutschen Wirtschaftsordnung werden sollte. Rechtlich fixiert wurde das Programm kurz darauf im „Gesetz über die Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ vom 24. Juni 1948. Kerngedanke der Rede wie des Gesetzes war es, die von den Alliierten verfügte Währungsreform und die anlaufende Marshallplanhilfe mit einer liberalisierenden Wirtschaftsreform zu verknüpfen und so mit der bisher verfolgten Praxis der behördlichen Lenkungswirtschaft zu brechen. Tatsächlich brachte die Reform durch Abschaffung von Bewirtschaftungsvorschriften und Freigabe vieler Preise ein marktwirtschaftliches Wettbewerbssystem auf den Weg.



[Русская версия отсутствует]


von: Bernhard Löffler, 2011


Ludwig Erhards Rede vom 21. April 1948 fiel in eine Zeit, in der vieles noch im Fluss war. Die politische Souveränität lag bei den alliierten Besatzungsmächten. Auch wenn sich die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West bereits verfestigte und mit der Verabschiedung des European Recovery Program (ERP, besser als Marshallplan bekannt) durch den US-Kongress am 3. April 1948 auch konkrete Formen annahm, war die genaue staatliche Entwicklung Deutschlands unklar. Die deutschen Instanzen, vornehmlich die im Juni 1947 reorganisierte Verwaltung für Wirtschaft des bizonalen Vereinigten Wirtschaftsgebietes, befanden sich in einem Übergangsstadium von provisorischen Besatzungsgremien zu Vorläuferorganisationen eines westdeutschen Teilstaates. Das definitive Ergebnis des Prozesses war aber noch nicht abzusehen.

Höchst umstritten und in vielerlei Hinsicht offen war nicht zuletzt die wirtschaftspolitische Ordnung, die sich der künftige westdeutsche Staat geben wollte. Wohl war für jeden klar, dass die Entscheidungen über Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik eine Lebensfrage für Staat und Gesellschaft insgesamt darstellten. Das legten schon die Erfahrungen der bedrängten Not- und Zusammenbruchsgesellschaft nahe: der tägliche Überlebenskampf in zerbombten Städten, die Alltagsbeschwerden angesichts zerstörter Transportwege, die drastisch eingebrochene Industrieproduktion. Im eisigen Winter 1946/47, dem Höhepunkt der ökonomischen „Lähmungskrise“, betrug die industrielle Produktion der Bizone nur noch knapp 30 Prozent des Standes von 1936.

Grundsatzpolitische Brisanz bekam die Frage dadurch, dass sich in den Präferenzen für verschiedene Wirtschaftsordnungen auch unterschiedliche staats- und gesellschaftspolitische Modelle spiegelten. Vereinfacht ausgedrückt, ging es um die Alternative zwischen bürokratisch gelenkter Planwirtschaft und freiheitlicher Markt- und Wettbewerbswirtschaft. Daran knüpften sich polarisierende politische Debatten. SPD, Gewerkschaften und auch viele Verwaltungsprofis plädierten für die Fortführung bzw. Verfeinerung der staatlichen Intervention und Planung, wie sie im System der Bewirtschaftung, Kontingentierung und Preisbindung im Grunde seit dem Krieg bestanden. Nur so könnten die materiellen Grundlagen gesichert, der Transformationsprozess sozialverträglich gestaltet und kapitalistische Auswüchse verhindert werden.

Auf der anderen Seite standen neo- und ordoliberale Wirtschaftswissenschaftler und Politiker mit einer Konzeption, für die sich rasch der Name „soziale Marktwirtschaft“ einbürgerte – eine Bezeichnung, die der Münsteraner Nationalökonom Alfred Müller geprägt hatte. Sie propagierten zwar keinen „Nachtwächterstaat“ oder freien Kapitalismus, leugneten auch nicht die soziale Verantwortung des Staates als rahmensetzende Instanz, bestanden jedoch auf einem System, das durch Leistungswettbewerb, freie Preisgestaltung und individuelle Freizügigkeit gekennzeichnet ist. Darin erblickten sie gleichermaßen die Voraussetzung für eine ökonomische Erholung wie die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich die Diskussionsfronten überschnitten und sich innerhalb der Parteien (besonders innerhalb der Unionsparteien mit einem marktwirtschaftlichen und einem christlich-“sozialistischen“ Flügel) differierende Meinungen artikulierten. Erhards Rede war hier ein klärender Markstein. Sie trug dazu bei, die wirtschafts- und parteipolitischen Gewichte zugunsten der „Marktwirtschaftler“ zu neigen. Sie beschleunigte den Klärungsprozess innerhalb der Union wie innerhalb des Wirtschaftsrates und ergriff dabei geschickt auch die propagandistischen Argumentationsmöglichkeiten, die der weltpolitische Stimmungsumschwung im Zeichen des Kalten Krieges bot. Und sie markierte mit ihrem klar geäußerten Willen, eine ordnungspolitische Weichenstellung herbeizuführen, eine maßgebliche Etappe auf dem Weg zur rechtlichen Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft. Sie war der rhetorisch-programmatische Auftakt eines ganz konkreten und folgenreichen politischen Implementationsvorgangs.

Ludwig Erhard war vor 1945 als privat angestellter Konsum- und Marktforscher, zuletzt im Auftrag der Reichsgruppe Industrie, tätig gewesen. 1945/46 war er als parteiloser Wirtschaftsminister ins bayerische Kabinett berufen worden und leitete anschließend die mit der Vorplanung der Währungsreform befassten Sonderstelle Geld und Kredit. Anfang März 1948 wurde er auf Vorschlag der FDP und mit Unterstützung der CDU zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft gewählt. Erhard war in der Nachkriegsszene sicherlich ein politischer Newcomer, aber wirtschaftspolitisch kein unbeschriebenes Blatt. Bereits seit 1942 hatte er im Auftrag von Großunternehmen an wirtschaftlichen Nachkriegskonzeptionen gearbeitet und dabei die Konsolidierung der Währung, die Wiederbelebung der „wirtschaftlichen Selbstverwaltung und unternehmerischer Initiative“ und die Errichtung einer „freien, auf echtem Leistungswettbewerb beruhenden Marktwirtschaft“ als Schlüsselpunkte des wirtschaftlichen Wiederaufbaus hervorgehoben (Denkschrift 1943/44).

Er stand mit derlei Gedanken und Forderungen in einem größeren Diskussionskontext, der bereits in die ausgehenden 1920er Jahre zurückreichte und sich auf sogenannte ordoliberale Wissenschaftler wie die „Freiburger Schule“ um Walter Eucken oder neoliberale Ökonomen wie Wilhelm Röpke oder Alexander Rüstow, aber auch aufgeschlossene Ministerialbeamte und zukunftsorientierte Industrielle bezog. Erhard konnte sich also 1948 auf längere wirtschaftswissenschaftliche Traditionen, auf ein früher aufgebautes personales Netzwerk und auf einige exponierte ordoliberale Mitstreiter in der Verwaltung für Wirtschaft stützen (wie den Leiter der Grundsatzabteilung für Preise und Löhne Leonhard Miksch oder die Mehrheit des Wissenschaftlichen Beirats um Walter Eucken). Auch hatte sich schon seit Sommer 1947 eine sukzessive Lockerung der Bewirtschaftung angedeutet und sich etwa im Übergang von der fesselnden Hersteller- zur flexibleren und den Unternehmerspielraum erweiternden Endverbraucherkontingentierung manifestiert.

Andererseits war aber gerade die Mehrheit der Beamten der bizonalen Wirtschaftsverwaltung in alten Denkmustern von Planung und staatlicher Lenkung befangen, kam aus dem lange Zeit SPD-dominierten Mindener Verwaltungsamt für Wirtschaft oder entstammte dem Reichswirtschaftsministerium. Kurzum: Erhards programmatische Ankündigung kam nicht von ungefähr, war aber auch nicht selbstverständlich oder determiniert, sondern ein äußerst umstrittenes Wagnis mit durchaus ungewissem Ausgang.

Erhard postulierte in seiner Rede vom April 1948 eine Grundprämisse und kündigte zwei Maßnahmen an: Die Grundvoraussetzung eines wirtschaftlichen Aufschwungs sei nur gegeben, wenn man die bevorstehende Währungsreform (21. Juni) und die anlaufende Marshallplanhilfe mit einem „weitgreifenden Strukturwandel“ der behördlich regulierten Wirtschaftsordnung verknüpfe. Kernpunkte einer solchen Revision seien erstens die stärkere Berücksichtigung der Konsumgüterindustrie statt der bisherigen einseitigen Förderung der Grundstoff-, Schwer- und Investitionsgüterindustrie. Erst dadurch würde die Produktion von Verbrauchswaren angeregt. Und dieses verbreitete Konsumangebot sei nötig, um die Kaufkraft abzuschöpfen, die neue Währung stabil zu halten und überhaupt erst Anreize für Arbeitstätigkeit und Verlässlichkeit für unternehmerische Kalkulation zu bewirken.

Zweitens müssten in vielen Sektoren (v.a. der Konsumgüterindustrie) Bewirtschaftung und Preisstopp aufgehoben und „dem Leistungswettbewerb Möglichkeiten der Entfaltung eröffnet“ werden. Ziel sei es, mit einer kombinierten Währungs- und Wirtschaftsreform einen dynamischen Prozess in Gang zu setzen, an dessen Ende eine leistungsorientierte, marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung stehe, die den Konsumenten Wahl- und den Produzenten Gewinnmöglichkeiten eröffne. Der Staat solle den Wirtschaftsprozess nicht mehr direkt beeinflussen, sondern nur noch durch indirekte Maßnahmen (Wettbewerbsrecht, Kredit- und Geldpolitik, Steuerpolitik) begleiten.

Sozialstaatliche Maßnahmen wie ein Lastenausgleich wurden zwar als notwendig erachtet, jedoch bewusst auf die Zeit nach der Reform verschoben. All dem maß Erhard von Anfang an eine sozialethische Dimension bei: Die Freiheit von Konsum und Berufswahl wie der Wettbewerb der Unternehmer seien komplementäre Elemente einer auf Wahlfreiheit, Demokratie und Selbstverantwortlichkeit fußenden Gesellschaft und zugleich Immunisatoren gegen die „persönlichkeitsertötende Gleichmacherei“ kollektivistischer Systeme.

Freilich distanzierte sich Erhard auch von „den liberalistischen Wirtschaftsformen historischer Prägung und dem verantwortungslosen Freibeutertum einer vergangenen Zeit“. Die Lösung der „menschlichen Lebensformen“ könne weder der bürokratische „Termitenstaat“ noch die kapitalistische „Anarchie“ sein, sondern allein eine Kombination aus „Freiheit und Bindung“. Trotz scharfer und kritischer parlamentarischer Debatten im Wirtschaftsrat bewies Erhard Stehvermögen, auch gegenüber manchen skeptischen Alliierten (allerdings mit Unterstütztung des amerikanischen Militärgouverneurs Lucius D. Clay). Sein Programm wurde rasch im „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ vom 24. Juni 1948 verankert.

Das Gesetz war vom Wirtschaftsrat in einer dramatischen Nachtsitzung vom 17. auf den 18. Juni gegen die Stimmen von SPD und KPD verabschiedet worden. Inhaltlich konzipiert hatte es weitgehend der erwähnte Leonhard Miksch. Es hatte einen zweifachen Charakter: Zum einen handelte es sich faktisch um ein „Ermächtigungsgesetz“, mit dem der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in vier Artikeln befugt wurde, weitreichende Maßnahmen auf dem Gebiet der Bewirtschaftung und Preiskontrolle zu treffen.

Zum anderen handelte es sich um ein wirtschaftspolitisches Programm- und Rahmengesetz, das weniger konkrete Ausführungsbestimmungen, denn generelle künftige Orientierungspunkte beschrieb. Diese wurden in der Gesetzespräambel und einer Gesetzesanlage, eben den „Leitsätzen“, festgehalten. Als entscheidende Maßgabe wurde gefordert, „das aus der Vergangenheit stammende, kaum noch wirksame Zwangssystem“ aufzulockern und den „Markt stärker zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in Erzeugung und Verteilung“ einzusetzen. Und die beiden zentralen Leitsätze lauteten: „Der Freigabe aus der Bewirtschaftung ist vor ihrer Beibehaltung der Vorzug zu geben. [...] Der Freigabe der Preise ist vor der behördlichen Festsetzung der Vorzug zu geben“.

Erhard popularisierte diese Prinzipien nicht nur öffentlichkeitswirksam als große Chance für die Masse der Verbraucher (etwa in der Rundfunkansprache „Der neue Kurs“ vom 21. Juni), sondern setzte sie auch sofort um. Bereits am 25. Juni wurden per Anordnung die Preise fast aller gewerblich hergestellten Fertigwaren freigegeben. Die unmittelbaren Folgen waren eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten und der industriellen Preise um jeweils 14 Prozent sowie ein Anstieg der Grundstoffpreise um 21 Prozent im zweiten Halbjahr 1948. Weiterhin gebunden blieben indes die Preise für Erdöl und Benzin, für viele Produkte der Ernährungswirtschaft und der eisenschaffenden Industrie, für landwirtschaftliche Düngemittel, Verkehrstarife, Mieten und Pachten. Das Bewirtschaftungsnotgesetz vom Oktober 1947 trat am 30. Juni 1948 außer Kraft.

Der Entstehungskontext der Programmrede Erhards wie des Leitsätzegesetzes, die konzeptionellen Grundlagen und die personellen Gewährsleute der Wirtschaftsreform sowie die parteipolitischen Debatten und Friktionen sind seit der noch immer nicht überholten Pionierstudie von Ambrosius bekannt und kaum umstritten. Allerdings differieren nach wie vor die Bewertungen im Einzelnen. So monieren manche Autoren unter rechtsstaatlich-demokratietheoretischem Aspekt den Ermächtigungscharakter des Gesetzes und die fehlende parlamentarische Kontrolle. Erhard hat dieses Defizit zwar schon seinerzeit mit dem Hinweis zu widerlegen versucht, es ginge ihm gerade nicht um eine Steigerung zentralbehördlicher Macht Aber selbst in der CDU/CSU-Fraktion im Wirtschaftsrat firmierte das Gesetz explizit als „Ermächtigungsgesetz“.[1]

Daneben werden die „sozialen Lücken“[2] im Prozess der Einführung der Marktwirtschaft kritisiert, zum Beispiel der zunächst fehlende, dann unvollständige Lastenausgleich oder die Tatsache, dass die Kapitalbildung der Unternehmen lange Zeit vor Lohnsteigerungen rangierte. In diesem Zusammenhang wird auch nach alternativen wirtschaftspolitischen Wegen gefragt. Die Untragbarkeit des teils verrotteten, teils halbherzig durchgeführten Bewirtschaftungs- und Lenkungssystems vor 1948 ist dabei unbestritten, nicht aber die mögliche Wirksamkeit einer keynesianisch ausgerichteten Globalsteuerung und „Lenkung der leichten Hand“.

Die wichtigste Forschungskontroverse betrifft jedoch die Wirkung und ökonomische Bedeutung der Wirtschafts- und Währungsreform. Vor allem Werner Abelshauser und etwa Ludger Lindlar haben betont, hauptsächliche Gründe für den Wirtschaftsaufschwung Westdeutschlands in den fünfziger Jahren seien nicht die ordnungspolitischen oder institutionellen Entscheidungen von 1948. Sie interpretieren das „Wirtschaftswunder“ vielmehr als Teil eines nachholenden gesamt-westeuropäischen Rekonstruktionsaufschwungs und Aufholprozesses gegenüber den USA. Er sei in der Bundesrepublik Deutschland nur deshalb so stark ausgefallen, weil hier das Wachstumspotential aufgrund guter struktureller Rekonstruktionsbedingungen besonders mobilisiert werden konnte. So habe man vor allem von einem gut qualifizierten und durch die Flüchtlinge vergrößerten Arbeitskräftereservoir, von einem in Rüstungs- und Kriegszeiten modernisierten und gewachsenen industriellen Anlagevermögen, von vorteilhaften steuerlichen Konditionen für Investitionen, einer moderaten Lohnpolitik und günstigen außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitiert. Die Wirtschafts- und Währungsreform habe hier zwar unterstützend gewirkt, sei aber weder entscheidender noch hinreichender Grund für den Boom gewesen und habe keinen wesentlichen Produktionseffekt gehabt.

Ohne die günstigen materiellen Rekonstruktionsbedingungen in Westdeutschland zu leugnen, wurde diese Interpretation mit Blick auf das Jahr 1948 kritisiert, am ambitioniertesten von Albrecht Ritschl und Christoph Buchheim. Sie haben zunächst die Datengrundlagen Abelshausers berichtigt. Abelshauser hatte die industriellen Steigerungsraten vor Juni 1948 aufgrund von Angaben zum industriellen Stromverbrauch höher angesetzt als die amtlichen Statistiken und damit den Steigerungseffekt der Reformen relativiert.

Ritschl hat demgegenüber nachgewiesen, dass die Zahlen Abelshausers auf einem Berechnungsfehler beruhen, dass die für die ersten beiden Quartale 1948 niedrigeren amtlichen Daten im Ganzen doch zutreffen und so der Niveausprung nach der Währungs- und Wirtschaftsreform tatsächlich markant war. So erhöhte sich der amtliche Index der arbeitstäglichen bizonalen Industrieproduktion im Quartal nach den Reformen um mehr als 10 Indexpunkte; der Anstieg im zweiten Quartal 1948 im Vergleich zum ersten hatte dagegen nur knapp 3 Prozentpunkte betragen.[3] Was den Grund für diese Steigerungen anlangt, so wurde betont, dass erst mit dem Ende der Bewirtschaftung, der administrativ festgesetzten marktfernen Preise und des wertlosen Geldes wieder ausreichend Gewinn-, Produktions- und Arbeitsanreize geschaffen worden seien. Das sehe man z. B. daran, dass die Unternehmen nun schlagartig ihre gehorteten Rohstoffvorräte und die hohen Lagerbestände abgebaut hätten. Auch die Arbeitsproduktivität in der Bizone habe zugenommen, allein zwischen Juni 1948 und März 1949 um mehr als 30 Prozent.

Um die Relevanz speziell der Wirtschaftsreform zu untermauern, machte Buchheim schließlich auch auf die Entwicklung in der französischen Besatzungszone aufmerksam. Dort wurde 1948 zwar die Währungs-, aber keine Wirtschaftsreform vollzogen. Die Folge war ein verzögerter Aufschwung. Während sich in der Bizone der amtliche Index der arbeitstäglichen Industrieproduktion von Juni bis Dezember um 54 Prozent erhöhte, stieg er in der französischen Zone nur um gut 35 Prozent.[4]

Insgesamt kommt somit den hart umkämpften und keineswegs automatisch ablaufenden ordnungspolitischen und institutionellen Entscheidungen des Jahres 1948 doch eine wichtige Bedeutung zu, jedenfalls eine deutlich größere, als dies die „Revisionisten“ um Abelshauser glaubten belegen zu können. Die Neuordnung der Währung, die Einführung der Marktwirtschaft und die mit der Marshallplanhilfe beginnende Einbindung der westlichen Zonen in ein liberales, multilaterales Außenhandelssystem waren zentrale, langfristig wirkende Weichenstellungen. Und die hauptsächliche Leistung Erhards und seiner Gefolgsleute lag darin, hier eine ordnungspolitisch durchdachte Zusammenführung der Einzelmaßnahmen konzipiert, öffentlich-programmatisch propagiert, rechtlich umgesetzt und politisch durchgesetzt zu haben.

  1. Rainer Salzmann (Hrsg.), Die CDU/CSU im Frankfurter Wirtschaftsrat: Protokolle der Unionsfraktion 1947–1949. Droste, Düsseldorf 1988, S. 216 ff.
  2. Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945. C.H.Beck, München 2004, S. 186)
  3. Christoph Buchheim, Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 36:2 (1988), S. 189–232, hier S. 225.
  4. Zahlen bei Albrecht Ritschl, Die Währungsreform von 1948 und der Wiederaufstieg der westdeutschen Industrie. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 33:1 (1985), S. 136–165, hier S. 164.

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Rede Ludwig Erhards während der 14. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes am 21.4.1948 in Frankfurt am Main.[ ]

Präsident:

[...] Wir fahren dann in der Tagesordnung fort und kommen zu Punkt 7: Erklärung des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft.

Das Wort hat der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, Herr Prof. Dr. Erhard.

Direktor Prof. Dr. Erhard:

Dem Wunsche dieses Hohen Hauses nach Darlegung eines wirtschaftspolitischen Programms komme ich umso bereitwilliger nach, als in dieser – wie ich glaube – für unser Volk und unsere Wirtschaft entscheidenden Stunde, da sich völlig neue Perspektiven der Entwicklung abzeichnen, der Wirtschaftsrat schon bald vor so schwere und verantwortungsvolle Entscheidungen gestellt sein wird, daß nur die Klarheit der wirtschaftspolitischen Zielsetzung eine fruchtbare Arbeit und Erfolg verbürgen kann.

Wenn je seit dem Zusammenbruch die schon so viel und oft getäuschte Hoffnung auf einen neuen Beginn unseres gesellschaftswirtschaftlichen Lebens berechtigt war, dann gilt das für den Augenblick, da wir selbst bei nüchterner realpolitischer Betrachtung damit rechnen dürfen, daß unsere nach einer sorgfältig abgewogenen Währungsreform wieder rechenhaft gewordene Wirtschaft durch die ihr aus der Marshallplanhilfe zufließenden Mittel und deren ökonomisch richtigen Einsatz eine nachhaltige und stetige Belebung erfahren wird.

So steht also die deutsche Wirtschaftspolitik heute und für die nächste Zukunft unter dem Aspekt zweier großer Entscheidungen, der Währungsreform und der Aktivierung des Marshallplans. Ich sage trotz der tragischen Aufsplitterung der deutschen Wirtschaft in Zoneneinheiten und trotz der daraus erwachsenden verhängnisvollen soziologischen und politischen Wirkungen „deutsche Wirtschaftspolitik“, weil uns im Vereinigten Wirtschaftsgebiet zweifellos das Herz- und Kernstück einer deutschen Wirtschaft zu verwalten anheimgefallen ist, und wir uns deshalb auch als Sachwalter des deutschen Volkes fühlen dürfen, wenn wir unsere Kraft einsetzen wollen, auch innerhalb der uns von außen gesetzten Begrenzung eine Wirtschaft aufzubauen, die in engster Verbindung mit der übrigen Welt und gerade dank einer solchen Verflechtung ihrer eigentlichen und letzten Zielsetzung, der Wohlfahrt eines friedlichen Volkes zu dienen, nachzukommen in der Lage sein wird.

Ich sage „deutsche Wirtschaftspolitik“ aber auch deshalb, weil ich mich damit gegen die oft gehörte, bequeme Auffassung wenden möchte, als wären wir, weil nicht in allen Teilen und allen Entscheidungen frei, damit zugleich auch der Verantwortung für unser künftiges Schicksal ledig. Das Gegenteil ist der Fall, denn je mehr Hemmnisse sich unserem Verlangen nach einer Existenzsicherung unseres Volkes entgegenstellen, desto größer müssen unsere Anstrengungen sein, desto mehr werden wir an Mut und Überzeugungskraft aufzubringen, an Einsicht und Erfahrung zu vermitteln haben, um in einer Atmosphäre unerschütterlichen Vertrauens in die Lauterkeit unserer Ziele und die Reinheit unseres Wollens das vollenden zu können, was dann als deutsche Wirtschaftspolitik angesprochen zu werden verdient.

Wenn ich dieses Amt übernahm, so geschah es in dem Bewußtsein, daß in unserer Lage weder die gemeine Erfahrung noch Verwaltungsroutine zur Meisterung der anstehenden Probleme ausreichen, sondern daß nur die aus praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis fließende tiefere Einsicht in die sehr komplexen gesellschaftswirtschaftlichen Zusammenhänge dazu befähigen kann, in dem sich vollziehenden, weitgreifenden Strukturwandel das scheinbar regellose und willkürliche, das vielleicht sogar chaotisch anmutende Geschehen zu entwirren und sinnvoll zu ordnen.

Der materielle Verfall unserer Wirtschaft und die daraus resultierende soziale Not liegen so offen zutage, daß es nur einen frommen Selbstbetrug bedeuten würde, in den seit 1945 erreichten geringen Produktionsbelebungen den Beginn einer wirklichen Gesundung zu erblicken. Wohl wurden durch planmäßige Konzentration der Energien auf bestimmte Schwerpunkte einzelne Grundstoffindustrien gefördert und bestehende Engpässe gemildert, aber durch diese Vereinseitigung unserer volkswirtschaftlichen Arbeit trat zugleich auch die Disharmonie in der wirtschaftlichen Struktur immer fühlbarer und störender in Erscheinung. So sinnvoll es nach logisch rationalen Erwägungen sein mag, den Aufbau mit der Wiederherstellung und Erneuerung des sachlichen Produktionskapitals zu beginnen, um der menschlichen Arbeit eine hohe Ergiebigkeit zu verleihen, so irreal ist doch auch diese Politik, wenn sie demgegenüber die menschliche Arbeit – oder besser den arbeitenden Menschen –, als nur sachlichen Produktionsfaktor wertend, auf längere Sicht völlig vernachlässigen zu können glaubt.

In diesen Fehler drohten wir aber zweifellos mehr und mehr zu verfallen, und es ist deshalb nach meiner Überzeugung hohe Zeit, das Steuer herumzuwerfen und durch eine ebenso planvolle Förderung der Verbrauchsgütererzeugung die noch stärker heruntergewirtschaftete menschliche Arbeitskraft zu höherer Leistung zu bringen. Die Versorgung der arbeitenden Bevölkerung mit Verbrauchsgütern und ausreichender Ernährung bedeutet in unserer Situation nur eine besondere Spielart produktiver Investition, und aus diesem Grunde schien es mir auch berechtigt, Kredite für Nahrungsmittelimporte nicht als Konsumptiv-, sondern als Produktiv-Kredite rangieren zu lassen. Wenn es dahin gekommen ist, daß z. B. 90 Prozent der im Jahre 1936 Beschäftigten nur 40 Prozent der damaligen güterwirtschaftlichen Leistung erzielen, wenn also der fast volle Einsatz der verfügbaren Arbeitskraft nur noch den Bruchteil einer normalen Leistung erbringt, dann ist der Volkswirtschaft viel mehr als mit einseitiger Verbesserung des Produktivkapitals mit einer Steigerung der menschlichen Arbeitsleistung gedient. Dann müssen selbst nüchterne, kaufmännische Überlegungen zu der Einsicht führen, daß dieser letzterwähnte Weg der wirtschaftlichere, ich möchte fast sagen, der billigere ist.

Um wieviel größer und zwingender ist aber diese Verpflichtung, wenn wir uns dessen eingedenk sind, daß die Wirtschaft nicht als seelenloser Mechanismus zu begreifen ist, sondern daß sie von lebendigen Menschen mit höchst individuellen Wünschen und Vorstellungen getragen ist, und daß gerade angesichts der Schwere unserer Not die verhängnisvollsten sozialen und politischen Wirkungen unausbleiblich sein müßten, wenn wir es noch länger vergessen, daß der letzte Zweck allen Wirtschaftens nur der Verbrauch sein kann. Wenn ich also auch keineswegs in die Fehler einer Einseitigkeit nach der anderen Richtung verfallen möchte und mir bewußt bin, daß eine zu starke Vernachlässigung der Erhaltung des Sachkapitals den Wiederaufbau verzögern müßte, so ist es doch unerläßlich, das Gewicht mit großer Entschiedenheit zu verlagern, um erst wieder einen natürlichen Ausgleich und eine organische Entsprechung herbeizuführen.

Diese Umstellung unserer Wirtschaftspolitik erweist sich aber auch aus währungspolitischen Gründen als notwendig, denn bis zu dem Zeitpunkt der Reform ist jeder Aufwand für Kapitalbi1dung und -erneuerung, besonders soweit dafür flüssige Mittel aus der Vergangenheit mobilisiert werden, einer immerhin weitgehenden Enteignung aller Nominaleinkommen aus laufender Arbeit gleichzuachten, weil angesichts der Begrenztheit unserer ökonomischen Mittel und der eine Neukapitalbildung ausschließenden Steuerpolitik jeder Kapitalaufwand nur durch einen unsichtbar erzwungenen Verzicht auf Konsum getätigt werden kann. Die Fortführung dieser Übung würde zu sozialpolitisch und moralisch gleichermaßen unhaltbaren Konsequenzen führen und könnte die private Wirtschaft auch dann nicht von dem Vorwurf einseitiger Bereicherung freisprechen, wenn diese Wirkung ohne individuelle Schuld und Absicht zustandekommt. Diese Politik ist aber auch volkswirtschaftlich nicht zu vertreten, weil sie heute mangels jedes sichtbaren sicheren Maßstabes für die Wirtschaftlichkeit und die zukünftige volkswirtschaftliche Nützlichkeit einer Investition ins Blinde stößt und deshalb nur zu leicht mit dem Odium belastet wird, daß dem Streben nach Kapitalanlage nicht Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, sondern die Absicht einer Flucht in Sachwerte zu Grunde liegen. Entscheidend aber ist, daß einem notleidenden und seelisch an den Rand der Verzweiflung gebrachten Volk nach immer wieder enttäuschten Hoffnungen nicht länger Arbeit ohne Gegenleistung, Nominallohn ohne realen Inhalt zugemutet werden kann und politisch auch nicht zugemutet werden darf. Aber auch im Hinblick auf die Zukunft, d.h. also im besonderen auf die Zeit nach der Währungsreform, gebieten es Klugheit und Einsicht, jene Umstellung der industriellen Erzeugung nicht erst dann in Angriff zu nehmen, wenn es sich mit unausweichlicher Folgerichtigkeit zeigen wird, daß privates Geldkapital für Investitionszwecke für eine Übergangszeit nicht zur Verfügung steht. Darüber wird später noch mehr zu sagen sein.

Aus all den dargelegten Gründen möchte ich Ihrer Zustimmung sicher sein dürfen, wenn ich in dieser schlechthin entscheidenden Frage der Industriepolitik richtungsmäßig die Ihnen aufgezeigten Ziele verfolge, umso mehr, als ich mir dabei bewußt bin, daß uns nicht nur volkswirtschaftliche, sondern vor allem soziale Notwendigkeiten diesen Weg zu beschreiten zwingen. Die starke Position der Rhein-Ruhr-Industrie darf in dem engeren Bereich der Vereinigten Zonen nicht zu einer Überbewertung der dort heimischen Industriesektoren und zu einer immer stärkeren einseitigen Forcierung gerade dieser schwerindustriellen Zweige führen. Diese werden kraft ihres Eigengewichtes immer ihre Bedeutung behalten, aber deren bevorzugte Förderung zu Lasten unserer Veredelungs- und Fertigwarenindustrie würde eine Verleugnung bester deutscher Tradition bedeuten und gerade jene spezifisch deutsche Begabung brachlegen, die im friedlichen Warenaustausch der Völker die in Geschmack und Qualität hochwertige deutsche Fertigware zu einem in der ganzen zivilisierten Welt begehrten Gut werden ließ, und die auf lange Sicht wohl auch unsere künftigen Exportchancen begründet.

(Zuruf rechts: Sehr richtig!)

Man wird mich auch im Falle der Zustimmung mit Recht fragen, ob die von mir angestrebte Belebung der Konsumgüterindustrie einmal so kräftig sein wird, daß eine fühlbare Besserung der Versorgung zu erwarten ist, und ob zum andern Vorsorge für eine vollständige und gerechte Verteilung getroffen werden kann, die das Übel der Kompensation ausschließt und die Auswüchse der Warenhortung unmöglich macht. Die Antwort darauf ist ohne Bezugnahme auf unsere währungspolitischen Verhältnisse und die daraus resultierenden Zustände nicht zu geben. Es wäre völlig falsch, diese Mißstände zu beschönigen und entgegen der Wirklichkeit um uns den Eindruck erwecken zu wollen, als würden die bestehenden Bewirtschaftungsanordnungen den reibungslosen Fluß der Güter vom Rohstoff bis zur Fertigware, von der Urerzeugung bis zum letzten Verbraucher sicherstellen; aber es wäre nach meiner Überzeugung ebenso falsch, den etwaigen Lücken und Fehlern dieser Direktiven die Schuld beizumessen, und es würde darüber hinaus völlig abwegig sein, nach den schuldigen Personen und Personengruppen fahnden zu wollen.

(Zuruf von der SPD: Hört! hört!)

Nicht, daß ich sagen möchte, es liegen keine Fehler vor, oder es würden nicht auch verantwortungslose Handlungen begangen werden,– solche Mißstände sind zweifellos gegeben, aber sie berühren nicht den Kern der Dinge, und darum ist aus dieser Wurzel allein das Übel nicht zu heilen. Es gilt vielmehr zu erkennen, daß der Tatbestand der preisgestoppten Inflation in seinen Auswirkungen nicht weniger schädlich und verhängnisvoll ist als eine offene Inflation, ja er ist in mancher Hinsicht noch bedenklicher, weil der Masse des Volkes die Zusammenhänge nicht bewußt werden, weil er Ursachen und Wirkungen nicht klar genug erkennen läßt. Für den arbeitenden Menschen aber bedeutet es keinen Unterschied, ob seine Kaufkraft zur Erlangung von begehrten Gütern bei inflationistischer Preisbildung nicht ausreicht oder ob er zwar über die Kaufkraft verfügt, das im Verhältnis zur Nachfrage aber völlig unzureichende Sozialprodukt die Abdeckung verhindert. Fast ist es ein Wunder zu nennen, und es zeugt für das hohe Maß an Disziplin unseres Volkes, daß die Regulative der Bewirtschaftung und des Preisstops das wirtschaftliche Gefüge und die äußere Ordnung noch so lange aufrechterhielten; aber auf dieser Grundlage eine lückenlose Bewirtschaftung und dazu noch eine gerechte Verteilung erwarten zu wollen, würde voraussetzen, daß hier nicht Menschen, sondern Engel und Götter handelnd am Werke sind.

Diese Darlegungen bedeuten keine billige Entschuldigung für ein Versagen; aber wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß unsere Wirtschaft infolge des fortdauernden Währungschaos jedes Wert- und Vergleichmaßstabes beraubt ist, daß wir bei jedem Kauf und Verkauf mit inkommensurablen Wertgrößen operieren und uns ständig auf dem Boden von Fiktionen bewegen, wenn Sie sich darauf besinnen, was es bedeutet, eine hochentfaltete, moderne Geldwirtschaft auf die Verkehrsitten einer primitiven Tauschwirtschaft reduzieren zu sollen, dann bedarf es wirklich nicht mehr der Suche nach Sündenböcken, sondern es bedarf – und das ist zwingend – der Wiederherstellung geordneter Geldverhältnisse.

(Zuruf rechts: Sehr richtig!)

Nur durch dieses Mittel allein ist wieder eine wirtschaftliche Ordnung sicherzustellen.

Diese Forderung auch von dieser Stelle mit allem Ernst und Nachdruck zu erheben, erachte ich als eine unabweisbare Pflicht und ich möchte dazu mit allem Nachdruck betonen, daß zusammen mit den materiellen Hilfen, deren Nutzen unter den bestehenden Verhältnissen nie voll ausreifen kann, uns vor allem die Rückgewinnung der unentbehrlichen Grundlage einer geordneten Währung nottut, weil erst dann ein sinnvoller Einsatz von Arbeit, Kapital und Material nach wirtschaftlichen und sozialen Grundsätzen möglich wird. Wenn ich eingangs sagte, daß unsere Wirtschaftspolitik heute unter dem Zeichen der Währungsreform und der Marshallplanhilfe zu betrachten wäre, so sei dem hinzugefügt, daß beide Elemente der wirtschaftlichen Wiedergesundung auch zeitlich zusammenstimmen und zusammenwirken müssen, um den Erfolg zu verbürgen.

Als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft aber habe ich mich mit Erkenntnissen als Selbstzweck zu begnügen und darf vor allem daraus nicht die Rechtfertigung ableiten, bis zu dem nicht in unserer Hand liegenden Vollzug der Währungsreform der Entwicklung tatenlos zuzusehen. Wenn ich jedoch weiß – und wer täte das heute nicht –, daß unter den hinlänglich charakterisierten Gegebenheiten keine Wirtschaftsbehörde es mit dem System der totalen Bewirtschaftung dahin bringen kann, der Vielzahl von industriellen, handwerklichen und bäuerlichen Betrieben zu dem jeweils erforderlichen Zeitpunkt in richtiger Menge und in geeigneter Qualität die vieltausendfachen Arten von Roh- und Hilfsstoffen, von Arbeitskräften und Produktionsmitteln zuzuweisen, eine wirksame Kontrolle über die vorgeschriebene Anwendung dieser Mittel und über Preisbestimmungen durchzuführen, den reibungslosen Durchlauf der in der Fertigung begriffenen Güter durch alle Stufen der Erzeugung und des Handels wirkungsvoll zu überwachen und dazu noch die Garantie für eine lückenlos funktionierende und nach sozialen Grundsätzen gerechte Verteilung zu übernehmen, dann werden Sie mir, wie ich hoffe, zustimmen, daß ich meine Aufgabe nicht darin erblicken kann, dieses System der totalen behördlichen Zwangswirtschaft noch zu verfeinern, d.h. in diesem Falle zu verschärfen, sondern umgekehrt überall dort und dann neue Wege und Mittel der Auflockerung anzuwenden suchen will, wo dieses Verfahren nicht eine Gefährdung, sondern eine Verbesserung der Ordnung erwarten läßt.

(Zuruf rechts: Sehr gut!)

Als eine Verbesserung würde ich es allerdings auch ansehen, wenn auf dem Gebiete der Bewirtschaftung für die Zukunft behördliche Maßnahmen unterbleiben, deren Befolgung der Wirtschaft nach logischem und ökonomischem Ermessen nicht zugemutet werden kann.

(Zuruf rechts: Sehr richtig!)

Die Fiktion einer totalen Bewirtschaftung aufrechterhalten zu wollen, wenn um uns zwar überall, aber schädlicherweise nach Ländern und Betrieben noch höchst individuell, die Kompensation üppigste Blüten treibt, kann im Ergebnis nur zu einer weiteren Unterhöhlung der Moral, zu einer stillschweigenden öffentlichen Sanktionierung ungesetzlicher Handlungen und einer Untergrabung der Staatsautorität führen oder – was gleich schlimm ist – die Behörde der Lächerlichkeit preisgeben. Hier muß der Grundsatz gelten, dass ein Optimum wirklich zu erreichen, besser ist, als ein Maximum erzwingen zu wollen. Niemand gebe sich mehr der Täuschung hin, daß in diesem Stadium der Entwicklung, und besonders noch vor einer Währungsreform, kategorische Imperative und selbst härteste Strafen die strikte Einhaltung staatlicher und moralischer Gesetze noch zu gewährleisten vermöchten, wenn diese nicht mindestens die Chance der Existenzerhaltung bieten.

Dieses Problem berührt und betrifft in Abwandlungen nahezu alle Schichten unseres Volkes und kann, wie alle sozialen Gefahren, heute wirksam nur noch durch eine baldige Währungsreform überwunden werden. Ich bin indessen in Fühlungnahme mit der BICO gerade dabei, Fragen der Auflockerung der Bewirtschaftung auch in der Richtung zu prüfen, ob es nicht einer sinnvollen Funktionenteilung entspricht, wenn sich die Behörde lediglich auf die hoheitlichen Aufgaben der Bewirtschaftung beschränkt, wie bisher in den Fach- und Länderausschüssen die Rohstoff-, Material- und Produktionsplanung vornimmt, dann aber die rein technische Manipulation und Kontrolle der Bewirtschaftung, selbstverständlich wieder unter der Aufsicht der Behörde, ähnlich wie beim Handwerk, den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft überträgt. Ohne diese Gedanken, die in einem demnächst vorgelegten Gesetz über die wirtschaftlichen Verbände ihren Niederschlag finden sollen, hier noch weiter vertiefen zu wollen, sei doch schon darauf hingewiesen, daß mir dieser Weg die fachmännische Behandlung sicherzustellen scheint, dass die Teilung der Verantwortung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Wirtschaft und damit einer Befriedung des wirtschaftlichen Lebens förderlich sein wird, und durch die demokratische Selbstkontrolle innerhalb der Verbände ein Höchstmaß an Objektivität erwarten läßt.

Bei einer klaren Trennung der Aufgaben läßt sich dabei sehr wohl die Begründung von Machtpositionen durchaus vermeiden, und vor allem eröffnet sich hier dann endlich ein Weg, um der Aufblähung der Wirtschaftsverwaltungen hier und in den Ländern erfolgreich Einhalt gebieten zu können. Daß diese Reduktion im Hinblick auf die künftigen Sorgen um den Ausgleich der öffentlichen Haushalte unbedingt notwendig ist, und daß allein schon aus diesem Grunde eine Reorganisation Platz greifen muß, wird niemand bezweifeln wollen.

Welche Mittel aber auch immer versucht werden, um die Wirksamkeit der Bewirtschaftung und damit auch der Versorgung zu verbessern, so wird solchen Anstrengungen im Augenblick doch immer nur ein partieller Erfolg zuteil werden können. Zugegeben, daß die Umstellung von Hersteller- auf Endverbraucherkontingente mancherorts eine wesentliche Verbesserung bedeutet, daß die gerade jetzt durchgeführte Vereinheitlichung der Bewirtschaftungssysteme für die amerikanische und britische Besatzungszone manche bedenklichen Lücken schließt, und daß sich insbesondere mit einer besseren Rohstoff-Versorgung der Wirtschaft die natürlichen und künstlichen Stauungen im Güterfluß in gewissem Umfange von selbst auflösen – eine wirklich gesunde wirtschaftliche Grundlage werden wir, wie die Erfahrungen des Alltags uns immer wieder lehren, durch dieses Flicken und Verstopfen der brüchig gewordenen Dämme oder mehr noch durch das Herumkurieren an den Symptomen nicht zurückgewinnen.

Das deutsche Volk weiß es heute aus mancherlei Verlautbarungen, daß eine Währungsreform wohl in nicht mehr allzu ferner Zeit zu erwarten steht, und deshalb sind es nicht immer nur amoralische Triebe, sondern es ist oft mehr die Lebensangst, die den vor einer scheinbar undurchsichtigen Zukunft stehenden Menschen zu Handlungen veranlaßt, die unsere so sehr geschwächte Wirtschaft noch weiter lähmt und die sozialen und politischen Gegensätze noch stärker aufreißt. Umso wichtiger erscheint es mir, zu jenem viel erörterten Thema „Währungsreform“ unter wirtschaftspolitischem Aspekt hier etwas Grundsätzliches zu sagen.

Vorweg das eine, daß sie nicht eine Geisel [sic!] bedeutet, das Maß der Prüfungen voll zu machen. Diese Reform wird wohl allen immer noch vorhandenen Illusionen ein jähes Ende setzen und die harten Realitäten unseres gesellschaftswirtschaftlichen Lebens mit aller Deutlichkeit und, wenn Sie wollen, auch mit aller Brutalität aufdecken. Aber dieser Prozeß trägt in sich zugleich die heilenden Kräfte, schafft die Grundlagen für eine neue Ordnung und die nützliche Anwendung unserer Arbeit und gibt dieser damit wieder Sinn und Inhalt. Daß eine Währungsreform mehr sein muß als eine nur finanzwirtschaftliche oder gar nur finanztechnische Operation, daß sie den wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen in gleicher Weise Rechnung zu tragen hat, ist gerade auch von Seiten des Wirtschaftsrates oft und unmißverständlich betont und gefordert worden. Ich bin der Meinung, nein, ich bin der Überzeugung, daß diese drei Elemente der Aktion nicht miteinander in Widerspruch stehen und mit verkrampften Konstruktionen zusammengehalten werden müssten, sondern daß sie ein organisches Ganzes bilden, das nicht zu zerstören allen am Herzen liegen muß, die um der Zukunft unseres Volkes willen eine wirkliche Gesundung unseres gesellschaftswirtschaftlichen Lebens wollen.

Jene finanzwirtschaftliche Operation wäre – als isolierte technische Maßnahme betrachtet – eine relativ simple Aufgabe, aber diese zahlenmäßig glatte Rechnung ginge ohne Inbeziehungsetzung zu den sozialen Erfordernissen und wirtschaftlichen Möglichkeiten eben doch nicht auf. Der Zusammenhang ist unlösbar, aber gerade deshalb, gerade weil die Währungsbereinigung anders als bei anderen Teilreformen alle Bereiche des Lebens einer Nation berührt und erfaßt, ist die deutsche verantwortliche Mitarbeit nicht nur an den technischen Aufgaben, sondern an den Grundlegungen unerläßlich. Es ist meine feste Überzeugung – ihr habe ich als Vorsitzender der Sonderstelle Geld und Kredit Gestalt zu geben versucht, und ich will diese Überzeugung auch in meinem jetzigen Amte mit dem größten Ernst wahren –, daß die in der Währungsreform sichtbar werdenden, unabdingbaren Opfer nur dann nicht zur Auflösung der sozialen Ordnung treiben, wenn sie eine gerechte Umlegung erfahren, wenn der ehrliche Wille zu einem Lastenausgleich mit der Reform auch zur Tat wird.

(Sehr richtig! – rechts)

Ich versichere Ihnen, alles in meinen Kräften stehende zu tun, um innerhalb meines Wirkungsbereiches jeden Versuch, sich dies[e]m Gebot entziehen zu wollen, zunichte zu machen.

(Bravo! – rechts)

Der Prozeß dieses Ausgleichs hängt, vor allem hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs, selbstverständlich weitgehend von der Technik und dem materiellen Inhalt der Währungsreform ab. Sicher aber ist das eine, daß die Lösung nicht in der Aufteilung der Masse, sondern wesentlich in einer dem Ausgleichsgedanken Rechnung tragenden Verteilung der gesamten volkswirtschaftlichen Erträge gefunden werden muß. Der Lastenausgleich bewirkt somit unbeschadet der Möglichkeit eines realen Besitzausgleichs im Grundsatz eine Andersverteilung des Volkseinkommens bzw. des Sozialproduktes. Gerade deshalb aber wird ein Erfolg umso sicherer, rascher und nachhaltiger erzielt werden können, je besser es uns gelingt, unsere Wirtschaft aus der Lethargie zu befreien und nach dann wieder möglichen wirtschaftlichen Grundsätzen die Erzeugung stetig auszuweiten. Nicht in der Nivellierung des Mangels und der Not, sondern in der gerechten Verteilung eines mählich wachsenden Wohlstandes muß das Heil gesucht und gefunden werden.

Wer sich der Bedeutung der Währungsreform bewußt ist und erkannt hat, wie gerade schicksalhaft von deren Erfolg nach fast jeder Richtung unsere Zukunft abhängt, der kann nur wünschen, daß sie von dem Mut zur Konsequenz getragen ist, das heißt, eine Regelung setzt, die die wirtschaftliche und soziale Zukunft unseres Volkes nicht mit den Sünden der Vergangenheit belastet, daß sie diese Störungselemente einer Wiedergesundung ausschaltet und so zuletzt gewährleistet, daß das aus neuer, ehrlicher Arbeit fließende Einkommen im Markte wieder volle güterwirtschaftliche Deckung findet. Diese nach landläufiger Auffassung harte Lösung ist nach meiner festen Überzeugung zugleich die sozialste, wenn sie nur für die nicht arbeits- oder einsatzfähigen Menschen die notwendigen sozialen Hilfen vorsieht. Es ist kaum mehr als ein Irrtum, sondern vielmehr als eine bewußte Irreführung zu bezeichnen, wenn in deutlich agitatorischer Absicht dem Volke vorzugaukeln versucht wird, als stünde es in der Macht oder dem guten Willen einzelner Menschen oder Gruppen, die Folgen dieser unseligen Erbschaft, die Verbrechen des nazistischen totalitären Systems ungeschehen zu machen, oder wenn gar der Eindruck erweckt wird, als sollte die Währungsreform dazu dienen, die Armen noch ärmer, die Reichen aber noch reicher werden zu lassen. Das deutsche Volk mag gewiß sein, daß solche Verbrechen sich nicht ereignen werden.

So positiv die Währungsreform als Voraussetzung einer wieder gesunden Wirtschaft und der wieder sinnvoll anzuwendenden Arbeit auch zu bewerten ist, so wird sie doch auch – dessen bin ich mir nur allzu sehr bewußt – große Härten auftreten lassen und Strukturumschichtungen von weittragender Bedeutung im Gefolge haben. Wir werden auch dann erst zu ermessen vermögen, welche krankhaften Verzerrungen unsere Wirtschaft durch die artfremde Ausbeutung und die asoziale Zielsetzung eines totalitären Regimes erfahren hat.

Ich erachte es aus diesem Grunde als unerläßlich, daß sich der Wirtschaftsrat schon in nächster Zeit mit den zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen auseinandersetzt und erblicke für meine Verwaltung meine Aufgabe im besonderen auch darin, in vorbeugender Planung Mittel und Wege zur Begegnung und Überwindung solcher Folgeerscheinungen zu ersinnen.

Lassen Sie mich Ihnen auch in großen Zügen die mutmaßliche Entwicklung aufzeigen, weil nur aus dieser Einsicht heraus die Wirtschaftspolitik von morgen zweckmäßig zu gestalten sein wird. Sie mögen daraus erkennen, daß ich durchaus keinem rosaroten Optimismus huldige, sondern mir der Schwere der Aufgaben nur zu bewußt bin.

Entgegen der bisher geübten Großzügigkeit in allen finanziellen Dingen wird die Währungsreform zunächst eine erhebliche Schockwirkung ausüben, die vielleicht sogar zu überängstlichen Dispositionen führen mag. Fast verlorengegangene Wirtschaftlichkeitserwägungen werden wieder zum bestimmenden Faktor des Handels, und man wird wieder sorgfältig zu kalkulieren beginnen. Nur die unmittelbar produktiven Kräfte können mit ungestörter Fortführung ihrer Arbeit rechnen, während alle Verrichtungen außerhalb dieser Sphäre tendenziell allmählich eine Zurückdrängung erfahren werden. Darüber hinaus ist aus bisher unsichtbaren Quellen ein Zustrom zum Arbeitsmarkt, von allem auch von weiblichen Personen, zu erwarten, ohne daß angesichts der bestehenden Unübersichtlichkeit genaue Schätzungen nach dieser Richtung möglich sind. Das Reservoir der Arbeitsuchenden wird noch Verstärkung erfahren aus dem Bereiche des Handels und der öffentlichen Verwaltungen, während das Handwerk das Volumen seines Arbeitseinsatzes, wenn auch mit inneren Verschiebungen, mutmaßlich wird behaupten können.

Wenn wir weiter in Rechnung stellen, daß angesichts des mindestens vorübergehend vorherrschenden Kapitalmangels für den Kapitalguetersektor der Industrie die Gefahr einer vielleicht nicht einmal unerheblichen Schrumpfung und dann auch der Freisetzung von Arbeitskräften ins Auge gefaßt werden muß, dann zeichnet sich in solcher Entwicklung nicht nur eine Strukturumschichtung, sondern auch das Phänomen einer latenten Arbeitslosigkeit ab, die es unter Berücksichtigung der Beengtheit der öffentlichen Haushalte mit allen Mitteln aufzufangen gilt. Das Ziel bleibt die Unterbringung aller freien Kräfte in der gewerblichen Wirtschaft und hier wieder besonders in der gütererzeugenden Sphäre, aber es wird von der Größenordnung dieser Erscheinung und von der Ausweitungsmöglichkeit unserer gewerblichen Produktion abhängen, ob auf solche Weise eine völlige Aufsaugung gelingen kann. In jedem Falle müssen im Zusammenwirken mit der jetzt konstituierten Arbeitsbehörde vorbeugend Unterbringungsprogramme entwickelt werden, die den materiellen, sozialen und finanziellen Gegebenheiten der Volkswirtschaft Rechnung tragen. Wenn auch mit der unerläßlichen Verbesserung der deutschen Arbeitsleistung tendenziell eine Reduzierung der Beschäftigtenzahl verbunden ist, so darf doch dank der durch die Erhöhung der Rohstoffeinfuhren erzielbaren Produktionsausweitung damit gerechnet werden, daß hier sogar eine Überkompensation Platz greift, so daß der Marshallplan den doppelten Vorteil sowohl der individuellen als auch der gesamtwirtschaftlichen Leistungssteigerung zeitigen würde. Die Wirtschaftspolitik muß im Hinblick auf eine möglichst konstante und volle Beschäftigung dahin zielen, zwischen dem mengenmäßigen Produktionsvolumen auf Grund der Rohstoffverfügungen, den vorhandenen Arbeitsplatzkapazitäten und der Leistungseffizienz der menschlichen Arbeit eine jeweils harmonische Entsprechung sicherzustellen. Weil hier jede Diskrepanz zu schweren sozialen Störungen führen müßte, ist diesen Gegebenheiten insbesondere in der Gestaltung der Einfuhr und der Ausrichtung der Industriepolitik Rechnung zu tragen.

Die angenommene Schwerpunktverlagerung von der Produktionsmittel- auf die Verbrauchsgüterindustrie wird auch von der Geld- und Kreditseite her erzwungen werden. Während die Sorge um hinreichende Bereitstellung von Betriebsmittelkrediten zur Fortführung der laufenden Produktion und zur Sicherung des Absatzes zwar verständlich, aber insofern doch nicht begründet ist, als währungspolitische Bedenken gegen die Einräumung kurzfristiger Warenumschlagskredite nicht bestehen und darum vor allem in der Form des Handelswechsels mobilisiert werden können, sind der Gewährung von Konsumptiv- und Investitionskrediten wie langfristigen Krediten überhaupt deshalb sehr enge Grenzen gezogen, weil beide trotz ihrer verschiedenartigen ökonomischen Beurteilung zunächst die gleiche Wirkung einer zusätzlichen, ungedeckten Nachfrage auf den Konsumgütermärkten auslösen. Es kann trotz der unbedingt notwendigen Steuerreform angesichts der unabdingbaren, hohen Belastung der Einkommen auch nicht erwartet werden, daß die deutsche Wirtschaft aus eigener Kraft zu rascher und ins Gewicht fallender Kapitalanreicherung befähigt wäre. Es wird vielmehr bereits erheblicher Anstrengungen bedürfen, dem weiteren Verschleiß unseres volkswirtschaftlichen Kapitals Einhalt zu gebieten, denn trotz der zu erwägenden Anreize zur Stärkung des Sparwillens unseres Volkes wird die materielle Lage solchen Zielen für die Übergangszeit noch relativ enge Grenzen setzen.

Wenn sich also nach diesem Bild für große Kapitalinvestitionen nur sehr geringe Chancen zu bieten scheinen, so wird aus dieser Situation das für kleinere Kapitalaufwendungen in Frage kommende Handwerk Nutzen ziehen. Es wird darum dafür Sorge zu tragen sein, daß dieses durch größere Bereitstellung von Bau- und Reparaturmaterial in die Lage versetzt wird, sowohl im Erzeugungssektor als auch in der Hauswirtschaft einem weiteren Verfall des Wohnraumes, aber auch der Produktions- und Gebrauchsgüter bis tief in die private Haushaltssphäre hinein, erfolgreich Einhalt zu gebieten.

Wenn hier gezeigt werden konnte, daß sich sowohl von der Geld- und Kreditseite als auch von der Nachfrageseite her eine starke Konzentration der Energien auf die Verbrauchsgüterproduktion vollziehen wird, so fällt auch bei dieser Entwicklung dem Handwerk eine bedeutsame Funktion zu. Auf der einen Seite wird die Dringlichkeit und Massenhaftigkeit des aufgestauten Bedarfs zur industriewirtschaftlichen Serienanfertigung typisierter und normierter Gebrauchs- und Verbrauchsgüter drängen, während auf der anderen Seite das Handwerk berufen erscheint, der dadurch drohenden Schablonisierung und Kollektivierung des Verbrauchs durch individuellere Gestaltung und Prägung des Werkstoffes zu steuern und zu seinem Teil wieder etwas von der Buntheit und Vielfältigkeit des Lebens in den Verbrauch hineinzutragen. Allein der Materialmangel wird die deutsche Wirtschaft zwingen, beide Fertigungsarten nebeneinander gleichermaßen zu pflegen.

Aber auch im Bereiche des Handels wird eine Währungsreform einschneidende Wirkungen zeitigen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Berufsstand, der in wesentlichen Teilen die außerordentlich wichtige volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen hat, die rohstofforientierte, stark spezialisierte Fertigung zu Verbrauchssortimenten zusammenzufassen und in optimaler Weise an den letzten Verbraucher heranzutragen, von dem Verfall unserer Wirtschaft besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. In gewissen Kreisen herrschte die durchaus irrige Vorstellung vor, als ob diese Tätigkeit die mindestens fachlichen Voraussetzungen erfordere und neben dem zeitbedingten Vorteil der Verfügung über Ware eine sichere Existenz gewährleiste. So kam es auf diesem Felde zu Lasten des bewährten, zünftigen Handels zweifellos zu einer Übersetzung, die nach meiner Überzeugung durch die Währungsreform außerordentlich rasch aufgesogen sein wird und die mit Gewißheit jene Elemente ausschaltet, die hier eine bequeme Konjunktur ausnutzen zu können glauben. Angesichts des beschränkten Umsatzvolumens und der geringen Differenziertheit unseres Sozialproduktes wird der Handel in vielen Bereichen bei voller Anerkennung seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung um seine Existenzerhaltung zu ringen haben und vor entscheidende Aufgaben der Rationalisierung und der inneren Organisation gestellt sein. Die Währungsreform wird dem ungesunden Prozeß einer tendenziellen Zunahme händlerischer Betätigung bei gleichzeitig schwindendem Sozialprodukt ein Ende setzen. Vergessen wir es aber nicht, daß die Vielgestaltigkeit der Handelseinrichtungen eines Landes ein besonders prägnantes Spiegelbild seiner Wohlfahrt abgibt, und daß mit der allgemeinen Erholung unserer Wirtschaft auch der Handel mehr und mehr in seine frühere bedeutsame Stellung hineinwächst.

Daß die öffentliche Verwaltung, und wenn ich hier im besonderen sagen darf, die Wirtschaftsverwaltungen im Zuge der Währungsreform eine starke Reduktion erfahren müssen, bedarf keiner Begründung. Hier offenbart sich eine noch krassere Anomalie in der Weise, daß die Bewirtschaftung mit zunehmender Ausweitung der Apparatur immer unwirksamer zu werden droht. Wenn dieser Fehlentwicklung auch bald Schranken gesetzt sein werden, so habe ich doch bereits verfügt, daß eine Kommission aus den besten Sachverständigen dreier Länder eine Überprüfung der Verwaltung für Wirtschaft vornehmlich mit der Zwecksetzung ihrer Reduktion vornehmen wird.

Zusammenfassend darf also wohl behauptet werden, daß die Währungsreform weitgehende Umgruppierungen sowohl hinsichtlich der gewerblichen Struktur als auch der arbeitsmarktpolitischen Verhältnisse mit sich bringen wird, die gerade unter den dann vorherrschenden materiellen und sozialen Bedingungen möglichst rasch zu einem neuen, organischen Ausgleich gebracht werden müssen. Eine erfolgreiche Währungsreform – und an eine andere können wir nicht denken – wird alle jetzt noch bequemen Auswege versperren, und es werden sich dann nur noch für volkswirtschaftlich nützliche Leistung und Arbeit Existenzmöglichkeiten eröffnen. Diesen harten, aber einzig möglichen Weg der Gesundung müssen wir endlich beschreiten und alles daran setzen, den Erfolg nicht zu gefährden.

Aus dieser und nur aus dieser Einstellung und Zielsetzung heraus glaubte ich vor allem auch als Währungssachverständiger geradezu verpflichtet zu sein, meine Bedenken gegen eine über das volkswirtschaftlich berechtigte Maß hinausreichende Entleerung der Läger und gegen die Preisgabe unserer letzten volkswirtschaftlichen Güterreserve anmelden zu müssen. Ich verwahre mich mit dem größten Ernst und mit aller Entschiedenheit auch nur gegen den Schein des Verdachts, als würde ich die Hortung als einen kriminellen Tatbestand billigen oder gar rechtfertigen wollen, und brandmarke als Verleumder alle diejenigen, die sich in dem Bestreben eindeutiger privater Bereicherung auf jene meine Erwägungen berufen zu können glauben. Ich habe deshalb auch in meinem Amte Anweisungen ergehen lassen, daß der Einhaltung der Bewirtschaftungsvorschriften jetzt besonderes Augenmerk zuzuwenden und vor allem dafür Sorge zu tragen sei, daß die aus laufender Produktion fließenden Güter der Versorgung unseres Volkes zugute kommen.

Im Hinblick auf das Gelingen der Währungsreform – und diese Entscheidung fällt in den ersten Monaten nach der Aktion – sollte diese ernste Frage in keinem Falle zum Gegenstand parteipolitischer Agitation herabgewürdigt werden. Ich spreche wieder nicht von der Hortung, wenn ich sage, daß eine radikale Lagerauflösung vor der Reform ungefähr der verhängnisvollste Schritt sein würde, den man sich überhaupt denken könnte,

(hört, hört!)

denn nicht nur daß bei den derzeitigen Erfahrungen eine Verteilung an die Würdigsten und Bedürftigsten nicht gewährleistet wäre, müßte die verfügungsfreie Kaufkraft trotz Marshall-Plan-Hilfe mindestens für die Dauer eines durchschnittlichen Produktionsumschlags ins Leere stoßen. Je nach dem materiellen Inhalt der Währungsreform wird dieses Problem zwar mit unterschiedlichem Gewicht auftreten, aber es wird in jedem Falle entscheidend sein. Ich habe persönlich deutlich genug bekundet, daß ich den Erlaß eines Enthortungsgeetzes mit einer klareren Umreißung des Tatbestandes für wünschenswert erachte, und hoffe Sie dennoch überzeugen zu können, daß es keinen Widerspruch bedeutet, wenn ich sage, daß es ein Überschreiten des kritischen Punktes, d.h. ein Eingriff in die angemessene volkswirtschaftliche Güterreserve, Sie mit einer Verantwortung belasten würde, die Sie um eines ungestörten und erfolgreichen Wiederaufbaues willen nach meiner Überzeugung nicht übernehmen können. Fragen Sie den Mann auf der Straße, was er sich von der Währungsreform erwartet – es ist nichts anderes als das, was ich als die entscheidende Grundforderung herausgestellt habe. Sage mir der, der gegenteiliger Meinung ist, wie er die güterwirtschaftliche Unterbauung der kaufkräftigen Nachfrage ohne den Einschuß der Lagerreserven bewerkstelligen will!

Welcher Art aber auch die Maßnahmen sind, die heute gemäß dem einmütigen Willen nach echter Enthortung zur Anwendung gelangen sollen, wissen doch alle Einsichtigen gut genug, daß in Ansehung des hier einschlägigen Personenkreises der Erfolg gewiß nur ein bescheidener sein wird und daß das eigentliche und wirklich interessante Problem das ist, jene Existenzen nicht sogar noch zu Währungsgewinnlern werden zu lassen. Wenn ich auch über keine Patentlösung zur totalen Abschöpfung solcher Gewinne verfüge, so ist doch eines ganz gewiß, daß die Erfassung von Hortungslägern nach der Währungsreform im Zeichen der Geld- und Kreditknappheit bei konsequenter Anwendung dieser Politik unendlich viel leichter sein wird als bei dem heutigen Zustand schier unbegrenzter Geldflüssigkeit. Zu jenem Zeitpunkt hoffe ich dann durch energische Erfassungsmaßnahmen endgültig dartun zu können, daß meine Einwände nicht dem Schutze amoralischer Interessen, sondern ausschließlich der Sicherung der künftigen Währung gelten sollten. Ich möchte aufrichtig wünschen, daß der Ablauf der Ereignisse mich nicht zwingen wird, zu meiner Entlastung auf diesen Tag und diese Ausführungen Bezug zu nehmen, denn nach diesem Leidensweg unseres Volkes und den unsäglichen Entbehrungen würde die Katastrophe einer mißlungenen Währungsreform seinen letzten Lebenswillen gar vollends brechen müssen.

Bei allen Betrachtungen gehe ich selbstverständlich von einer Konzeption aus, die sich nicht allein mit einer quantitativen Verbesserung des Mißverhältnisses zwischen Warenangebot und kaufkräftiger Nachfrage begnügt, sondern das Übel an der Wurzel packt. Jede Regelung, die uns aus fortbestehender, wenn auch schwerer Diskrepanz dennoch dazu zwingen würde, die bisherige Form der Bewirtschaftung einschließlich des Preisstops als das auch künftige Wirtschaftssystem beizubehalten, jede Regelung, die dem Spuk der preisgestoppten Inflation nicht ein jähes Ende setzt, sondern aufs neue den Prozeß der Bildung überschüssiger Kaufkraft anstieße, würde entweder noch weitere Währungsaktionen notwendig machen oder wäre sogar das Unheil zu verewigen geeignet. Von einer Wirtschaftspolitik könnte jedenfalls für die Zukunft nicht gesprochen werden, wenn eine derart düstere Aussicht sich erfüllt. Die Probleme würden die gleichen bleiben wie heute, und auch die Mittel blieben gleich unwirksam. Mit der entschiedenen Ablehnung dieses Wirtschaftsprinzips predige ich durchaus nicht die Rückkehr zu den liberalistischen Wirtschaftsformen historischer Prägung und einem verantwortungslosen Freibeutertum einer vergangenen Zeit.

Die ewige Spannung zwischen Individuum und Gemeinschaft läßt sich in keinem Falle durch die Negierung und Verleugnung des einen oder anderen überwinden, sodaß die Frage immer nur die Prinzipien und Formen betrifft, nach denen sich der Mensch ohne die Preisgabe seiner selbst den höheren Formen der Gesellung einzuordnen, aber wohl gemerkt nicht unterzuordnen hat. Daß das heutige Prinzip gerade unter dem Aspekt im originären Sinne angesprochen werden kann, sondern entweder in freiere marktwirtschaftliche Formen oder aber zum absoluten Totalitarismus übergeleitet werden muß, wird jedermann anerkennen, der sich des Zwangscharakters unserer wirtschaftlichen Lage aus dem währungspolitischen Chaos heraus bewußt ist. Wenn auch nicht im Ziele völlig einig, so ist doch die Richtung klar, die wir einzuschlagen haben – die Befreiung von der staatlichen Befehlswirtschaft, die alle Menschen in das entwürdigende Joch einer alles Leben überwuchernden Bürokratie zwingt, die jedes Verantwortungs- und Pflichtgefühl, aber auch jeden Leistungswillen ertöten und darum zuletzt den frömmsten Staatsbürger zum Rebellen machen muß.

(Bravo! rechts.)

Es sind aber weder die Anarchie noch der Termitenstaat als menschliche Lebensformen geeignet. Nur wo Freiheit und Bindung zum verpflichtenden Gesetz werden, findet der Staat die sittliche Rechtfertigung, im Namen des Volkes zu sprechen und zu handeln.

Im Konkreten heißt das, daß wir nach einer Währungsreform dem menschlichen Willen und der menschlichen Betätigung sowohl nach der Produktions- als auch nach der Konsumseite hin wieder größeren Spielraum setzen und dann auch automatisch dem Leistungswettbewerb Möglichkeiten der Entfaltung eröffnen müssen. Wo immer die Gesellschaft bei solcher Entwicklung Fehlleitungen oder Gefahren befürchtet, da mag sie durch sozial-, wirtschafts- oder finanzpolitische Maßnahmen Grenzen ziehen oder Regeln setzen, – ja, sie wird das in Zeiten der Not sogar tun müssen, aber sie kann und darf ohne Schaden für die Gesamtheit nicht den ursprünglichsten Trieb der Menschen unterdrücken und ertöten wollen. Die herkömmlichen Vokabeln, wie freie Wirtschaft oder Planwirtschaft, sind in der Parteien Streit schon so stark abgenutzt und verwässert, daß sie für ernsthafte Darlegungen unbrauchbar geworden sind. Die Auffassung, daß die in sinnvoller Kombination und Ausrichtung angewandten Mittel der großen Staatspolitik in dem eben erwähnten Sinn einer planvollen Lenkung der Wirtschaft nicht gestatteten, sondern daß dazu viel weiterreichende, den Staatsbürger unmittelbar lenkende Eingriffe vonnöten wären, ist einer der weltgeschichtlich tragischen Irrtümer, denn es gibt historische Beispiele genug dafür, daß aus dieser Art von Lenken bald ein Gängeln, ein Befehlen und ein bedingungsloses Unterdrücken wird.

(Sehr wahr!)

Jedes System, das dem Individuum nicht in jedem Falle die freie Berufs- und Konsumwahl offen läßt, verstößt gegen die menschlichen Grundrechte und richtet sich, wie die Erfahrung lehrt, zuletzt gerade gegen diejenigen sozialen Schichten, zu deren Schutz die künstlichen Eingriffe gedacht waren.

(Sehr wahr! rechts)

Wer würde z. B. heute noch bestreiten wollen, daß unter der geltenden Zwangswirtschaft, die allerdings gewiß von all[...]en abgelehnt wird, aber die ja doch zuletzt der Fluch der bösen Tat ist, sowohl in der Produktions- als in der Konsumptionssphäre gerade die Schwachen und Armen am meisten gelitten haben, und daß dieses System, das sie bedrückt und gedemütigt hat, gerade von diesen Schichten unseres Volkes am tiefsten verabscheut wird.

Ich bin, um hinsichtlich des akuten Geschehens vielleicht manche Bedenken zu zerstreuen, durchaus nicht der Auffassung, daß es möglich oder auch nur wahrscheinlich sein würde, mit oder unmittelbar nach der Währungsreform die Bewirtschaftung im ganzen aufzuheben, – wohl aber wird man mit dem Ziel der Aufhebung jeweils sehr sorgfältig zu prüfen haben, in welchen Sektoren und in welchem zeitlichen Phasenablauf die Ordnung der Märkte wieder dem Wettbewerb und der freien Preisbildung überlassen bleiben kann. Die dogmatisch gebundene Auffassung, daß dieses marktwirtschaftliche Prinzip tendenziell zu einer Kürzung des Lohnanteiles führen würde, hält der praktischen Erfahrung nicht stand, ja, wird durch diese sogar widerlegt. Es ist an vielen Beispielen nachzuweisen, daß die Kapitalkomponente und die Eigenkapitalbildung der Unternehmungen und der gebundenen Wirtschaft durchschnittlich höher lagen als in der Wettbewerbswirtschaft und daß der Kapitalfaktor am gewichtigsten in der eigentlichen Staatswirtschaft, gleich welcher Prägung, in Erscheinung tritt.

(Sehr wahr! recht[s])

Es wird dabei auch allzu leicht übersehen, daß der Wettbewerbsgedanke ja nicht etwa nur ganz bestimmte Schichten berührt, während die übrigen nur die Folgen zu tragen hätten. Leistungsunterschiede bestehen auf jeder Ebene, und immer ist es gerechtfertigt, diesen auch im Einkommen Ausdruck zu geben. In unserer bedrängten Lage gar erweist sich eine allgemeine Leistungssteigerung als unabweislich, wenn nicht trotz aller Hilfen und sonstigen äußeren Anstrengungen der deutsche Lebensstandard auf einem unerträglich tiefen Niveau verharren und wenn nicht jeder unentbehrliche Warenaustausch über die Grenzen unseres Landes hinaus mit den größten Opfern erkauft werden soll. Die materiellen Verluste an Sachkapital aller Art und der daraus resultierende Zwang zu dessen Regeneration, der Verschleiß und die Rückständigkeit der technischen Apparatur, die durch lange Entbehrungen tief herabgesunkene menschliche Arbeitskraft, der Einstrom von Millionen Flüchtlingen und die Verpflichtung zu deren vorrangiger Versorgung, der volkswirtschaftlich ungünstige Alters- und Geschlechtsaufbau der deutschen Bevölkerung, die über Gebühr lange Abschnürung von den Märkten der übrigen Welt – das alles sind fast nur Beispiele jener negativen Faktoren, die es begreiflich erscheinen lassen, nein, die es zwingend beweisen, daß nur der stärkste Leistungswille aus den uns verbliebenen materiellen, geistigen und seelischen Kräften noch genug an wirtschaftlichem Ertrag herausholen kann, um wenigstens die Existenzgrundlagen unseres Volkes zu sichern. In dieser bedrängten Lage wird es sich, wenn wir wieder ehrlich rechnen können, erweisen, daß für eine Differenzierung der Einkommen bzw. der Lebenshaltung nur wenig Raum bleibt, und daß hier eben jene verpflichtende Bindung, von der ich sprach, unabhängig von wirtschaftlichen Systemen, die soziale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik nicht nur zu einem Erfordernis, sondern auch zu einem Gebot macht. Weil wir aber mit aller Kraft aus dieser Not herausstreben, wäre die persönlichkeitsertötende Gleichmacherei ein falsch verstandenes soziales Ethos, das niemandem helfen, dem ganzen Volke aber schaden und den Weg in eine bessere Zukunft uns verbauen würde.

Eine Wirtschaft, die Leistungen messen und vergleichen, ja, die Leistungssteigerung an die Spitze stellen muß, kann auf das Mittel der Preispolitik nicht verzichten. Ich meine hier Preispolitik im weitesten Sinne, die die Steuer- und Tarifpolitik, die Lohnpolitik, aber auch die Geld- und Kreditpolitik gedanklich mit einschließt. Auch hier ist wieder die Beziehungnahme auf die Währungsreform zwingend, denn die technische Aktion der Bereinigung der Geldverhältnisse bliebe Stückwerk, wenn sich auf neuer, gesunder Grundlage nicht ein wirklich organischer Ausgleich vollziehen könnte und die Ventile verstopft blieben, die uns die Reaktion auf fehlgeleitete, private und staatliche Planung anzeigen. Der Preisstop bot den Deckmantel für die bewußt ins Chaos treibende Staatspolitik. Der Preisstop erlaubte die Mißwirtschaft und die Ausbeutung aller arbeitenden Menschen, der Preisstop war folgerichtig der Wegbereiter jener staatlichen Zwangswirtschaft, die die politische Atmosphäre vergiftet und die wir nicht verwässern, sondern beseitigen müssen, um auch wieder moralisch gesunden zu können. Wir mögen auch hier zur Vermeidung sozialer Härten für eine Übergangszeit noch gewisse Bindungen fortbestehen lassen, aber im Prinzip darf es auf diesem Gebiet keine Kompromisse geben, wenn die Währungsreform als ein dynamischer Prozeß erfolgreich zu Ende geführt werden soll. Die freie Preisbildung würde noch nicht einmal zu dem System einer Planwirtschaft in Widerspruch stehen, wenn die planende Behörde nur einsichtig genug ist, sich dem Votum des Marktes, und das heißt der Stimme des Volkes, zu unterwerfen. Eine freie Preisbildung aber ist völlig unerläßlich, wenn sich ein freier Güteraustausch mit der übrigen Welt wieder auf fester, intervalutarer Grundlage manifestieren soll.

Nur unter dieser Betrachtung erscheint es auch sinnvoll, von nun an bis zum Vollzug der Währungsreform Preiskorrekturen dergestalt in die Wege zu leiten, daß die nach der Währungsreform für die Haushalte untragbaren Subventionen entfallen können, zugleich aber mindestens im Mittel eine innerbetriebliche Kostendeckung erreicht wird.

(Abg. Dahrendorf: Wie denken Sie über die Löhne, Herr Professor Dr. Erhard?)

– Die Löhne sind selbstverständlich ein Preis wie jeder andere! – Bei dieser Preisangleichung wird man zwar prinzipiell bestrebt sein, den mutmaßlichen Marktpreisen nahe zu kommen, aber der Rechenstift sichert auch hier keine volkswirtschaftlich richtige und sozial tragbare Preisfindung. Eine Fixierung auf der Kostengrundlage kann bei der unzureichenden Kapazitätsausnutzung als dann zweifellos überhöhter Preis so wenig in Frage kommen, wie andererseits auch eine zu niedrige Festlegung untragbar erschiene, die trotz aller Anstrengungen kostenmäßig nicht erreicht werden könnte. Wir bewegen uns hier zwischen Grenzpunkten, deren absolutes Niveau noch durch die Lohnkosten und die Lohnpolitik entscheidend tangiert wird. Weil ich gewiß weiß, daß nach zwölfjähriger Geltung des Preisstops alle Preise in sich und in ihren Relationen falsch sein müssen, kann es sich, von der neuen Preisbildung für Grundstoffe ausgehend, bei den eingeleiteten Aktionen nur um relativ rohe Preisangleichungen und Lohnkorrekturen handeln, während eine wirkliche Bereinigung dieses volkswirtschaftlich vielleicht wichtigsten Problems erst nach der Währungsreform möglich erscheint. Die Beziehung von Preisen und Löhnen wird das wahre Bild unserer ökonomischen und sozialen Situation entschleiern, aber es wird auch unsere Einsicht mehren, daß wir mit unseren Mitteln haushalten müssen, und daß unsere Bedrängnis nur durch vermehrte Arbeit und einen höheren Arbeitsertrag zu überwinden ist.

Auf dieser Ebene der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik fällt die Entscheidung über die Beteiligung der einzelnen und der sozialen Gruppen am Sozialprodukt, demgegenüber alle nachträglichen Kontrollen und Korrekturen durch subalterne Zuteilungsbeamte nur eine Störung der ökonomischen Ordnung mit sich bringen können. Es zeigt sich im Hinblick auf die möglichen Alternativen der Wirtschaftspolitik ganz deutlich, daß die in sich widerspruchsvollen Elemente nicht nebeneinander fortbestehen dürfen. Man kann die Lebenshaltung nicht gleichzeitig durch die Lohn- und Einkommenspolitik und daneben noch durch die staatliche Gewährung der Ablehnung von Bezugsrechten steuern, so wenig nach der Währungsreform die Produktionswirtschaft einmal von der Güter- und gleichzeitig von der Geld- und Kreditseite her gelenkt werden kann. Auf solche Weise ergeben sich zwangsläufig Diskrepanzen, die entweder das widerspruchsvolle System ad absurdum führen oder aber neue, künstliche Eingriffe mit allen damit verbundenen nachteiligen Folgen erfordern. Umso notwendiger ist es, daß nach der Reform eine echte Koordinierung zwischen den wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen Platz greift und eine ständige Abstimmung der anzuwendenden Mittel sichergestellt wird. Die Errichtung einer eigens hierfür verantwortlichen Koordinierungsstellen [sic!], etwa in der Institution eines Währungsamtes, sollte sorgfältig geprüft, aber grundsätzlich ins Auge gefaßt werden.

Ich komme auf meine früheren Ausführungen zurück, in denen ich Währungsreform und Marshallplan-Hilfe als etwas untrennbar Zusammengehöriges bezeichnet habe und den besonders glücklichen Umstand hervorhob, daß wir nach der Bloßlegung unserer Not nicht vor einer fast ausweglosen Situation stehen, sondern dank dieser Unterstützung sofort den sicheren Weg eines planvollen Wiederaufbaues und der Gesundung beschreiten können. Planvoller Aufbau sei dabei nicht so gedeutet, als daß wir, wozu vielleicht die Lektüre der deutschen Vorschläge zu jenem Plan verleiten könnte, in ein enges und starres Schema der Mittelverwendung gepreßt werden. Es herrscht vielmehr auf allen Seiten Klarheit darüber, daß nach dieser Richtung weitgehende Freizügigkeit bestehen soll, wenn nur das Ziel – die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands im Rahmen des europäischen Wiederaufbaues – verfolgt und erreicht wird. Daß es sich hierbei um keine Isolierung, nicht um die Schaffung eines sich selbst genügenden, sogenannten Großraumes handeln kann, dafür bürgt nicht allein die Überwindung der politischen Hysterie, sondern die Einsicht, daß jede künstliche oder bewußte räumliche Beschränkung auch den materiellen Erfolg begrenzen würde und darum auch nicht im Sinne der Marshallplan-Politik liegen kann. Die deutsche Geschichte beweist es im Guten und im Bösen, daß unser Schicksal von der Befriedung der Welt abhängt und nur auf diese Grundlage unsere Wohlfahrt gedeiht. Wir sind uns deshalb sogar freudig unserer Verpflichtung und Verantwortung bewußt, uns nur als Teil eines größeren Ganzen zu fühlen und entsprechend zu handeln. Man wird aber auch umgekehrt Verständnis dafür haben, daß wir wenigstens einmal der drückendsten Sorgen ledig werden wollen, und daß wir erst mit zunehmender wirtschaftlicher Erholung in die Lage versetzt werden, von Empfangenden mehr und mehr auch zu Gebenden zu werden. Man mag berücksichtigen, daß die Marshallplan-Hilfe nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht für ein Land mit nur 40-prozentiger Ausnutzung seiner Leistungskapazitäten etwas völlig anderes bedeuten muß als für die übrigen europäischen Nationen, deren Volkswirtschaften vor allem wegen der Zerreißung und Isolierung, aber auch wegen der Kriegseinflüsse zwar gestört und in gewisser Hinsicht auch verzerrt sein mögen, in ihrer gesamten Leistungskraft aber auf einem ungleich höheren Niveau verharren.

Mit solchen Betrachtungen aber möchte ich nicht den ewigen Nörglern und Querulanten recht geben, die bereits Rechenexempel anstellen, ob Deutschland im Rahmen der gesamten Mittel auch zureichend bedacht wurde, sondern ich möchte umgekehrt an das Pflichtgefühl meiner Mitbürger appellieren, nun alle Wenn und Aber zurückzustellen und jedem einzelnen vor Augen zu führen, daß es von seiner Leistung, von seiner physischen und geistigen, aber auch von seiner seelischen Kraftentfaltung abhängen wird, ob es uns gelingt, die uns gewährten materiellen Mittel durch Ausnutzung aller Energien zu vervielfältigen. Aus eins zehn zu machen, ist kein Hexen-Einmaleins, sondern eine natürliche Aufgabe allen wirtschaftlichen Tuns. Wenn wir die Hilfe nur im Sinne eines Zuschusses zu unseren Konsumptionsfonds verstehen, dann kann uns auch mit wesentlich höheren Beträgen, dann kann uns überhaupt nicht geholfen werden. Wenn wir sie angesichts unserer erschöpften und ausgebluteten Volkswirtschaft nehmen als Grundlage zu neuem Beginnen, dann mag der Anstieg zwar noch immer steil und mühsam sein, aber wir haben dann doch wieder festen Boden unter den Füßen.

Das Bekenntnis zu unserem Willen und der Glaube an unsere Zukunft liegen abseits von optimistischen Spekulationen. Ich möchte sogar ausdrücklich vor Illusionen etwa solcher Art warnen, daß nach der Währungsreform mit Hilfe des Marshall-Planes auch sogleich eine wirklich ausreichende Versorgung sichergestellt wäre. Die höhere Kraftentfaltung und die höheren Rohstoffeinfuhren können sich erst mählich in verbrauchsreife Güter umsetzen, und es mag durchschnittlich ein halbes bis dreiviertel Jahr vergehen, ehe die Früchte dieser Anstrengungen sichtbar werden. Bis dahin aber steht aus der nach der Reform leicht erzwingbaren Auflockerung heimischer Läger und dem laufenden Zustrom von Gütern aus alliierten Heeresbeständen eine immerhin fühlbare Verbesserung der Versorgung zu erwarten. Diese auf reale Tatbestände gestützte Voraussage hat also mit Prophetie nichts gemein und kann deshalb in voller Verantwortung gegeben werden. Der Erfolg wird umso früher, umso nachhaltiger und sicherer eintreten, je mehr Währungsreform und Marshall-Plan-Hilfe auch im zeitlichen Ablauf zusammenstimmen, und deshalb werde ich dieser Frage, soweit mein Einfluß reicht, auch besondere Aufmerksamkeit schenken.

Den mechanischen Ablauf der Ereignisse darüber hinaus vorweg bestimmen zu wollen, wäre ein müssiges [sic!] Beginnen, weil hier eben nicht nur materielle Faktoren, sondern wesentlich auch unwägsame Imponderabilien psychologischer und soziologischer Art ins Gewicht fallen. In erster Linie gehört dazu die nicht allein im Rationalen wurzelnde feste Überzeugung des deutschen Volkes, daß der Entfaltung seiner Kräfte zur Sicherung seiner Existenz nicht nur keine Schranken mehr gesetzt sein sollen, sondern daß man dieser friedlichen Arbeit sogar Förderung zuteil werden lassen will. Soweit solche widerspruchsvollen Regelungen noch bestehen, möchten wir deshalb hoffen dürfen, daß sich in der Folgezeit eine Angleichung im Geiste der Marshall-Plan-Politik vollziehen läßt.

Die Konstruktion dieses Planes läßt – und dieser Vorteil wird nur allzu leicht übersehen – nicht nur Warenimporte nach Deutschland fließen, sondern schafft auch die Grundlage für eine neue Kapitalausstattung. Der gesamte Einfuhrzuschuß in Höhe von rund 1 ¼ Milliarden Dollar schlägt sich mit dem Verkauf der Güter an deutsche Erzeuger oder Verbraucher in einem Fonds von mehreren Milliarden deutscher Währung nieder, der, soweit Kredite in Frage stehen, angesichts deren langfristigen Charakters zunächst nicht transferiert zu werden braucht. Wenn auch über Form und Art der Verwendung dieser Mittel und über das Ausmaß der eigenen Verfügungsgewalt noch keine Festlegungen getroffen sind, so ist deren Einsatz doch zwangsläufig nur innerhalb der deutschen Volkswirtschaft möglich, und es entspricht nur dem Charakter dieses Fonds, wenn er für produktive Zwecke Verwendung findet.

Ja, hier eröffnet sich geradezu ein Ausweg aus einer Bedrängnis. Wenn Sie sich daran erinnern, was ich Ihnen auf der einen Seite über die absolute Kapitalnot unserer Wirtschaft nach der Währungsreform, andererseits über die Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung unseres Produktivkapitals berichtete, wenn Sie sich im Hinblick auf die vorgezeichnete Strukturumschichtung vergegenwärtigen, daß der große Sektor der Kapitalgüter- und Investitions-Industrie und der Millionen in ihm tätigen Menschen zu seiner Fortführung einer größeren Kapitalverfügung bedarf, dann kann dieser spezifische Vorteil der Marshall-Plan-Hilfe überhaupt nicht hoch genug veranschlagt werden. Er schließt in gewisser Hinsicht die Lücke, die einem erfolgreichen Aufbau entgegensteht. Er addiert nicht nur, sondern er akkumuliert die Umsetzung der materiellen Hilfe in produktive Kraft. Unsere Wirtschaftspolitik muß nur dahin zielen, daß diese Mittel nicht ausschließlich für ein paar große öffentliche Programme Verwendung finden, sondern daß durch geeignete Konstruktion auch der private Kapitalbedarf der Industrie und hier vor allem auch wieder der kleineren und mittleren Betriebe, befriedigt wird. Nur auf solche Weise ist ein organischer Aufbau unserer Wirtschaft ohne soziologische Störungen und ohne neue Verzerrungen zu bewerkstelligen. Andere Verwendungsmöglichkeiten dieses Kapitalstocks, wie z. B. zum Ausgleich öffentlicher Haushalte, sind zwar theoretisch denkbar, würden aber den Erfolg des Planes schmälern und unsere Volkswirtschaft für die Zukunft nicht unerheblich belasten. Gerade aus diesem Grunde kommt dieser Frage eine so große wirtschaftspolitische Bedeutung zu, daß ich mich zu breiterer Behandlung verpflichtet fühlte.

Die Ein- und Ausfuhrbilanz bewegt sich für unser Wirtschaftsgebiet im ersten Marshallplan-Jahr auf der Höhe von knapp zwei Milliarden Dollar, wovon rund 700 Millionen Dollar durch unsere Exporte abgedeckt werden sollen. Von ihnen wieder entfällt rund die Hälfte auf Grundprodukte, wie Kohle, Holz, Schrott und dergleichen, während ein etwa gleich großer Betrag die Ausfuhr von Fertigware und die Hingabe von Dienstleistungen betrifft. Alle Anstrengungen werden darauf zu richten sein, das Schwergewicht unserer Ausfuhr in den folgenden Jahren immer mehr auf den Export deutscher Veredelungsarbeit zu legen, obwohl sich schon heute ganz deutlich erweist, daß wir hier vor unüberwindlichen Schwierigkeiten stehen, wenn nicht in aller Kürze die deutschen Vorschläge zur Erleichterung der Ein- und Ausfuhr Anerkennung und Anwendung finden.

(Sehr richtig! rechts)

Die Hoffnung auf Überwindung dieser Hemmnisse ist, weil diese in der Wirkung dem Geist des Marshall-Planes zuwiderstehen würden, nach meiner Überzeugung wohl berechtigt.

(Erneute Zurufe rechts: Sehr richtig!)

Bei unserem Export muß an die Stelle einer vorherigen Genehmigung eine nachträgliche Kontrolle der Devisenablieferung treten. Bei der Einfuhr soll die Importlizenz zu einer Devisengenehmigung in der Weise umgestaltet werden, daß die Außenhandelsbanken an Stelle der Glossar:Joint Foreign Exchange Agency Akkreditive stellen dürfen. Eine starke Einflußnahme deutscher Behörden und Kaufleute beim Abschluß zweiseitiger Handelsabkommen und deren großzügigere Handhabung und Erweiterung auch auf sogenannte non essential goods wird unerläßlich sein, wenn die gewünschte enge Verflechtung und Ergänzung der Volkswirtschaften Wirklichkeit werden soll. So sehr im Grundsatz multilaterale bilateralen Abkommen vorzuziehen sein mögen, so zwingen uns doch heute mannigfache Störungen, besonders solcher währungspolitischer Art, das theoretisch primitivere Verfahren auf.

Was endlich den Umrechnungskurs anbetrifft, über den gerade in der letzten Zeit so viel diskutiert wurde, möchte ich sagen, daß die Relation von RM 1,– gleich 30 Cents auch nur als eine Übergangslösung zu werten ist. Die Fixierung eines einheitlichen Kurses erachte ich als einen Fortschritt, aber ich bin sicher, daß dieser mit der Veränderung unseres heimischen Preisniveaus ebenfalls Revisionen unterliegen wird,

(Sehr richtig! rechts)

und daß wir angesichts der Ungeklärtheit der preispolitischen Verhältnisse auch auf den Weltmärkten mit der Stabilisierung der deutschen Währung nicht sofort daran denken können, den dann geltenden Umrechnungskurs zu einem echten Wechselkurs auszugestalten und diesen mit den herkömmlichen Mitteln zu manipulieren. Auch in dieser Sphäre wird sich der deutsche Wiederaufbau nur stufenweise vollziehen lassen, aber jeder Schritt vorwärts wird uns größere Klarheit und Sicherheit bringen.

Es ist interessant, daß die Vorschläge für einen deutschen Wechselkurs außerordentlich stark voneinander abweichen, wenn es auch verständlich ist, daß nach der jeweiligen Interessenlage andere Berechnungen vorgenommen werden. Meist wird indessen dabei vergessen, daß wir nicht nur Export-, sondern auch Importinteressen haben, und daß zwischen diesen beiden ein Ausgleich gefunden werden muß. Vor allem aber haben wir die Vorstellung zu überwinden, daß der Umrechnungs- oder Wechselkurs ein handelspolitisches Instrument und dazu ausersehen sei, die Wirkungen ökonomischer Tatbestände durch Rechenkunststücke zu verändern oder sogar zu beseitigen. Es gibt nach meiner Überzeugung trotz der Schwierigkeit seiner Fixierung nur einen richtigen Wechselkurs, der in Anlehnung an den Preisstandard zweier Länder einen möglichst organischen Ausgleich echter Äquivalente gestattet und fördert. Jedes andere Prinzip verfälscht den Gedanken des ehrlichen Tausches und kann nur zur Störung des Außenhandels und der internationalen Beziehungen überhaupt führen.

Lassen Sie mich endlich zusammenfassen: Ich bin mir bewußt, Ihnen ein Programm nur in großen Zügen vorgetragen und dabei vielleicht manches nicht gesagt zu haben, das für Sie zu wissen wünschenswert gewesen wäre. Seien Sie dann, bitte, davon überzeugt, dass dem keine Absicht zugrunde gelegen hat, daß ich auf jede Ihrer Fragen freimütig zu antworten bereit bin. Wenn mir auch rein verwaltungsmäßig die Betreuung von Industrie, Handel und Handwerk obliegt, so fasse ich doch gerade in wirtschaftspolitischer Beziehung meine Aufgabe als wesentlich weiter gesteckt auf und fühle mich dafür verantwortlich, daß die von mir verfolgten Ziele nicht im Sinne einer Interessenpolitik nur einzelnen Schichten zugute kommen, sondern der Wohlfahrt des ganzen Volkes zu dienen haben. Aus diesem Grunde erstrebe ich auch die engste Zusammenarbeit mit den Vertretungen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer und ich bin diese in Entscheidungen meines Amtes paritätisch einzuschalten immer bemüht. Je rascher es mir nach Maßgabe der äußeren Umstände gestattet ist, jenen Selbstverwaltungsorganen wirtschaftliche Funktionen zu übertragen, und je mehr die Wirtschaftsverwaltung selbst sich auf ihre ureigene Domäne der Wirtschaftspolitik beschränken kann, desto glücklicher werde ich sein, und desto glücklicher werden wir auch die Entwicklung nennen können.

Der Dualismus zwischen zentralistischer und föderativ gegliederter Wirtschaft wird so lange nicht zu beseitigen sein, als uns aus dem äußeren Zwang der Verhältnisse die Anwendung des derzeitigen Bewirtschaftungssystem[s] in seinen Formen vorgeschrieben ist. Solange wird aus der Natur der Sache heraus trotz aller gegenläufigen Tendenzen und Widerstände das zentralistische Prinzip immer obsiegen müssen, weil die dezentralisierte Planwirtschaft einen Widerspruch in sich selbst bedeutet. Wer in staatspolitischer Hinsicht den föderativen Aufbau verwirklicht sehen möchte – und zu diesem Grundsatz bekenne ich mich selbst –, der kann in wirtschaftspolitischer Hinsicht nicht die Planwirtschaft wollen, ohne sich selbst zu widersprechen.

(Zuruf rechts: Sehr richtig!)

Das Problem „Föderalismus oder Zentralismus“ wird jedoch nach der wirtschaftspolitischen Seite hin nicht mehr die Geister zu beherrschen brauchen, wenn mit der Neuordnung der Währung die Einflußnahme des Staates auf die Wirtschaft nur noch in den von mir vorgezeichneten Grenzen sich vollzieht.

Heute droht uns die Wirtschaft wieder einmal zum Schicksal zu werden. Diese These ist immer Ausdruck der Not, aber sie darf nicht anerkannter Grundsatz sein. So wie der einzelne Mensch des physischen Lebens bedarf, um jene geistigen und seelischen Kräfte entfalten zu können, die ihn erst zum Menschen werden lassen, so bedürfen auch ein Volk und seine Volkswirtschaft der materiellen Sicherung; aber sie bedürfen dieser auch nur als der Grundlage zur Erreichung außerökonomischer, höherer Ziele, deren Setzung der Staatspolitik obliegt. Ihr Vorrang ist unbestritten.

Ihnen als den berufenen Vertretern unseres Volkes einen Weg in eine neue Zukunft aufzuzeigen, in unserem Volke noch einmal den Glauben zu wecken, daß es nicht nur fatalistisch hoffen, sondern zuversichtlich an eine Wende glauben darf, wenn wir gemeinsam alle Energien auf dieses eine Ziel des zu neuer Wohlfahrt Gesundenwollens hinlenken, das sah ich vor den entscheidenden Ereignissen dieses Jahres 1948 als meine Aufgabe an. Wir glauben nicht an Wunder und dürfen solche auch nicht erwarten. Umso größer aber ist die Gewißheit, daß die ausschließlich friedlichen Zwecken und nur der Mehrung der sozialen Wohlfahrt zugewandte Arbeit eines fleißigen Volkes in enger Gemeinschaft mit der übrigen Welt Früchte zeitigen und es aus seiner Not erlösen wird. Aus rauer Gegenwart eröffnet sich ein versöhnlicher Ausblick in eine für unser Volk auch wieder glücklichere Zukunft.

(Lebhafter Beifall und Händeklatschen rechts).

Hier nach: Institut für Zeitgeschichte/Bundestag (Hrsg.), Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-1949. Bd. 2. Bearb. Christoph Weisz und Hans Woller. München-Wien 1977, S 436-445.


[Русская версия отсутствует]



Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-1949, hrsg. v. Institut für Zeitgeschichte und dem Deutschen Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, bearb. v. Christoph Weisz/Hans Woller, 6 Bände, München-Wien 1977, hier Bd. 2, S. 436-445.

Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947-1949 [Стенографические отчеты и печатная продукция Экономического совета Единого экономического пространства 1947-1949 гг.] / под. ред. Institut für Zeitgeschichte и Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste. Сост. C. Weisz и H. Woller. 6 томов, München-Wien 1977, здесь т. 2, с. 436-445.

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